Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Wiederkunft des Herrn (Teil 6)

17. Februar 1991

Die Unvergänglichkeit des auferstandenen Leibes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Erlösung vollendet sich im Leibe. Das war die Botschaft, die wir am vergangenen Sonntag betrachtet haben. Es geht im Christentum nicht nur um das Überleben, um das Weiterleben der Seele, sondern das Christentum ist die Botschaft vom Weiterleben des ganzen Menschen. Solange der Leib nicht mit der Seele vereinigt ist, ist die vollendete Erlösung noch nicht geschehen. Auch die in der himmlischen Herrlichkeit lebenden Seelen unserer Vorfahren warten noch auf die Erlösung des Leibes bei der Auferstehung von den Toten. Eine einzige Person hat schon die völlige Vollendung erfahren, nämlich Maria. Von ihr bekennen wir, daß sie mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen ist. Ihr ist also schon die letzte Vollendung zuteil geworden, auf die alle anderen Menschen noch warten.

Nun ist der Glaube an die Auferstehung des Leibes alles andere als bequem oder leicht oder einfach. Diese Wahrheit ist so schwer, daß es immer wieder Versuche gegeben hat, sie zu leugnen. Das beginnt schon in apostolischer Zeit. Im 2. Brief an Timotheus heißt es: „Ihre Lehre frißt um sich wie ein Krebsgeschwür. Zu diesen Leuten gehören auch Hymenäus und Philetus, welche von der Wahrheit abgefallen sind. Sie behaupten nämlich, die Auferstehung sei schon erfolgt. So zerstören sie bei manch einem den Glauben.“ Diese Irrlehrer von damals stellten die kühne Behauptung auf, jetzt schon, in dieser Erdenzeit, sei die Auferstehung erfolgt. Das heißt, sie verbogen die Lehre des Apostels. Sie leugneten den wirklichen und wahren Sinn der Auferstehung, die eben eine Auferstehung des Fleisches ist und den Tod des Leibes voraussetzt. Sie deuteten sie um wahrscheinlich auf die Bekehrung des Herzens. Das nannten sie dann Auferstehung. Aber das ist eine völlige Verkehrung des Sinnes der christlichen Glaubenswahrheit von der Auferstehung des Fleisches.

Die Wahrheit von der Auferstehung der Toten wurde auch von den Sadduzäern abgelehnt. Sie versuchten, sie lächerlich zu machen, indem sie eine derb-sinnliche Vorstellung von der Auferstehung konstruierten; deswegen dieses Beispiel von der Frau, die während ihres irdischen Lebens sieben Männer gehabt hatte. Natürlich, wenn das Leben so weiterginge, wie es auf Erden gelebt wurde, dann würde ein Zank entstehen zwischen den sieben Männern, wem die Frau gehören soll. Aber die Auferstehung ist eben eine andere Lebensform. Es geht nicht weiter, wie es auf Erden gegangen ist. Es gibt keine Rückkehr in die zeithaft-geschichtliche Existenz, sondern die Auferstehung ist der Beginn einer neuen, einer ganz anderen Lebenform. Niemand hat das deutlicher ausgesprochen als der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief: „Es könnte einer sagen: Wie stehen die Toten auf? Mit was für einem Leibe kommen sie zum Vorschein? Du Tor! Was du säst, keimt nicht auf, wenn es nicht zuvor abstirbt. Und wenn du säst, säst du nicht die Pflanze, die erst werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa ein Weizen- oder ein anderes Samenkorn.“ Er vergleicht also die Auferstehung mit dem Vorgang des Säens. Es wird ein Weizenkorn in die Erde gelegt, und es stirbt, d.h. es entfaltet sich, und daraus wächst die Pflanze empor. Ähnlich-unähnlich ist es auch bei dem Auferstehungsleib. Der Auferstehungsleib ist anders als der irdische. Die richtige Kategorie dafür ist die der Verwandlung. Auch das steht beim Apostel Paulus. „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, so wenig wie die Verwesung erbt die Unverweslichkeit. Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wohl aber werden wir alle verwandelt werden.“

Der Auferstehungsleib ist also ein verwandelter Leib, und dieser Auferstehungsleib hat nach dem Apostel Paulus drei Eigenschaften. Ein so undurchdringliches Geheimnis die Auferstehung und der Auferstehungsleib sein mögen, so wissen wir doch drei Dinge von ihm, die absolut sicher sind, nämlich

1. der Auferstehungsleib ist unvergänglich,

2. er ist voll Kraft, und

3. er ist voller Herrlichkeit.

