Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gebote Gottes (Teil 4)

20. Juli 1986

Die Verehrung der Bilder

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An den vergangenen Sonntagen haben wir uns mit der Anbetung Gottes und der Verehrung der Heiligen beschäftigt. Eine ganz andere Weise der Verehrung ist die der Bilder. So alt wie das Christentum ist, es hat keine Zeit gegeben, die einen bloß bilderlosen Gottesdienst geübt hätte. Schon in den Katakomben finden wir Bilder, Bilder des Herrn und der allerseligsten Jungfrau, Abbildungen von Geschehnissen aus dem Alten und dem Neuen Testament, vor allem von solchen, die an die Allmacht Gottes und an die Auferstehung der Toten erinnerten, verständlich in Gräberfeldern und in Zeiten der Verfolgung. So finden wir beispielsweise in den Katakomben Bilder von den drei Jünglingen im Feuerofen, von Daniel in der Löwengrube und von der Erweckung des Lazarus. Als das Christentum den Katakomben entstiegen war, wurden die Bilder in den Kirchen, aber auch auf öffentlichen Plätzen und in den Straßen angebracht.

Es gab einmal eine Zeit des Bildersturms. Einige byzantinische Kaiser verboten die Bilderverehrung, ließen die Bilder zerstören, in den Kirchen übertünchen und verfolgten und marterten diejenigen, welche die Bilder verehrten. Vor allem Kaiser Leo IV. im Jahre 726. Gegen diese Ikonoklasten – Bilderstürmer -  wandte sich das Siebente Allgemeine Konzil von Nicäa im Jahre 787. Dieses Konzil erklärte: Die Bilderverehrung ist gestattet und gut. Nur darf man die Bilder nicht anbeten.

So hat die Kirche immer die christliche Kunst in ihren Dienst genommen und Bilder Christi, der Heiligen, Bilder von biblischen Geschehnissen in ihren Kirchen angebracht und den Gläubigen die Verehrung der Bilder empfohlen. Gewiß haben wir keine Kunde davon, wie unser Herr und Heiland ausgesehen hat. Zu seinen Lebzeiten ist kein Bild von ihm gemalt worden, das auf uns gekommen wäre. Dennoch haben die christlichen Künstler Bilder von Christus geschaffen. Es ist immer ein Antlitz, das gleichzeitig ernst und mild, hoheitsvoll und gütig ist. Es sollen diese Bilder die Wesenheit unseres Herrn und Heilandes ausdrücken.

Wir haben ebenfalls kein Bild der Muttergottes. Aber dennoch haben zahllose Künstler Bilder der allerseligsten Jungfrau geschaffen. Maria wird entweder dargestellt als die Mutter mit dem Kinde – und das erinnert an die Menschwerdung –, oder sie wird abgebildet mit dem entseelten Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoße; das nennt man ein Vesperbild, weil es eben an den Abend des Karfreitags erinnert, Vesper heißt ja Abend, und dieses Bild ist ein Zeugnis der Erlösung. Maria wird abgebildet mit einem weißen Gewande, einem Schleier und mit einem Gürtel umgeben, so wie sie in Lourdes im Jahre 1858 erschienen ist. Berühmte Marienbilder stehen in unseren Kirchen, manchmal hängen sie auch in den Museen. In der Kirche Santa Maria Maggiore ist eines der berühmtesten Marienbilder, das man sogar dem Evangelisten Lukas zuschreibt, freilich zu Unrecht. Eine besondere Bedeutung hat das Marienbild in der Kirche des heiligen Alphons in Rom; denn dort hängt das Bild von der „Immerwährenden Hilfe“. Es stellt Maria der, die das Jesuskind in ihrer Hand hält. Zwei Engel zeigen dem Jesusknaben die Leidenswerkzeuge. Erschreckt hält sich das Kind an der Mutter fest. Das ist das berühmte Bild von der „Immerwährenden Hilfe“.

