Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. Oktober 2011

Christus, König über Himmel und Erde

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des Königtums unseres Heilandes Versammelte!

Das Königtum Jesu gehört zu den bestbezeugten Tatsachen des Evangeliums. Für ihn, den König Christus, zeugt er selbst, zeugt Pilatus, zeugen die Juden, zeugen die Henkersknechte und zeugt die Inschrift auf dem Kreuze.

Der erste, der im Evangelium das Wort von Jesus, dem König, in den Mund nimmt, ist der römische Prokurator Pontius Pilatus. Er fragt Jesus: „Du bist also ein König? Du bist der König der Juden?“ Darin liegt Erstaunen, Überraschung, Ungläubigkeit. Alle vier Evangelisten dokumentieren diese Frage in dem Verhör, das Pilatus mit Jesus anstimmt. Die Frage setzt natürlich voraus, daß die Juden beim Statthalter gegen ihn die Anklage erhoben haben, er strebe nach der Königsherrschaft. Der Evangelist Lukas bezeugt das ausdrücklich. „Er sagt, dass er Christus, der König, ist.“ Um die Art seines Königtums zu schildern, erwähnen die Juden drastisch zwei Beispiele: „Er wiegelt das Volk auf, er verbietet, dem Kaiser Steuer zu zahlen.“ Er ist ein Usurpator, er ist ein Revolutionär. Nun wird Pilatus hellhörig. Das kann er nicht durchgehen lassen. Er ist der Vertreter des römischen Kaisers, da muss er eingreifen. Das darf nicht sein; ein König neben dem Kaiser, den gibt es nicht. Die Juden wissen sehr wohl, wie man Pilatus aufbringen kann. Sie sagen nichts von seinem Messiastum, sondern sie sagen, dass er ein König sei, also ein politischer Herrscher; nicht König von Israel, das wäre der Messias, sondern König der Juden, das ist eine politische Begrifflichkeit.

Und nun entwickelt sich ein Gespräch zwischen dem Richter und dem Angeklagten. Zunächst fragt Jesus den Pilatus, ob er sich nach seinem Königtum erkundigt, weil er selbst darauf gekommen ist, oder ob ihm andere davon berichtet haben. Ob er also aus eigenem Antrieb gegen ihn vorgeht oder aufgrund der Bezichtigung durch die Juden. Pilatus erwidert kalt, er sei kein Jude, und er wisse nichts von den jüdischen Anschauungen. Er teile sie auch nicht. Von sich aus hätte er nicht eingegriffen, wäre er nicht gegen Jesus vorgegangen. Die Juden haben durch ihre Obrigkeit ihn vor Gericht gebracht. Darum wiederholt Pilatus die erste Frage nicht mehr, sondern fragt ihn ganz sachlich: „Was hast du getan?“ Er will Auskunft über die Beschuldigungen haben, die die Juden gegen ihn vorbringen. Die angebliche Betätigung Jesu: Aufwiegelung des Volkes, Aufforderung zum Steuerstreik, das sind gewaltige Beschuldigungen. Und das Merkwürdige daran: Jesus geht auf sie gar nicht ein. Er behandelt sie als ein Nichts. Aber er bejaht die Frage, dass er ein König sei, dass er ein Königtum habe, ein Reich. Er entkräftet die Anklage seiner Feinde auf zweifache Weise, einmal negativ und zum anderen positiv. Negativ, indem er auf die Art seines Königtums hinweist. Es ist nicht von hier; es ist nicht von dieser Welt. Es ist nicht ein Königtum nach Art der Erdenkönige. Es besteht zwar in der Welt, aber es gehört nicht in diese Welt. Für diese Art des Königtums liefert Jesus einen Beweis, nämlich: Wenn er ein König nach Art der Erdenkönige wäre, dann hätte er ein Heer, eine Leibwache, wie Gaddafi eine Leibwache hatte. Aber er hat keine solche Leibwache, er hat kein Heer, denn wenn er ein Heer hätte, dann hätten seine Streiter für ihn gekämpft, und er wäre nicht den Juden überliefert worden. Er ist ein König, der keine irdische Macht besitzt und erstrebt. „Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, hätten meine Dienstleute gekämpft, damit ich den Juden nicht überliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier.“ Damit ist der Vorwurf der irdischen Machtergreifung abgewiesen. Pilatus versteht aber, dass Jesus ein König sein will. „Also bist du doch ein König?“ Jesus gibt zu, dass er ein König ist. Und jetzt erklärt er positiv die Art seines Königtums: „Dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe.“ Das ist der Inhalt seines Königtums: Zeugnis für die Wahrheit zu geben. Er ist ein wirklicher König, aber er hat seine Herkunft nicht aus dieser Welt wie die irdischen Machthaber. Er kommt aus einer unendlichen Ferne. Und als wirklicher König erhebt er einen Herrschaftsanspruch. Das geschieht, indem er für die Wahrheit Zeugnis gibt.

