Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. Mai 2009

Erhöht in die Herrlichkeit des Vaters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus Versammelte!

Ich habe hier in meinen Händen ein soeben erschienenes Buch. Es ist die Biographie, also die Lebensbeschreibung eines evangelischen Theologen. In diesem Buche wird auch ausgiebig aus seinen Schriften zitiert. Ich gebe eines dieser Zitate wieder: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testamentes glauben.“ Von diesem Ausgangspunkt erklärt dieser Theologe, dieser evangelische Theologe, was aller „erledigt“ ist, also nicht mehr zu glauben ist: „Erledigt ist die Geschichte von der Himmelfahrt Christi, der Geister- und Dämonenglaube, die Wunder als reale Geschehnisse, die mythische Eschatologie, der Gedanke an ein supranaturales Wirken des Pneuma und der Sakramente, die Auffassung des Todes als Sündenstrafe, die Satisfaktionslehre sowie das Verständnis der Auferstehung als eines physischen Geschehens.“ 2000 Jahre lang hat nach der Meinung dieses evangelischen Theologen die Kirche falsch geglaubt. Erst mußte er kommen und die rechte Auslegung des Neuen Testamentes uns lehren. „Erledigt“ ist also auch das Fest, das wir heute begehen, das Fest der Himmelfahrt unseres Herrn und Heilandes.

Aber dieses Geschehen bekennen wir in jedem Glaubensbekenntnis. Wir sagen nicht nur: „Auferstanden von den Toten“, wir sagen auch: „Aufgefahren in den Himmel, sitzet zur rechten Hand Gottes.“ Jesus hatte seine Himmelfahrt mehrfach vorausgesagt. Als er über das eucharistische Opfersakrament sprach, also davon redete, dass er sein Fleisch und Blut zur Nahrung und zum Tranke geben werde, da nahmen die Jünger Ärgernis daran. Aber er hat dieses Ärgernis beiseite geschafft, indem er erklärte: Hier geht es nicht um eine irdische Substanz, sondern um eine geistliche Wirklichkeit. Wenn ihr den Menschensohn auffahren sehen werdet in den Himmel, dann werdet ihr begreifen, was es mit der wirklichen Gegenwart Christi im eucharistischen Opfersakrament auf sich hat.

Der Diakon Stephanus sah das Ergebnis der Aufnahme Jesu in den Himmel, nämlich er sah Jesus zur rechten Hand Gottes stehen und damit seine Herrscherstellung bekunden. Das Neue Testament spricht, wenn es von Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn redet, gewöhnlich von „Erhöhung“. Beide zusammen machen die Erhöhung Jesu aus, also sein Verklärung und seine Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit. Dann verstehen wir auch die Frage, die manche bedrängt: Wo war denn Jesus in den 40 Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt? Diese Frage ist für mich kein Problem: Jesus war in diesen Tagen im Himmel, und er ist jeweils vom Himmel herabgestiegen, um sich den Jüngern zu zeigen, um bei Erscheinungen seine Auferstehung, seine leibhaftige Auferstehung zu bekräftigen. Er ist nach meiner Überzeugung sogleich nach seiner Auferstehung in die Verklärung des Himmels eingegangen, und von daher erschien er den Jüngern. Jede Erscheinung geschah vom Himmel her. Und das Ereignis, das wir heute feiern, ist die letzte Erscheinung, die endgültige, die abschließende Erscheinung vor den Jüngern, die endgültige Rückkehr zum Vater.

Wir haben es hier, meine lieben Freunde, mit Geschichte zu tun, nicht mit einer Legende. Die Himmelfahrt Jesu ist die lokale Versetzung, die örtliche Versetzung der verklärten menschlichen Natur Christi an einen Ort, der seinem seligen Zustand entspricht. Dass die menschliche Natur Jesu an irgendeinen Ort versetzt werden mußte, ergibt sich daraus, dass der verklärte Heiland immer noch, trotz aller Verwandlung, von stofflicher Natur ist, wenn auch einer verklärten Stofflichkeit. Und diese verklärte Stofflichkeit muss an irgendeinem Orte sein. Wir wissen nicht, an welchem. In jedem Falle ist der Ort, wo sich die verklärte menschliche Natur Jesu befindet, den Menschen unerreichbar. Wäre es anders, dann könnte sich der Mensch der Natur Jesu bemächtigen. Das kann nicht sein; damit würde er in die Herrschaftsrechte Gottes eingreifen, und das darf nicht sein. Ebenso ist die verklärte Seinsweise Jesu, die er im Himmel hat, den Mitteln unserer Erfahrung nicht zugänglich. Wir können kein Teleskop bauen, und wir können keine Raumschiffe entsenden, die dahin gelangen, wo sich die verklärte Natur Jesu befindet. Sie ist transzendent, das heißt sie übersteigt alle der Erfahrung zugänglichen Wirklichkeiten. Der verklärte Herr befindet sich in einer Wirklichkeit, die jede Erfahrungswirklichkeit übersteigt.