Auch die Heiligen werden abgebildet, gewöhnlich mit einem Heiligenschein, einem Nimbus. Der Strahlenkranz um ihr Haupt soll andeuten, daß sie in der Gnade Gottes gelebt und heroische Tugenden bewiesen haben. Häufig werden den Heiligen irgendwelche Attribute, also Eigenschaftsmerkmale, beigegeben. Man stellt sie dar in ihrem priesterlichen oder in ihrem bischöflichen Gewande; man gibt ihnen Gegenstände in die Hand, ein Buch, das bedeutet die Gelehrsamkeit, ein Herz, das besagt die Gottesliebe, eine Lilie, das meint die Reinheit. Oder man stellt neben sie ein Schwert, ein Beil, um anzugeben, auf welche Weise sie zu Tode gekommen sind. Das sind die Marterwerkzeuge. So wird zum Beispiel der Apostel Paulus gewöhnlich mit einem Schwert dargestellt, weil er vor den Mauern von Rom mit dem Schwert enthauptet wurde. Der Apostel Petrus trägt gewöhnlich Schlüssel. Dieses Attribut erinnert an das Wort des Herrn: „Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ Er ist der Schlüsselverwalter des Gottesreiches.

Besondere Schwierigkeiten wirft es freilich auf, wenn man den unsichtbaren Gott darstellen will. Häufig wird Gottvater als  ein Greis abgebildet. Nun, Gott ist nicht abbildbar, das wissen wir alle. Man kann Gott nicht in einem menschlichen Bild einfangen. Aber wenn man ihn abbildet, dann soll eben diese Abbildung irgendetwas von seinem Wesen darstellen. Und wenn Gott Vater als Greis dargestellt wird, dann soll eben damit die Wahrheit ausgesagt werden, daß der Sohn vom Vater ausgeht, daß Gott Vater ist und daß er den Sohn zeugt, nicht in einer biologisch-irdischen Zeugung, sondern in einem Hervorgang, der über unser Begreifen, ja selbst über unser Aussprechen geht.

Neben den Bildern Gottes und der Heiligen werden auch biblische Begebenheiten häufig dargestellt, etwa die Verklärung Christi auf Tabor oder die Auferstehung. Wir alle kennen das wunderbare Bild von Grünewald vom Isenheimer Altar.

Die Bilderverehrung hat ihren großen und tiefen Sinn. Selbstverständlich gilt die Verehrung nicht dem Gemälde, nicht der Zeichnung, nicht dem Holz- oder dem Steinbild. Die Verehrung gilt der Person, die dargestellt ist. Das Bild soll uns nur erinnern an die Person, aber die Verehrung richtet sich auf die Person.

Sodann erwarten wir keine Hilfe von den Bildern. Die Bilder sind tot, sie können uns nicht helfen. Und wenn wir zu ihnen wallfahren, dann besagt das nicht, daß wir von dem Bild eine Hilfe erwarten, sondern von dem, der durch das Bild dargestellt wird. Der Mensch ist nun einmal ein Wesen mit Geist und Fleisch. Er ist ein sinnenhaftes Wesen, und deswegen hält er sich gern an etwas Sinnenhaftes, um durch das Sinnenhafte durchzustoßen zum Geistigen.

Die Bilder werden auch nicht angebetet. Anbetung kommt allein Gott zu. Die Bilder werden verehrt, eben weil sie ein Zeugnis für die heiligen Personen sind, die sie darstellen.

Unter allen Bildern gibt es kein heiligeres als das des Kreuzes. Das Kreuz ist unser Gnadenbild über allen anderen Gnadenbildern. Es gibt keine Kirche ohne Kreuz, es gibt keinen Altar ohne Kreuz, es gibt keine Sakramentenspendung ohne Kreuz, es gibt keine Weihe und keine Segnung ohne Kreuz. Das Kreuz hat früher auf den Kronen der Könige geprangt; es ist heute noch als Brustkreuz bei den Bischöfen zu erkennen. Das Kreuz ist unser erhabenstes Gnadenbild, aber freilich auch hier nicht der Gegenstand, so kostbar er sein mag, verziert mit Edelsteinen, sondern der, der am Kreuze gelitten hat. Wenn wir sagen: das Kreuz, dann meinen wir den gekreuzigten Heiland. Wir verehren das heilige Kreuz, weil es das Marter- und Erlösungswerkzeug unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus war.

