Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 1990

Stephanus, Kämpfer für Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit!“ So haben wir gestern zu singen begonnen. Und wahrhaftig, die Weihnachtszeit ist eine fröhliche und selige Zeit. Doch neben der Krippe, unmittelbar nach dem Festtag der Geburt des Herrn, erhebt sich die blutrote Gestalt des gesteinigten Stephanus. Daß die Kirche diese beiden Ereignisse, die Geburt des Heilandes und die Ermordung des Stephanus, so nahe zusammen stellt, hat selbstverständlich geschichtliche Gründe. Aber es geschieht nichts von ungefähr. Diese enge Verbindung der Geburt des Herrn mit dem Eingang seines Erzmartyrers in den Himmel, ist von einem ganz tiefen Sinn erfüllt. Der Bischof Fulgentius von Ruspe hat diese Gegensätzlichkeit in Worte gefaßt, die der Priester in seinem priesterlichen Gebetbuch am heutigen Tage betet und die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Der Bischof Fulgentius von Ruspe schreibt: „Gestern feierten wir das Fest der Geburt des ewigen Königs in dieser Zeitlichkeit. Heute begehen wir festlich die Erinnerung an das glorreiche Leiden des Kämpfers. Gestern hüllt sich unser König ins purpurgeschmückte Gewand des Fleisches. Heute verläßt sein Kämpfer des Leibes Gezelt und zieht triumphierend zum Himmel ein. Jener stieg fleischverhüllt herab, dieser blutbekränzt empor. Dieser stieg hinauf, von den Juden gesteinigt, weil jener herabgestiegen war, von den Engeln bejubelt. 'Ehre sei Gott in der Höhe' haben gestern die Engel gesungen, heute haben sie jauchzend Stephanus in ihre Mitte aufgenommen. Gestern umschloß der enge Raum der Krippe den Herrn, heute nimmt die Unermeßlichkeit des Himmels den triumphierenden Stephanus auf.“

Wahrhaftig, so ist es. Die Freude der Weihnacht ist eng verbunden mit dem Leid seiner Martyrer, seiner Kämpfer, seiner Bekenner. Hat aber denn der Herr nicht gesagt: „Friede den Menschen auf Erden“? Wollte er nicht den Frieden bringen? Woher denn der Kampf? Und wie paßt zu diesem Worte vom Frieden auf Erden das andere: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“? Der Grund ist darin gelegen, daß Jesus der Bringer der Gottesherrschaft ist. Er ist der Herold und der tätige Vollzieher der Gottesherrschaft. Mit seinem Kommen bricht Gottes Herrschaft auf Erden an.

Zu dieser Herrschaft Gottes aber steht in einem unversöhnlichen Gegensatz die Herrschaft des Satans. Und wo die Gottesherrschaft auf die Herrschaft des Satans trifft, da entsteht der Kampf. In diesem Kampfe gibt es Verluste, gibt es Bekenner und Martyrer, gibt es Gestalten wie den heiligen Stephanus, den seine Feinde zu Tode gesteinigt haben. Der Kampf wird dem Christentum nicht abgenommen, solange diese Erde besteht. Denn solange diese Erde besteht, gibt es den Kampf zwischen Gottes Herrschaft und zwischen Satans Herrschaft. Viele, die sich zu Christus bekennen, mögen von Kampf nichts wissen. Sie wollen ein friedvolles, ruhiges, möglichst auch bequemes Leben führen, aber kämpfen – das ist nicht ihre Sache. Und so suchen sie die Kämpfer für Christus zu diffamieren, in schlechtes Licht zu setzen, mit hämischen oder feindseligen Unterstellungen um ihren guten Ruf zu bringen. Stephanus – warum hat er sich denn so aufgeregt? Warum hat er denn solche erbitterte Worte gegen die Juden gefunden? Warum hat er nicht sanfter gesprochen? Was sagt er den Juden, was hält er ihnen vor? „Ihr Halsstarrigen, ihr Unbeschnittenen an Herz und Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist wie eure Väter, so auch ihr. Welche von den Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die vorausverkündeten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.“ So kann man reden, sagen die Kampfesscheuen. Warum hat er sich nicht gemäßigt in seinen Ausdrücken? Warum hat er seine Gegner herausgefordert? Es gibt viele Leute, die das sagen. Und das kann man selbstverständlich auch auf andere Vorkämpfer unseres Herrn und Heilandes anwenden. Johannes der Täufer – warum hat er so hart gesprochen? Warum hat er nicht so sanft geredet, wie es heute die Bischöfe und Priester zu tun pflegen? Als Johannes der Täufer seine Botschaft verkündete, da sagte er der Menge: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gelehrt, dem Kommen des Zornes zu entgehen? Maßet euch nicht an, bei euch zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch, Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen hier Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Ein jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Warum hat Johannes der Täufer so verletzend zu den Menschen, die seine Umgebung bildeten, gesprochen? Warum hat er den Landesfürsten herausgefordert? Warum hat er zu Herodes gesagt: „Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Frau zu haben“? Damit hat er doch den Zorn des Herodes und den Haß seiner Frau Herodias hervorgerufen. Ist er nicht selber schuld daran gewesen, daß er eingesperrt und zu Tode gebracht wurde?