Der Auferstehungsleib ist unvergänglich, unverweslich. So sagt es der Apostel Paulus: „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit.“ Der Auferstehungsleib ist also nicht mehr der Vergänglichkeit unterworfen wie der irdische Leib, der ja wegen der Sünde vergänglich ist. Der Tod ist der Sold der Sünde. Der Auferstehungsleib ist deswegen auch nicht mehr von der Todesangst bedroht. Im Jenseits werden die Menschen sein wie die Engel, die ein unvergängliches Leben haben. Und alle die Mühsale, die den irdischen Leib quälen, werden aufgehoben sein. „Es wird nicht mehr Hunger und Durst sein“, sagt der Apokalyptiker Johannes. Sie werden nicht mehr von den Sonnenstrahlen und von der Glut bedrängt werden, denn das Lamm führt sie zu dem Wasser, sie haben zu trinken, sie werden genährt, sie werden geweidet. „Und Gott wird jede Träne abwischen von ihren Augen, und der Tod wird fürder nicht sein noch Trauer und Klage und Schmerz, denn siehe, der auf dem Throne sitzt, spricht: Ich mache alles neu.“ Der Auferstehungsleib ist unverweslich, er ist unvergänglich.

Die zweite Eigenschaft ist: Er ist voll Kraft. „Gesät wird in Hinfälligkeit, auferweckt in Kraft.“ Kraft ist eine Eigenschaft, die Gott zukommt. Wenn Gott auftritt, dann handelt er in Kraft. Er ist der Erzeuger von Krafttaten, von Machttaten. Während der irdische Leib schwach ist, Krankheiten ausgeliefert ist und altert, wird der himmlische Leib, wird der Auferstehungsleib voll von Kraft sein. Er ist durchwirkt von der allmächtigen Glut der Liebe Gottes, und er ist getragen von der himmlischen Wahrheit Gottes. Deswegen ist er voll Kraft.

Und schließlich die dritte Eigenschaft: Er ist voller Herrlichkeit. „Gesät wird in Häßlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit.“ Auch das ist natürlich wieder ein Wort, das man aus dem griechischen Urtext erklären muß, denn das Wort Herrlichkeit im Deutschen hat im Griechischen die Entsprechung doxa. Doxa ist das Wort, das im Neuen Testament immer für Gottes Wirklichkeit verwendet wird. Wenn also dieses Wort doxa – Herrlichkeit jetzt auf den Auferstehungsleib angewandt wird, dann ist damit gesagt, daß der Auferstehungsleib teilhat an der Herrlichkeit Gottes, teilhat an dem verherrlichten Leibe Christi, daß er ähnlich ist wie der Leib, den Christus nach seiner Auferstehung angenommen hat. Auch das war ja ein verklärter, ein verherrlichter, ein von Gottes Licht, von Gottes Glanz durchwirkter Leib. So wird der Auferstehungsleib sein, daß man ihn mit Paulus  einen „geistigen Leib“ nennen kann. Gesät wird ein sinnlicher Leib, auferweckt ein vergeistigter Leib. Wenn es einen sinnlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen Leib. Das will sagen: Der Auferstehungsleib ist vom Geiste durchwirkt. Auf Erden vermag sich der irdische Geist, unsere Seele, im Leibe nur unvollkommen auszudrücken. Im Jenseits wird aber der Leib so geartet sein, daß sich die Seele in ihm vollkommen ausdrückt. Und nicht nur das. Nicht nur der geschaffene Geist wird sich im Auferstehungsleibe vollkommen ausdrücken können, auch der ungeschaffene Geist, also der Heilige Geist, wird den Auferstehungsleib durchwirken, so daß er in einem doppelten Sinne ein geistiger Leib ist, geistig, weil der irdische, geschaffene Geist ihn durchwirkt, und geistig, weil der ungeschaffene, göttliche Geist ihn durchherrscht.

Diese Wirklichkeit, meine lieben Christen, läßt sich auch durch Analogien aus der Philosophie und der Naturwissenschaft verständlich machen. Die heutige Philosophie und Naturwissenschaft lehrt einen Aufbau der Wirklichkeit in Schichten. Die jeweils niedrigere Schicht ist offen für die höhere Schicht, und indem sie die höhere Schicht aufnimmt, kommt sie zu ihrem eigentlichen Wesen, die sie also nicht sich selbst entfremdet, sondern sie verwirklicht durch die Aufnahme einer höheren Schicht. Während aber die Philosophie nur von Schichten spricht, die in der Erfahrung vorkommen, wissen wir aus dem Glauben, daß es auch Schichten gibt, die jenseits der Erfahrung existieren. Und eben diese Schichten werden den Auferstehungsleib ergreifen. Es ist die Wirklichkeit Gottes, die diesen Leib, der für ihn hin offen ist, ergreifen wird. Und es ist auch die Wirklichkeit des menschlichen Geistes, der ja durch eine Verwandlung hindurchgeht, der diesen Leib durchherrschen wird. So kann also die Schichtenlehre uns helfen, ein Verständnis zu gewinnen für die Wirklichkeit des Auferstehungsleibes.

