Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Dezember 2022

Er ist der Messias

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Über dem ersten Sonntag im Advent liegt das Licht des Jüngsten Gerichtes, jener erwarteten entscheidenden Ankunft des Menschensohnes, deren kein gläubiger Christ gedenken kann, ohne von heilsamer Furcht erfüllt zu werden. Am zweiten Sonntag im Advent flammt ein anderes Licht auf, ein Licht, das aus der Furcht die Hoffnung keimen lässt: die Kunde von der geschehenen Ankunft des Erlösers. Johannes der Täufer befindet sich in der Gefangenschaft des Königs Herodes Antipas. Er hat von dem Auftreten Jesu vernommen. Er lebte, wie seine Glaubensbrüder, in der Erwartung des Messias. Er wusste, was der Prophet Isaias von dessen Taten vorhergesagt hatte: „Gott selber kommt und rettet euch. Dann werden aufgetan die Augen der Blinden; dann öffnen sich die Ohren der Tauben; dann springt der Lahme wie ein Hirsch; dann löst sich die Zunge des Stummen.“ Nun sendet Johannes zwei seiner Jünger zu Jesus, um aus seinem Munde zu erfahren: „Bist du es, der da kommen soll? Oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Der Täufer ist also noch nicht gewiss, ob Jesus von Nazareth der verheißene und sehnsüchtig erwartete Heilbringer Gottes ist. Fragend stehen daher die Johannesjünger vor Jesus. Sie erwarten von ihm ein Selbstzeugnis. Aber er antwortet nicht mit einem Ja oder Nein; er hat Besseres zu bieten. Für ihn zeugt das Wort des Propheten. Sie brauchen nur zu schauen und zu hören; dann werden sie gewiss, wer der Mann aus Nazareth in Galiläa ist. Denn Unerhörtes geschieht vor den Augen und Ohren des ganzen Volkes. „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird die Heilsbotschaft verkündet.“ Das sind Machttaten, die nur von Gott kommen können. Sie waren aber auch notwendig. Wer den Anspruch erhebt, der Erlöser zu sein, der Sohn Gottes, der muss diesen Anspruch erweisen. Jesus hat ihn bewiesen durch seine Persönlichkeit, sein Wesen, seinen Charakter, aber ebenso durch sein Wirken als Herold Gottes, als Heiler der Kranken und als Erwecker von Toten. Die Weissagung des Isaias über den gottgesandten Retter ist in ihm erfüllt, ist übererfüllt. Es ist kein Zweifel möglich. Der Messias ist da. Der Erlöser ist gekommen.

Jesus, sein Verkünden und sein Handeln sind Tatsachen. Da ist nichts von seinen Anhängern künstlich ihm zugeschrieben, da hat nicht Verehrung und Bewunderung den Evangelisten die Feder geführt. Was von ihm berichtet wird, das ist wirklich geschehen. Dafür gibt es Augen- und Ohrenzeugen, an erster Stelle die von Krankheiten Geheilten und die von Dämonen Befreiten. Als Jesus einen Taubstummen geheilt hatte, befahl er zwar den Anwesenden, sie sollten es niemandem sagen. Aber so sehr er es ihnen auch gebot, um so mehr verkündeten sie es. Über die Maßen gerieten sie ins Staunen und sagten: „Er macht alles gut, die Tauben macht er hören und die Stummen reden“ (Mk 7,36f.).

Nicht nur Jesu Anhänger konnten seine unerhörten Taten bezeugen. Die Feinde Jesu haben ihn genau beobachtet, ja belauert. Sie haben die Geheilten vorgeladen, befragt, untersucht. Das Ergebnis der Untersuchungen: Die Heilungen sind geschehen. Die jüdischen Behörden haben nicht daran gedacht, die Machttaten Jesu zu bestreiten; sie waren davon genauso überzeugt wie seine Freunde. Aber sie haben sie dem Teufel zugeschrieben. Der moderne Mensch fragt sich vielleicht: Wie ist es eigentlich möglich, dass man Jesus verworfen hat trotz all der Wunder, mit denen er sich auswies? Die Antwort lautet: Nicht trotz jener Wunder, sondern wegen jener Wunder hat man ihn verurteilt. Denn sie brachten ihm viele Anhänger ein. Auf der Versammlung der Hohenpriester und der Pharisäer gaben diese ihre Ratlosigkeit zu: „Was sollen wir machen, da dieser Mensch so viele Wunder tut? Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben“ (Joh 11,47f.). Vor seinem Scheiden von dieser Welt beklagt der Herr den Hass, der ihn verfolgt. Er hat den Grund angegeben, weshalb die jüdische Obrigkeit und die ihr hörigen Massen ihn ablehnen. „Weil ich die Wahrheit rede, finde ich bei euch keinen Glauben“ (Joh 8,45). Die Wahrheit ist den meisten Menschen das gleichgültigste. Jesus hat seine Predigt durch seine Machttaten unterstützt. Dieser Zusammenhang vergrößert die Schuld der Verfolger. „Hätte ich unter ihnen nicht die Werke getan, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde. Jetzt aber haben sie gesehen und mich (trotzdem) gehasst“ (Joh 15,24). Die gläubig gewordenen Samariter haben dagegen an ihn geglaubt: „Wir haben mit eigenen Ohren gehört und wissen jetzt: Dieser ist wahrhaft der Heiland, der Erlöser“ (Joh 4,42).

