Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Oktober 2001

Die Eucharistie als Opfer

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier Christi, unseres Königs, Versammelte!

Die heilige Messe ist ein Opfer. Das ist ein eherner Grundsatz der katholischen Lehre, und von ihm kann die Kirche niemals abgehen, weil sie sich nicht von der Wahrheit entfernen darf. Die heilige Messe ist ein Opfer. Diese Tatsache steht fest, aber sie ist mannigfacher Deutung fähig. Es haben viele – gläubige! – Theologen versucht, das Wesen des Meßopfers, den Opfercharakter der Messe zu bestimmen. Alle diese Versuche sagen etwas Richtiges, aber alle haben auch irgendwo ein Defizit. Wir wollen heute – zum letzten Mal – fragen: Wieso ist die Messe ein Opfer?

Man könnte denken, daß die Messe deswegen ein Opfer ist, weil Leib und Blut Christi gegenwärtig werden und von der Kirche geopfert werden; die Kirche bietet ja dem Vater im Himmel Leib und Blut Christi als Opfergaben an. Aber das ist zu wenig. Denn Leib und Blut Christi sind gegenwärtig als Opferleib und als Opferblut; sie tragen Opfergepräge. Seit dem Geschehen von Golgotha sind sie durch den Opfervorgang bestimmt. Sie sind schon in sich eine Opfergabe, also auch ohne daß die Kirche sie opfert, denn sie tragen das Opfergepräge für alle Ewigkeit an sich. Das scheint der Apostel Paulus auszusprechen, wenn er sagt: „Sooft ihr dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn.“ Das soll wohl sagen: Die Elemente, die in der Meßfeier gegenwärtig sind, können gar nicht gegenwärtiggesetzt werden, ohne daß sie das Opfergepräge, die Opferbestimmtheit an sich tragen. Man kann nicht anders essen und trinken, als indem man ein Opfer begeht, als indem man ein Opfer feiert. Die heilige Messe ist ein Opfer und das Gedächtnis eines Opfers, nämlich des Kreuzesopfers. Sie ist ein Opfer, indem sie das Gedächtnis eines Opfers ist. Das Kreuzesopfer wird in einem Kultakt der Kirche begangen. Der Kultcharakter der Eucharistie trägt in sich Opfercharakter.

Die Kirche spricht in der heiligen Messe in der Person Christi. Sie tut, was Christus getan hat. Der Priester sagt nicht: „Das ist der Leib des Herrn“, sondern: „Das ist mein Leib“, weil er sich nämlich in die Person Christi hineinversetzt, weil er die Rolle Christi übernimmt. Er spricht das Wort „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“ als Wort des Herrn. Und die Kirche spricht dieses Wort im Glauben, und das bedeutet, sie übereignet sich im Glauben an Christus. Indem die Kirche sagt: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“, übereignet sie sich dem Herrn. Dazu ist ja das Kreuzesopfer bestimmt, daß die Kirche es annimmt, daß es sich an der Kirche auswirkt, daß die Kirche in dieses Opfer hineingezogen wird. Das ist der Sinn des Kreuzesopfers. Es kommt erst zu seiner Erfüllung, wenn es von der Kirche angenommen und aufgenommen und wenn die Kirche in es hineingezogen wird. Die Kirche ergreift Christus, um lebendiger in ihn hineinzuwachsen, und Christus ergreift die Kirche, um sie in seine Existenz hineinzuziehen. Tod und Auferstehung des Herrn sind darauf hingerichtet, daß die Kirche an dieser Heilsbewegung Anteil gewinnt.

Jetzt verstehen wir, warum in der heiligen Messe an mehreren Stellen, auffallend häufig darum gebeten wird, daß Gott das Opfer annehmen möge. Das geht natürlich nicht auf das Opfer Christi. Das ist ja angenommen. Wir brauchen den Vater im Himmel nicht zu bitten, daß er dieses Opfer annimmt. Was angenommen werden muß, das ist unser Opfer, das ist unsere Beteiligung am Opfer Christi, das ist unsere Teilnahme am Kreuzesgeschehen. Darum müssen wir besorgt sein, denn wir sind sündig, und wir sind mit Fehlern behaftet. Deswegen müssen wir Sorge haben, daß Gott unser Opfer annimmt.

