Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Oktober 2006

Der Wert der christlichen Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der katholischen Theologie wird eine Individualethik von der Sozialethik unterschieden. Die Individualethik betrifft den Einzelnen. Sie lehrt ihn, was er nach Gottes Willen zu tun und zu unterlassen hat. Die Sozialethik betrifft die Gemeinschaften, in die der Mensch gestellt ist. In der Sozialethik wird der Wille Gottes über den Gemeinschaften des menschlichen, des irdischen Lebens offenbar gemacht. Gemeinschaften dieser Art sind drei: die Ehe und Familie, das Volk und die Kirche. Das sind die drei Gemeinschaften, über die der Wille Gottes ausgesprochen ist. Die erste und wichtigste und grundlegende ist die Ehe. Die Ehe ist die wichtigste Gemeinschaft deswegen, weil sie die Keimzelle der anderen Gemeinschaften ist. Ohne intakte Ehen, ohne intakte Familien können weder der Staat noch die Kirche blühen. Die Ehe ist nicht, wie die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts sagten, „ein äußerlich weltlich Ding“, so Herr Luther, ein „äußerlich weltlich Ding“, oder „wie der Ackerbau oder ein beliebiges Handwerk“, so Herr Calvin, „wie der Ackerbau und ein beliebiges Handwerk“. Nein, die Ehe ist ein Meisterwerk der Schöpfer- und Erlöserliebe Gottes.

Schon von Natur aus besteht ein Bund nach Gottes Willen zwischen Menschen: die Ehe. Gott hat die ersten Menschen als Mann und Frau geschaffen und sie aufeinander hingewiesen. Sie gehören zusammen, sie sollen sich zusammenfinden und sie sollen zusammen bleiben. „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“, sagt Christus, und Gott gab den Menschen den Auftrag: „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde.“ Die Ehe ist Gottes Werk! Ehen werden im Himmel geschlossen. Wo immer eine Ehe gültig geschlossen wird, da geschieht es vor Gott und von Gott. Man kann die Ehe nicht nahe genug an Gott heranrücken. Und weil die Ehe von Gott kommt, gilt vor ihr das Wort, das der Herr im brennenden Dornbusch zu Moses sprach: „Ziehe deine Schuhe aus, löse deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“

Aber nicht nur das. Die Ehe ist nicht nur eine Natureinrichtung. Nein, sie ist ein Sakrament Christi im Reich der Gnade. Gott hat die Ehe durch Christus in sein Erlösungswerk hineingezogen und in das Reich der Gnade erhoben. Sie ist zu einem gnadenspendenden, heiligen Sakrament geworden und zum Abbild seiner eigenen Verbindung mit der Kirche. Meine lieben Freunde, die Ehe als Sakrament ist eine der Stellen, wo die ganze Unhaltbarkeit und Aussichtslosigkeit des Ökumenismus zutage tritt. Die katholische Kirche lehrt und wird immer lehren: Die Ehe ist ein Sakrament. Der Protestantismus lehrt und wird immer lehren: Die Ehe ist kein Sakrament. Ja, wie soll das zusammenkommen? Wie soll da jemals durch noch so langen Dialog eine Einigung herbeigeführt werden? Das Ehesakrament ist der Heilandssegen über die Lebenskeime der menschlichen Gesellschaft. Im heiligen Sakrament der Ehe soll die Liebe wie eine Kerze auf den Altar gestellt werden und geheiligt werden. Christus hat auf der Hochzeit von Kana die Ehe mit seiner Anwesenheit geehrt und dabei sein erstes Wunder gewirkt. Er zeigt damit, wieviel ihm die Ehe wert ist, und er hat die Kinder, die Frucht der Ehe, zu sich kommen lassen und sie gesegnet und in seine Arme geschlossen. Konnte er anders tun? Wenn er die Menschheit erneuern und heiligen wollte, dann musste er mit der Ehe beginnen.

