Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Zehn Gebote (Teil 11)

8. September 2002

Der Schutz des Volkes durch das Recht (5.)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten bei der Betrachtung des 5. Gebotes erkannt, daß Gott sich schützend vor jedes Leben stellt. Wer einen Menschen angreift, der greift zuerst Gott selbst an. Um die Gewalt zu bändigen, hat Gott das Recht aufgestellt. Das Recht ist die Schutzmacht für den Schwachen. Das Recht wird verwaltet vom Staat. Der Staat ist bestimmt, dem Recht zum Siege zu verhelfen. Der Staat aber ist das organisierte Volk. Durch diese Zusammenhänge erkennen wir, daß Gott sich nicht nur vor den einzelnen Menschen schützend stellt, sondern auch vor den Staat und vor das Volk. Ja, man muß sagen, die letzte Erfüllung und der tiefste Sinn des 5. Gebotes ist der Schutz des Volkes. Gott selbst hat das Wort vom Volk geheiligt. Er hat seine Propheten zum auserwählten Volk gesandt, und was sie an Schönem und Schrecklichem dem Volke gesagt haben, ist ein glänzendes Zeugnis für die wahre Liebe zum Volke. Auch Paulus war ein Liebhaber seines Volkes. Er hat die Bereitschaft erklärt, selbst verloren zu sein, wenn er damit sein Volk retten könnte. Er hat um sein Volk gebangt und geweint und gelitten. Der Sohn Gottes wollte aus einem bestimmten Volke stammen, als er auf Erden erschien. Er hat sich zu diesem Volk gesandt gewußt, er hat um dieses Volk geweint und in Freude und Entzücken, aber auch in Vorwurf und Klage sich diesem Volke zugewandt.

So müssen wir heute von unserem Volke sprechen, von unserem deutschen Volke und von den Völkern, die auf dieser weiten Erde verbreitet sind. Ein Volk ist eine Gemeinschaft; wir sprechen ja gern von der Volksgemeinschaft, und das ist recht so. Aber diese Gemeinschaft ist nichts Künstliches, sondern sie setzt eine Gemeinsamkeit voraus. Die Gemeinsamkeit, die das Volk zusammenbindet, ist etwas Naturgegebenes; es ist eine Gemeinsamkeit des Blutes, eine Gemeinsamkeit des Weges und eine Gemeinsamkeit des Werkes.

Das Volk ist eine Blutsgemeinschaft, d.h. hier sind Menschen verbunden durch gemeinsame Abstammung. Das Volk ist so etwas wie eine erweiterte Familie, wie eine große Familie, und die gemeinsames Blut, die gemeinsame Abstammung haben, gehören zusammen. Die Zusammengehörigkeit des Volkes läßt sich vergleichen mit der zwischen zwei Freunden, die lange miteinander gewandert sind und die eben jetzt zusammengehören. Die Gemeinsamkeit des Blutes geht freilich darüber hinaus. Sie gibt dem Menschen etwas mit, was in seinem Körper und in seinem Geist sich deutlich zeigt. Die gemeinsamer Abstammung sind, haben gemeinsame Körpermerkmale. Darüber hinaus sind sie verbunden durch gemeinsames Empfinden und gemeinsames Fühlen. Ihr Freuen und ihr Sich-Betrüben ist gemeinsam. Ja, die durch gemeinsame Abstammung geprägt sind, sind auch in ihrer Denkungsart verwandt. Es gibt gemeinsame Eigenschaften des Denkens und des Fühlens in einem Volke. Ein sprechender Ausdruck für die Gemeinsamkeit des Volkes ist die Sprache, die gemeinsame Sprache, die Volkssprache oder, wie wir sagen: die Muttersprache. Es ist jene Sprache, in der sich die Volksgenossen am besten verstehen und verständigen können. Es ist die Sprache, in der sie die ersten Wahrheiten über Gott und das ewige Leben vernehmen sollen. Die Kirche hat immer darauf bestanden, daß der Religionsunterricht in der Muttersprache erteilt wird, weil durch diese Sprache die Herzen angerührt werden, weil durch diese Sprache etwas in den Seelen verankert wird, was nie mehr daraus entfernt werden soll.

