Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. April 2000

Die Kirche lebt aus der Auferstehung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

Wenn es zur Zeit Jesu schon Hörfunk und Fernsehen gegeben hätte, dann wäre vermutlich am Karfreitag abend eine Meldung durch die Anstalten gelaufen: „Heute ist der Wundertäter Jesus von Nazareth, über den wir mehrfach berichtet haben, zum Tode verurteilt worden. Die Anklage lautete auf Aufruhr und Gotteslästerung. Die Hinrichtung hat am heutigen Nachmittag stattgefunden." Jeder wußte, was eine Kreuzigung bedeutet. Es war eine furchtbare und grausame Strafe; die Römer hatten sie von den Persern übernommen, und sie wurde nur an ehrlosen Menschen vollstreckt. Römische Bürger durften nicht gekreuzigt werden. Cicero hat in einer Rede auf dem Forum Romanum einmal gesagt: „Das Kreuz muß nicht nur dem Leib, sondern auch den Gedanken, den Augen und den Ohren eines römischen Bürgers fernbleiben.“

Der grausame Tod, den Jesus erdulden mußte, war eben der eines Nichtrömers. Er wurde hingerichtet, weil er nicht das römische Bürgerrecht besaß. Im 4. Jahrhundert v. Chr. hat der griechische Philosoph Platon in seinem Buch „Politeia“ die Frage gestellt, wie es wohl einem guten und gerechten Menschen auf dieser Erde ergehen werde. Er gab die erschütternde Antwort: „Ein guter und gerechter Mensch wird verkannt und verfolgt werden. Man wird ihn geißeln, verspotten und schließlich kreuzigen“ – nachzulesen in dem Buch „Politeiea“ von Platon. Dieses Schicksal hat sich an Jesus vollzogen.

Viele glaubten damals, mit dem Tode Jesu sei seine Sache zu Ende. Aber sie war nicht zu Ende, sie ging erst richtig los. Die Jünger freilich meinten, es sei die Katastrophe. Die beiden Emmaus-Jünger sprachen zueinander: „Wir hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen werde.“ Und nun war ihre Hoffnung zerschellt. Aber wenige Stunden später stehen dieselben Jünger vor der Öffentlichkeit und bezeugen, daß Jesus von Nazareth lebt. „Derjenige, den ihr gekreuzigt und umgebracht habt, der ist von Gott auferweckt worden; dessen sind wir seine Zeugen.“ Es muß etwas Überwältigendes geschehen sein, wenn man diesen Umbruch in den Seelen und im Verhalten der Jünger erklären will. Jesus muß tatsächlich auferstanden sein, nicht in der Phantasie, nicht in der Einbildung, nicht im Bewußtsein der Jünger, sondern wahrhaft und wirklich, wie er eben aus dem Grabe tatsächlich erstanden ist.

Die Auferstehung Jesu war die Geburtsstunde der Kirche. Jetzt hat Jesus die kirchenstiftenden Akte, die er während seines irdischen Lebens begonnen hatte, zu Ende geführt. Er hat den Petrus zum Oberhaupt seiner Kirche bestimmt: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ Er hat seine Lehre in den Jüngern befestigt. Er erklärte ihnen alles vom Reiche Gottes und erschloß ihnen die Schrift. Er gab den Jüngern die Sendung: „Geht hinaus, macht alle Völker zu meinen Schülern!“ Er gab ihnen den Taufbefehl, und er gab ihnen die Vollmacht zur Sündenvergebung. Und so wuchs aus den 12 Jüngern, aus dem Kreis der 72 weiteren Jünger eine Kirche, eine Weltkirche, wie wir sie heute vor uns haben. Die Kirche lebt aus der Auferstehung Jesu; ohne die Auferstehung Jesu gäbe es keine Kirche. Man könnte über einen verstorbenen Wundertäter klagen und nachsinnen, aber ein lebendiges Wesen wie die Kirche wäre nie und nimmer entstanden ohne die Auferstehung Jesu. Die Kirche lebt aus der Auferstehung Jesu. Aber auch die Auferstehung Jesu wüßten wir nicht, wenn es nicht die Kirche gäbe. Sie kündet die Auferstehung Jesu, ja das ist ihre hauptsächliche Verkündigung. Als die Apostel daran gingen, einen Nachfolger für den Judas zu finden, da sagten sie: Es muß einer sein, der mit uns Zeuge der Auferstehung Jesu ist. Das ist der wesentliche Auftrag der Apostel, das ist die entscheidende Sendung der Kirche, Zeugnis für die Auferstehung Jesu abzulegen.