Die Wahrheit, von der Jesus hier spricht, ist nichts anderes als die offenbare Wirklichkeit Gottes. Er ist der Zeuge, er ist der Künder, er ist der Offenbarer Gottes in Person. Er zeugt für die Wahrheit, indem er gekommen ist. Er ist selbst die Wahrheit. Er ist die offenbare Wirklichkeit Gottes. Niemals vor ihm und niemals nach ihm hat ein Mensch sagen können: „Ich bin die Wahrheit.“ Denn niemals ist ein Mensch aufgetreten, in dem die Fülle der Gottheit wohnte. Er ist der König der Wahrheit. Aber als König hat er ein Volk. Das Volk, das er besitzt, sind alle diejenigen, die aus der Wahrheit sind, also die sich durch Gottes Offenbarung erleuchten und führen lassen. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Diese Hörer sind seine Untertanen, sind seine Herrschaftsglieder. Sie hören auf ihn, sie erkennen ihn als den Gottgesandten, sie sind die Glieder seines Reiches.

Der Prokurator vermag für ein solches Königtum kein Verständnis aufzubringen. Er denkt in politischen Kategorien. So zuckt er die Achsel. Geringschätzig und skeptisch stellt er die rhetorische Frage: „Was ist Wahrheit?“ In diesem Ausruf, meine lieben Freunde, zittert die ganze geheime Sehnsucht und die ganze geheime Verzweiflung des Menschen ohne Gott. „Was ist Wahrheit?“ Dass die Wahrheit eine objektive Größe ist, dass sie verpflichtende Gewalt besitzt, dass man sich ihr nicht entziehen kann, das ist ihm unbegreiflich. So einen König hatte Pilatus noch nicht gesehen. Wie konnte man überhaupt unter diesen Umständen von einem Königtum sprechen? Der Prokurator ist überzeugt: Der Angeklagte ist harmlos. Er ist keine politische Gefahr. So sieht er keinen Handlungsbedarf, ihn zu bestrafen. Die Anklage der Juden entbehrt jeder Grundlage. Das sieht der Prokurator. Deswegen erklärt er den Juden: „Ich finde keine Schuld an ihm.“

Aber die Juden geben nicht nach, die Juden greifen zu der Waffe der Drohung. Sie drohen dem Prokurator: „Wenn du diesen freiläßt, bist du kein Freund des Kaisers. Jeder, der sich zum König macht, widersetzt sich dem Kaiser.“ Die Juden lieben den Kaiser nicht, sie hassen ihn. Aber jetzt bedienen sie sich des Kaisers, um den Pilatus aufzubringen gegen Jesus. Wer einen solchen laufen läßt, so sagen sie, der vergeht sich gegen den Kaiser.

Der Kaiser heißt Tiberius. Das ist ein mißtrauischer Mann und von einer brutalen Härte. Pilatus ist gewarnt, und er läßt sich warnen. Er kapituliert; er gibt nach. Aber er kann es sich nicht versagen, die Juden, die er haßt und die er verachtet, zu ärgern. So läßt er Jesus vorführen und spricht zu der Volksmenge: „Seht, euer König!“ Das ist höhnisch gemeint, zynisch. Dieser zerraufte, dieser zerschlagene, dieser blutende Mann, das soll der König sein? Die Masse schreit: „Hinweg! Hinweg! Kreuzige ihn!“ Aber Pilatus legt noch einmal nach: „Euren König soll ich kreuzigen?“ Ein Oberpriester antwortet: „Wir haben keinen König als den Kaiser.“ Ein widerwillig abgelegtes Bekenntnis zur römischen Herrschaft, zu der verhaßten Besatzungsmacht.

Da sehen wir, meine lieben Freunde, den einsamen Wahrheitskönig, wortkarg, ohne Zeichen der Erregung, so steht er vor seinen Peinigern. Wiewohl zerquält, verhöhnt, blutüberströmt, widerstandslos und lautlos leidend, bei allem sich ganz in der Hand Gottes wissend. In all seinem Elend von königlicher Hoheit. Der leidende Gottesknecht, vor dem sich der Evangelist in stummer Ehrfurcht neigt.

Die bewaffnete Macht des Prokurators hat mitbekommen, dass hier einer aufgestanden ist, der sich als König ausgibt. Und das machen sich die Soldaten zunutze. Sie benutzen Jesu Bekenntnis zum Königtum, um ihn zu verhöhnen. Sie machen aus ihm einen Spottkönig. Sie wissen, ein König trägt eine Kröne, hat einen Königsmantel um seinen Körper, er hält ein Zepter, einen Herrscherstab, in seiner Hand. Und so äffen sie das Königtum nach. Sie staffieren Jesus aus mit einer Krone, ach, aus Dornen, mit einem Mantel, ach, mit einem roten Soldatenmantel und mit einen Zepter, ach, mit einem Rohrstock. Und dann machen sie eine Zeremonie der Huldigung. Sie beugen die Knie vor ihm: „Sei gegrüßt, König der Juden!“ aus Spott, aus Hohn. Aus Verachtung spucken sie ihn an, und weil sie ihn für strafwürdig halten, schlagen sie ihm mit dem Rohrstock auf das Haupt.