Ja, gilt das nicht auch, meine lieben Freunde, für unseren Herrn und Heiland? Hat nicht auch er seine Gegner mit Worten attackiert, die herausfordernd, provozierend, verletzend waren? „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selber geht nicht hinein und ihr laßt auch jene nicht hinein, die hinein wollen. Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verpraßt die Häuser der Witwen, indes ihr lange Gebete hersagt. Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr durchzieht Meer und Land, um einen einzigen Glaubensgenossen zu erwwerben; und wenn er es geworden ist, dann macht ihr ihn zum Kind der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr! Weh euch, ihr blinden Wegweiser, ihr Verblendeten!“

So hat unser Herr und Heiland zu seinen Feinden gesprochen. Ich habe gar keinen Zweifel daran, daß diese Weise, mit seinen Feinden umzugehen, die Kritik der heutigen Schriftgelehrten genauso hervorrufen muß, wie es damals der Fall war. Und so ist es kein Wunder, meine lieben Freunde, wenn alle, die in der Nachfolge des Stephanus, des Johannes des Täufers oder unseres Heilandes für den Glauben kämpfen, für die Wahrheit eintreten, dem Verdikt, der Verurteilung durch die heutigen Schriftgelehrten verfallen. Sie haben ein ganzes Arsenal von Begriffen ausgebildet, um diejenigen an den Pranger zu stellen, die es wagen, energisch und konsequent für Gottes Reich gegen die Satansherrschaft zu kämpfen. Da gibt es die Redeweise, diese Vorkämpfer des Glaubens seien eng, sie seien nicht weit genug, sie müßten sich mehr öffnen für die Vorstellungen, auch für die falschen Vorstellungen anderer. Man sagt, diese Vorkämpfer seien konservativ. Das ist heute ein Totschlagwort; denn konservativ heißt soviel wie starr, unbeweglich, rückwärtsgewandt. In der jüngsten Zeit ist ein neues Schimpfwort ausgebildet worden, nämlich „fundamentalistisch“. Man nennt diejenigen, die am ganzen und vollen Glauben festhalten wollen, Fundamentalisten. Das bedeutet ungefähr soviel wie fanatisch, intolerant, nicht dialogbereit.

