Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Juni 2020

Der dreieinige Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Christentum ist gekennzeichnet durch die Lehre von Gott dem Dreieinigen. Gott ist wahrhaft einer: dem Wesen nach. Er ist ebenso wahrhaft drei: der Person nach. Einheit und Dreiheit sind die zwei Seiten des einen Dogmas von Gott. Dieses Dogma ist uns nicht gegeben zur Erprobung unseres Verstandes. Es ist uns gegeben zur Gewinnung unseres Heiles. Der religiöse Nutzen und der sittliche Wert dieser Wahrheit ist groß. Durch sie vermögen wir schon hienieden einen gewissen scheuen Blick in das innere Wesen und Leben Gottes zu tun; können wir das Glück ahnen, wodurch Gott selig ist und selig macht alle, die mit ihm im Leben verbunden sind. Freilich offenbart sich in der Wirklichkeit des dreieinigen Gottes auch so recht die Größe Gottes, die uns mit ihrer geheimnisvollen Macht erdrücken will. Als Offenbarung des Wesens, des Lebens und der Größe Gottes ist die Dreieinigkeit der vorzüglichste Gegenstand unserer Verehrung, der Anbetung. Daher wird sie in allen gottesdienstlichen Handlungen der Kirche erwähnt. Die Kirche lebt und wirkt in der Atmosphäre des dreieinigen Gottes. Der Glaubenssatz der Dreieinigkeit lautet: In dem einen göttlichen Wesen sind drei Personen, und diese drei Personen sind der eine Gott. Im Athanasianischen Glaubensbekenntnis heißt es: Das ist der katholische Glaube: Wir verehren den Einen Gott in der Dreifaltigkeit, und die Dreifaltigkeit in der Einheit, ohne Vermengung der Personen und ohne Trennung der Wesenheit.

I. Einheit

Es gibt nur einen Gott. Am Anfang der alttestamentlichen Gesetzgebung steht die grundlegende Verpflichtung auf den einen Gott: „Ich bin Jahwe, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Für die Christen gibt es nur den einen wahren Gott. Die Einheit in der Dreiheit ist eine Einheit des Wesens, der Attribute und der Tätigkeit. „Wir bezeichnen die heilige Dreieinigkeit als ‚einenʻ Gott, weil es in ihren drei Personen keine Verschiedenheit des Wesens, der Macht, des Wollens und des Wirkens gibt“ (Leo der Große). Die drei göttlichen Personen sind nicht drei Individuen der Gattung „Gott“.

a) Die Wesenheit ist die grundlegende Einheit. Das göttliche Wesen wird nicht wegen der Dreiheit der Personen geteilt oder vervielfacht, es ist vielmehr schlechthin eines. Die drei Personen sind nicht etwa deshalb ein Gott, weil jede einzelne von der gleichen göttlichen Wesenheit ist; sondern weil alle drei Personen von ein und derselben göttlichen Wesenheit sind. Sie sind nicht gleichwesentlich, sondern einwesentlich. Jede einzelne Person ist wahrhaft Gott (nicht göttlich!); alle drei sind nur ein Gott. Die reale Dieselbigkeit der Existenzweisen des Wesens (= der Personen) mit dem Wesen selbst begründet die Einheit Gottes. Ihre (virtuelle) Verschiedenheit vom Wesen eröffnet den Weg zur realen Dreiheit der Personen. Das Wesen ist nicht zeugend oder gezeugt oder hervorgehend, sondern es ist der Vater, der zeugt, der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der hervorgeht. So wird der Unterschied in den Personen gewahrt und die Einheit in der Natur.

b) Die göttlichen Vollkommenheiten nennen wir Attribute oder Eigenschaften Gottes. In diese muss das absolute göttliche Sein auseinandergelegt werden, damit es uns in seiner ganzen Fülle anschaulich wird. Jede Eigenschaft besagt eine jeweils andere analoge Sicht auf das göttliche Wesen. Die Einheit der Attribute (Eigenschaften) ist gegeben mit der Einheit des Wesens, das ihre Inhaberin und Trägerin ist. Weil das göttliche Wesen durch die Personendreiheit nicht vervielfältigt wird, deswegen werden auch nicht die Vollkommenheiten Gottes vervielfältigt: ungeschaffen, unermesslich der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, aber nicht drei Ungeschaffene, drei Unermessliche, sondern ein Unermesslicher, ein Ungeschaffener. Es gibt bloß einen wahren Gott, ewig und unwandelbar, unbegreiflich, allmächtig, unermesslich, unendlich.

c) Es ist ein Glaubenssatz: Das Wirken der drei göttlichen Personen nach außen ist ein einziger Akt. Die außergöttliche Tätigkeit ist nichts anderes als die eine göttliche Natur, sofern ihr eine außergöttliche Beziehung entspricht. Die Einheit der Tätigkeit nach außen folgt aus der Wesenseinheit. Weil es nur ein Prinzip der Tätigkeit gibt, gibt es auch nur eine Handlung. So erscheint uns also auch nach außen das göttliche Wesen als der eine Gott und Herr. Der Vater handelt durch das Wort im Heiligen Geist. Der Sohn empfängt Wille und Tat vom Vater, der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn. Vater, Sohn und Heiliger Geist schließen sich nicht zu einer Tätigkeitsgemeinschaft zusammen, sondern handeln als ein einziges Selbst. Die innergöttlichen Beziehungen verbleiben gänzlich im göttlichen Kreise. Der Welt gegenüber ist Gott in seinem Sein und Tun ein einziges tatwirkliches Selbst.

II. Dreiheit in der Einheit

Von Gott muss eine wahre Einheit bekannt werden; ebenso aber auch die Dreiheit. Die Dreiheit setzt einen wirklichen Unterschied in Gott voraus, denn ohne diesen kann eine Dreiheit ernstlich nicht bestehen. Die Verschiedenheit bezieht sich auf die Personen, auf die Ausgänge (Ursprünge) und die Besitzweise des göttlichen Wesens. Der eine wahre und lebendige Gott existiert in unantastbarer Einheit und Dieselbigkeit (Identität). Aber er ist in dieser Einheit zugleich in dreimal beziehentlich verschiedener Weise derselbe. Indem Gott in ewiger Unwandelbarkeit als derselbe existiert, ist er zugleich dreimal je anders derselbe. Gott ist Vater, Sohn und Geist, Gott ist Dreieinigkeit. Die Dreiheit gründet in der Vollkommenheit Gottes. Sie ist Ausdruck der überschäumenden göttlichen Lebensfülle, der höchsten Lebensintensität und des höchsten Lebensreichtums. Die Dreiheit kommt aus der tiefsten Wurzel des Gottseins. Sie ist so notwendig, dass Gott nicht wäre, wenn er nicht dreipersönlich wäre. In der Heiligen Schrift erweist sich Christus als göttlichen Gepräges, als eins mit dem Vater und zugleich als von ihm verschieden. Die Tatsache, dass er selbst Gott und doch vom Vater verschieden ist, zeigt, dass Gott zweimal als derselbe in verschiedener Weise existiert. Das weitere Geschehen um Christus sowie seine ausdrückliche Verkündigung erweitern die Zweiheit zur Dreiheit.

a) Die Dreiheit der Personen ist im positiven und exklusiven Sinne zu verstehen. Sie ist nicht modalistisch gemeint als bloße Erscheinungsweisen ein und derselben Person (des Vaters). Wir unterscheiden die Personen, aber wir trennen nicht die Gottheit. Augustinus sucht zu erklären, wieso die Einheit Gottes nicht durch die Dreiheit der Personen gefährdet wird. Er gibt die Antwort: Sie wird nicht gefährdet, weil die drei Personen relativen Charakters sind. Der Unterschied der Personen vom Wesen ist ein wurzelhafter (virtueller) oder real-modaler oder formaler. Gott offenbart seine Dreipersönlichkeit so, dass er sich im Handeln am Menschen und mit dem Menschen als Dreipersönlichen erweist. Der Vater sendet seinen Sohn in die Welt, auf dass dieser sie von Sünde und Tod erlöse. Der Sohn kehrt zum Vater zurück und sendet mit ihm den Heiligen Geist, auf dass dieser uns in das Leben Gottes einführe. Die Personen unterscheiden sich nur durch die Ursprungsrelationen, die im Schoß des einen, einheitlichen, mit ihm sachlich zusammenfallenden Wesens in realem Gegensatz zueinander stehen. Die göttlichen Personen sind die in sich ruhenden, selbstbestehenden (subsistenten) göttlichen Beziehungen. Die göttlichen Personen gehen im Miteinandersein und im Füreinandersein auf. Jede Person ist nichts anderes als Hingabetat. Die Hingabe ist personhaft. In dem, was jede Person für sich ist, nicht für die beiden anderen, in dem Wesen also, sind sie völlig eins, das eine göttliche Selbst.

b) Diese reale Verschiedenheit der Personen ist gleich der verschiedenen Besitzweise der einen Wesenheit durch die drei Personen. Die verschiedene Besitzweise ergibt sich durch den verschiedenen Ursprung der einen Person aus der anderen. Die erste Person besitzt die Wesenheit ursprungslos als eine nicht mitgeteilte. Die zweite Person besitzt die Wesenheit als durch Zeugung von der ersten Person empfangen. Die dritte Person besitzt die Wesenheit als durch gemeinsame Hauchung der ersten und zweiten Person mitgeteilte. Daher heißt die erste Person Vater, die zweite Sohn, die dritte Heiliger Geist. Es ist an eine wahre, reale Dreiheit zu denken. Die Personalbezeichnungen Vater, Sohn und Heiliger Geist dürfen nicht etwa zu bloßen Namen oder Erscheinungsarten oder Offenbarungsreihen verflüchtigt werden. Es sind vielmehr drei real unterschiedene Träger und Inhaber der göttlichen Wesenheit. Die eine göttliche Wesenheit subsistiert in drei real verschiedenen Personen. Jede der drei göttlichen Personen besitzt die eine göttliche Substanz, ist diese eine göttliche Substanz selber.

