Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gebote Gottes (Teil 2)

6. Juli 1986

Die Verehrung der Heiligen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am 5. Sonntag nach Pfingsten haben wir uns mit der Anbetung Gottes beschäftigt. Wir beten Gott an, so sagten wir, weil er der unendlich Erhabene und wir die von ihm total Abhängigen sind. Am 6. Sonntag nach Pfingsten fragten wir nach falschen Formen, nach Fehlformen der Gottesverehrung, und wir haben die falsche von der törichten Gottesverehrung unterschieden.

Zur Verehrung Gottes gehört auch die Verehrung der Heiligen. Gewiß sind Anbetung Gottes und Verehrung der Heiligen wesentlich verschieden, denn die Heiligen sind Geschöpfe, und Gott ist der Schöpfer. Anbetung geziemt nur dem Schöpfer, aber deswegen doch auch Verehrung den Geschöpfen, die er schrecklich-herrlich ausgestattet hat. Man kann über dem Schöpfer nicht die Geschöpfe vergessen, denn sie sind ja ein Zeugnis seines Wirkens, die Werke seiner Hand. Heilige nennen wir diejenigen Menschen, die auf Erden heroische Tugend entfaltet haben und darum nach ihrem Tode in den Himmel aufgenommen worden sind. Insbesondere bezeichnen wir als Heilige diejenigen Verstorbenen, die durch feierlichen Lehrspruch des Papstes als Heilige öffentlich verehrt werden. Dem Heiligsprechungsentscheid geht ein langer Prozeß voraus, ein Prozeß, der oft viele Jahre dauert. Der heilige Thomas Morus wurde im Jahre 1935 heiliggesprochen. 400 Jahre vorher aber war er schon in die Ewigkeit eingegangen, im Jahre 1535. Es hat lange gebraucht, bis er zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Die Kirche macht es sich nicht leicht, wenn sie jemanden heiligspricht. Es wird sein Leben und Sterben genau untersucht. Es wird angeführt, was für, aber auch, was gegen seine Heiligkeit spricht. Und erst nach sorgfältigster Überlegung und nach vielen Gebeten fällt der Heilige Vater, hier vom unfehlbaren Beistand des Geistes geleitet, die Entscheidung: Dieser Mensch befindet sich aufgrund seiner heroischen Tugend in der Seligkeit des Vaters. Wir wollen der Heiligenverehrung zwei Fragen widmen, nämlich

1. Warum verehren wir die Heiligen?

2. Wie verehren wir die Heiligen?

Erstens: Warum verehren wir die Heiligen? Wir verehren die Heiligen erstens, weil sie Freunde Gottes sind. Sie sind ja in der Gnade, und wer in der Gnade ist, ist ein Freund Gottes; und selbstverständlich will Gott, daß seine Freunde geehrt werden. Die Heiligen haben auf Erden oft Schmach erlitten, waren verachtet und verfolgt. Jetzt aber sollen sie von allen wahren Verehrern Gottes geehrt werden. Jetzt soll ihre Tugend anerkannt werden, jetzt sollen sich die Menschen an ihrem Beispiel aufrichten, und jetzt sollen sie Gott danken, der mächtig und wunderbar in seinen Heiligen ist.

Wir verehren die Heiligen zweitens, weil sie Fürsten des Himmels sind. Sie haben es geschafft, die Seligkeit zu erlangen. Sie glänzen wie die Sterne in der Freude, in der ewigen Freude bei Gott. Sie haben den Eingang in das himmlische Zelt vollzogen. Sie sind Fürsten des Himmels. Wenn wir schon irdische Herrscher, Fürsten und Könige ehren, dann erst recht diejenigen, die im Himmel mit der Lenkung der Völker und der Geschicke des einzelnen betraut sind.

Wir verehren die Heiligen drittens, weil sie unsere Wohltäter sind. Viele Heilige haben unmittelbar uns Gutes getan. Denken wir an den heiligen Bonifatius, der unser Vaterland vom Dunkel des Heidentums befreit hat, der die Kirche in Deutschland aufgerichtet hat, oder erinnern wir uns an den heiligen Canisius, den zweiten Apostel Deutschlands, der, als der große Abfall kam, doch erhebliche Teile unseres Vaterlandes für den katholischen Glauben gerettet hat. Denken wir an den heiligen Ignatius von Loyola, der seine Sturmtruppen gesandt hat, die sich dem rebellischen Begehren des Wittenbergers entgegenstellten. Und so können wir eigentlich bei den meisten, wenn nicht bei allen Heiligen irgend etwas namhaft machen, was wir ihnen verdanken, womit sie sich um uns verdient gemacht haben. Vor allem müssen wir ihnen danken, weil sie im Himmel für uns eintreten. Es gibt ja eine Gemeinschaft der Heiligen, und das bedeutet, daß ein Glied an den Geschicken des anderen teilnimmt, daß es sich mit dem anderen freut, daß es aber auch mit dem anderen leidet, und eben das tun die Heiligen des Himmels.