Was ist zu diesen Vorwürfen zu sagen? Meine lieben Freunde, das Wort von der Enge ist uns aus dem Evangelium vertraut. Der Herr spricht davon, daß der Weg, der zum Leben führt, eng sei. Aber die Straße, die zum Verderben führt, sei breit, und viele sind es, die auf ihr wandeln. Wenn wir das Wort „konservativ“ hören, dann besinnen wir uns auf die Bedeutung, die dieses Wort hat. Konservativ heißt bewahrend. Wer konservativ ist, will bewahren, was gut und recht und heilsam ist. Konservativ sein heißt die Werte erhalten, die uns von den Vätern überkommen sind. Wer konservativ ist, lehnt einen Fortschritt ab, der zum Abgrund führt. Und wenn man den Vorwurf des Fundamentalismus erhebt, dann erinnern wir uns daran, daß der Herr gesagt hat, es muß das Fundament des Hauses, das wir bauen, auf Felsen gebaut sein. Dann können die Fluten kommen und die Stürme toben. Das Haus ist auf einen Felsen gebaut, es wankt nicht. Und der Herold des Heilandes, der Apostel Paulus, sagt: „Einen anderen Grund“ – also ein anderes Fundament – „kann niemand legen als der, welcher gelegt ist in Christus Jesus.“

Lassen wir uns, meine lieben Freunde, in unserer Kampfesbereitschaft nicht durch Verurteilungen, durch Schimpfworte, durch Verunglimpfungen lähmen! Wir müssen als Jünger Jesu an dem Kampfe der Gottesherrschaft gegen die Satansherrschaft teilnehmen. Und das bedingt auch notwendig den Kampf gegen Menschen, die der Satansherrschaft – gewollt oder nicht gewollt, bewußt oder nicht bewußt – dienen. Nicht immer ist die Verbindung unseres Kampfes mit der Gottesherrschaft unmittelbar sichtbar. Es gibt fernere und es gibt nähere Beziehungen zur Gottesherrschaft. Vor wenigen Jahren hielt ich einem Kölner Priester die Predigt zum 50-jährigen Priesterjubiläum. Dieser Kölner Priester erzählte mir sein Lebensschicksal. Er war im Konzentrationslager Dachau. Wie war er da hineingekommen? In seinem Pfarrhaus waren 1940 deutsche Soldaten einquartiert, und sie hörten den Rundfunksender. Da konnte sich der Pfarrer die Bemerkung nicht versagen: „Glaubt ihr den Schwindel, der da aus dem Rundfunksender kommt?“ Diese eine Äußerung genügte, um ihn ins Konzentrationslager Dachau zu bringen. Gewiß, so sagte er mir selbst, ich bin kein Held und kein Martyrer. Vielleicht war die erwähnte Bemerkung unvorsichtig. Aber hat nicht auch dieser Priester mit seinem Zwischenruf Zeugnis für die Wahrheit abgelegt? Hat er nicht mit diesem einen Wort die Herrschaft der Lüge, die die Nationalsozialisten errichtet hatten, entlarvt und gebrandmarkt? Und ist nicht auch er ein Zeuge der Wahrheit geworden?

Um vieles mehr gilt das für uns, die wir für den wahren Glauben, für die wahre Kirche, für die wahre Lehre eintreten und keinen Fingerbreit von dem abweichen, was wir durch Gottes Mund und die Vermittlung der Kirche gelernt und gehört haben. Wir müssen uns bereit machen zum Kampfe. Es genügt nicht, ein friedliches. bürgerliches, christliches Leben zu führen. Nein, wir müssen zum Kampfe bereit sein. Wir müssen bereit sein, für unsere Überzeugung einzutreten und den Irrtum zu entlarven. Wir müssen bereit sein, um der Wahrheit willen die Freundschaft mit der Welt aufs Spiel zu setzen. Nur dann sind wir Jünger jenes Herrn, der gesagt hat: „Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ Nur dann werden wir der Weissagung des Simeon gerecht: „Dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auferstehung vieler und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.“

Wir wollen in dieser Stunde, meine lieben Freunde, unseren Willen erneuern, uns der Gottesherrschaft einzugliedern, für diese Gottesherrschaft zu arbeiten, zu kämpfen und zu leiden. Wir wollen dem nachfolgen, den wir als den Proto-Martyrer, den Erstmartyrer, verehren, dem heiligen Stephanus. Nur so werden wir den vollen Sinn der heiligen Nacht erfüllen, wenn wir uns erinnern, daß die Geburt des Herrn auf Erden und der Einzug seines Martyrers in den Himmel eng, ja untrennbar miteinander verbunden sind.

Amen.

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