Die Kirche ist deswegen nicht das Grab Gottes, sondern die Kirche ist die Zeugin für Gott und seine Großtaten. Es gibt kein Christentum ohne Kirche. Ida Friederike Görres, diese prophetische Frau, hat einmal geschrieben: „Es gibt nichts Destruktiveres als ein Christentum ohne Kirche.“ Die Kirche lebt aus der Auferstehung Jesu. Sie setzt das fort, was der Herr ihr angetragen hat. Die ersten Jünger brachen das Brot, d. h. sie setzten die Eucharistie fort, die Jesus im Abendmahlssaal ihnen anbefohlen hatte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Sie zogen hinaus und verkündigten das Evangelium. Sie predigten aller Kreatur die Auferstehung Jesu. Sie tauften die Menschen, die für den Glauben gewonnen waren, und fügten sie in die Kirche ein. Kirche und Auferstehung lassen sich nicht voneinander trennen.

Gewiß, die Kirche ist die Pflanzung Gottes, sie ist aber auch der Leib Christi, und als Leib Christi muß sie eben auch das Schicksal des irdischen Leibes Jesu teilen. Der irdische Leib Jesu wurde gegeißelt, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt. Die Kirche kann diesem Schicksal nicht entgehen; auch sie muß durch Schmähung, Anfeindung, Verdächtigung, Haß und Widerstand hindurchgehen. Die großen Zeiten der Kirche sind nicht diejenigen, wo sie strahlend und hell und leuchtend und mächtig und einflußreich ist, die großen Zeiten der Kirche sind jene, in denen sie verfolgt wird und geschmäht wird und ihre Martyrer für sie Zeugnis ablegen.

Schlimmer freilich als die Anfeindungen von außen sind die Schwächen im Inneren. Die Kirche leidet heute unter Unsicherheit im Glauben. Viele Menschen in der Kirche sind im Glauben unsicher geworden. Sie teilen dieses Schicksal mit den Aposteln. Auch sie waren unsicher über die Auferstehung Jesu. Jesus mußte ihren Unglauben und ihre Verstocktheit tadeln, weil sie denen nicht glaubten, die ihn gesehen hatten. Wer unsicher ist, der hat Angst, Angst vor den Mächten dieser Welt, vor dem Zeitgeist, vor den Ideologien. Auch die Jünger hatten Angst, deswegen tagten sie zunächst hinter verschlossenen Türen. Es gibt Auseinandersetzungen in der Kirche zwischen Progressiven und noch Progressiveren und Allerprogressivsten. Diese Spaltungen erinnern daran, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt: „Ich höre, daß es unter euch Spaltungen gibt, und zum Teil glaube ich es auch. Aber das muß sein, damit die Treuen als solche bewährt werden.“ Unsicherheit, Angst und Auseinandersetzungen müssen aber auch einmal ein Ende haben. Die Apostel sind aus der Unsicherheit zur Sicherheit, zur Gewißheit gekommen. Sie haben die Angst besiegt und wurden mutig und standhaft und haben den Tod nicht gefürchtet. Die Auseinandersetzungen sind einmal beendet worden. Es gab einen Spruch, der lautet: „Roma locuta, causa finita“ – Wenn Rom gesprochen hat, dann ist die Sache beendet. Und so muß auch einmal in den Auseinandersetzungen der heutigen Zeit ein Ende sein.

Es wird berichtet, daß Petrus und Johannes zum Grabe eilten, Petrus, gewissermaßen der Vertreter des Amtes, Johannes, das Sinnbild der Liebe und des Charismas. Johannes als der Jüngere kam zuerst zum Grabe, das Amt hatte es schwerer. Aber er ließ dem Amt den Vortritt, und Petrus betrat als erster die Grabkammer. Amt und Liebe, Amt und Charisma gehören zusammen. Deswegen wurde der oberste Amtsträger der Kirche, Petrus, von Jesus gefragt: „Liebst du mich? Liebst du mich mehr als diese?“ Das Amt braucht die Liebe, und die Liebe kann nur im Amt ihre Ordnung und ihre Festigkeit finden. Wenn Amt und Liebe in der Kirche zusammenbleiben, dann ist die Botschaft von der Auferstehung für alle Zukunft gesichert, dann dürfen wir sicher sein, daß es immerdar heißen wird:

„Christus erstand wahrhaft vom Tod, Du Sieger, Du König, sieh unsere Not!“

Amen. Alleluja.

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