So ist also die Ehe ein Sakrament und vermittelt sakramentale Gnade, also göttliches Leben, göttliches Licht, göttliche Kraft. Sie vermittelt heiligmachende Gnade, und sie vermittelt helfende Gnade. Und das nicht nur im Augenblick des Eheschlusses, sondern während der ganzen Ehezeit. Die Ehe als Sakrament bleibt eine Gnadenquelle. Zeitlebens fließen aus ihr Gnaden um Gnaden. Und der Herr hat sie auch zu einem Abbild seiner Verbindung mit der Kirche gemacht. Wie ist Christus mit der Kirche verbunden? Nun, immer und ewig und zeitlebens und ohne Trennung und ohne Minderung und ohne Trübung. So soll auch die Verbindung zwischen Mann und Frau sein. „Dieses Geheimnis ist groß“, sagt der Apostel Paulus im Epheserbrief, „ich beziehe es aber auch Christus und die Kirche.“

Wenn die Ehe ein Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche ist, dann ist gleichsam der Mann ein Abbild Christi und die Frau ein Abbild der Kirche. Die christliche Familie ist ein kleines Gottesreich, einzigartig in Liebe und Gnade hineingebaut in das große Werk der Erlösung. Wahrhaftig, die christliche Ehe ist heiliges Land im Reich der Natur und im Reich der Gnade.

Darum hat Gott der Herr als Herr der Ehe auch seine Gesetze über die Ehe gegeben. Er hat dieses große Werk nicht menschlicher Willkür überlassen, sondern er hat seine natürlichen und übernatürlichen Gesetze gegeben. Das muss ja so sein bei einem Werk, das für das zeitliche und ewige Glück der Christen, für das Heil der Kinder, für die sittliche Gesundheit der Völker von solcher elementarer Bedeutung ist. Die Ehe kann nicht den Launen von Fleisch und Blut überlassen bleiben. Gott stellt es einem jeden Menschen frei, ob er die Ehe eingehen will, aber wenn er sie eingeht, muss er sie nach seinen Gesetzen führen.

Das erste Gesetz ist die Einheit. Mann und Frau sind verschiedenartig, aber gleichwertig vor Gott. Sie reichen sich die Hand zum Lebensbunde, ein Mann und eine Frau. Kein Dritter darf sich dazwischenstellen. Vor kurzem erzählte mir eine Frau, die mit ihrem Manne zwei Kinder hat, der Mann habe eine andere Frau kennengelernt und wolle mit ihr geschlechtlich zusammenleben, aber er möchte auch an der Ehe festhalten. Das ist unmöglich. Entweder ist er in der Einehe gebunden und verbunden, oder er trennt sich. Jeder Dritte in der Ehe ist ausgeschlossen. Es gibt keine Ehe zu dritt. Dem Mann gehört die ganze Liebe der Frau, und der Frau gehört die ganze Liebe, die ungeteilte Liebe des Mannes. Wo die echte Liebe ist, da klingen alle Liebesarten, also die körperliche bis zur geistigen, zusammen; sie gestalten die Ehe zur geweihten und vollkommenen Lebensgemeinschaft.

Das zweite Gesetz über der Ehe ist die Unauflöslichkeit. Das ist die unzertrennliche Verbundenheit der beiden Gatten. Nach göttlichem Recht kann eine gültig geschlossene und vollzogene Ehe Getaufter von keiner menschlichen Macht getrennt werden. Es gibt keine Ehe auf Probe, es gibt keine Ehe auf Zeit, es gibt keine Kameradschaftsehe. Schon die Natur verlangt die Unauflöslichkeit der Ehe, sowohl um der Ehegatten als auch um der Kinder willen. Wie kann die volle gegenseitige Liebe in der Ehe vorhanden sein, wenn der Gedanke an eine spätere Trennung dazwischentritt? Wie können die Kinder richtig erzogen werden, wenn entweder der Vater oder die Mutter schuldbarerweise fehlt? Christus hat dieses Naturgesetz noch eigens verstärkt und bestätigt. „Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen.“ Es ist bezeichnend, dass gerade im Markusevangelium, das nämlich auch die römische, staatliche Ehegesetzgebung berücksichtigt, dass im Markusevangelium der Satz steht: „Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, bricht ihr die Ehe. Und wenn sie ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, bricht sie die Ehe.“ Das römische Recht ist hier insofern berücksichtigt, weil nach römischem Recht die Frau genauso die Befugnis hatte, den Mann zu entlassen, wie der Mann die Frau. Anders war es im jüdischen Recht. Da durfte nur der Mann die Frau entlassen. Aber im römischen Rechtskreis durften beide den Partner entlassen.