Das Meßopfer setzt sich aus zwei Momenten zusammen, nämlich aus dem Kreuzesopfer und aus der Teilnahme der Kirche. Das Meßopfer hat also ein Mehr gegenüber dem Kreuzesopfer, und dieses Mehr ist die Teilnahme der Kirche. Die Kirche selbst ist Opfergabe. Wir opfern im Geschehen der heiligen Messe Christus, und wir opfern uns selbst. Wenn wir uns nicht selbst opfern würden, dann würde uns das Opfer Christi gar nichts nützen. Wir müssen uns selbst opfern, damit das Opfer Christi seine Heilskraft an uns entfaltet. Die eucharistische Opfergabe ist Leib und Blut Christi und ist die Kirche, die sich mit Christus und in Christus opfert.

Die Glieder des Leibes Christi sind also in der heiligen Messe gegenwärtig, indem sie sich in und mit Christus opfern, und dieses Opfer ist natürlich ein geistiger Vorgang. Er geschieht im Glauben und in der Liebe. Gott will ja nicht das Opfer des durchbohrten Leibes von uns, Gott will das Opfer des zerknirschten Herzens. Wir müssen also in der Opferfeier mit Glauben und Liebe uns mit dem Opfer Christi vereinen. Fides et devotio, so nennt das die heilige Messe in dem zweiten Gebet nach der Präfation, Glaube und Hingabe. Gläubige Hingabe, hingebende Gläubigkeit, das ist es, was von uns im Meßopfer verlangt wird. Die Liebe hat natürlich eine doppelte Bewegung, nämlich nach oben zu Gott und nach der Seite zu den Menschen. Wenn wir also richtig und würdig am Meßopfer teilnehmen wollen, dann muß die Liebe zu Gott und zu den Menschen in uns aufflammen und muß sich verbinden mit jener Liebesflamme, die am Kreuze aufgeglüht ist.

Die heilige Messe ist die Feier des Herrenleidens. Sie ist also ein beziehentliches Opfer, ein relatives Opfer, d. h. ein Opfer, das auf ein anderes Opfer bezogen ist, nämlich auf das Kreuzesopfer. Die heilige Messe, das Meßopfer, ruht im Kreuzesopfer. Sie ist das sakramental gegenwärtiggesetzte Kreuzesopfer. Sie ist das von der Kirche gefeierte Kreuzesopfer. Die Einmaligkeit des Kreuzesopfers wird also durch das Meßopfer in keiner Weise angetastet. Es ist ganz falsch, wenn Luther meint, hier wäre ein Menschenwerk aufgerichtet neben dem Gotteswerk des Kreuzesopfers. Nein, was hier geschieht, ist die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers. Und die Gegenwärtigsetzung schließt die Applikation, die Zuwendung des Kreuzesopfers, der Heilskraft des Kreuzesopfers an die Menschen in sich. Repräsentation und Applikation bedingen sich gegenseitig. Indem die Kirche das Kreuzesopfer gegenwärtig setzt, partizipiert sie an seiner Heilskraft.

Hier wird also nicht ein Menschenwerk aufgerichtet, das den Glanz des Kreuzesopfers verdunkeln würde. Ganz im Gegenteil. Hier wird das Erlösungswerk des Herrn gegenwärtig, hier wird seine Kraft und Reichweite deutlich, hier geschieht die Auswirkung und Darstellung des Erlösungswerkes unseres Herrn. Hier wird nicht das Kreuzesopfer unseres Herrn verdunkelt, sondern hier wird es in helles Licht gestellt. Das Meßopfer ist keine Beeinträchtigung der Ehre unseres Herrn und Heilandes, der sich für uns geopfert hat, es ist die Offenbarung seiner Ehre und Herrlichkeit.

Amen.

 

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