Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Eigentum (Teil 1)

16. August 2015

Das Grundrecht des Privateigentums

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Unsere Umwelt ist dazu da, vom Menschen ergriffen und in sein Wirken einbezogen zu werden, die Welt der irdischen Güter. Es ist das Reich der Pflanzen und Tiere, das Reich der Metalle und der Gesteine und überhaupt der Körper, zu denen der Mensch sagt: Ihr könnt mir dienen, ihr seid mir zu etwas nütze, ihr seid mein Hab und Gut. Auf dieses Hab und Gut richtet sich nun einer der stärksten und elementarsten Instinkte im Menschen, nämlich der Erwerbs- und der Besitztrieb. Er ist das Vermögen und der Wille, sich auszubreiten, einen Herrschafts- und Machtbereich und Tätigkeitsbereich um sich zu schaffen. Nicht nur die Menschheit als Ganzes will die Welt, in der sie lebt, sich aneignen und sie unterwerfen, nein, auch der einzelne Mensch hat das Bestreben, bestimmte Lebensgüter in bestimmter Menge und in bestimmter Art sich anzueignen. Der Mensch ist aufgrund seiner Bedürftigkeit angewiesen, zu seiner Selbstentfaltung bestimmte Sachen und Güter gebrauchen und verbrauchen zu dürfen. Dieser Erwerbstrieb ist so tief in uns angelegt, dass er eine Eigenart unserer Natur bildet, also vom Schöpfer in den Menschen hineingelegt ist. Gott hat ihn ausdrücklich gut geheißen und seine Erfüllung angeordnet: „Macht euch die Erde untertan. Ihr sollt herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über die Tiere der Erde.“ Die Erfüllung dieses Triebes ist wie ein ursprüngliches Menschenrecht, von Gott selbst aufgestellt und beschirmt, beschirmt durch eines der Zehn Gebote, das da lautet: „Du sollst nicht stehlen!“, d.h. du sollst nicht in den Eigentumsbereich deines Nächsten willkürlich und selbstsüchtig eindringen, denn dieser Eigentumsbereich ist von Gott gewollt und von Gott geschützt. Eigentum ist in der sittlichen Ordnung ein Lehensgut aus der Hand Gottes, dem Menschen anvertraut, dass er den rechten Gebrauch davon mache. Der rechte Gebrauch ist die geordnete Deckung des menschlichen Bedarfes. Dem nächstliegenden Sinn dieses Verbotes ist zu entnehmen, dass die irdischen Güter, deren Besitz und Gebrauch nicht jedem einzelnen unterschiedslos und ordnungslos zustehen, sondern dass diese Güter in irgendeiner Weise befestigt sind, befestigt in der Person des Einzelnen, mit ihm verbunden, dauernd verbunden. Es gibt ein Recht bestimmter Menschen auf bestimmte Güter, und dieses Recht ist von Gott gegeben und von Gott geschützt. Das Eigentum ist, nach Naturrecht, ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht. Als ein Wesensmerkmal des Eigentums wird die Privatnützigkeit angegeben, d.h. die Zuordnung zu einem Rechtsträger, dem das Eigentumsrecht als Grundlage privater Initiative und eigenverantwortlichen Interesses dient. Eigentum ist ein umfassendes Recht, ja, es ist das umfassendste Recht über tatsächliche und rechtliche Nutzung, das die Rechtsordnung kennt. Es gibt auch schwächere Rechte: die Leihe, der Besitz, der Nießbrauch. Das Eigentum ist das umfassendste Recht über irgendeinen Gegenstand.

