Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. Mai 2021

Dem dreieinigen Gott übereignet

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der erste Sonntag nach Pfingsten verwendet als Evangelium die Schlussverse des Werkes von Matthäus. Hier wird die Taufformel der jungen christlichen Kirche erwähnt, die trinitarische Formel, welche die Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ausspricht. Auf den so gesehenen Gott wird der Taufbewerber vereidigt. Mit Bezug auf diese Feststellung wird der Sonntag Dreifaltigkeitssonntag benannt. Es lohnt sich daher, einen Augenblick bei der Betrachtung der Taufformel zu verweilen. Sie ist von elementarer Eindeutigkeit. Die Kirche macht keine Kompromisse mit dunklen Formulierungen. Sie stellt an den Rand des Taufbeckens eine klare philosophische Sprache. Die Taufbewerber sollen wissen, dass der Gottesbegriff ihrer neuen Kirche über den Gottesbegriff des Judentums und den des Heidentums bewusst hinausgeht. Die heidnischen Götter überbietet der jüdische Einheitsgott. Den jüdischen statischen Gott überbietet der christliche. Die Lehre vom dreieinigen Gott ist aus dem Neuen Testament entnommen. Der dreifaltige Gott ist keine Erfindung der theologischen Spekulation, sondern Inhalt der Offenbarung Jesu Christi.

Die Trinitätslehre ist da in dem Augenblick, wo man es ernst nimmt mit dem Satz: Gott war in Christus (Joh 17,21), wo man diese real gemeinte Aussage nicht symbolistisch verflüchtigt. Selbstverständlich muss man die göttliche Wirklichkeit, erleuchtet vom Heiligen Geist, durchdenken und begrifflich fassen. Unser Glaube ist ein durchlichteter Glaube. Vor allem muss man Personen und Wesenheit unterscheiden. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ein einziger Gott. Die eine Gottheit wird von drei Personen besessen. Die drei göttlichen Personen sind nicht real verschieden von der einen göttlichen Wesenheit; jede einzelne ist das eine göttliche Wesen selbst. Nur untereinander sind sie als Personen, d.h. als Besitzer der einen ihnen gemeinsamen göttlichen Natur, real verschieden, vermöge ihrer Beziehungen zueinander, sofern eben die eine Person nur Vater, die andere nur Sohn und die dritte nur Heiliger Geist ist. Die erste Person besitzt die göttliche Wesenheit ursprungslos, die zweite als durch Zeugung von der ersten empfangene, die dritte als durch gemeinsame Hauchung der ersten und zweiten mitgeteilte. Die arme Sprache, auch des hellenistischen Menschen, vermag nur zu stammeln und staunend die stärksten Worte, die sie in ihrem Schatz findet, vor ihn hinzustellen. So ist dreifaltiger Gott Einheit und Fülle, jüdischer Gott schon Einheit, heidnischer Gott noch unvollendete Gärung. Das Bekenntnis zu den drei göttlichen Personen steht über dem Taufbecken. Du Ankömmling im Gefilde des Christentums sollst wissen, auf wen du vereidigt wirst. Wir taufen dich auf den Namen dieses trinitarisch umrissenen Gottes. Du sollst ihn mit klarer Logik nicht nur bekennen, du wirst sein Besitz, du wirst ihm übereignet. Diese Taufe ist ein Kontrakt, ist ein Schwur, ist eine Heeresfolge. Du trägst jetzt den Helm seiner Gefolgschaft; du bist in die Reihe seiner Legionen eingereiht. Das Patent der Mitgliedschaft seiner Kirche wird dir präsentiert. Du bist sein geworden.

Zur Eroberung der Welt, zu dieser Heeresfolge fordert der Auferstandene heute seine Apostel auf. Irgendwo, am Rande eines galiläischen Berges. Dorthin hat er sie bestellt. Unter ihnen steht er. Die Rede beginnt mit dem monumentalen Hinweis auf sein Königtum. Seit Gründonnerstag schwebt der neue Gedanke in die Atmosphäre. Er kehrt aus der Armseligkeit dieses Landes, zwischen Jericho, Karpharnaum und Haifa, in die Besitztümer der Ewigkeit zurück. Die rationierte Zeit ist nun vorüber. Das Bettlergewand ist abgeworfen. Der Königsmantel um die Schultern gelegt. Nun blitzen Diadem und Zepter. Die Fülle der Gewalt umrauscht ihn. Ihm ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Dem erhöhten Christus, der das Mandat des Vaters ausgeführt hat und zur Mitregierung der Welt zum Vater zurückkehrt. Jetzt ist er nicht mehr der Menschensohn in Niedrigkeit, dessen Vollmacht trotz der Wundertaten, der vollmächtigen Verkündigung und der Gewalt, Sünden zu vergeben, in gewissem Sinn noch verhüllt war. Seine Machtvollkommenheit erstreckt sich nun über die ganze Welt. Er ist kein Religionsstifter wie Buddha oder Mohammed. Er ist der Schöpfer. Durch ihn ist alles geworden, und ohne ihn ist nichts geworden, was geworden ist.

Aus der Fülle dieser Gewalt sendet er die Apostel. Sie sollen das Reich Christi um die Erde ausbreiten. Sie sollen über die Säulen des Tempels die Pfeiler des göttlichen Domes recken. Sie sollen die Völker der Welt in die Gemeinschaft der Kirche einkreisen. „Macht alle Völker zu Jüngern.“ Die eine Wahrheit des Evangeliums und das eine (durch seinen Tod bewirkte) Heil sind für alle Menschen bestimmt. Damit ist der Weltmissionsbefehl ausgesprochen. Wenn der Herr bisher immer noch das Vorkaufsrecht des jüdischen Volkes mit einfließen ließ und in stiller Hoffnung an seine Prärogativen erinnerte – jetzt sind die Würfel gefallen, und die Tore der Welt öffnen sich im Blickfeld der galiläischen Ebene. Oben auf dem Berge steht das erleuchtete Schloss. Seht, an seinen Tischen tafeln die Heiden und die Juden, die Blinden, die Lahmen, die Gedrückten, die Geplagten, die Zerquetschten. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“, des eigenen Volkes Söhne und Töchter, darüber hinaus die Welt. Zwischen der auf das jüdische Volk beschränkten Sendung des irdischen Jesus und dem die ganze Menschheit umspannenden Missionsbefehl des Auferstandenen besteht kein Widerspruch. Denn durch Tod und Auferstehung Jesu ist ein gewaltiger Fortschritt in der heilsgeschichtlichen Situation eingetreten. Jetzt ist das Sühnopfer vollbracht. Jetzt ist der Gottesknecht an die Seite Gottes geholt. Jetzt muss sich jedes Knie vor ihm beugen.

Der Missionsbefehl schließt den Taufbefehl in sich. Damit wird ausgesprochen, wodurch der Einzelne ein Christ wird: durch gläubige Annahme der Heilspredigt und den Empfang der Taufe. Glauben ist das Erste, das Unerlässliche, das unbedingt Notwendige. Doch das „zu Jüngern Machen“ erschöpft sich nicht in der Verkündigung der Heilsbotschaft, in dem Anbieten der christlichen Wahrheit. Der Einzelne macht sich nicht selbst zum Jünger, indem er glaubt, sondern er wird durch die von den Aposteln gespendete Taufe von Gott zum Christen gemacht. Die Taufe ist demnach weit mehr als der Ritus der Einweihung in die Gemeinde der Jünger, mehr als eine symbolische Handlung. Als Bestandteil des Missionsauftrags wird ihr ebenso wie dem Glauben Heilsnotwendigkeit zuerkannt. Der Evangelist Markus schließt seine Evangeliumsschrift mit dem Wort des Auferstandenen: Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.

Nun noch ein Kompendium der Arbeitstechnik. „Was alles sollen wir tun, o Herr, die Welt in die neue religiöse Gemeinschaft zu führen?“ So fragen die Jünger, die angehenden Missionare. Jesus antwortet: Einmal sollt ihr ihnen Religionsunterricht geben und dann sollt ihr ihnen Lebensunterricht geben. Der erste genügt zur Taufe. Der zweite folgt der Taufe und macht sie fruchtbar. Ihr sollt sie Katechismus und biblische Geschichte, ihr sollt sie Philosophie und Apologetik, ihr sollt sie Dogmatik und Moral lehren, unter Einbeziehung ihrer Zeit und der neuesten Fälle. Dieser Unterricht soll spannend sein und soll sich an den Straßen der Städte ebenso wie in der Einsamkeit der Zelle vollziehen. Er muss inhaltlich immer gleich bleiben. Denn die Wahrheit ändert sich nicht. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Euer Unterricht soll mit den Worten jeder Zeit gesagt werden. Christus soll übersetzt werden in alle Sprachen und in jedes Jahrhundert. Tausendfach und immer neu. Und keine Zeit soll meinen, sie habe die letzte Formel für ihn gefunden. Er ist immer noch größer als die Zeit, in der er steht. Er ragt über alle Betonbauten und über alle Turmhäuser immer noch riesenhaft hinaus. Kein Scheinwerfer holt ihn aus dem dräuenden Wolkennebeln, die sein Haupt umhüllen, wie eine Beute der Wissenschaft in die Tresore menschlicher Weisheit hinab. „Lehret ihn allen Völkern.“ Tragt sie durch die Taufe ein in die Register der Kirche. Der Herr will solches Bekenntnis und solche Ordnung. Der Herr will Taufbuch und Kartothek. Der Herr will sichtbare Organisation und sichtbare Disziplin. Diese Kirche verwaltet die große Gemeinschaft mit inneren und äußeren Mitteln.

Intellektuelle Lehre aber reicht nicht. Auf die Taufe folgt die eigentliche Arbeit. „Lehret sie alles halten, was ich euch aufgetragen habe.“ Bildet christliches Leben. Gebt diesen Gemeinden einen Atem und einen Rhythmus. Entfaltet in ihnen zur Blüte, was die dunkle Saat der Taufe mystisch in ihre Seelen gelegt hat. Gebt der exakten Lehre das Blut des glühenden und opfernden Lebens. Das könnt ihr nur, wenn ihr selber Christen seid, wenn ihr eure Lehre der Welt vorlebt. In einsamen Stunden, in bitterer Versuchung, am Markte der Menschheit selber, Tag um Tag bis zur letzten Stunde. So werdet ihr sie „alles halten lehren, was ich euch aufgetragen habe“. Sonst aber werfen sie euch die Schalen der Taufe in das pharisäische Gesicht. „O Gott, was für ein Gebot!“ „Geographisch und moralisch über alle Dimensionen gereckt. Über alle Völker der Welt, bis zu den Polen, bis zum letzten Antlitz, das scheu sich in den Urwald verzieht. Lehren in allen Sprachen, aber in Treue zum apostolischen Zeugnis, ohne Konzessionen an den Zeitgeist. Aus der Seele des Jahrhunderts heraus, in das du, o Herr, uns stellst. Gegen jede Versuchung, in aller Großstadt, im Dunkel der Leidenschaften halten lehren. Nicht nur säen, auch ernten in hundertfacher Frucht, in Wahrhaftigkeit und Martyrertreue. O Herr, wer kann das schaffen?“ So sprechen seine Jünger, zitternd und bebend. Da reckt er sich auf, der Auferstandene, über den Hügeln Galiläas und spricht: „Siehe, ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt. Ihr könnt, wenn ihr wollt. Ihr könnt, weil ihr müsst.“

Amen.

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