Durch die gemeinsame Sprache haben wir unsere Gedanken, Ideen, Vorstellungen gelernt. Wir sind deswegen der früheren Generation verpflichtet, die uns einen Fundus von geistigen Errungenschaften vermittelt und überliefert hat. Wir müssen unserem Volke dankbar sein, daß wir in ihm leben dürfen und was wir von ihm empfangen haben und immer noch empfangen. Die Gemeinsamkeit der Herkunft, die Gemeinsamkeit der Abstammung verbindet uns miteinander zu einem gemeinsamen Volke.

Die zweite Wurzel dieser Gemeinsamkeit ist der gemeinsame Weg. Wenn zwei Menschen sich am Traualtar das Jawort geben, dann verbinden sie sich zu einem gemeinsamen Weg. Aber dieses Jawort, das ja recht flüchtig ist, muß erst in einem jahrelangen Schaffen und Tragen, Wandeln und Weinen zur Unzerstörbarkeit der Ehe ausgebaut werden. Was da am Altare versichert worden ist, das muß durch die Geeinsamkeit des Weges bestätigt werden. Die da verbunden sind, müssen gemeinsam das Leben bewältigen. Ähnlich ist es mit dem Volke. Aber hier geht der Weg nicht bloß durch Jahrzehnte, hier geht der Weg durch Jahrhunderte. Ein Volk ist eine Gemeinschaft von Menschen, die eine gemeinsame Geschichte hat, eine gemeinsame Tradition, ein gemeinsames Schicksal. Ja, das ist es. Das gemeinsame Blut bedeutet sehr oft auch gemeinsam vergossenes Blut. Zu dieser Geschichte müssen wir uns bekennen. Man kann nicht austreten aus dem Volke wegen irgendwelcher Untaten, die geschehen sind. Nein, meine lieben Freunde, man muß sich zu der ganzen Geschichte dieses Volkes bekennen, und auch in Zeiten, in denen Unrecht getan wurde, in denen Unrecht zu überwiegen schien, auch in diesen Zeiten war es unser Volk und blieb es unser Volk, und auch in dieser Zeit ist viel Rechtes geschehen, ist viel Liebe, ist viel Heldenmut bewiesen worden. Ich kann das Wort nicht hören: „Ich schäme mich für mein Volk.“ Das Wort kann ich nicht hören. Für unser Volk brauchen wir uns nicht zu schämen. Es hat Menschen gegeben, die sich schämen müssen wegen der Untaten, die sie vollbracht haben. Aber wegen unseres Volkes und für unser Volk brauchen wir keine Scham zu empfinden.

Ein Volk hat einen gemeinsamen Weg in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft. Wir müssen weiter mit unserem Volke gehen; wir dürfen uns nicht von ihm trennen. Wir dürfen uns nicht absondern. Das wäre so, als wenn sich jemand in einer Wüste auf einen Seitenweg begeben würde; er würde hoffnungslos zugrunde gehen. Nein, wir müssen mit unserem Volke gehen. Wir haben so viel von ihm empfangen, darum müssen wir ihm auch viel geben. Wir müssen mit gleichem Schritt und Tritt in die Zukunft gehen. Wenn die anderen für uns da sind, müssen wir auch für sie da sein. In einem großen asiatischen Lande hatte der Führer die Parole ausgegeben: „Dem Volke dienen!“ Die Parole ist richtig. Ob die, an welche er sie gerichtet hat, danach gelebt haben, ist eine andere Frage.  Aber die Parole ist richtig: Dem Volke dienen! Das muß auch unser Bestreben sein, nicht dem Volke entfliehen, nicht das Volk ausnutzen, nicht sich vom Volke trennen, sondern dem Volke dienen. Es muß uns etwas liegen an dem Volk. Wir kennen es, wir kennen es gut, wir kennen es manchmal nur zu gut, und dennoch: Wir dürfen nicht ausbüxen aus diesem Volke, wir müssen mit ihm gehen, weitergehen, solange es Gott über uns verfügt.