Über die Art und die Verteilung des Eigentums hat Gott keine Anordnung hinterlassen. Ob ein solches Recht jedem einzelnen zusteht oder nur bestimmten Menschen oder bestimmten Menschengruppen; es sind verschiedene Ordnungen der Eigentumsverteilung denkbar. Sie sind alle erträglich, sofern sie nicht etwas innerlich Unsittliches fordern. Die Kirche hat nie als ihre Aufgabe angesehen, die Eigentumsverhältnisse im Einzelnen zu regeln. Sie rechnet auch mit der geschichtlichen Entwicklung des Eigentums. Denken Sie daran: Vor hundert Jahren gab es kein Wohneigentum. Das ist eine Entdeckung, eine Erfindung unseres Jahrhunderts – eine geniale Erfindung. Dann gibt es den Unterschied zwischen den Produktionsgütern und den Verbrauchsgütern. Produktionsgüter dienen zur Erzeugung von anderen Gütern, also der Grund und Boden, die Werkstätten, die Maschinen. Verbrauchsgüter dienen der Bedarfsdeckung: Wohnung, Kleidung, Nahrung. Es trat einmal ein Mann auf im 19. Jahrhundert, der die Aufhebung des Privateigentums forderte; er hieß Karl Marx. Er sah im Privateigentum, vor allem im Privateigentum an Produktionsmitteln, die Wurzel der negativen Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft, nämlich Ausbeutung und Entfremdung. Seine Ideen wurden umzusetzen versucht in der Sowjetunion. In dem Staate Lenins und Stalins wurde ab 1929 die Zwangskollektivierung angeordnet und vorgenommen. 27 Millionen Bauernhöfe wurden enteignet, die Bauernhöfe der sog. Kulaken. Unter Kulaken versteht man jene Bauern, die nicht nur mit eigener und der Familienarbeitskraft das Land bewirtschaften, sondern mit fremden Kräften. Das Eigentum der Kulaken wurde enteignet, es wurde in Gruppeneigentum übergeführt, es wurden Kolchosen und Sowchosen gebildet. Die Kollektivierung der Sowjetunion war mit Deportation und Liquidierung von Millionen Menschen verbunden. Eine riesige Hungersnot setzte ein. In den Jahren 1932-34 mussten die Staaten Europas Lebensmittel in die Sowjetunion transportieren, um Menschen vom Hungerstod zu retten. Das Experiment in der Sowjetunion hat uns eine wichtige Lehre über das Eigentum, seine Verteilung und seine Nutzung gegeben. Wo nämlich das Privateigentum eingeschränkt oder abgeschafft wird, wo auch sein Erwerb eingeschränkt und gemindert wird, da sind die Menschen versucht, sich das öffentliche Eigentum nutzbar zu machen. In keiner Eigentumsordnung wird so viel gestohlen wie in der sozialistischen. Die Menschen betrachten das sogenannte Volkseigentum als ihr eigenes. Die Voraussagen von Karl Marx sind nicht in Erfüllung gegangen, nämlich dass die Arbeiterklasse immer mehr verelenden werde und dass das Kapital sich immer mehr konzentrieren werde; diese beiden Voraussagen sind nicht in Erfüllung gegangen. Die von Karl Marx vorausgesagte schlimme Entwicklung ist nicht eingetreten. Die Arbeiterklasse ist nicht ärmer, sondern wohlhabender geworden, und die Konzentration wurde durch Bestimmungen wie Kartellrecht und andere Maßnahmen verhindert. Unsere Gesellschaft hat sich als fähig erwiesen, Ausbeutung und Entfremdung zu überwinden. Sie hat sich um Chancengleichheit, Verteilungsgerechtigkeit und Sozialbindung des Eigentums erfolgreich bemüht.

Auch über die notwendigen Verschiebungen im Eigentum hat Gott nichts angeordnet. Solche Verschiebungen kommen immer wieder vor. Im Jahre 1918 wurden in Deutschland alle Fürsten entthront. Sie verloren ihre Herrschaftsbefugnisse und ihren Herrschaftsbereich, und ihre Vermögensverhältnisse mussten neu geordnet werden. Kommunisten und Sozialisten riefen einen Volksentscheid auf bedingungslose Enteignung der Fürsten ins Leben – bedingungslose Enteignung und vollkommene, entschädigungslose Enteignung. Dieser Volksentscheid wurde von der Mehrheit des deutschen Volkes abgelehnt. Das Volk hatte sich mehrheitlich ein Gefühl dafür bewahrt, dass man einen Menschen nicht völlig seines Eigentums berauben dürfe. Und so wurden dann in der Folge 26 einzelne Verträge mit den Fürstenhäusern abgeschlossen, die ihnen ein Minimum an Lebensmöglichkeit beließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein Ausgleich der Vermögensschäden und Vermögensverluste, die während des Krieges oder als dessen Folgen entstanden waren, zwischen den betroffenen und nicht betroffenen Bevölkerungsteilen durchgeführt. Die nicht geschädigten Personen hatten einen Lastenausgleich vorzunehmen; es wurde ihnen also etwas abgenommen. Sie mussten etwas abgeben von ihrem Eigentum, um denen, die alles verloren hatten, wenigstens eine Startmöglichkeit, einen Anfang zu einer neuen Eigentumsbildung zu gestatten. Das ist eine Großtat unseres Vaterlandes gewesen. Allerdings war ihm ein anderes Land vorausgegangen, nämlich Finnland. In Finnland waren hunderttausende Finnen von den Russen ausgewiesen worden aus den an Russland abgetretenen Gebieten. Und auch sie erhielten in Finnland einen Lastenausgleich.

Die Befestigung des Eigentums bei dem einzelnen setzt eine bestimmte Verteilung der irdischen Güter voraus. Gott hat darüber nichts gesagt, wie diese Verteilung vorzunehmen ist. Es müssen also von den Menschen bestimmte Methoden entwickelt werden, wie Güter erworben und besessen werden können, Methoden der Güterverteilung, und sie sind auch tatsächlich von der Menschheit geschaffen worden, also etwa die eigene Arbeit, die Erbschaft, die Ergreifung des herrenlosen Gutes, die Rente, der Lohn für geleistete Arbeit, der Kauf; das sind Weisen, wie Eigentum erworben wird, wie Eigentum in die Hand eines einzelnen übergeht. Das Ziel dieser Methoden ist ein rechtsgeordneter Besitz und Gebrauch der irdischen Güter, der erlangt werden muss. Es ist unmöglich, dass ein Staat jemals alle diese Methoden der Eigentumserwerbung abschaffen könnte. Das wäre ein tiefgehender Eingriff in das Eigentumsrecht des Menschen. Kein Staat könnte willkürlich sämtliche oder auch nur einige der wichtigsten Erwerbstitel abschaffen.

Unumschränkt kann ein Eigentumsrecht aber auch nicht sein. Ein unumschränktes Privateigentum an allen möglichen Gegenständen ist unmöglich. Es besteht immer die Notwendigkeit, soziale Bindungen festzulegen, den Gebrauch des Eigentums zu beschränken und Enteignungen vorzusehen. Wenn eine Straße gebaut wird, muss eben der Besitzer der entsprechenden Ländereien etwas abgeben. Der Staat hat das Recht und die Pflicht, die sozialen Pflichten des Eigentums durch seine Gesetzgebung in rechtliche Bindungen umzusetzen. Der Gesetzgeber ist freilich durch die Verfassung gebunden. Artikel 14 unseres Grundgesetzes sagt: „Das Eigentumsrecht und das Erbrecht werden gewährleistet.“ Aber freilich steht dabei auch: „Inhalt und Schranken des Eigentums werden vom Staat bestimmt.“ Der Staat hat auch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu sichern. „Eigentum verpflichtet“, heißt es im Artikel 14 des Grundgesetzes, „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“ Der Staat hat das Recht, zu verhüten, dass das Eigentum nur zum Schaden von anderen missbraucht wird; das steht schon im Bürgerlichen Gesetzbuch § 226, nämlich: „Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen“ – das sog. Schikaneverbot des Bürgerlichen Gesetzbuches. Aber der letzte Richtpunkt, nach dem alle diese Aufgaben immer wieder gelöst werden müssen, ist das 7. Gebot mit der Bedeutung: Die irdischen Güter müssen befestigt bleiben. Es muss für den einzelnen Menschen ein Recht auf irdische Güter geben, und dieses Recht muss beschirmt werden.

Das Privateigentum ist ein hohes Gut, meine lieben Freunde. Wir Heimatvertriebenen, die wir alles aufgeben mussten, und nur mit dem Bündel in der rechten und in der linken Hand unsere Heimat verlassen mussten, wir wissen, was es bedeutet, mittellos, eigentumslos zu sein. Das Privateigentum ermöglicht die freie Betätigung der Einzelpersönlichkeit. Eigentum macht frei. Es deckt und entwickelt sozial unerlässliche Anlagen: Arbeitsfleiß, sorgsame Ausnützung der Arbeitsmittel, Sparsinn, Erfindungsgabe, gesunden Erwerbssinn, fruchtbares Vorwärtsstreben. Das Eigentum bildet die materielle Voraussetzung der Bildung und der Erhaltung der Familie. Als ich die höhere Schule besuchte, mussten die Eltern im Monat 20 Mark für den Besuch der Schule bezahlen – Schulgeld. Die Eltern haben es sich vom Munde abgespart. Eigentum ist bei gerechter Aufteilung der Wirtschaftsgüter die beste Grundlage des gesellschaftlichen Friedens; wenn jeder etwas hat, ist der Neid eingedämmt. Doch über allem Eigentum steht das Wort des Herrn: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Rost und Motten sie verzehren, wo Diebe kommen, sie ausgraben und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo nicht Rost und Motten sie verzehren, wo keine Diebe kommen, sie ausgraben und stehlen. Sammelt euch Güter, die nicht vergehen, die in alle Ewigkeit bleiben.“

Amen.

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