Wir sollen die Heiligen verehren viertens, weil wir dadurch großen Nutzen haben; denn Gott erhört unsere Gebete leichter, wenn wir sie mit denen der Heiligen verbinden. Deswegen wenden wir uns, auch im Zentrum des katholischen Gottesdienstes, in der heiligen Messe, an die Heiligen. Immer wieder werden Heilige mit Namen genannt. Das hat einen tiefen Grund. Sie sollen nämlich mit uns vor Gott erscheinen und um seine Hilfe, um seine Gnade beten. Was Gott einem einzelnen vielleicht verweigert, so denken wir menschlich, das wird er nicht ablehnen, wenn eine Fülle von Zeugen für uns bittet. Man wird also die Gasse der Apostel oder die Gasse der Martyrer oder die Gasse der Jungfrauen oder die Gasse der Bekenner abschreiten und sie um ihre Hilfe bitten, damit wir bei Gott Erhörung finden.

Vier Gründe also, warum wir die Heiligen verehren.

Zweitens: Wie sollen wir die Heiligen verehren? Wir verehren die Heiligen erstens, indem wir sie anrufen. Anrufen heißt, sie um ihre Hilfe, um ihre Fürsprache bitten. Dadurch ehren wir sie, weil wir ihnen etwas zutrauen, nämlich wir trauen ihnen zu, daß sie für uns bitten und daß ihre Bitte von Gott erhört wird. Wir sollen sie also anrufen.

Wir sollen zweitens die Heiligen zu unseren Patronen bestellen. Schon auf Erden werden wichtige Unternehmungen unter die Schirmherrschaft – wie man es nennt – eines Mannes oder einer Frau gestellt. Der Bundespräsident, heißt es, hat die Schirmherrschaft über diesen Kongreß übernommen. Ähnlich werden auch den Heiligen Aufgaben übertragen, zu wachen über ein Volk, über eine Gemeinde, über eine Kirche, über einen Stand. So haben sich zum Beispiel die Ärzte, die katholischen Ärzte in der Lukasgilde zusammengeschlossen. Lukas, der Evangelist, war ja Arzt und ist ein Heiliger des Himmels. Es ist deswegen sehr sinnvoll, daß die gläubigen Ärzte ihren Dienst unter das Patronat des heiligen Lukas stellen.

Wir ehren die Heiligen drittens, indem wir ihre Namen annehmen. Ein jeder soll bei seiner Taufe einen Heiligennamen bekommen. Warum? Der Heilige soll sein Vorbild und sein Schützer sein. Eine doppelte Aufgabe wird der Namensgebung zugedacht, einmal, daß wir dem Heiligen, dessen Namen wir tragen, nachstreben und zum anderen, daß er für uns eintritt. In früheren Zeiten war es noch üblich, daß man sich bei der Firmung einen weiteren Namen beilegte, einen Firmnamen, um auf diese Weise noch zu einem zweiten Heiligen in besondere Beziehung zu treten. Und regelmäßig wurde auch dem, der in einem Kloster Gelübde ablegte, ein eigener Heiligenname als Klostername gegeben. Das alles hat einen guten Sinn, weil man sich dadurch unter das Patronat des Heiligen stellt.

Wir ehren die Heiligen viertens, indem wir ihre Bilder und Reliquien in Ehren halten. Das tun wir ja schon mit unseren Angehörigen und mit denen, die unser Leben begleitet haben. Wir halten ihre Bilder in Ehren, wir schätzen einen Gegenstand, den sie gebraucht haben, und wollen ihn nicht missen. Ähnlich ist es bei den Heiligen. Was sie hinterlassen haben, das wird von uns als Reliquie betrachtet. Selbstverständlich an erster Stelle ihr Körper, den der Heilige Geist benutzt hat, um sie zur Heiligkeit zu führen. Aber auch Gegenstände des Gebrauches, die uns überkommen sind, werden von uns in Ehren gehalten. Ebenso ihre Bilder, sofern solche vorhanden sind.