c) Das, wodurch die drei göttlichen Personen sich voneinander unterscheiden, ist also nicht in der Wesenheit zu suchen, sondern in der verschiedenen Besitzweise der Wesenheit, näherhin in der daraus sich ergebenden Beziehung (relatio) zu den anderen Personen. Die Person empfängt ihre Personalität allein durch ihre eigentümliche Relation zu den anderen Personen. Es sind keine absoluten, für sich bestehenden Personen, sondern relative; ihr Wesen ist einzig in der Beziehung zu den anderen Personen begründet (und die ohne jene Personen gar nicht bestehen würden). Zwischen den drei göttlichen Personen herrscht volle Identität mit Ausnahme der Ursprungsbeziehungen (Gregor von Nazianz).

III. Einheit und Dreiheit

Die drei Personen sind untereinander real, aber vom Wesen her nur virtuell verschieden. Deswegen muss von ihnen neben dem Auseinander auch ein Ineinander ausgesagt werden. Sie sind sich wechselseitig durchdringend. Die Personen bestehen, indem sie sich in jedem Augenblick einander hingeben. Die Beziehungen unterscheiden zwar die Personen, aber sie stellen zugleich die innigste Einheit dar; denn der personale Selbststand einer Person ist eben durch die Hinordnung zu den beiden anderen bedingt. Keine kann sein ohne die beiden anderen. Das Ineinandersein der göttlichen Personen ist durch die Heilige Schrift bezeugt. Christus sagt in seiner Rede am Tempelweihfest: „Ich und der Vater sind eins.“ Dem Philippus hält er vor: „Wie kannst du sagen: Zeige uns den Vater? Glaubet ihr nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist?“

Das zahlenmäßig eine göttliche Wesen ist so vollkommen und unendlich, dass es von drei real verschiedenen Personen zwar auf verschiedene Weise, auf verschiedene Besitztitel hin, aber in völlig gleicher Vollkommenheit besessen wird. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind jeder wahrhaft Gott und doch nur ein Gott. Die Einheit ist so unendlich vollkommen, dass sie durch die Dreiheit nicht getrennt wird; und die Dreiheit ist so real, dass sie durch die Einheit nicht vernichtet wird. Die Offenbarung der Dreieinigkeit ist kein toter Schatz von Glaubenswahrheiten, den man besitzt und hütet wie ein altes, wertvolles, jedoch unbenütztes und unverwertbares Familienstück. Die Offenbarung der Dreieinigkeit ist uns geschenkt, damit wir in und aus dieser Wahrheit leben. Wer sich von dem Bekenntnis zur göttlichen Dreieinigkeit mit Vorbedacht ausschließt, begeht nicht bloß einen intellektuellen Fehler, sondern zerstört seine christliche Existenz. Wir glauben an den dreieinigen Gott, wir leben in ihm, wir beten zu ihm. Der lebendige Vollzug des Glaubens an den einen dreipersönlichen Gott kann in dreifacher Weise erfolgen. Erstens. Man kann sich im Gebet an das eine göttliche Wesen wenden. Wenn es auch keine Person ist, so existiert es doch in welterhabener, selbstbestehender Weise, so dass es zu einer personalen Begegnung zwischen ihm und dem Beter kommen kann. Zweitens. Man kann sich im Gebet durch Christus im Heiligen Geist an den Vater wenden. Dieses christliche Beten ist ein durch Christus im Heiligen Geist vollzogenes Hinschauen auf das Antlitz des Vaters, ein Hintreten vor ihn und ein Reden mit ihm. Drittens. Man kann sich im Gebet an jede einzelne göttliche Person wenden. Man kann den ursprungslosen Vater, den Schöpfer Himmels und der Erde, also des Weltalls, angehen. Im Gebet des Herrn reden wir den Vater im Himmel, im Himmel Gottes, an. Man kann zu Jesus Christus, dem ewigen Sohn des Vaters beten. Ihn kennen wir gut, weil er vom Himmel herabgestiegen, zu Bethlehem geboren und auf Golgotha ans Kreuz geschlagen worden ist. Man kann zum Heiligen Geist beten, dem Herrn und Lebensspender. Er hat uns in seiner Liebesmacht gereinigt und geheiligt, er stärkt uns auf dem Weg zur Vollendung. Diese drei Weisen des Angehens Gottes vollziehen wir in jeder heiligen Messe. Wir bringen dem himmlischen Vater im Heiligen Geiste das Opfer des Sohnes dar. Trotz aller geistigen Anstrengung bleibt der dreieinige Gott ein undurchdringliches Geheimnis. Diese Geheimnis ergründen wollen, ist Vermessenheit. Daran glauben, ist Gottseligkeit. Es dereinst erkennen, ist Leben, ewiges Leben.

Amen.

Schrift
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