Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Mai 1990

Das äußere Zeichen des eucharistischen Sakramentes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Tut dies zu meinem Andenken!“ So hat der Herr im Obergemach in Jerusalem am Abend vor seinem Leiden gesprochen. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ „Dies!“ sagte er. Er wollte, daß etwas Bestimmtes getan würde, nämlich das, was er getan hat. Die Kirche weiß sich an diesen Stiftungsbefehl gebunden. Sie ist überzeugt, daß sie hier keinen Spielraum hat. Sie ist gewiß, daß sie das tun muß, was der Herr getan hat, wenn sie seinem Stiftungsbefehl nachkommen will. Das eucharistische Opfersakrament ist an die historische Einsetzung durch Christus gebunden.

Ein Sakrament besteht aus drei Elementen, nämlich aus dem äußeren Zeichen, der inneren Gnade und der Einsetzung durch Christus. Von der Einsetzung durch Christus haben wir am vergangenen Sonntag gesprochen. Wir wollen heute nach dem äußeren Zeichen fragen. Welches ist das Zeichen, welches ist die Gestalt des eucharistischen Opfersakramentes? Das äußere Zeichen zerfällt in Ding und Wort, Materie und Form. Beim eucharistischen Opfersakrament ist es genauso; es gibt ein Ding, und es gibt ein Wort. Wir betrachten also erstens also das Ding und zweitens das Wort, die zusammen das äußere Zeichen des eucharistischen Opfersakramentes ausmachen.

Erstens, das Ding. Wir alle wissen, daß für das eucharistische Opfersakrament, zu seinem Zustandekommen Brot und Wein erforderlich sind. Brot. „Der Herr nahm Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände.“ Und weil er dies getan hat, tut es auch der, den er bestellt hat zu seinem Stellvertreter, der Priester. Er nimmt Brot in seine Hände. Das Brot, das der Herr im Abendmahlssaal in seine Hände nahm, war Weizenbrot, denn so war es vorgeschrieben bei der Paschafeier. Es mußte Weizenbrot sein, und deswegen hat die Kirche immer daran festgehalten, daß für die Eucharistiefeier nur Weizenbrot in Frage kommt. Sie hat also Reisbrot oder Roggenbrot, Maisbrot oder irgendein anderes als Brot bezeichnetes Element abgelehnt. Sie hat es vorgeschrieben: Es muß Weizenbrot sein. Es gibt Menschen, die den Genuß von Weizenbrot nicht vertragen. Es sind die Zöliakie-Kranken, das ist eine schwere Darmkrankheit. Diese Menschen können kein Brot, auch kein Weizenbrot, vertragen. Wenn jemand Priester werden will und er hat diese Krankheit, kann er sein Ziel nicht erreichen, weil er als Opferdarbringer notwendig beide Elemente der Kommunion genießen muß. Die Gläubigen, die von dieser Krankheit betroffen sind – ich hatte einmal eine Studentin, die darunter litt – können die heilige Kommunion nur unter der Gestalt des Weines empfangen, nicht unter der Gestalt des Brotes.

Das Brot, das zur Eucharistiefeier Verwendung findet, ist ungesäuert, denn der Herr hat ungesäuertes Brot verwandt, also ohne Sauerteig. Es waren ja die Tage der ungesäuerten Brote, als das eucharistische Opfersakrament eingesetzt wurde. Die Säuerung des Brotes macht die Materie nicht ungültig. Man kann also auch mit gesäuertem Brot die heilige Eucharistie gültig feiern. Das tun die orthodoxen Christen, die von der katholischen Kirche getrennt sind, sie verwenden gesäuertes Brot. Schon Papst Gregor VII., der im 11. Jahrhundert gelebt hat, hat diesen Brauch gebilligt. Es kommt also für die Gültigkeit, für das gültige Zustandekommen des eucharistischen Opfersakramentes nicht darauf an, ob das Weizenbrot gesäuert oder ungesäuert ist. Aber das ungesäuerte Brot hat eine sprechende Symbolik, denn der Sauerteig gilt eben nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift als Symbol für die Bosheit und die Schlechtigkeit; und sie soll ja nun vom eucharistischen Geschehen ganz und gar ferngehalten werden. Deswegen hat es also einen guten Sinn, wenn die katholische Kirche die Eucharistie mit ungesäuertem Brote begeht.