Das wird auch in den Texten der Liturgie angedeutet. In der Pfingstnovene beten wir nicht, dass Jesus zu den Sternen gegangen ist, sondern da beten wir, dass er „über alle Himmel emporgestiegen“ ist. Über alle Himmel, also nicht in den Sternenhimmel hinein, sondern in eine überirdische Wirklichkeit, die sich jenseits der Sterne und der Wolken befindet. Diese Erklärung der Himmelfahrt ist keine Ausflucht, ist keine Verlegenheitserläuterung, sondern es ist die Erklärung, die der überragenden Wirklichkeit Gottes und Jesu angemessen ist. Gott ist Gott, und Gott ist kein Mensch. Bei allem Reden über ihn muss die absolute Überlegenheit des Schöpfers über die gesamte Schöpfung gewahrt bleiben. Wir können zwar von Gott nur reden, wie wir von Menschen reden. Das ist sicher zuzugeben. Aber wir müssen immer sagen, dass diese Redeweise im tiefsten Sinne unähnlich der Wirklichkeit ist, in der sich Gott befindet.

Es werden uns drei geschichtliche Dinge geoffenbart, die mit der Himmelfahrt Jesu zu tun haben: erstens das Emporschweben, zweitens die Wolke und drittens das Auftreten zweier Engel. Das Emporschweben, das der Versetzung der verklärten Natur Jesu in die ihm zubereitete Wirklichkeit dient, ist ein sinnbildlicher Hinweis auf die Erhabenheit der menschlichen Natur Christi über die unserer Erfahrung zugänglichen Existenzformen. Sie ist ein Sinnbild für ein unsichtbares Geschehen, nämlich sie bedeutet die volle Hineinnahme der Natur Christi in die Wirklichkeit Gottes. Warum geschah diese Hineinnahme in Gottes Herrlichkeit nach oben? Sehr einfach, weil sich der offenbarende Gott den Vorstellungen der Menschen angepaßt hat. Oben ist nach unserer Weltsicht die Helligkeit, das Licht, die Sonne. Wer also nach oben emporgehoben wird, der geht in das Licht, der geht in die Sonne, der geht in die Helligkeit. Wäre Jesus in die Erde versunken, dann hätten die Menschen meinen können, er sei ins Totenreich hinabgestiegen oder zu den Verdammten. Es mußte also, wenn der Herr eine Offenbarung geben wollte, die verstanden wurde, es mußte also das Emporschweben nach oben erfolgen. Ähnliches gilt für die Wolke. Öfters im Neuen Testament ist die Wolke ein Sinnbild für die Wirklichkeit Gottes, ein Sinnbild für das Auftreten Gottes. Etwa bei der Verklärung auf dem Berge Tabor erschien eine Wolke, eine lichte Wolke, und aus dieser Wolke sprach Gott. Die Wolke ist also ein Hinweis auf die Anwesenheit Gottes. Und erst recht sind es natürlich die Engel. Die Engel sind die Boten der anderen Welt, in die Jesus jetzt eingegangen ist. Sie dürfen nicht fehlen, wenn der Herr in den Himmel aufgenommen wird.

Nun gibt es Versuche, die Himmelfahrt Jesu dadurch zu entwerten, dass man auf die Apotheosen von Menschen in der heidnischen Vorzeit verweist. Was sind Apotheosen? Apotheosen sind angebliche Vergöttlichungen, Vergötterungen von Menschen. Die Heiden waren der Ansicht, dass gewisse Heroen der Vorzeit wie Herakles oder auch historische Personen wie Plato schon zu ihren Lebzeiten als Götter verehrt werden müssen. Auch Julius Cäsar wurde als Gott verehrt; man baute ihm einen Tempel und bestellte einen Priester. Nachher wurde die Vergöttlichung oder besser die Vergötterung der verstorbenen Kaiser Brauch. All das, meine lieben Freunde,  sind schreckliche Verirrungen. Sie zeigen, ein wie falsches Bild die Heiden von den Göttern hatten. Sie haben die Götter nach ihren Vorstellungen geschaffen. Von ihnen gilt tatsächlich das Wort Feuerbachs: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.“ Zur Transzendenz, zur Überweltlichkeit, zur Unendlichkeit Gottes sind sie nicht vorgestoßen. Deswegen können diese Götterlegenden auch nicht die Himmelfahrt des Herrn entwerten. Kein Mensch nahm an, dass die Vergöttlichung dieser Kaiser eine Wirklichkeit ist. Alle wußten, dass das eine Weise ist, wie man diese Menschen ehren wollte. Man wollte damit die geschichtliche Bedeutung der Herrscher aussagen.