Das dritte Band, das uns mit unserem Volke verbindet, ist das gemeinsame Werk. Gott hat von Ewigkeit ein jedes Volk zu einem Werk bestimmt, zu bestimmten Leistungen, zu bestimmten Aufgaben. Er hat ihm eine Sendung gegeben. Das ist gar keine Frage: Jedes Volk hat eine Sendung. Jedes Volk hat deswegen auch ein Lebensrecht, weil es von Gott gesandt ist, weil es von Gott zu einer Aufgabe bestimmt ist. Diese Sendung muß ein Volk erfüllen. Voraussetzung ist natürlich, daß es diese Sendung erkennt. Wenn wir fragen, welches die Sendung unseres Volkes ist, dann kann man zum Beispiel anführen: Es liegt ja in der Mitte Europas. Darin scheint die Aufgabe beschlossen zu sein, nach Osten wie nach Westen, nach Süden wie nach Norden offen zu sein, Verbindung herzustellen, die Menschen zu verknüpfen, die im Süden und im Norden, die im Osten und im Westen leben. Das scheint, wenn ich nicht irre, eine Aufgabe unseres Volkes zu sein.

Ein Volk bildet ja auch bestimmte Tugenden aus. Als ich ein Knabe war, galt es, das deutsche Volk, als besonders ordnungsliebend, diszipliniert, fleißig. Ordnungsliebe, Disziplin, Fleiß, das waren Eigenschaften, die unserem Volke zugeschrieben wurden. Und es stimmte, es war so. Es sollte so bleiben. Wir sollten diese Eigenschaften, die dazu beitragen, das Werk zu erfüllen, das Gott unserem Volke gegeben hat, hochhalten, in uns ausbilden und die üblen Eigenschaften überwinden. Zu den üblen Eigenschaften des deutschen Volkes gehört seine Uneinigkeit, der Parteigeist, das Trennungsdenken. Das ist eine üble Eigenschaft, die behindert das Werk, denn Einigkeit macht stark und nicht Uneinigkeit.

Wenn wir einig sein wollen, müssen wir Achtung haben vor jedem Menschen, vor jeder Menschengruppe, vor jeder Gemeinschaft in diesem Volke. Es ist ganz töricht, wenn Menschen eines bestimmten Standes sich über Angehörige eines anderen Standes erheben. Das ist töricht und volksfeindlich, gemeinschaftsfeindlich. Jede Gruppe, jeder Stand, jeder Beruf hat seine Berechtigung, und wir müssen in Ehrfurcht vor einem jeden stehen. In Ehrfurcht müssen wir auch vor einem jeden Volke stehen. Gott hat alle Völker geschaffen, und es ist unrecht, wenn wir über manche Völker wegen bestimmter Eigenschaften den Stab brechen. Es muß Ehrfurcht und Achtung vor jedem Volke in uns sein.

Mir sagte einmal ein Kellner, der weit herumgekommen war in Europa, in England, in Italien, er sagte mir einmal: „Wissen Sie, wenn ich in Sizilien auf der Straße zusammenbreche, da kümmern sich sofort eine Menge Menschen um mich.“ Welch schönes Zeugnis hat er damit den Sizilianern ausgestellt! Er wollte ihre Nächstenliebe, ihre Menschenliebe damit kundtun. Wir singen im Liede: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“ Ja, das wollen wir sein. Brüderlich wollen wir sein, denn wer nicht brüderlich ist, der hat kein Volk, der hat kein Vaterland. Wenn wir wissen wollen, was unser Volk ist, dann müssen wir sagen: Jeder, dem wir unbedingt und brüderlich zugehören, ist unser Volk, ist das Volk, zu dem wir gehören, für das wir verantwortlich sind und dem wir dienen müssen.

Amen.

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