Es war damals üblich, meine lieben Freunde, am Kreuze eines Hingerichteten eine Tafel anzubringen, auf der die Ursache seines Todes, also sein Verbrechen, angegeben war. Und so läßt auch Pilatus über Jesus einen Titulus, wie das lateinische Wort heißt, einen Titulus anbringen, der den Grund für seine Verurteilung angibt: „Jesus, der Nazoräer, der König der Juden.“ Mit dieser Aufschrift nimmt Pilatus noch einmal Rache an den Juden. Die Juden wissen, dass es ein Schimpf für sie ist. Der Gehenkte, der zum Tode Verurteilte, der soll ihr König sein? Sie sind erbost, sie sind entsetzt über diese Inschrift. „Sage nicht: Der König der Juden, sondern dass er von sich behauptet hat, er sei der König der Juden!“ Aber Pilatus läßt sich diesmal nicht ins Bockshorn jagen: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben!“ Und das bleibt geschrieben. Die Inschrift ist eine bewußte Verhöhnung der Juden. Sie führt ihnen vor Augen, wie wehrlos, wie machtlos sie sind. Ihr Höchster, ihr Fürst, ihr König, ihr Regent hängt am Schandpfahl des Kreuzes. Wegen der Lage Golgothas und wegen der Dreisprachigkeit der Aufschrift lesen nicht nur die Juden, sondern alle Gäste, die zu großen Fest gekommen sind, die Inschrift.

Die Inschrift ist aber auch eine unerhörte Propaganda für Jesus. Die Würde, die er in Anspruch nehmen kann, ist ihm hier bezeugt. Er ist ein König. Das Weizenkorn keimt bereits. Die Inschrift ist auch eine Prophezeiung: Dieser König, der da am Kreuze hängt, ist wirklich ein König, nicht nur der Juden, sondern der ganzen Welt, weil er durch sein Kreuzesleiden die ganze Menschheit sich zu eigen erworben hat. Mit diesem Kreuzesleiden erwirbt er sich die ganze Menschheit zu eigen.

Meine lieben Freunde, wir feiern heute, wie es Papst Pius XI. 1925 angeordnet hat, das Christkönigsfest. Die Verehrung Jesu als König ist keine Neuerung. Die Kirche hat immer das Königtum Jesu bekannt. Wenn sie aussagt: „Er sitzt zur Rechten Gottes“, „seines Reiches wird kein Ende sein“, so sind das Königsaussagen. Auch wenn Jesus als Hirt bezeichnet wird, ist das eine Aussage über sein Königtum. Er ist ein Hirt, ein König, ein Herrscher.

Die königliche Würde Jesu leitet sich aus zwei Quellen her, einmal, weil er der Gottessohn ist. Er ist der menschgewordene Gott, der auf Erden erschienene Gott. Und da Gott die ganze Herrschaft zu eigen ist, steht auch ihm, diesem Jesus von Nazareth, die ganze Herrschaft zu wie dem Vater im Himmel, nicht weniger, aber natürlich auch nicht mehr. Als wahrer Gott besitzt er die gleiche unumschränkte Macht wie der himmlische Vater. Das ist die erste Quelle seine Königtum, die hypostatische Union, wie wir sie mit einem Fachausdruck nennen. Die zweite Quelle ergibt sich aus seinem selbsterworbenen Recht durch das Werk der Erlösung. Indem er sein kostbares Blut für die Menschheit vergoß, hat er sich die Menschheit zu eigen erworben, ist er wahrhaftig aufgestiegen zum Königtum über die gesamte Menschheit. Mit seinem Gehorsam bis zum Kreuze hat er sich die gesamte Menschheit zu eigen erworben.

Christi Königtum hat nichts mit demokratischem Herrschertum zu tun. Demokratische Herrscher kommen und gehen. Heute sind sie da, morgen sind sie in Vergessenheit geraten. Nein, sein Herrschertum ist bleibend, ist ewig, ist unantastbar. Irdische Machthaber besitzen auch immer nur eine Teilgewalt. Wir haben ja spätestens seit Montesquieu die Gewaltenteilung im Staat. Die einzelnen Gewalten, Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung sind verschiedenen Personen anvertraut. Nicht so bei Jesus. Er besitzt alle Gewalt. Er ist Gesetzgeber, er ist Verwalter, er ist Richter. Als Herrscher will Jesus auch herrschen. Er will herrschen im Geiste der Menschen durch den Glauben. Er will herrschen im Willen der Menschen durch den Gehorsam gegen Gottes Gebote. Er will herrschen im Herzen der Menschen durch die Liebe.

Es ist an uns, meine lieben Freunde, ihn herrschen zu lassen. Dem König aller Zeiten, dem Unsichtbaren, dem Unsterblichen, dem alleinigen Gott und Herrn, unserem Heiland Jesus Christus sei Ehre, Preis und Herrlichkeit in alle Ewigkeit.

Amen.

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