Bei Jesus aber ist es anders. Die Himmelfahrt zieht die letzte Folgerung aus dem, was er immer war, nämlich der wahrhafte Sohn Gottes. Jetzt bricht die Gottesherrlichkeit durch und führt ihn in die Himmlische Herrlichkeit an die Seite des Vaters. Er kehrt zurück in seine Heimat. Der verklärte Herr, meine lieben Freunde, paßte nicht mehr auf die Erde. Die Erde ist für die Wirklichkeit, die der Herr gewonnen hat, unangemessen. Und deswegen mußte er in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehren und seinen Ehrenplatz zur Rechten des Vaters einnehmen. Zur Rechten des Vaters: ein Bild. Natürlich ein Bild; denn Gott ist kein Mensch, er hat keinen Körper, er hat auch keine Rechte und keine Linke. Wenn also ausgesagt wird, dass er zur Rechten des Vaters sitzt, dann wird damit ausgedrückt, dass er die Hoheit und die Erhabenheit gewonnen hat, die der Vater ihm zugewiesen hat. Die rechte Seite ist ein Bild für den Ehrenplatz, und Gott hat Jesus über alle irdischen Möglichkeiten erhoben, indem er ihn an seine Seite hat sitzen lassen. Das ist auch kein Ruhen, dass er sich gewissermaßen jetzt von seiner irdischen Arbeit ausruhen möchte. O nein. Christus herrscht, er ist tätig. Sein Herz schlägt, sein Auge blickt, seine Hand herrscht. Er hat sich also nicht zurückgezogen, um sich auszuruhen, sondern er regiert zur Rechten des Vaters die Welt und wartet, er wartet, meine lieben Freunde. Worauf? Auf den Wink des himmlischen Vaters, dass es jetzt Zeit ist zur zweiten, zur letzten, zur endgültigen Erscheinung in dieser Welt. Er wird wiederkommen, um seinem Werke die letzte Gestalt zu geben. Das erste Erscheinen war gewissermaßen der Auftakt, die Vorbereitung. Dann aber kommt die Vollendung.

 Mit der Aufnahme Jesu in den Himmel hat die menschliche Natur Christi den höchsten Stand der Verherrlichung erlangt. Damit offenbart Gott seine Macht, seine Liebe, seine Freiheit und seine Fülle. Ja, so ist es. Der in den Himmel aufgefahrene Herr Jesus ist die größte Verherrlichung Gottes. Gott wird ja durch die Geschöpfe verherrlicht, und diese Verherrlichung ist jetzt an Jesus in höchstem Maße erfolgt. Die Verherrlichung Jesu, die Herrlichkeit, die er gewonnen hat, ist ein immerwährender Lobpreis Gottes. Sie ist zugleich die höchste Vollendung der menschlichen Natur. An dem auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Jesus kann man sehen, welches der letzte Gedanke ist, den Gott vom Menschen denkt. Hier ist das wahre Menschenbild in seiner letzten Ausgestaltung, die Gott selbst wirkt. In Christus ist schon Wirklichkeit geworden, wofür jeder Mensch bestimmt ist, und wir haben schon jetzt in irgendeiner Weise, die schwer auszusagen ist, teil an der Himmelfahrt Jesu. So sagt es jedenfalls der Apostel Paulus im Epheserbrief. Wir sind nach ihm nicht nur mit Christus auferweckt, wir sind auch mit Christus in den Himmel versetzt. Wie kann das verstanden werden? Ich glaube, dass es so zu verstehen ist: Wir nehmen am himmlischen Sein Christi teil. Wir sind in unserem innersten Personkern aus den vergänglichen Formen der Welt herausgehoben und in die Sphäre hineinversetzt, in welcher der Herr, der erhöhte Herr lebt. Wir sind durch das Wirken des Heiligen Geistes neue Geschöpfe, neue Geschöpfe, dem erhöhten Herrn verähnlicht.

Freilich, wir warten noch auf das Offenbarwerden der Herrlichkeit. Wir warten auf die Stunde, wo die Herrlichkeit Christi offenbar wird bei seiner Ankunft, bei seiner zweiten Ankunft. Wir harren mit ungeheurer Spannung auf diesen Termin. Wir gehen als Pilger durch die Welt, aber wir blicken zu dem hinauf, der zur Rechten des Vaters sitzt und dessen Ankunft wir herbeisehnen.

Meine lieben Freunde, nicht die Geschichte von der Auferstehung und der Himmelfahrt des Herrn ist erledigt, wie jener evangelische Theologe meint, sondern erledigt ist der Unglaube, der Gottes Taten leugnet. Erledigt ist eine Theologie, die aus dem Unglauben kommt und zum Unglauben führt. Der Herr aber, der im Himmel thront, er lacht ihrer!

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt