Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Dezember 2012

Johannes der Täufer

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Advent stellt uns die Kirche zwei Gestalten vor Augen: die Gottesmutter Maria und den Vorläufer Johannes. Das sind für den Advent unerlässliche Gestalten, denn ohne die Gottesmutter gibt es keinen Gottessohn, und der Vater im Himmel wollte, dass sein Sohn vorherverkündigt wurde durch einen Vorläufer: Johannes den Täufer. „Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade“, so ruft er. Und er kündigt an: „Nach mir kommt der Stärkere. Ich bin nicht tauglich, mich zu bücken und ihm die Riemen seiner Schuhe aufzulösen.“

Jesus beginnt seine Tätigkeit, als Johannes verhaftet, in den Kerker geworfen wird. Jetzt ist dessen Sendung beendet, jetzt setzt die Verkündigung des Evangeliums, der Heilsbotschaft, ein. Der Ratschluss Gottes hat sich an Johannes erfüllt, und nun tritt der Stärkere, der Kommende, auf. Er beginnt seine Tätigkeit in Galiläa. Warum? Warum nicht in Jerusalem, denn Jerusalem ist doch die Hauptstadt? Er beginnt sie in Galiläa, weil er weiß, ein Prophet gilt in Jerusalem nichts, wenn er aus Galiläa kommt: „Was kann schon aus Galiläa Gutes kommen?“ So denkt man in Jerusalem. Deshalb, weil er den Widerstand der führenden jüdischen Kreise voraussieht, beginnt er seine Tätigkeit in dem von Jerusalem politisch getrennten Galiläa. Es ist seine Frohbotschaft, seine Heilsbotschaft, die Botschaft, die den Menschen das Heil verkündet und bringt.

Der im Gefängnis liegende Johannes erfährt durch seine Jünger von den Werken des Messias. Damit ist die Verkündigung und das Wunderwirken Jesu gemeint. Er fragt an, ob er der Kommende sei. Der Kommende ist eben der, den er verkündet hat, derjenige, dem er die Schuhriemen aufzulösen nicht tauglich ist: „Bist du der Kommende oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Man nimmt an, dass Jesus auf diese Frage geantwortet hätte: „Ja, ich bin es.“ Nein, so antwortet er nicht. Er gibt vielmehr eine Umschreibung: „Geht hin, und verkündet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf und allen Menschen, den Armen zuvor, wird die Heilsbotschaft verkündet.“ Der Täufer soll also aus dem Wirken Jesu seine Qualität erkennen, nämlich seine Eigenschaft als der Messias. Johannes ist sich nicht ganz sicher, ob Jesus der Messias ist, und deswegen diese Frage: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Zunächst einmal ist die Antwort Jesu überhaupt nur dann beweiskräftig, wenn die darin erzählten Taten wirklich und wahrhaftig geschehen sind. Das heißt: nur dann, wenn Jesus zahlreiche unerhörte Wunder gewirkt hat. Wenige Stellen der Evangelien sind so unwiderleglich für Jesu Wundertätigkeit wie dieses Wort. Alle Versuche, ihm seine unerhörten Wunder abzusprechen, wie es die ungläubigen Theologen tun, alle diese Versuche sind zum Scheitern verurteilt. Bei Jesus besteht eine Einheit von Reden und Taten. Die Taten geben für seine Worte und die Worte für seine Taten Zeugnis.

Und dann kommt der Weckruf: „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ Das ist eine Warnung an Johannes, das ist ein leichter Tadel an Johannes, nämlich weil er Zweifel hat an dem Wirken, an dem Auftreten Jesu, ob er wirklich der Messias ist. Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt, das heißt: wer sich im Glauben nicht irre machen lässt. Warum ist der Täufer in eine Krise gekommen? Warum ist er in einer Glaubenskrise? Das erklärt sich daraus, dass das Auftreten Jesu nicht dem Bilde entsprach, das er in sich trug. Er lebte ja ganz im Alten Bunde, er ist ein Mann des Alten Bundes. Und so hat er den kommenden Messias verkündet als den, der mit heiligem Geist und mit Feuer taufen wird. Er selbst tauft mit Wasser, aber der da kommt, wird mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen. Was heißt das? Er wird ein Strafgericht bringen, ein furchtbares Gericht über die gottvergessene Menschheit. Feuertaufe, das ist damit gemeint. Er wird mit Heiligem Geist taufen, das heißt er wird alle Menschen zum Glauben an sich führen durch den Heiligen Geist. Und das vermisst Johannes bei Jesus, dass alle Menschen ihm zuströmen, er vermisst den großen Erfolg, den er erwartet hatte. Und er vermisst noch etwas. Er vermisst das klare Bekenntnis: „Ich bin der Messias, ich bin der gottgesandte Erlöser, ich bin der Heiland der Welt!“ Aus drei Gründen ist Johannes in eine Glaubenskrise gekommen: Er vermisst die Feuertaufe, er vermisst den Erfolg beim jüdischen Volk und er vermisst das klare Bekenntnis. Aus eigener Not heraus spricht der Täufer: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

