Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. Oktober 2021

Die Einladung zum großen Gastmahl

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Evangelium der heutigen heiligen Messe schildert unser Herr das Himmelreich unter dem Bilde eines Gastmahls. Damit sollen die Freude und die Sättigung, die Unbeschwertheit und die Sorglosigkeit der Menschen, die Gottes Seligkeit erlangt haben, ausgedrückt werden. Das vom Herrn erzählte Gleichnis ist in zwei Fassungen überliefert, im Evangelium nach Matthäus und im Evangelium nach Lukas. Gott ist der Gastgeber, die Menschen sind die Geladenen. Es ist eine hohe Ehre, von Gott in sein himmlisches Reich eingeladen zu werden. Man sollte annehmen, dass die Menschen wissen, wozu sie berufen sind, und dass sie dankbar sind für die Einladung. Doch weit gefehlt. Die Geladenen folgen der Einladung nicht. Jeder hat eine andere Entschuldigung für sein Fernbleiben. Der einladende Herr stellt fest: Die Geladenen waren der Teilnahme an dem Hochzeitsmahl nicht wert. Das Gleichnis schließt mit der bitteren Feststellung: Viele sind berufen, wenige aber auserwählt. Doch dabei hat es nicht sein Bewenden. Es ist der Grundgedanke des Gleichnisses vom großen Gastmahl, dass Gottes Ruf nicht ungehört verhallt. Auch wenn diejenigen, die zuerst dazu bestimmt sind, die Einladung verschmähen, leisten doch andere ihr Folge.