Nun weiß ich, dass zahllose Ehen geschieden werden. Ein Arzt, der inzwischen in der dritten Verbindung lebt, sagte mir einmal: „Nach acht Jahren ist die Luft raus.“ Er verglich also die Ehe mit einem Gummischlauch. Vor wenigen Tagen erzählte mir ein Priester, er habe in einer Pfarrei in Gießen 21 Erstkommunionkinder. von diesen 21 haben 20 keine Eltern, die in geordneter Ehe leben. Von 21 Elternpaaren 20 Eltern, die nicht in geordneter Ehe leben! Früher wussten wir, dass die Moschee sich beugt vor dem Trieb, dass die Synagoge sich beugt, dass der Protestantismus sich beugt, das wußten wir. Aber jetzt sehen wir, dass das Laster auch in unsere Kirche eingedrungen ist. Eine bürgerliche Scheidung, meine lieben Freunde, kann nur soviel trennen, wie die bürgerliche Eheschließung verbunden hat. Was in der bürgerlichen Scheidung vor sich geht, ist ein Vorgang, der für dir Kirche und für Gott unbeachtlich ist. Das Eheband bleibt trotz bürgerlicher Scheidung bestehen. Auch die Kirche kann eine gültig geschlossene und vollzogene Ehe unter Christen nicht auflösen.

Man sagt, die Kirche sei unbarmherzig, weil sie sich gegen Trennung und Wiederverheiratung stemmt. Meine lieben Freunde, es ist nicht die Kirche. Es ist ganz falsch, wenn Herr Görres sagt, die Kirche solle die Finger vom Ehebett wegnehmen. Es ist nicht die Kirche; die Finger am Ehebett sind Gottes Finger. Es ist nicht die Kirche, welche das verbietet, es ist Gott. Ist Gott unbarmherzig? Ist das Gesetz der Unauflöslichkeit unbarmherzig? Ich behaupte das Gegenteil. Nach Gottes Willen ist die Unauflöslichkeit der Ehe Ausfluß seiner Barmherzigkeit. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit die Menschen sich vor Eingehung der Ehe prüfen, ob sie überhaupt fähig sind, einen Partner an sich zu binden. Sie müssen sich erst über ihre eigene Ehefähigkeit vergewissern. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit die Menschen vor Eingehung der Ehe auch prüfen, ob sie diesen bestimmten Menschen an sich binden können, ob sie gewissermaßen zueinander passen. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit die Menschen nach Eingehung der Ehe sich so verhalten, dass ihr Bund ihnen beiden Halt und Stütze ist, dass er ihnen hilft, Leid und Kummer zu tragen, so wie jener junge Mann, der, bevor er mit seiner Frau die Ehe schloß, eine Schrift anfertigen ließ: „Leichter, nicht schwerer.“ So soll es in der Ehe sein, leichter, nicht schwerer. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit die Gatten nicht Ausschau halten nach einem fremden Partner, damit sie nicht an Abwechslung denken und damit sie die Treue fleckenlos bewahren. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, um den Menschen die Pein der Trennung zu ersparen. Es ist Gottes Barmherzigkeit, meine lieben Freunde, welche die Ehe unauflöslich macht. Wenn die Ehe auflöslich wäre, dann fehlte ihr die fundamentale Festigkeit. Die auflösliche Ehe wäre nicht mehr ein Abbild, sondern ein Zerrbild der Verbindung Christi mit der Kirche. Die auflösliche Ehe trägt von vornherein den Keim der Zerstörung in sich. Die auflösliche Ehe gestattet die Abwechslung der Partner. Die auflösliche Ehe lenkt den Blick vom eigenen Gatten auf andere Männer oder Frauen.