Dieses Verhalten des Täufers, meine lieben Freunde, enthält eine wichtige Lehre für uns: Gott ist anders, als wir ihn uns vorstellen. Gott handelt anders, als wir es wünschen. Das mussten schon die Jünger Jesu erfahren. Als er am Ende seiner Laufbahn von Galiläa nach Jerusalem zog, da kam er durch das Gebiet von Samaria, und die Samaritaner sind den Juden feindlich gewesen. Er schickte zwei Jünger voraus, die in einem Dorfe der Samaritaner Quartier machen sollten für die Übernachtung. Aber die Dorfbewohner lehnten es ab, Jesus und seine Begleiter aufzunehmen, sie wiesen sie ab. Die beiden Jünger, es waren Jakobus und Johannes, waren empört, und sie sprachen zu Jesus: „Herr, willst du, dass wir Feuer herbeiführen vom Himmel über dieses Dorf?“ Sie wollten also ein göttliches Strafgericht herabrufen über die sie unwillkommen heißenden Samariter. Jesus verwies es ihnen streng: „Ich wisst nicht, wessen Geistes ihr seid. Der Menschensohn ist nicht gekommen, Menschenleben zu verderben, sondern zu retten.“

Gott ist anders, als wir es uns vorstellen. Gott handelt anders, als wir es wünschen. Das Verhalten der Jünger hat sich im Laufe der Geschichte vielfältig wiederholt. Christen, die den Unglauben und den Undank der Menschen gegen Gott sahen, die die Verunglimpfung der Kirche und ihrer Vertreter erlebten, diese Christen meinten, es müsse ein göttliches Strafgericht über die undankbare, gottlose, gottvergessene Welt kommen. Gott könne nicht weiter zusehen, wie sein heiliger Name gelästert wird, wie seine Gebote übertreten werden, wie seine Macht verspottet wird. „Ich habe gesündigt, und was ist mir geschehen? Nichts!“ So sagen die Gottlosen.  In unserer Zeit sehen die gläubigen und frommen Christen den Zerfall in unserer Kirche. Sie erleben die Zersetzung des Glaubens durch die eigenen Theologen. Sie erleben die Missachtung der kirchlichen Gesetze. Der Theologe Küng in Tübingen ruft öffentlich zur Rebellion auf! Die Priesterseminare entleeren sich, die Ordenshäuser brechen zusammen. Das alles erleben die gläubigen und frommen Christen. In ihrer Ohnmacht und Not ringt sich aus ihrer Seele der Ruf: „Muss Gott nicht eingreifen? Will er noch länger zusehen?“ Ein Priester rief mich an und fragte: „Hat Gott Freude am Zusammenbruch der Kirche?“

Ich kann nur sagen: Wir können Gott nicht zwingen. Wir dürfen ihn nur bitten. Wir dürfen ihm auch keine Vorwürfe machen. Wir dürfen ihm nur unsere Not und unsere Klage vortragen. Im Alten Bunde sind diese Klagerufe vorgezeichnet in den Psalmen, die wir Priester jede Woche beten: „Du Gott der Rache, leuchte auf, erhebe dich, vergilt den Stolzen ihr Tun! Wie lange sollen die Frevler noch prahlen?“ An einer anderen Stelle: „Warum verbirgst du dein Angesicht, o Gott? Vergisst du unser Elend und unsere Bedrückung? Warum schläfst du, Herr? Wache auf!“  Das beten wir Priester in jeder Woche. „Hilf uns Gott, unser Heiland, um deines Namens Ehre willen befreie uns! Was sollen die Heiden spotten: Wo ist denn ihr Gott?“ So haben die Frommen des Alten Bundes gebetet, und so beten wir es heute noch. Wir dürfen zu Gott rufen. Wir müssen aber immer in Demut und Ergebung gegen Gottes Willen verharren. Wir müssen warten, bis Gottes Stunde schlägt. Advent heißt ja: Erwartung. Und unser ganzes Leben ist ein Warten auf die Erhörung unserer Gebete. Ich sehe vielleicht noch klarer als Sie, meine lieben Freunde, die Zerstörungen in unserer Kirche. Aber eines muss ich Ihnen ebenso sagen: Ich bin nie irregeworden daran, dass sich eines Tages das Wort des 36. Psalms erfüllen wird: „Ich sah den Gottlosen hocherhaben wie eine Zeder. Ich ging vorüber, und er war nicht mehr.“