Der zweite Bestandteil des Dinges ist Wein. Was in dem Becher war, den der Herr den Jüngern reichte, war Wein. Die Materie, die allein für das Zustandekommen des eucharistischen Opfersakramentes verwendbar ist, ist Wein. Wenn Sie in die gestrige Nummer der Mainzer Kirchenzeitung schauen, finden Sie eine kleine Notiz, wo es heißt, daß alkoholkranke Priester Traubensaft benutzen könnten. Diese Notiz ist falsch. Die Kongregation für den Glauben, also eine Behörde des Papstes, hat alkoholkranken Priestern eine bestimmte Konzession gemacht. Sie dürfen nämlich Most benutzen. Most ist nach dem richtigen Verständnis der eben in die Gärung übergehende Wein, also der Wein, dessen Gärung begonnen hat. Aus dieser Erklärung sehen Sie, daß es nicht der haltbar gemachte Traubensaft ist, der alkoholkranken Priestern konzediert wird, sondern der junge Wein, wie wir sagen in unserer Weingegend, der junge Wein, der noch nicht voll vergoren ist, wo aber die Gärung begonnen hat. So hat die Kirche genau abgegrenzt, was noch zulässig ist und was nicht mehr zulässig ist. Und die Kirche ist dabei vom Heiligen Geist geleitet. Das ist ja eben das Wesen unserer Kirche, und das ist der Grund, warum wir darin bleiben, weil sie eine vom Heiligen Geist geleitete Institution ist, die in wesentlichen Entscheidungen der Führung des Heiligen Geistes nicht entbehrt.

Das äußere Zeichen zerfällt in Ding und Wort, sagte ich. Das Ding ist Weizenbrot und Wein. Nun zweitens das Wort. In der alten Kirche war man unbedenklich, an welcher Stelle des Meßopfers die Wandlung der Elemente eintritt. Man hat die ganze heilige Messe gefeiert und war überzeugt, daß in diesem Geschehen der Herr mit seiner Macht durch die Kraft seines Geistes die Gaben von Brot und Wein in seinen Leib und in sein Blut verwandelt. Aber es erhob sich allmählich die Frage, z. B. wenn ein Priester bei der heiligen Messe starb oder ohnmächtig wurde: Ist die Wandlung schon eingetreten, oder steht sie noch bevor? Man mußte sich also Rechenschaft geben darüber, in welchem Zeitpunkt die Wandlung eintrat. Das entscheidende Geschehen der Wandlung vollzieht sich im Kanon. Kanon heißt „feststehende Rede“. Der Kanon der heiligen Messe reicht von der Präfation bis zum Vaterunser. Dieser Kanon hat eine dreifache Bedeutung. Er ist Epiklese, Eucharistie und Anamnese. Der Kanon ist Epiklese, d. h. Herabrufung des Heiligen Geistes. Immer wieder fleht der Priester Gott an, er möge diese Gaben segnen, weihen, heiligen, und das bedeutet eben, er ruft um den Heiligen Geist, der ja der große Verwandler ist. Der Kanon ist Epiklese, Herabrufung des Heiligen Geistes. Der Kanon ist auch Eucharistie, d. h. Danksagung. Immer wieder bemerkt der Priester, daß wir danken müssen. „Es ist wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam, dir immer und überall zu danken.“ Und diese Danksagung vollzieht sich in besonderer Weise im Kanon, im feststehenden Teil der heiligen Messe. Die Gaben, die wir darbringen, sind Danksagungsgaben. Brot und Wein sowie der Leib und das Blut unseres Herrn sind Danksagungsgaben. Gleichzeitig ist der Kanon aber auch Anamnese, Gedächtnis der Heilstaten Gottes. Wenn Sie aufmerksam die heilige Messe mitbeten, dann finden Sie, daß der Priester gleich nach der Wandlung das nächste Gebet beginnt: „Daher sind wir denn eingedenk des heilbringenden Leidens, der Auferstehung von den Toten und der glorreichen Himmelfahrt unseres Herrn.“ Daher! Deswegen „daher“, weil es der Herr so geboten hat mit den Worten: „Tut dies zu meinem Gedenken!“ Weil er das Gedenken gefordert hat, deswegen gedenken wir jetzt, wo er mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut, mit Gottheit und Menschheit gegenwärtig ist, seiner. „Daher sind wir denn eingedenk.“

Das sind also die wesentlichen Züge des Kanons, Herabrufung des Geistes, Danksagung und Gedächtnis. Und innerhalb dieses Ganzen kommt ohne Zweifel – das ist unfehlbar festgestellt – der Vorrang dem Einsetzungsbericht zu. Wenn der Priester die Worte spricht, in denen die drei Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas schildern, wie das eucharistische Opfersakrament eingesetzt wurde, in diesem Augenblick vollzieht sich die Wandlung. Das sind die sakramentalen Worte, das ist die Form des Sakramentes. Deswegen wird die Gemeinde still, deswegen knien wir nieder, deswegen sind wir voll Andacht und Sammlung, weil jetzt das Unerhörte geschieht, daß Gott herabsteigt und die Gaben von Brot und Wein in seinen Leib und in sein Blut verwandelt. Da muß man schweigen vor Ergriffenheit, da muß man stille werden vor Schaudern, weil hier Gott selbst unmittelbar handelt durch das Werkzeug seines unwürdigen Dieners.