In der Weissagung des Isaias, die Jesus in sich erfüllt sieht, ist auch das Wesen und der Inhalt der Erlösung ausgesagt. Gott spricht zu dem Propheten: „Ich lege auf ihn meinen Geist. Die Wahrheit wird er den Völkern künden“ (Is 42,1). „Ich rufe dich beim Namen: Mein bist du“ (Is 43,1). Der Erlöser bringt die Wahrheit und die Gnade Gottes. Wer sie annimmt, ist erlöst. Die Erlösten kennen Gottes Wahrheit. Sie tappen nicht unsicher herum, wenn es um Fragen der Religion und der Sittlichkeit geht. Sie wissen: Es gibt einen Gott, der Gesetzgeber und Richter ist. Es gibt ein ewiges Leben, mit dem Tode ist nicht alles aus. Es gibt zwei Geschlechter, Frauen und Männer, kein drittes Geschlecht. Die Wahrheit kennen, das ist die eine Seite des Erlöstseins. Nach der Wahrheit leben, das ist die andere Seite. Die Erlösten bringen es fertig. Sie sind imstande, Gottes Gebote zu erfüllen. Die Gnade Gottes befähigt sie, die Sünde zu meiden. Ich kann nicht, ich kann nicht, sagen die Unerlösten. Du kannst, wenn du willst; du kannst, weil du musst, sprechen die Erlösten. Das ist die frohe Botschaft des heutigen Sonntags: Jesus ist unser Erlöser, wir dürfen in seiner Ankunft unserer Erlösung gewiss sein. Christus, der eine und einzige Erlöser, ist konkurrenzlos. Er teilt sein Erlösungswerk nicht mit anderen Pseudo-Erlösern.

Diese Erlösung gilt der gesamten Menschheit. Christus, der Erlöser, ist für alle Menschen gekommen. Paulus sagt es in der Epistel des heutigen Sonntags: Er kam für die Juden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, damit er die den Vätern gegebenen Verheißungen erfülle. Er kam für die Heiden, damit er seine Barmherzigkeit erweise. Juden und Heiden machen die gesamte Menschheit aus. Indem er sie an sich zu ziehen sucht, ergreift er das ganze Menschengeschlecht. Jesus von Nazareth ist konkurrenzlos. Er ist der gottgesandte Erlöser, nicht einer, der sich selbst als Bote Gottes ausgibt. Hören wir darum seine Warnung: „Wohl dem, der an mir keinen Anstoß nimmt!“ Anstoß nimmt, wer in Jesus nur den sympathischen Rabbi, den wortmächtigen Propheten, den begabten Charismatiker sieht. Anstoß nimmt, wer Jesus als ersten Feministen, als radikalen Sozialrevolutionär, als menschenfreundlichen Sozialarbeiter darstellt. Mit all dem wird Jesus verkürzt, entstellt, entmachtet. Ich mag keinen Jesus, der nicht wesensgleich dem himmlischen Vater ist. Wer von Jesus redet, ohne ihn als die zweite Person des dreifaltigen Gottes zu bekennen, der hat um ihn herumgeredet. Jesus ist der wahre Sohn Gottes, der aus dem Himmel herabgestiegen ist auf die Erde, um den Ungehorsam der Menschen zu sühnen und ihre Sünden zu tilgen. Darum beugt die Christenheit das Knie vor ihm und spricht: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“

Im Kirchengebet der heutigen heiligen Messe flehen wir zu Gott: „Wecke auf, o Herr, unsere Herzen, auf dass wir deinem Eingeborenen die Wege bereiten.“ Aufgeweckt werden müssen die Schlafenden. Die immer noch nicht begriffen haben, dass es Zeit ist, vom Schlafe aufzustehen. Heute wie vor 2000 Jahren ergeht sein Ruf: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Ändert euren Sinn und glaubt an die Frohbotschaft“ (Mk 1,15). Der Messias ist heute unterwegs wie vor zweitausend Jahren. Er kommt diesmal nicht in sichtbarer Gestalt, wie damals, als er für den Sohn Josephs gehalten wurde, sondern einmal in unsichtbarer Weise: mit seinen Gnadenimpulsen, mit seinen Einsprechungen, mit seinen Anregungen und seinen Antrieben. „Leise, leise spricht Gott in unserer Brust, ganz leise, ganz vernehmlich zeigt uns an, was zu ergreifen ist und was zu fliehen.“ Der Herr kommt sodann in sichtbarer Gestalt, nämlich in seinen Sendboten, seinen Stellvertretern, den Priestern, den Missionaren, den Laienaposteln, die von den rechtmäßigen Hirten gesandt werden und die Wahrheit lehren. Noch immer ist es möglich, in katholischen Kirchen zu beten, dem Messopfer beizuwohnen, das Bußsakrament zu empfangen. Noch brennt die rote Lampe und zeigt die Anwesenheit unseres Gottes an. Noch gibt es Verkündiger des Glaubens, auf die wir uns verlassen können. Es kommt darauf an, den Herrn zu hören, auf seine Einsprechungen einzugehen, Bequemlichkeit und Müdigkeit zu überwinden. „Wecke auf, o Herr, unsere Herzen, dass wir deinem Eingeborenen die Wege bereiten.“

Amen.

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