Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. Oktober 2001

Die eucharistische Opfergemeinschaft

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Christus ist unser Hoherpriester. Er hat sein Opfer am Kreuze dargebracht in vorbehaltlosem Gehorsam, und in unermeßlicher Liebe hat er seinen Leib für das Leben der Welt dahingegeben. Sein Priesterdienst hat nicht aufgehört; er setzt ihn fort in der Herrlichkeit des Himmels. Von diesem priesterlichen Dienst ist auch umgriffen das Geschehen in der heiligen Messe, die Opferfeier, die Eucharistie. Christus ist in der Eucharistie nicht nur gegenwärtig mit Leib und Blut, er ist gegenwärtig als Opferpriester. Zu der Gegenwart von Leib und Blut müssen wir die Gegenwart des Wirkens hinzufügen. Christus wirkt in der Eucharistie, ja er ist der Hauptwirkende. Er wirkt nicht mehr wie am Kreuze in der Gebärde des menschlichen Leibes, sondern er wirkt durch die Kirche, aber er wirkt wirklich und objektiv, wenn auch mittelbar und indirekt. Er wirkt durch die Kirche. Er bedient sich der ganzen Kirche als des Werkzeuges für die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers. Er ist der Hauptopfernde, die Kirche geht in sein Opfer ein. Er hat der Kirche sein Opfer anvertraut, damit sie es darbringt und selbst sich mit seinem Opfer als Opfergabe dem himmlischen Vater aufopfert. So geschieht es in jeder heiligen Messe. Die Kirche geht in das Opfer Christi ein und opfert sich mit ihm dem himmlischen Vater. Die Eucharistie ist das Opfer der Kirche, weil sie das Opfer Christi ist.

Daß die Kirche dem Herrn als Werkzeug und Mund dient, das sehen wir ganz deutlich, wenn wir die Stelle des Priesters betrachten. Er spricht nicht in eigener Person, er spricht in der Person Christi. Er handelt nicht als er selbst, sondern er handelt als Christus. Er ist in die Rolle Christi eingegangen, und in dieser Rolle Christi feiert er das heilige Meßopfer.

Die Tätigkeit des Priesters ist für die Herstellung der Eucharistie unerläßlich. Der Priester ist der bevollmächtigte Wirker der Wandlung. Die ganze Kirche ist beteiligt, ich sage es noch einmal und nehme nichts zurück, aber die ganze Kirche handelt durch den Priester. Er ist der alleinige Wirker des eucharistischen Opfersakramentes in der Kraft des Wortes Gottes. Sein eigenes Wort wäre ohnmächtig, aber weil in ihm Christus, der Hohepriester, wirkt, deswegen ist sein Wort mächtig.

Das Konzil von Trient hat gegen die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts diese Wahrheit deutlich ausgesprochen, wenn es sagt: „Dieser unser Gott und Herr hat zwar einmal auf dem Altar des Kreuzes sich selbst Gott dem Vater als Opfer dargebracht, um für jene die ewige Erlösung zu wirken. Weil aber durch den Tod sein Priestertum nicht ausgelöscht ist, so wollte er beim letzten Mahl in der Nacht des Verrates seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares Opfer hinterlassen, wie es die Menschennatur erfordert, in dem jenes blutige Opfer, das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, dargestellt, sein Andenken bis ans Ende der Zeiten bewahrt und seine heilbringende Kraft zur Vergebung der Sünden, die wir täglich begehen, zugewandt wird. So sagte er von sich, daß er in Ewigkeit zum Priester bestellt sei nach der Ordnung des Melchisdech. Er brachte Gott dem Vater seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein dar, reichte ihn den Aposteln, die er damals zu Priestern des Neuen Bundes bestellte, unter denselben Zeichen zum Genuß und befahl ihnen und ihren Nachfolgern im Priestertum, dieses Opfer darzubringen mit den Worten: ,Tut dies zu meinem Gedächtnis!‘ So hat es die Kirche immer verstanden und gelehrt.“ Und damit kein Zweifel bleibe, wie die Kirche diese Äußerung verstanden wissen will, hat das Konzil in einem Lehrsatz noch einmal festgesetzt: „Wer sagt, durch jene Worte: ,Tut dies zu meinem Andenken!‘ habe Christus seine Apostel nicht zu Priestern bestellt oder nicht angeordnet, daß sie selbst und die anderen Priester seinen Leib und sein Blut opferten, der sei ausgeschlossen!“