Es erhebt sich die Frage: Kann man denn mit dem Bericht über ein früheres Geschehen eine schöpferische Transformation vornehmen? Es wird ja doch ein historischer Bericht vorgetragen. „In der Nacht vor seinem Leiden nahm Jesus Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen gen Himmel zu dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, sagte dir Dank, segnete es, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: Nehmet hin und esset alle davon! Das ist mein Leib.“ Und ebenso dann beim Kelch. Ist das nicht ein historischer Bericht? Das ist es zweifellos. Aber wie kann man mit dem Vortrag eines historischen Berichts etwas in der Gegenwart bewirken? Das, was da berichtet wird, wird doch über die Gaben von damals gesprochen. Jetzt wird es aber über die Gaben von heute ausgerufen. Zum Verständnis sind zwei Dinge notwendig. Der Einsetzungsbericht steht im Kanon, und der Kanon wird in einer bestimmten Absicht gebetet. Diese Absicht ist, mit dem, was im Kanon ausgesagt wird, das Opfer Christi aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen. Das ist die Absicht. Das nennt man Repräsentation, Wiederherstellung, Vergegenwärtigung, Erneuerung des Kreuzesopfers. Also weil diese Absicht dahintersteht, deswegen kann der historische Bericht in diesem Augenblick Wirkungen über die hier gegenwärtigen Gaben entfalten.

Wenn Sie im Meßbuch einmal nachschauen, was für eine Überschrift über dem dritten Gebet im Kanon steht, dann finden Sie die Worte infra actionem. Was bedeuten sie? Sie besagen wörtlich „innerhalb der Handlung“. Also der Kanon ist eine Handlung. Er ist nicht bloß ein Erzählen, er ist nicht bloß ein Gedenken, sondern er ist ein Geschehen. Infra actionem – innerhalb der Handlung. Das deutet eben die Absicht an, in welcher der Kanon gesprochen wird: als Handlung. Als Handlung, um das Geschehen der Vergangenheit in die Gegenwart zu stellen, um das Kreuzesopfer lebendig zu machen, hier und jetzt. Das ist also der erste Grund, warum der historische Bericht wirksam ist: weil die Intention dahintersteht, mit diesem Bericht die gegenwärtigen Gaben zu verwandeln.

Der zweite Grund liegt darin, daß der Priester in persona Christi handelt. Er schlüpft gleichsam in das Ich, das Selbst Christi. Er spricht das, was der Herr gesprochen hat, und das ist keine Anmaßung. Das ist seine heilige Pflicht und seine große Würde, daß er das sprechen und die Rolle Christi übernehmen kann. Christus hat gewollt, daß seine Priester als seine Stellvertreter diesen erhabenen Dienst übernehmen und dasselbe sprechen, was er im Abendmahlssaal gesprochen hat. Er ist also gleichsam in diesem Menschen darin und spricht durch ihn: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Nicht des Priesters Leib ist damit gemeint, das wäre ja ganz falsch; nicht des Priesters Blut, das wäre ja anmaßend, sondern „mein“, d. h. des Heilandes Leib, des Heilandes Blut. Aber das ist eben nur möglich wegen des Gedankens der Stellvertretung. Weil der Priester stellvertretend für Christus tätig wird, darf er sagen: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“

Man hat dann weiter die Frage gestellt: Was darf denn an den Wandlungsworten verändert werden, ohne daß das Zustandekommen des eucharistischen Opfersakramentes behindert wird? Es gibt leider Menschen, die sich im Heiligtum unzulässige Freiheiten erlauben. In Hofheim im Taunus habe ich es erlebt, daß ein Priester die Wandlungsworte – deutsch natürlich – falsch übersetzte mit „Hier ist mein Leib.“ Er hat offenbar kein Latein gelernt. Deswegen hat er das Wörtchen hic als ein Umstandswort angesehen statt eines Demonstrativpronomens. Hic heißt nämlich nicht bloß „hier“, sondern heißt auch „dieses“. Falsch übersetzt! Was ist also notwendig, damit das Zustandekommen des Opfers, die Vergegenwärtigung des Leibes und Blutes Christi unzweifelhaft eintritt? Die Kirche hat in langer Überlegung, aber vom Heiligen Geist belehrt, gesagt, daß es genügt, die Worte zu sprechen: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Es ist streng verboten, das übrige auszulassen. Der Priester macht sich schuldig, der etwas ändert. Aber wenn es um die Frage geht: Was ist unbedingt notwendig, und wann ist die Wandlung mit Sicherheit geschehen, dann muß man sagen: Sie ist geschehen, wenn die Worte gesprochen sind: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“

Das also, meine lieben Freunde, ist das äußere Zeichen des eucharistischen Opfersakramentes. Es besteht aus einem Ding, nämlich Brot und Wein, und einem Wort, dem ergreifenden Wort, das der Herr uns beim letzten Abendmahl hinterlassen hat. Das ist es, meine lieben Freunde, was das Glück und was die Würde des katholischen Priesters ausmacht, daß er diese Worte sprechen kann, daß er diese Worte jeden Morgen oder jeden Abend über die Lippen bringen darf. Das ist sein Glück und seine Würde. Um das zu können, lohnt es sich, auf alles zu verzichten, was den Menschen wertvoll ist, auf Ehe und Familie, auf Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten, auf Reisen und Genuß. Dieses Glück ist über jedes Glück, das irdische Dinge gewähren können, erhaben, sprechen zu können: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“

Amen.

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