In dem angegebenen Verständnis, meine lieben Freunde, ist die Bilderverehrung nützlich und gut. Wir verehren die Bilder einmal deswegen, weil wir dadurch leicht einwirkende Gnaden erhalten können. Durch frommes Gebet vor den Bildern, durch der Verehrung der Bilder, damit, daß wir sie schmücken und aufstellen, erlangen wir Gnaden. Gott segnet die, welche die Bilder ehren, um auf diese Weise die Abgebildeten zu verehren. Schon mancher hat bei der Verehrung der Bilder eine Bekehrung erlebt, wie die heilige Maria von Ägypten. Bei vielen ist durch das Gebet vor dem Bilde ein Wunder geschehen. Das nennen wir dann Gnadenbild. Bilder, bei denen Wunder geschehen sind, nennen wir Gnadenbilder. Vor ihnen oder an ihnen sind solche Wunder geschehen, und das zieht sich von Kevelaer bis Altötting, das geht von Lourdes bis nach Albendorf in Schlesien. Das sind Gnadenbilder, die die Kirche häufig gekrönt hat, indem also die Muttergottes und das Jesuskind eine Krone aufgesetzt erhielten. Gekrönte Bilder sind immer Gnadenbilder, Bilder, an denen oder vor denen sich Gott mächtig erwiesen hat auf die Fürbitte seiner Heiligen. Also wir erlangen durch die Bilder, durch die Verehrung der Bilder einwirkende Gnaden.

Zweitens: Durch die Verehrung der Bilder werden wir vor Zerstreuung bewahrt. Wir haben einen Fixpunkt, einen Richtpunkt für unser Auge. Da braucht der Blick nicht umherzuirren, da können wir die tobenden Gedanken bändigen. Wir lenken sie hin auf ein Bild. Die Bilder sind tatsächlich ein Mittel, um sich zu sammeln, um sich zu fesseln, um sich zu konzentrieren auf den religiösen Gegenstand.

Drittens sind die Bilder eine Predigt. Von den Bildern kann man manches lernen. Wie sind doch manche unserer Kirchen so reich an Bildern, etwa die barocken und die Rokoko-Kirchen. Da kann man stundenlang verweilen und die Bilder betrachten. Man entdeckt immer neue Einzelheiten, und diese Einzelheiten belehren uns. Sie machen uns bekannt mit biblischen Geschehnissen, z.B. der Taufe Jesu im Jordan oder seinem Leidenswege oder mit den vielen, vielen Geschehnissen des Alten Bundes. Sie stellen uns eindringlich die Gestalten vor, denen wir folgen sollen, die Personen, deren Namen mit H beginnt, die Heiligen. Sie sind diejenigen, die uns vorangegangen sind, und denen wir folgen wollen.

Es gibt Religionen, welche die Verehrung der Bilder verwerfen. Der Islam kennt nur eine bilderlose Gottesverehrung. Aber auch bestimmte Zweige des Protestantismus sind bilderfeindlich, nämlich die Reformierten, also diejenigen Protestanten, die sich von Zwingli und Calvin herleiten. Ich habe im Dom zu Basel, der reformiert ist, nicht ein einziges Kreuz gesehen.

Die Kirche billigt dieses Verhalten nicht. Sie schätzt die Bilderverehrung. Sie weiß, daß man durch das Sinnenhafte zum Geist geführt werden kann. Als die Königin von Schottland, Maria Stuart, zum Tode, zur Hinrichtung geführt wurde, da hielt sie in der Hand ein Kruzifix. Der protestantische Offizier, der sie begleitete, sagte zu ihr: „Madame, man muß Jesus im Herzen tragen, nicht in der Hand.“ „O,“ gab Maria Stuart zur Antwort, „ich trage ihn deswegen in der Hand, um ihn desto sicherer im Herzen zu tragen.“ Das ist die richtige Auffassung von der Bilderverehrung. Wir verehren die Bilder, wir stellen sie auf, wir zünden Kerzen vor ihnen an, wir küssen sie, weil sie der sichtbare Ausdruck unseres Vertrauens auf unseren dreifaltigen Gott und auf die Fürbitte seiner Heiligen sind. Wir verehren durch die Bilder diejenigen, die abgebildet sind.

So wollen wir davon nicht lassen, sondern unser Bekenntnis, unsere Liebe und unsere Freude in diese Verehrung legen.

Amen.

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