In der letzten Zeit ist weniges so viel angefochten worden wie der Stiftungsbefehl des Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Ja, sagt man, er sei an die ganze Kirche gerichtet und nicht an die Apostel, und ein Bischof – ein Bischof! – hat erklärt, das könne man heute nicht mehr sagen, daß die Apostel im Abendmahlssaal zu Priestern bestimmt worden seien. Die Kirche hat seit 2000 Jahren die Worte „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ so verstanden, daß dadurch die Apostel zu Priestern bestellt wurden. Es gibt eine einleuchtende Erklärung, daß diese Worte so verstanden werden müssen. Natürlich vermacht der Herr das eucharistische Geschehen seiner Kirche, aber in der Kirche bestellt er bestimmte Beauftragte, die im Namen der Kirche dieses Opfer vollziehen sollen, und das sind die Priester. Die Eucharistie, das Meßopfer, ist das zentrale Geschehen in der Kirche, die Priester aber und die Bischöfe sind die zur Leitung der Kirche bestellten Amtsträger. Es wäre ja merkwürdig, wenn sie ausgerechnet dem zentralen Geschehen der Kirche nicht vorstehen dürften oder müßten. So ist denn von Anfang an zu beobachten, daß die Bischöfe oder die von ihnen Beauftragten der Eucharistiefeier vorstehen. Im Jahre 110 schreibt der heilige Bischof Ignatius von Antiochien: „Nur jene Eucharistie gelte als eine gesetzmäßige, die unter dem Bischof vollzogen wird oder durch den von ihm Beauftragten.“ Im Jahre 110 gilt nur die Eucharistie als rechtmäßige, die vom Bischof oder dem von ihm Beauftragten vollzogen wird. So ist es die ganze Zeit über gewesen. Niemals ist die Kirche von diesem Grundsatz abgewichen, und wenn andere, die nicht die Christusähnlichkeit durch die Weihe gewonnen hatten, versucht haben, die Eucharistie zu feiern, so ist doch dieser Versuch erfolglos geblieben. Es fehlt ihnen die Bevollmächtigung, das zu tun, was Christus seinen Aposteln aufgetragen hat.

Dennoch ist die ganze Kirche an der Opferfeier beteiligt. Christus hat das Opfer der ganzen Kirche vermacht. Die Eucharistie ist die Opferfeier der Kirche. Die ganze Kirche, also auch die Nichtgeweihten, sind an der Darbringung des Opfers beteiligt. Sie opfern mit dem Priester und durch den Priester. Papst Innozenz III. hat ein Buch geschrieben über das Meßopfer. In diesem Buche – also aus dem 13. Jahrhundert – schreibt er: „Nicht nur die Priester bringen das Opfer dar, sondern auch die Gläubigen insgesamt. Denn was in besonderer Art durch den Dienst der Priester ausgeführt wird, das geschieht allgemein durch das Wollen der Gläubigen.“