Wie erklärt es sich, dass es zwei Gruppen von Menschen gibt: Die eine Gruppe wird gerettet, die andere geht verloren? Im 16. Jahrhundert vertrat Johannes Calvin die düstere Vorstellung, dass die Menschen von Gott in zwei Gruppen eingeteilt sind, in die Gruppe der Erwählten und in die Gruppe der Verdammten. Wer zu den Erwählten und wer zu den Verdammten gehöre, könne man jetzt schon sehen. Das durch ernsten Fleiß bewirkte irdische Wohlergehen sei ein Hinweis auf das ewige Heil. Diese Lehre wurde vom Konzil von Trient verworfen: „Wer behauptet, die Rechtfertigungsgnade werde nur den zum Leben Vorherbestimmten zuteil, alle übrigen Gerufenen würden zwar gerufen, empfingen aber nicht die Gnade, da sie durch göttliche Macht zum Bösen vorherbestimmt seien, der sei ausgeschlossen.“ Der lebendige Gott ist der Heiland aller Menschen (1Tim 4,10). Er ist der Gott für alle. Deswegen gilt: „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1 Tim 2,4). Es gibt keine göttliche Vorherbestimmung zur Verdammnis. Vielmehr steht fest: Die Kirche lehrt im Einklang mit dem Evangelium den allgemeinen Heilswillen Gottes. Die Lehre vom allgemeinen Heilswillen Gottes bedeutet, dass Gottes Liebe jedem Menschen sich zuwendet, ohne ihn jedoch zu überwältigen. Gott liebt den Menschen in seiner Freiheit. Er unterjocht seinen Willen nicht. Gott überlässt es dem Menschen, welche von den beiden letztlich möglichen Lebensformen er wählen will, das Leben in Liebe oder das Leben in Hass, das Leben in der Hingabe oder in der Empörung, in der Gemeinschaft oder in der Einsamkeit, d.h. das Leben des Himmels oder der Hölle. Gott will das Heil eines jeden, aber zwingt niemanden zu seinem Heile. Das tatsächliche Erreichen des Heils lässt er abhängig sein von der Bereitwilligkeit des Menschen. Der allgemeine Heilswille Gottes wirkt sich darin aus, dass keinem Menschen jemals die für sein Heil notwendige und hinreichende Gnade fehlt. Im Einzelnen heißt dies: a) Gott schenkt den ungetauften, noch nicht von der christlichen Verkündigung erreichten Erwachsenen (= den negativ Ungläubigen) die wahrhaft (wenigstens entfernt) hinreichende Gnade. Das Zweite Vatikanische Konzil stellt fest: „Gott kann Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen, ohne den es unmöglich ist, ihm zu gefallen.“ Wie Gott die nicht von der Glaubensbotschaft erreichten Menschen zu dem für das Heil notwendigen Glauben führt, entzieht sich unserer Kenntnis. Auch für sie geht der Weg zum Vater über Christus. Christus, der Haupt des Alls ist, ist auch ihr Haupt. Dies ist der Ansatzpunkt für die lebendige Gemeinschaft mit Christus. Die Tatsache, dass das universale Gnadenangebot Gottes bei den einen zum Ziel gelangt, bei den anderen wirkungslos bleibt, zwingt zu der Unterscheidung zwischen einer wirksamen und einer nur hinreichenden Gnade. Die hinreichende Gnade meint eine göttliche Einwirkung, die dem Menschen zwar die Befähigung und das Können zum Vollzug eines Heilsaktes verleiht, aber letztlich aufgrund menschlicher Schuld nicht zum Erfolg führt und den Heilsakt nicht hervorbringt. Die hinreichende Gnade ist zwar in sich genügend kraftvoll, wird aber vom Menschen tatsächlich nicht angenommen, weil er sich gegenüber dem Gnadenangebot sperrt. Es gibt Gnadenanstöße Gottes, die der Mensch mit freiem Willen ablehnt. b) Weiterhin ist Glaubenssatz: Gott gibt allen gläubigen Sündern zur geeigneten Zeit hinreichende Gnade zur Umkehr. Gott versagt selbst den verblendeten und verstockten Sündern seine Gnade nicht. Der Unterschied zwischen gewöhnlichen und verstockten Sündern betrifft nicht bloß die seelische Verfassung, sondern auch den übernatürlichen Zustand des Sünders. Die Verstockung schließt in sich die Verfinsterung des Verstandes und die Verhärtung des Willens. Die Verblendung entsteht aus der häufigen und freiwilligen Zurückweisung der göttlichen Erleuchtung. Sie besteht in der Unfähigkeit, göttliche Dinge zu erfassen und zu verstehen. Der Verblendete hat keinen Sinn mehr für Gott. Er hat für Gott weniger Verständnis als der Blindgeborene für die Farben. Wer seine Umgebung aufmerksam beobachtet, weiß, dass dieser Zustand heute nicht selten ist. Die Verfestigung des Willens im Bösen bedeutet eine hartnäckige Anhänglichkeit des Willens an die Sünde und einen hartnäckigen Widerstand gegen die Liebe Gottes, so dass sich nur noch schwache Neigungen zum Guten regen. In einem Verstockten kommt die von Gott ausgehende Erleuchtung des Geistes und Erwärmung des Herzens infolge des dauernden menschlichen Widerstandes nicht mehr zur Auswirkung. Der Grund der Verstockung ist das gegen Gott sich erhebende menschliche Herz. Durch das fortgesetzte Nein zu Gott entsteht der seelische Zustand der Auflehnung und des Widerwillens gegen Gott. Zugleich wird dadurch das Eindringen des Lichtes und der Glut Gottes in das menschliche Ich immer stärker gehemmt.