Am meisten aber ehren wir die Heiligen, indem wir sie nachahmen. Nur äußeres Getue, ohne das Streben, ihnen nachzufolgen, wäre wenig oder gar nichts wert. Nein, wir sollen ihnen in ihrem Leben nachfolgen. Wir sollen uns von der Erhabenheit ihres Lebens aus der Niedrigkeit unseres Lebens emporreißen lassen und mit Augustinus sagen: „Konnten es diese und jene – warum nicht ich?“

Es gilt noch an letzter Stelle einen Einwand abzufertigen, nämlich den Einwand, durch die Heiligenverehrung träte man der Anbetung Gottes zu nahe, schmälere man Gottes Ehre. Dieser Einwand trifft nicht zu, denn wir verehren die Heiligen nur wegen Gott und wir verehren sie nicht wie Gott. Wir verehren sie nur wegen Gott. Das will besagen: Wir verehren die Heiligen, weil sie irdische Ebenbilder Gottes sind, weil sie, soweit das geschöpflichem Streben möglich ist, das Bild Gottes in sich ausgeformt haben. Gott und seine Macht in den Heiligen, das ist der Gegenstand der Verehrung. Maria sagt ja nicht: Großes habe ich getan, sondern: Großes hat an mir getan, der da mächtig ist. Wir verehren die Heiligen wegen Gott, das bedeutet auch noch, wir verehren sie als die Werkzeuge Gottes. Er hat sich ihrer bedient, um Großes auf Erden zu wirken, Großes im Verborgenen, manchmal auch Großes im Offenbaren. Wir verehren die Heiligen um Gottes willen.

Und wir verehren sie nicht wie Gott. Denn es muß noch einmal gesagt werden: Gott allein gebührt Anbetung, d.h. restlose Unterwerfung, Anbetung in Form des Opfers. Geopfert wird nur Gott, keinem Heiligen wird geopfert, geopfert wird nur Gott. Anbetung kann nur dem Schöpfer zuteil werden. Aber Verehrung, Hochschätzung, das ist auch gegenüber seinen Geschöpfen möglich. Und dazu sind wir auch aufgerufen.

Deswegen sagt das Konzil von Trient: Es ist gut und nützlich, die Heiligen zu verehren. Wir sollten uns manche Heiligen auswählen, zu denen wir ein besonderes Vertrauen haben, und sie anrufen. Selbstverständlich an erster Stelle unseren Namenspatron, aber auch andere Heilige, die wir schätzen und lieben gelernt haben, deren Hilfe wir erfahren haben. Es scheint, daß die Heiligen – menschlich gesprochen – gewisse Ressorts betreuen im Himmel, daß sie für bestimmte Gegenstände, für bestimmte Personen, für bestimmte Berufe, für bestimmte Orte gleichsam zuständig sind. Also, um einige Beispiele anzugeben: In der Sorge um eine glückliche Todesstunde sollen wir den heiligen Josef anrufen. Warum? Ja, weil wir annehmen, daß bei seinem Tode Jesus und Maria an seiner Seite waren. Wenn wir in Verleumdung geraten, sollen wir den heiligen Johannes Nepomuk anrufen. Warum? Weil er den Martyrertod erlitten hat um des Beichtsiegels willen, das er nicht preisgeben wollte. Wenn wir in Krankheiten sind, bieten sich die vielen Heiligen an, die Kranke gepflegt haben oder selbst durch schwere Krankheit heimgesucht wurden, der heilige Rochus, der Pestpatron, die heilige Ottilie für Augenkrankheiten, der heilige Blasius für Halskrankheiten. Es gibt einen Heiligen, der beim katholischen Volk mit Recht in besonderer Hochachtung steht, das ist der heilige Antonius von Padua. Er wird angerufen, wenn etwas verlorengegangen ist; und wer von uns, der gläubig diesen Heiligen schon in solchen Fällen angerufen hat, hat nicht die Erfahrung gemacht: Antonius hilft?

So können wir also, meine lieben Christen, alle Einwände, die sich gegen die Verehrung der Heiligen richten, zurückweisen. Wir stehen auf gutem, auf biblischem, auf urchristlichem Boden. Die Urchristenheit hat schon die Tage aufgezeichnet, an denen die Martyrer ihr Blutzeugnis geleistet hatten, und an diesen Tagen in jedem Jahre wurde ein feierlicher Gottesdienst abgehalten.

So wollen auch wir das Meßopfer zu Ehren der Heiligen darbringen, und das bedeutet: Wir gedenken dabei der Heiligen, ihres heiligen Lebens; wir danken für sie, für ihr Beispiel, und wir flehen sie an, daß sie mit uns bitten, daß Gott unsere Opfergabe wohlgefällig aufnehmen möge. Wir sollten oft die Allerheiligenlitanei beten, wo eine große Schar von Zeugen zusammengestellt ist, die für die verschiedenen Stände und für die verschiedenen Notlagen zuständig sind.

Oft und oft, meine lieben Freunde, sollten wir rufen: Alle Heiligen Gottes, bittet für uns!

Amen.

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