In unserer Zeit hat niemand deutlicher die Beteiligung des ganzen gläubigen Volkes am eucharistischen Geschehen dargestellt als Papst Pius XII. „Die unblutige Hinopferung“, schreibt er, „in der durch die Wandlungsworte Christus im Zustand des Opfers auf dem Altar gegenwärtig wird, ist das Werk des Priesters allein, insofern er die Person Christi vertritt, nicht aber, insofern er die Person der Gläubigen darstellt. Dadurch aber, daß der Priester das göttliche Opfer auf den Altar legt, bringt er es Gott dem Vater als Opfergabe dar zur Ehre der heiligsten Dreifaltigkeit und zum Wohl der ganzen Kirche. An dieser Opferdarbringung im strengen Sinne nehmen die Gläubigen auf ihre Art und in zweifacher Weise teil. Sie bringen nämlich das Opfer dar nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern gewissermaßen zusammen mit ihm. Durch diese Teilnahme wird auch die Darbringung des Volkes in den liturgischen Kult selbst einbezogen.“ Das sind die entscheidenden Worte des Papstes Pius XII. aus der berühmten Enzyklika „Mediator Dei“. Die Gläubigen bringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern gewissermaßen zusammen mit ihm das Meßopfer dar.

Diese Erklärung hat er in der folgenden Enzyklika „Mystici Corporis“ noch einmal wiederholt, indem er schrieb: „Christus der Herr wollte nämlich, daß die wunderbare Verbindung zwischen uns und unserem göttlichen Haupte durch das eucharistische Opfer der Gläubigen in besonderer Weise offenbar werde. Dabei vertreten nämlich die Priester nicht nur die Stelle unseres Heilandes, sondern auch des ganzen mystischen Leibes und der einzelnen Gläubigen. Ebenso bringen aber auch die Gläubigen selbst das unbefleckte Opfer dar, das einzig durch das Wort des Priesters auf dem Altare gegenwärtig wird, durch die Hände desselben Priesters in betender Gemeinschaft mit ihm.“

Daß der Heilige Vater hier keine Sondermeinung vertritt, sondern daß er nur erklärt, was die Kirche seit 2000 Jahren tut, ist offensichtlich, wenn wir die Texte der heiligen Messe anschauen. In diesen Texten werden ja fast alle Gebete in der Mehrzahl gesprochen. Der Priester spricht sie deswegen in der Mehrzahl, weil er sich mit der Opfergemeinschaft zusammenschließt, weil die Opfergemeinschaft mit ihm das Opfer darbringt. An manchen Stellen wird diese Gemeinschaft zwischen Priester und Volk sogar deutlich ausgesprochen, etwa vor der Wandlung, wenn es heißt: „So nimm denn, Herr, diese Opfergabe huldvoll an, die wir, deine Diener, und deine ganze Gemeinde dir darbringen.“ Und nach der Wandlung wird noch einmal diese Verbindung hervorgehoben, wenn es heißt: „Daher sind wir denn eingedenk, Herr, wir, deine Diner, aber auch dein heiliges Volk, des heilbringenden Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen Himmelfahrt...“

Die ganze heilige Messe ist eine Gemeinschaftsfeier von Priester und Volk. Sie sind eng zusammengeschlossen, vor allem in dem Hauptteil der heiligen Messe, also im Kanon, der mit der Präfation beginnt und mit der großen Doxologie endet. Hier ist am Anfang das Zwiegespräch zwischen Priester und Volk: „Empor die Herzen!“ „Wir haben sie beim Herrn.“ Und am Schluß stimmt das Volk in die große Lobpreisung ein: „Durch ihn und mit ihm und in ihm sei dir alle Ehre und Herrlichkeit!“ Und das Volk gibt seine Zustimmung, indem es sagt: „Amen.“ Amen heißt, sagt Augustinus, die Zustimmung geben, die Unterschrift leisten.

So also, meine lieben Freunde, sind wir im eucharistischen Geschehen eine große Opfergemeinschaft. Jedes Opfer, das der Priester darbringt, mag er es auch ganz allein und isoliert darbringen, ist eine öffentliche Angelegenheit, weil der Priester immer in der Person Christi und als Vertreter der Gläubigen handelt. Der Christus, das Haupt, der sich dem Vater im Himmel aufopfert, der opfert auch seinen Leib. So ist und bleibt das eucharistische Geschehen die Mitte der Kirche, das zentrale Geschehen des gläubigen Volkes. Man kann die Kirche bestimmen als die Gemeinschaft derer, welche das Herrenleiden feiern und das Herrenmahl genießen.

Amen.

 

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