Das dritte Gesetz, das Gott über die Ehe gegeben hat, ist die Ordnung. Es soll, daran lasse ich nicht rütteln, allen modernistischen Redensarten von heute zum Trotz, es soll in der Ehe eine Unter- und Überordnung geben. Ich zitiere aus dem Epheserbrief des Apostels Paulus: „Der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist. Wie die Kirche Christus untertan ist, so seien es auch die Frauen ihren Männern. Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie Christus seine Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat.“ Wo es in einer Ehe so ist, wie es der Apostel Paulus hier beschreibt, nämlich dass der Mann die Hauptesstellung einnimmt und gleichzeitig seine Frau von Herzen liebt, da ist die Hauptesstellung eine Wohltat und nicht eine Tyrannei. Ich lasse also nicht daran rütteln, dass nach Gottes Willen eine solche Ordnung in der Ehe bestehen soll. Die Frau ist gewiß das Herz der Ehe, aber der Mann bleibt das Haupt. Wie das Haupt unentbehrlich ist, so ist das Herz unentbehrlich. Man kann streiten, was wichtiger ist; wichtig ist beides. Beide, Haupt und Herz, sind gleich wichtig und gleichwertig.

Das vierte Gesetz in der Ehe ist die Treue. Gott hat die Treue über die Ehe geschrieben, und zwar die Treue zueinander in ehelicher Liebe und die Treue zur Natur in ehelicher Keuschheit. Die beiden Gatten sollen sich ganz gehören, ihre Liebe soll die innigste Form annehmen, das seelische Ineinanderwohnen soll ein Abriß der Verbindung Christi mit der Kirche sein. Das ist das tiefste Glück der Ehe. Der Herr hat über die Treue deutliche Worte gesprochen. In der Bergpredigt heißt es: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt wurde: Ihr sollt nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau lüstern ansieht, hat schon Ehebruch mit ihr begangen in seinem Herzen.“ Eine unglaubliche Vertiefung der ehelichen Treue, die eben nicht nur die äußere Tat meidet, sondern auch das innere Begehren ausschließt. Wie schlimm, wie bitter ist die Untreue! Meine lieben Freunde, nach Schätzungen – nach Schätzungen! – ereignen sich in Deutschland jeden Tag eine Million Ehebrüche!

Das sichtbare Pfand der Liebeseinung zwischen den Gatten ist das Kind. Um des Kindes willen ist die Ehe in erster Linie eingesetzt. Da mag man noch so viel reden und darumreden und danebenreden von der Partnerschaft und ähnlichen Verbindungsweisen, nein, meine lieben Freunde, es bleibt richtig, was der Codex des kanonischen Rechts von 1917 geschrieben hat: „Der erste Zweck der Ehe ist das Kind.“ Zweck nach Gottes Absicht, nicht nach der Menschen Meinung; Zweck nach Gottes Absicht. Die Ehe ist für die Erhaltung des Menschengeschlechtes zuerst und zuoberst eingesetzt. Freilich hat sie auch andere Aufgaben wie die gegenseitige Hilfe und Stütze. Aber das Kind ist so sehr der erste Zweck der Ehe, dass, wer es durch seine Schuld ausschaltet, niemals seine Ehe im Sinne Gottes führt. Wer die Ehe anders gebraucht, als es nach Gottes Willen geschehen soll, der versündigt sich gegen seinen Schöpfer. Unser Leib ist geheiligt, und auch die Leiber der Gatten sind geheiligt. Immer und überall müssen sie in heiliger Keuschheit miteinander umgehen.

Noch einmal, meine lieben Freunde, leuchtet wie Flammenschrift über der Ehe das Wort: „Ziehe die Schuhe von deinen Füßen, denn der Platz, wo du stehst ist heiliges Land.“ Die Ehe baut sich auf in unzertrennlicher Einheit und Treue, in Unterordnung und dienender Liebe von Mann und Frau als Abbilder Christi und der Kirche. Die Gatten sollen fruchtbar sein und ihren Bund mit Kindern segnen lassen im großen Dienst an Volk und Kirche. Dieses Geheimnis ist groß, meine lieben Freunde. Ich sage es in Christus und in der Kirche.

Amen.

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