Von besonderer Schwierigkeit für das Denken ist natürlich die Tatsache, daß der Auferstehungsleib mit dem irdischen Leib identisch ist. Denn das ist auch ein Glaubenssatz, daß wir dann nicht einen fremden Leib haben, sondern unseren eigenen. Wie kann das geschehen, da doch der irdische Leib zerfällt, zum Staub zurückkehrt, aus dem er genommen ist? Vermutlich so, daß aus diesem Staube durch verschiedene gottgewirkte organische und anorganische Vorgänge ein neuer Leib wird. Wie kann das geschehen? Werden sich nicht bei der Auferstehung die Menschen streiten darum, welche Materie ihnen zugeordnet ist und ihnen zukommt? Diese Fragen kann man sich stellen. Nun, meine lieben Freunde, es gibt Verstehenshilfen. Einmal muß man sagen, daß schon im irdischen Leben ein dauernder Stoffwechsel stattfindet. Im Leibe des Greises gibt es keinen einzigen Bestandteil mehr, keine einzige Zelle, die identisch wäre mit dem Leibe, den der Greis als Kind hatte. Man nimmt an, daß etwa in sieben Jahren alle Zellen im Körper ausgewechselt werden. Und doch bleibt der Leib derselbe. Niemand wird sagen, er habe jetzt einen anderen Leib als damals, wo er sieben Jahre alt war. Es ist derselbe Leib, der dieselben Gebärden hat, dieselben Merkmale, und doch ist er ganz und gar ausgetauscht worden durch den Stoffwechsel. Ähnlich-unähnlich kann man sich auch die Wirklichkeit des Auferstehungsleibes vorstellen. Außerdem ist es gar nicht notwendig, daß alle Bestandteile des Auferstehungsleibes mit dem früheren irdischen Leib übereinstimmen. Es würde zur numerischen Identität genügen, wenn bestimmte Bestandteile dem Auferstehungsleib zugeschrieben werden können. Es gibt auch noch eine andere theologische Meinung, aber die halte ich für gefährlich. Diese Meinung sagt, es ist der Geist, der sich den Körper baut. Das heißt: Um eine Identität des Auferstehungsleibes mit dem irdischen Leib zu behaupten, genügt es, daß es dieselbe Seele ist, die zweimal einen Leib baut, einmal den irdischen, ein andermal den himmlischen. Die Seele ist ja die forma corporis, das Gestaltgesetz des Körpers, und wenn sie sich nur durchhält, dann kann man ohne weiteres die Identität des Auferstehungsleibes mit dem irdischen Leib annehmen.

Diese Lehre halte ich deswegen für gefährlich, weil sie mir in Schwierigkeiten zu kommen scheint mit der Auferstehung Jesu. Denn wenn das so wäre, wie diese zweite Meinung sagt, dann wäre der irdische Leib Jesu irgendwo auffindbar gewesen. Er war aber nicht auffindbar, er ist verwandelt worden. Jesus hat eben diesen Leib, der am Kreuze verblutet ist, verwandelt und nicht einen anderen Leib angenommen. Deswegen kann ich mich mit dieser zweiten Ansicht nicht befreunden. Die Schwierigkeiten bleiben, sie müssen bleiben, meine lieben Freunde, weil es sich um ein göttliches, das heißt ein undurchdringliches Geheimnis handelt.

Der französische Philosoph Voltaire wurde einmal von einer Dame gefragt: „Wie stellen Sie sich die Auferstehung vor?“ Da gab Voltaire die verblüffende Antwort: „Die Auferstehung ist die einfachste Sache der Welt. Der Gott, der den Leib einmal erschaffen hat, warum kann er ihn nicht ein zweites Mal erschaffen?“ Daß die Auferstehung die einfachste Sache von der Welt ist, das möchte ich nun nicht gerade bejahen, aber das Argument, daß der allmächtige Gott, der aus nichts etwas geschaffen hat, das, was existiert, auch verwandeln kann, das Argument ist gültig. Wie sagte doch der Herr durch seinen Engel zu Maria, der Jungfrau von Nazareth: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich!“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt