Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gebote Gottes (Teil 17)

1. November 1986

Verfehlungen gegen das sechste Gebot

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“ haben wir als 6. Gebot in unserem Katechismus gelernt. Wenn Sie neuere Katechismen aufschlagen, finden Sie da den Satz: „Du sollst nicht ehebrechen!“ Aha! So haben mir schon verunsicherte Christen in Briefen oder am Telefon gesagt, es ist also nur der Ehebruch im 6. Gebot verboten. Alles andere Tun auf dem geschlechtlichen Gebiete ist frei. Und nach diesem Prinzip leben manche. Wie kommt dieser scheinbare Widerspruch zustande, daß in älteren Katechismen steht: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“ und in neueren: „Du sollst nicht ehebrechen!“? Wenn man vom Zehn-Gebote-Gesetz ausgeht, wie es im Buch Exodus, im 2. Buch Moses, formuliert ist, so muß man sagen, dort steht: „Du sollst nicht ehebrechen!“ Warum hat aber die Kirche dann dieses Gebot umgeformt in den Satz: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“? Einfach deswegen, weil an vielen anderen Stellen des Alten und des Neuen Testamentes nicht nur der Ehebruch, sondern jede Art geschlechtlichen Mißbrauchs. jede Form von Unzucht verboten ist. Die Kirche hat also durchaus recht gehabt, wenn sie in einem Katechismus, also in einem nicht exegetischen Werke, sondern in einem Handbuch der christlichen Lebensführung das Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen!“ umgeformt hat in den Satz: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“ An vielen Stellen des Alten und des Neuen Testamentes wird nicht nur die Untreue in der Ehe, sondern jegliche Art von Unzucht verboten.

Im Buche Genesis wird zum Beispiel berichtet, daß die Männer von Sodoma, als Lot an diesen Ort gekommen war, begehrten, daß sie sich mit den zwei Männern zusammentaten, die Lot besuchten; und das wird als ein furchtbares Verbrechen bezeichnet. Deswegen, auch deswegen ging Sodoma zugrunde, wegen der sodomitischen Sünde. An einer anderen Stelle des Alten Testamentes wird von einem Manne namens Onan berichtet. Dieser Onan hat sich der Verfehlung schuldig gemacht, so heißt es hier in der Genesis im 38. Kapitel, daß er, wenn er der Frau seines Bruders beiwohnte, den Samen zur Erde fallen ließ. Also eine Verfehlung, die innerhalb der Ehe stattfand, die vom Alten Testament gebrandmarkt wird und die man als Onanie bezeichnet.

Im Neuen Testamente ist an vielen Stellen jegliche Unzucht verurteilt, etwa im 6. Kapitel des 1. Korintherbriefes: „Wißt ihr nicht, daß Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener noch Ehebrecher noch Lüstlinge noch Knabenschänder werden das Reich Gottes erben!“ Also hier sind wenigstens vier verschiedene Unzuchtsvergehen genannt, Unzüchtige, Ehebrecher, Lüstlinge, Knabenschänder. Das habe ich nur deswegen ausgeführt, um den Unfug zurückzuweisen, als ob Gott lediglich den Ehebruch verboten hätte und nicht auch alle anderen Taten der Unzucht. Die Kirche hat also mit vollem Recht den Satz formuliert: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“

Unzucht ist ein weites Feld, meine lieben Freunde. Sie beginnt, wie jede Sünde, im Herzen, mit Gedanken. „Gedanken sind zollfrei“, so sagt der Volksmund. Aber Gedanken sind nicht frei von Schuld! Die Gedanken, in denen sich ein Mensch aufhält, sind von dem Augenblick an nicht mehr schuldlos, wo er sich mit Wohlgefallen unzüchtigen Gedanken zuwendet. Es gibt Menschen, die leiden viel unter unzüchtigen Vorstellungen, ohne daß sie das wünschen und ohne daß sie es herbeirufen. Das ist eine Krankheit, aber keine Schuld. Aber freilich, es kann aus solchen Zwangsgedanken eine Versuchung werden, wenn man ihnen zustimmt und wenn man sich darin mit Wohlgefallen aufhält. Außerdem pflegen Gedanken leicht zum Wunsch überzugehen. Sobald sich der Wille einschaltet – durch das Streben, durch die Begierde –, ist mit Sicherheit von Schuld zu reden.

Die Seele drängt nach dem Ausdruck dessen, was in ihr lebt, und so sind unzüchtige Worte nicht selten. Was man vor allem in Männergemeinschaften, also beim Militär oder in Betrieben oder in Sportvereinen in dieser Richtung zu hören bekommt, ist grauenhaft. Die Menschen, die von diesen Dingen reden, wissen oft nicht, welchen Schaden, welche Verwüstungen sie in den Seelen anderer, Unschuldiger, anrichten. Die unkeuschen, unzüchtigen Worte können wie ein Frost in eine Blüte fallen. Und derjenige befleckt sich selbst, der solche Worte gebraucht.

Begierde und Worte verstärken sich zur Tat. Die unzüchtige Tat ist mannigfaltig, sie hat verschiedene Namen, je nachdem, ob sie von Ledigen, ob sie von Verheirateten, ob sie mit Blutsverwandten, ob sie wider die Natur begangen wird. Als oberstes Prinzip hat zu gelten, was die Kirche seit zweitausend Jahren mit wunderbarer Konsequenz formuliert hat: Die Geschlechtskraft hat einen einzigen legitimen Ort, an dem sie sich auswirken darf, und das ist die gültige Ehe! Außerhalb der Ehe, vor der Ehe ist ein Gebrauch der Geschlechtskraft normalerweise immer schwere Sünde. Der einzige rechtmäßige Platz geschlechtlicher Betätigung ist die Ehe, weil der Geschlechtskraft ein Lebenswert, nicht bloß ein Genußwert innewohnt. Gott hat diese wunderbaren und doch gleichzeitig furchtbar gewaltigen Kräfte geschaffen, daß das Menschengeschlecht sich erhält; und er hat diese Kräfte gleichzeitig zu einem Mittel gemacht, daß sich Gatten in einer rechtmäßigen Ehe in Liebe einander schenken. Aber es ist keine Frage, daß der Lebenszweck der Geschlechtlichkeit den Dienst an der liebenden Vereinigung der Gatten weit, weit überragt. Die Kirche hat – nicht zu Unrecht – deswegen immer einen ersten und obersten Ehezweck, nämlich die Weitergabe des Lebens, vor einem zweiten, nachgeordneten Ehezweck, nämlich der gegenseitigen Hilfe und Liebe der Gatten, gelehrt.

Der erste Ehezweck ist ein sozialer. Er geht auf die Gemeinschaft, und die Gemeinschaft hat eben den Vorrang vor dem einzelnen. Der zweite Ehezweck ist ein individueller. Er ist deswegen dem ersten Ehezweck nachgeordnet. Diese Unterscheidung bleibt wahr und richtig, ob sie im kirchlichen Gesetzbuch steht oder nicht. Sie ist in der Natur des Menschen, sie ist im Naturgesetz, im sittlichen Naturgesetz angelegt und von der Kirche immer gelehrt worden.

Die Taten der Unzucht pflegen psychologisch größte Verwüstungen anzurichten. Der heilige Hieronymus hat einmal geschrieben von der geschlechtlichen Begierde: „Usu crescit, numquam satiatur“ – Sie wächst durch den Gebrauch, und sie wird niemals satt! Wie richtig hat Hieronymus beobachtet! Dieser Trieb ist tatsächlich im wahren Sinne unersättlich, und der Mensch, der ihm nachgibt, der ihn nicht beherrscht, der wird verschlungen wie von einem Strudel. In der echten Sage vom Tannhäuser, nicht in der von Richard Wagner verfälschten, ist der Held der Sage, also Tannhäuser, festgehalten im Zauberberg, im Hörselberg bei Frau Venus, und er spürt diese furchtbare Zerrissenheit, das Hingezerrtsein zum Bösen und das Wissen um das Gute. Er kann sich nicht lösen, und Frau Venus läßt ihn auch nicht fliehen. Erst als er die reinste der Jungfrauen anruft, Maria, da gelingt es ihm, sich von dem Zauber dieses Hörselberges zu befreien. „Usu crescit, numquam satiatur.“ Der Trieb, dem man nachgibt, verlangt immer stärkere Dosen, und von einfacher Unzucht kommt man zu qualifizierter, ja bis hin zu Sünden wider die Natur. Soeben hat der oberste Wächter des Papstes über die Glaubens- und Sittenlehre, der Kardinal Ratzinger, eine Instruktion über oder besser gegen die Homosexualität herausgegeben. Das Laster der gleichgeschlichen Verbindung ist wider die Natur.

Der Mensch ist erfinderisch im Dienste dieser Laster. So schafft er immer neue Anreizungen. Ich erwähne vor allem Bilder, Filme, Romane, Zeitschriften. Die Bilder sind deswegen so gefährlich, weil sie eine suggestive Kraft haben. Was man hört, dringt nicht so in die Seele ein wie das, was man sieht. Deswegen ist es so wichtig, daß wir uns und andere dazu erziehen, Bilder, die aufregen, Bilder, die anreizen, zu vermeiden, Filme, Fernsehsendungen, die in diese Richtung gehen, nicht anzuschauen. Wir dürfen es den Kindern nicht nur verbieten, meine lieben Freunde, wir müssen ihnen klarmachen, daß sie sich damit schaden. Wir müssen ihnen die Überzeugung beibringen, daß diese aufreizenden Filme ihnen nichts Gutes bringen, sondern Schlechtes, daß sie sie in den Schlamm tauchen, in den Schlamm, in dem sie möglicherweise versinken werden.

Auch die Lektüre ist auszuwählen. Man soll Kindern nicht nachspionieren, aber man soll das Vertrauen haben, daß sie sich mit einem Erwachsenen über ihre Lektüre unterhalten und daß man sie deswegen vor gefährlichen Büchern warnen kann. „Eine Jungfrau, die noch keusch ist, hat keine Romane gelesen,“ hat einmal der französische Philosoph Rousseau gesagt. Auch er wußte, wovon er sprach.

Zu diesem Gebiet gehört endlich auch die Frage der Kleidung. Die Entblößung des Körpers, das Anlegen aufreizender, die Sinnlichkeit anregender Kleidung, ist nicht ohne Schuld. Gewiß denken die meisten Männer und Frauen nicht an die Folgen, die sie mit ihrer Kleidung anrichten. Aber diese Folgen sind verschwinden deswegen nicht. Wir sollten darauf hinarbeiten, soweit es in unserer Macht steht, daß wir vor allem Jugendliche darauf hinweisen, ihre Kleidung so zu wählen, daß sie nicht der auf der Lauer liegenden Begierde Zündstoff liefert.

Wir begehen heute das Fest Allerheiligen. Alle Heiligen haben mit denselben dunklen Kräften gerungen, die auch in unserem Körper und in unserer Seele zu spüren sind. Aber sie haben diese Kräfte bewältigt und besiegt. Sie haben sie überwunden – und das ist der häufigste Fall –, indem sie ihre Zuflucht nahmen zu der reinsten Jungfrau, zu Maria. Sie rufen wir an in der Lauretanischen Litanei: „Du reine Jungfrau, du keusche Jungfrau, du unversehrte Jungfrau, du unbefleckte Jungfrau.“ Vier Anrufungen, die wir als Schutz vor den Gefahren der Geschlechtlichkeit uns zu eigen machen sollen. In der Allerheiligenlitanei kommt die wunderbare Anrufung vor: „A spiritu fornicationis libera nos“ – Vom Geiste der Unlauterkeit erlöse uns!

Wir wollen uns heute, meine lieben Freunde, im Geiste dieser Anrufung erneuern, wollen den Heiligen, die uns vorangegangen sindim Zeichen des Glaubens, unsere Bitte vortragen, daß sie uns und alle, die uns anvertraut sind, daß sie unser Volk und unsere Kinder bewahren vor dem Makel der geschlechtlichen Sünde, daß sie uns befähigen, die Schönheit der Reinheit, die Schönheit der Tugend, die Schönheit der Keuschheit zu erkennen und dann diesem Ideal nachzuleben und auf diese Weise ihre Gemeinschaft zu erlangen. 

Amen.

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