Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. August 2001

Das äußere Zeichen des eucharistischen Sakramentes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ hat unser Herr und Heiland bei seinem letzten Abendmahl gesprochen. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Die Apostel und ihre Nachfolger sollten sich also genau an das halten, was er getan hatte, nichts anderes und nicht in anderer Weise. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Die Kirche weiß sich darum an den Stiftungsbefehl des Herrn gebunden. Sie beabsichtigt mit ihrer Eucharistiefeier, mit dem Meßopfer nichts anderes zu tun, als was der Herr in der Nacht vor seinem Verrat getan hat. Diese Nachahmung des Herrn, diese Treue zu seinem Wort, dieses Sich-Halten an seinen Befehl gilt in erster Linie für das äußere Zeichen des eucharistischen Opfersakramentes. Das äußere Zeichen ist zusammengesetzt aus Ding und Wort, aus Materie und Form. Wir haben heute die Aufgabe, das äußere Zeichen der Eucharistie in seinen Elementen zu entfalten und unsere Treue zu seinem Stiftungsbefehl zu erneuern.

Das äußere Zeichen zerfällt, wie ich sagte, in Ding und Wort. Das Ding, die Materie beim eucharistischen Opfersakrament sind Brot und Wein. Die Kirche kennt keine anderen Elemente als Brot und Wein, um das Opfer des Herrn gegenwärtigzusetzen. Man kann aber beide Elemente noch näher bestimmen; Brot tritt ja in vielfältiger Gestalt auf. Die Kirche weiß, daß der Herr beim Letzten Abendmahl Weizenbrot verwandte. Darum benutzt sie für die eucharistische Opfergabe Weizenbrot, nicht Hirsebrot, nicht Roggenbrot, Weizenbrot ist verlangt. Wir haben keine Gewähr, daß eine andere Materie die Wandlung zustandekommen läßt. Beim Weizenbrot kann man unterscheiden zwischen gesäuertem und ungesäuertem Brot. Zwischen der Ostkirche und der Westkirche hat sich wegen der Säuerung ein langer Streit entwickelt. Die Westkirche, also die Kirche, die unter dem Papst geeint ist, verwendet ungesäuertes Brot. Sie sieht im ungesäuerten Brot ein Abbild für die Reinheit und Unversehrtheit Christi; sie sieht im ungesäuerten Brot die Abwesenheit der Verderbnis; die Säuerung gilt ihr als Bild für die Verderbnis. Die Ostchristen, die von der Kirche getrennt sind, verwenden gesäuertes Brot. Dadurch wird die Materie nicht ungültig. Kein Geringerer als der große heilige Papst Gregor VII. hat erklärt, daß unter beiden Formen des Brotes, im gesäuerten wie im ungesäuerten Brot, eine gültige Wandlung zustande kommt.

Zum Brote tritt der Wein. Wein ist die Frucht des Weinstockes, und zwar nach der Vergärung. Wein tritt in vielfältiger Gestalt auf. Wir leben in einer Gegend, in der Obstwein hergestellt wird; Frankfurt ist die Stadt des Äpfelweines. Aber die Kirche ist überzeugt, daß für die eucharistische Wandlung keine andere Materie in Frage kommt als Wein von der Weintraube. Nicht irgend ein anderer Wein, kein Kunstwein, aber auch kein Naturwein wie von Äpfeln erzeugter Wein, nur der Traubenwein ist geeignete Materie für das eucharistische Opfersakrament, denn nur er gilt als Sinnbild für Christus. Um dieser Sinnbildlichkeit willen hat die Kirche angeordnet, daß dem Wein ein wenig Wasser beigemischt wird. Das Wasser stellt nämlich die Christen dar, die ja in der Eucharistie mit Christus vereinigt werden. Christus der Wein – die Christen das Wasser. Deswegen die Vermischung zwischen Wein und Wasser vor der heiligen Wandlung in der Bereitung des Opfers.

Die Beigabe von ein wenig Wasser hat auch noch einen anderen Sinn, sie kann nämlich aufgefaßt werden als ein Bestandteil in Christus. Er ist ja Gott und Mensch, dann gilt eben der Wein als Sinnbild für die Gottheit und das Wasser als Sinnbild für die Menschheit in Christus. Beides ist also ein mögliche Deutung dieser Beifügung von ein wenig Wasser.

Wenn nur Wein in Frage kommt, meine lieben Freunde, dann muß man alle anderen Möglichkeiten ausscheiden, die von den Menschen im Laufe der Zeit angeboten worden sind, um das eucharistische Opfer zu vollziehen. Im 3. Jahrhundert mußte der Bischof Cyprian von Karthago einen Brief schreiben an einige Gemeinden in Afrika, die statt des Weines Wasser verwendeten. Das waren die sogenannten Aquarier – von dem lateinischen Wort aqua. Das ist ein Mißbrauch, schreibt Cyprian an Cäcilius. In der Gegenwart gibt es Priester, katholische Priester, welche bei der heiligen Messe Traubensaft verwenden, unvergorenen Traubensaft, der nicht zum Wein geworden ist. Es sind das alkoholkranke Priester. Meine lieben Freunde, ich bin dieser Sache nachgegangen in ausgiebigen Studien. Ich habe alle möglichen Quellen und Autoritäten befragt. Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, daß das eucharistische Opfersakrament, was das flüssige Element betrifft, nicht zustande kommt, wenn es ein Priester mit Traubensaft zustande zu bringen versucht. Die Wandlung des Brotes wird ein solcher Priester vermutlich gültig vornehmen, aber die Wandlung des Saftes kann nicht eintreten. Der Saft ist keine gültige Materie.

Zu den Elementen Brot und Wein muß das Wort treten, denn jedes äußere Zeichen besteht aus Ding und Wort, aus Materie und Form. Wir wissen, welches das Wort ist, das zu den Elementen treten muß; es sind die sogenannten Wandlungsworte. Sie heißen in unserer heiligen Messe wie folgt: „Er nahm am Abend vor seinem Leiden Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen gen Himmel zu dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, sagte dir Dank, segnete es, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet hin und esset alle davon, das ist mein Leib. In gleicher Weise nahm er nach dem Mahle auch diesen wunderbaren Kelch in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, dankte dir abermals. segnete ihn und gab ihn seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet hin und trinket alle daraus, das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes – Geheimnis des Glaubens –, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies, so oft ihr es tut, zu meinem Gedächtnis.“

Das sind die heiligen Worte, meine lieben Freunde, die ein katholischer Priester in jeder heiligen Messe sprechen darf, und er weiß, daß in der Kraft dieser Worte sich an den Gestalten etwas vollzieht, gewiß unsichtbar, aber so wirksam wie damals, als Gott sprach: „Es werde Licht!“ – und es wurde Licht.

Diese Worte der Wandlung sind eingebettet in den Kanon. Kanon ist das gesamte Gebet, das von der Präfation bis zur heiligen Kommunion reicht. Dieser Kanon hat eine dreifache Bedeutung; er ist Epiklese, er ist Anamnese, und er ist Eucharistia. Das bedeutet zu deutsch: In dem Kanon wird der Name Gottes über die Gaben angerufen, und diese Anrufung hat die Kraft, Gottes Gegenwart herbeizurufen. Er hat sich in freier Barmherzigkeit dazu verpflichtet, auf diese Anrufung hin die Gaben auf dem Altare zu wandeln. Die Epiklese drückt aus, daß der Kanon eine wirksame Handlung ist, welche die Gegenwart Christi herbeibringt. Im Text unserer heiligen Messe, die wir hier – Gott sei es gedankt – jeden Tag feiern dürfen, ist die Epiklese hauptsächlich ausgesprochen in dem Gebet, das unmittelbar der Wandlung vorausgeht: „Diese Opfergabe mache du, o Gott, wir bitten dich, huldvoll in jeder Hinsicht zu einer gesegneten, eingetragenen, gültigen, geistigen und genehmen, damit sie uns werde Leib und Blut deines vielgeliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“ Zu der Epiklese, der Anrufung, tritt die Anamnese, das Gedächtnis. Wir gedenken im Kanon der Einsetzung des eucharistischen Opfersakramentes, und da ist ein Wort sehr wichtig, das vielleicht leicht überlesen wird, nämlich nach der Wandlung spricht der Priester: „Unde et memores...“ Daher – daher! – sind wir denn eingedenk, Herr. Warum denn „daher“? Ja, weil es der Herr so befohlen hat, weil der Herr es selbst so verfügt hat, deswegen „unde“ – „daher“ sind wir denn eingedenk deiner Gaben, die du uns jetzt geschenkt hast. Und schließlich ist der Kanon Eucharistie, d. h. Danksagung. Wir sagen Gott Dank für seine Erlösung, für alle Gaben, die wir von ihm empfangen, vor allem natürlich für die Gaben, die jetzt auf dem Altare liegen, für seine wirkliche und wahrhaftige Gegenwart, für die Gegenwart seines Leibes und seines Blutes, seiner Seele, seiner Menschheit und seiner Gottheit.

Die Worte, welche die Wandlung bewirken, sind die Einsetzungsworte Jesu. Das Allgemeine Konzil von Florenz im Jahre 1439 hat das deutlich ausgesprochen. „Die Form dieses Sakramentes sind die Worte des Heilands, mit denen er dieses Sakrament vollzog. Denn der Priester vollzieht dieses Sakrament, indem er in der Person Christi spricht. In der Kraft dieser Worte wird die Brotsubstanz in den Leib Christi und die Weinsubstanz in sein Blut verwandelt, doch so, daß der ganze Christus unter der Brotsgestalt und der ganze Christus unter der Gestalt des Weines enthalten ist.“ So müssen wir also diese Worte sehr getreu beibehalten. Sie sind zusammengesetzt aus den Evangelisten Lukas und Matthäus. Von Lukas stammt die Formel: „...das für euch (das Blut) hingegeben wird“. Von Matthäus die andere: „...das für viele hingegeben wird“. In keinem Texte des Neuen Testamentes heißt es für „alle“. Wenn deswegen in der neuen Messe die Worte „für alle“ erscheinen, so habe ich dagegen meine unüberwindbaren Bedenken. Das ist keine Übersetzung. Sowohl im Lateinischen (pro multis) wie im Griechischen (hyper pollon oder peri pollon) heißt es eindeutig „für viele“. Wir sind überzeugt, daß das Leiden Christi meritorischen Wert hat, also Verdienstwert hat für alle Menschen. Er ist für alle Menschen gestorben; daran besteht überhaupt kein Zweifel. Das Blut Christi ist hinreichend für alle. Es ist heilsgenügsam für alle. Aber wir müssen fürchten, daß es nicht heilswirksam für alle ist, denn es gibt keinen Automatismus der Heilszuwendung. Die Erlösung vollzieht sich nicht wie der Sonnenaufgang oder wie der Regenfall, sondern die Erlösung geschieht nur, wenn der Mensch will, wenn er mitwirkt, wenn er sich unter den Willen Gottes beugt. Und da das nicht alle Menschen tun, so müssen wir fürchten, daß das Blut Christi an manchen verloren ist. Deswegen sollte man nicht den Anschein erwecken, als ob das Blut Christi für alle auch wirksam sei. Es ist genügend, ich sage es noch einmal, es ist genügend für alle, aber ob es für alle wirksam ist, das ist sehr die Frage.

Die Wendung, die in der neuen Messe üblich ist: „Das Blut, das für euch und für alle vergossen wird“, ist auch unlogisch, denn das Wörtchen „und“ verbindet Teilmengen. Aber hier wird ja die eine Menge in der anderen als eingeschlossen bezeichnet, „euch“ ist ja in „allen“ auch noch einmal enthalten, das ist unlogisch. Man kann sagen „für euch und für alle anderen“, aber man kann nicht sagen „für euch und für alle“. Das ist unlogisch. So habe ich also unüberwindbare Bedenken, diese Übersetzung, die keine Übersetzung ist, zu gebrauchen. Die lateinische Formel heißt nach wie vor „pro multis“ – „für viele“, und im Griechischen stehen die Worte „peri pollon“ und „hyper pollon“ – „für viele“. Man kann sich auch nicht auf das Aramäische berufen. Der Herr hat ja nicht griechisch gesprochen und lateinisch, sondern er hat aramäisch gesprochen. Aber wir kennen seine Worte nicht. Wir kennen nur die griechischen Worte, die uns überliefert sind. Außerdem gibt es auch im Hebräischen und im Aramäischen Worte für „alle“ und für „viele“. „Kol“ und „rabin“ sind die entsprechenden aramäischen Worte.

Wir sollten, was die Treue zum Willen und auch zu den Worten des Herrn angeht, uns von niemandem übertreffen lassen. Als man anfing, die lateinische Messe ins Deutsche zu übertragen, da hat ein Priester in der Diözese Limburg folgende „Übersetzung“, wie er meinte, über den Wein gegeben: „Hier ist das Blut meines Bundes.“ Er hat also das lateinische Wort „hic“ als Adverb verstanden statt als hinweisendes Fürwort. Er war einem Irrtum erlegen. Es heißt nicht „hier“, sondern „dies“ – „Dies ist das Blut meines Bundes“. Sie sehen, wie man in die Irre gehen kann, wenn man sich von der Treue zum Wort des Herrn, von der Treue zu den genuinen Worten des Herrn entfernt.

Wir wollen diese Überlegungen einmünden lassen in den festen Entschluß, festzuhalten an dem, was uns überliefert ist, nichts wegzulassen, auch nichts hinzuzufügen, sondern treu sein zu dem, was der Herr uns aufgetragen hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Dies und nichts anderes wollen wir tun.

Amen.

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