Jesus begann dann, zu den Volksscharen über Johannes zu reden. Er fragt sie dreimal, wozu sie in die Wüste hinausgegangen sind, wo Johannes wirkte. Und dann legt der Herr Zeugnis über Johannes ab. Die beiden ersten Fragen haben einen stark ironischen Klang: „Wolltet ihr da ein Schilfrohr sehen, vom Winde hin und her getrieben?“ Johannes ist ganz anderer Art, er ist unbeugsam. „Wolltet ihr einen Mann mit weichlichen Kleidern angetan sehen?“ Johannes ist ein Asket, er lebt von wildem Honig und von Heuschrecken. Ein furchtloser Mahner ist er. „Einen Propheten?“ Ja, das bejaht Jesus, ein Prophet ist Johannes der Täufer. Aber er ist noch mehr als ein Prophet. Die Propheten haben alle von ferne auf den Messias hingewiesen. Sie haben ihn angekündigt, sie haben das Volk im Glauben an den Messias und in der Hoffnung auf den Messias erhalten. Aber Johannes tut mehr: Er geht unmittelbar dem Messias voran. Er ist derjenige, den der Prophet Malachias verkündet hat: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, dass er dir den Weg bereite.“ Das gibt ihm seine einzigartige Würde. Er ist der letzte, aber auch der größte der Propheten. Andere haben die Ankunft des Messias geweissagt, Johannes zeigt auf den erschienenen Messias hin.

Das ist ein hohes Lob des Johannes aus dem Munde Jesu. Johannes ist der Größte unter den von der Frau Geborenen. Aber jetzt kommt gleich ein Nebensatz, ein Zusatz: „Der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ – Der Kleinste im Himmelreich ist größer als er! Mit ihm, mit Jesus, bricht nämlich die Gottesherrschaft an, die Wirkungen und die Taten der Gottesherrschaft sind in ihm schon lebendig. Und deswegen, weil eine neue Heilsordnung angebrochen ist, in der Johannes nicht steht, deswegen gilt das Wort, der Kleinste im Himmelreich ist größer als er. Es ist eine unbeschreibliche Würde, in das Himmelreich, in das Gottesreich, in das Reich Christi aufgenommen zu werden. Johannes steht im Vorhof, die zu Jesus Gehörenden sind in den Tempel eingegangen. Dieser Satz ist wichtig, meine lieben Freunde. Warum? Es gibt Theologen, die Jesus allein im Judentum verorten, sie sagen, Jesus sei nicht nur aus der Judenschaft hervorgegangen, als Jude geboren. Nein, er sei auch ein Jude geblieben. Jesus sei kein Christ, Jesus sei ein Jude gewesen und geblieben. Das lehren christliche, vor allem protestantische Theologen! Erst die Anhänger Jesu, vor allem Paulus, hätten Jesus zum Stifter einer neuen Religion gemacht. Jesus sei auch keineswegs der Messias gewesen, sondern seine begeisterten Jünger hätten ihn zum Messias gemacht, also seine Würde erfunden, die Menschen getäuscht! Meine lieben Freunde, ich habe es Ihnen schon wiederholt gesagt: Ich habe alle diese ungläubigen Bücher gelesen, damit Sie sie nicht zu lesen brauchen. Aber eines kann ich Ihnen mit Gewissheit sagen: Sie haben mich im Glauben nicht unsicher gemacht, sondern bestärkt. Ich bin überzeugt, dass unsere Kirche allein in diesem Wirrwarr die Wahrheit lehrt und an dieser Wahrheit festhält. Das ist ihr Ruhm, das ist ihre Größe, das ist das Signum ihrer göttlichen Herkunft.

Zwischen Johannes und Jesus besteht eine Zäsur, ein scharfer Schnitt. Johannes ist der Mann der alten Ordnung, allerdings an der Schwelle zur neuen Ordnung. Jesus ist die Wende der Zeiten, mit ihm wenden sich die Zeiten. Seitdem schreiben wir „nach Christus“. Der Herr hat das selbst erklärt. Einmal sagt er den Pharisäern: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Seitdem wird das Reich Gottes verkündet.“ Klarer kann man das nicht sagen: Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Seitdem wird das Reich Gottes verkündet.

Die Kirche hat den Vorläufer Johannes in die Liturgie der Heiligen Messe aufgenommen. An zwei Stellen erwähnen wir Johannes, weil er zu uns gehört als der Vorläufer des Herrn. Und im Johannesevangelium, das wir am Ende der Heiligen Messe beten, stellt uns der Evangelist Johannes den Täufer Johannes vor: „Es ward ein Mann von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, er sollte Zeugnis geben von dem Lichte, auf dass alle durch ihn zum Glauben kämen. Er selbst war nicht das Licht, sondern sollte Zeugnis geben von dem Lichte. Aber dieses Licht war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.“

Amen.

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