Das Evangelium bewahrt ein Wort Jesu über die unvergebbare Sünde. „Alles wird vergeben werden den Menschenkindern an Sünden und Lästerungen … Wer aber lästert wider den Heiligen Geist, der hat in Ewigkeit nicht Vergebung, sondern ist schuldig ewiger Sünde“ (Mk 3,29). Dass die Sünde wider den Heiligen Geist nicht vergeben wird, liegt in der Natur dieser Sünde. Denn in ihr verschließt sich der Mensch gegen die Erleuchtung Gottes. Sie besteht eben darin, dass der Mensch der Gnade Widerstand leistet, ja dass er die klare Offenbarung Gottes ablehnt und sie als Werk des Teufels erklärt. Solange der Widerstand andauert, ist eine Verzeihung unmöglich. In der Hölle wird er verewigt. Im Brief an die Hebräer (10,25-30) wird versichert, dass es für denjenigen, der nach der Erkenntnis der Wahrheit mutwillig sündigt, kein Opfer mehr gibt für die Sünder. Vergebung ist nicht deshalb nicht mehr möglich, weil seine Sünde zu groß ist oder die Wirkung des Kreuzesopfers erloschen wäre. Vergebung ist deshalb nicht mehr möglich, weil Abfall und bewusste Absage an Gott von Christus und seinem Kreuz wegführen. Aus der Christus-Fremdheit des vorchristlichen Zustandes wird bei dem nach der Taufe Abgefallenen Christusfeindschaft. Er missachtet Christus und verkennt den Wert seines Blutes. Er behandelt Gottes Gnade als ein verächtliches Ding und wirft sie weg. Er stellt sich außerhalb des Raumes, in dem allein es Vergebung gibt. Auch für den Sünder besteht die Verpflichtung, Gottes Gesetz zu beobachten. Daher muss man annehmen, dass auch dem schweren Sünder niemals die wahrhaft hinreichende Gnade fehlt, weitere schwere Sünden zu meiden. Die Heilige Schrift bezeugt Gottes Heilswillen auch gegenüber den Sündern. Sie werden unaufhörlich zur Umkehr gemahnt. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern seine Bekehrung und sein Leben. Man darf an keinem Menschen verzweifeln, solange er atmet. Eine volle, einer Umkehr nicht mehr fähige Hingabe an das Böse gibt es nur in der Hölle.

Wir müssen voll Sorge sein, dass die Gnade vielleicht einem Unwürdigen gegeben sein könnte. Die Litaneien sind eine der fruchtbarsten Formen des Gebetes, welche die Kirche uns zur Verfügung stellt. Papst Pius VI. (1775-99) hat eine Litanei zur Einwirkung einer vollkommenen Reue verfasst. Darin lautet eine Anrufung: Dass ich deine heiligen Gebote so vermessentlich übertreten habe, bereue ich von Herzen. Dass ich deine Liebe verachtet habe, bereue ich von Herzen. In der Litanei zum Heiligen Geist rufen wir zu Gott: Vom Widerstreben gegen die erkannten Heilswahrheiten, erlöse uns, o Heiliger Geist. Diese Litanei lässt uns rufen: Von Verstocktheit und Unbußfertigkeit, erlöse uns, o Heiliger Geist. In der Litanei der schmerzhaften Mutter flehen wir zu Maria: Vor dem Geiste der Unbußfertigkeit, bewahre uns, o schmerzhafte Mutter. In der Litanei von der heiligsten Dreifaltigkeit flehen wir: Von Trägheit in deinem Dienste, erlöse uns, o heilige Dreifaltigkeit. Dass wir den Reichtum deiner Güte, Geduld und Langmut nie verachten, wir bitten dich, erhöre uns. In der Litanei vom heiligsten Namen Jesu lautet eine Bitte: Von der Vernachlässigung deiner Eingebungen, erlöse uns, o Herr. In der Litanei von allen Heiligen bitten wir Gott: Dass du uns in deinem heiligen Dienst stärken und erhalten wollest, wir bitten dich, erhöre uns. Gott sucht uns heim. Er sucht uns heim durch Tröstungen und Trübsale. Das eine wie das andere ist das Wehen der Gnade. Die Einladungen Gottes, seine Aufforderungen, seine Befehle ergehen fortwährend an uns. Die Umstände, die Verhältnisse, die Erlebnisse und die Geschehnisse sprechen zu uns. Sie mahnen und warnen, sie bitten und flehen, sie raten und drohen. Gott spricht in ihnen. Wie beantworten wir sein Sprechen? Hören wir es? Lassen wir es uns zu Herzen gehen? Oder überhören wir es? Stellen wir uns taub? O, meine Freunde, lasst uns beten: Vom Missbrauch deiner Gnaden, erlöse uns, o Herr.

Amen.

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