Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Mai 2005

Die Eigenschaften Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Das werden sie euch antun, da sie weder den Vater kennen noch mich.“ Eine schlimmere Unkenntnis als die Unkenntnis Gottes gibt es nicht. Wer Gott kennt, kennt alles; wer Gott nicht kennt, kennt nichts. Das ist der Grund, meine lieben Freunde, warum wir versuchen, uns über Gott, den Inhalt, den Ursprung und das Ziel unseres Lebens, Klarheit zu verschaffen. Wir haben begonnen, über die Eigenschaften Gottes nachzudenken und wollen diese Überlegung heute fortsetzen. Wir wollen drei Sätze aufstellen, nämlich

1. Gott ist heilig und gerecht.

2. Gott ist voll Güte und Liebe.

3. Gott ist der allmächtige Vater.

Der erste Satz lautet: Gott ist heilig und gerecht. Die Heiligkeit Gottes ist die Eigenschaft, die uns am meisten in Erstaunen und in Verwunderung setzen kann. Der Prophet Isaias hatte eine Vision, eine Erscheinung. Er sah Gott auf einem hohen Throne sitzen, und die Seraphim, die Engel, waren zu seinen Füßen, und sie sangen den Lobgesang Gottes: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Herrscher der Himmelsheere. Gott ist heilig in seinem Wesen und in seinem Tun. Er ist heilig in seinem Wesen, das heißt er besitzt die ontische Heiligkeit. Er ist allem, was außer Gott ist, unendlich überlegen. Er ist der Absolute. Er ist derjenige, der seine Transzendenz als wesentliche göttliche Eigenschaft besitzt. Er ist ontisch heilig. Er ist aber auch ethisch heilig. Das heißt: Er liebt nur das Gute und verabscheut das Böse. „Gott ist Licht“, heißt es bei Johannes, „und Finsternis ist nicht in ihm.“ Das heißt, Gott liebt das Gute und haßt das Böse; es ist unvereinbar mit seinem Wesen. Heilig ist sein Weg, heilig ist sein Werk, heilig ist sein Gesetz. Und so ist es kein Wunder, wenn wir im Sanktus der heiligen Messe rufen: „Du allein bist der Heilige.“

Wir sind nicht wesentlich heilig, und wir sind auch leider Gottes ethisch nicht heilig. Aber wir sollen dem Wesen nach mit einer geschaffenen Heiligkeit erfüllt werden, nämlich in der heiligmachenden Gnade, und wir sollen uns bemühen, die ethische Heiligkeit durch unser Streben, durch unser unermüdliches Streben, Christus ähnlich zu werden, zu erringen. „Seid heilig, wie euer Vater im Himmel heilig ist!“ „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung“, schreibt der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Thessalonicher.

Gott ist heilig und gerecht. Dass er gerecht ist, besagt, er lohnt das Gute, und er bestraft das Böse. Gott ist ein gerechter Gott, weil er einem jeden vergilt nach seinen Werken. Gott ist ein Gott, bei dem es kein Ansehen der Person gibt. Gott kann gerecht sein, denn er ist allwissend. Wir sind oft ungerecht, weil es uns an Wissen gebricht. Wir urteilen, wir verurteilen einen Menschen, weil wir seine Erbanlagen, seine Erziehung, seine Verhältnisse nicht kennen. Wenn wir das alles wüssten, wären wir vorsichtiger mit unserem Urteil. Gottes Urteil ist anders als das unsrige, und deswegen sagt der Apostel Paulus: „Wer mich richtet, ist der Herr.“ Er schaut in die Tiefe, und er schaut in die Weite. Gott lohnt das Gute und straft das Böse. Natürlich kenne ich den Einwand: Ja, warum geht es dann vielen Guten auf Erden schlecht, und warum geht es vielen Bösen gut? Meine lieben Freunde, Gott straft das Böse nicht immer sofort. Er wartet zu. Er will ja nicht den Tod des Sünders, sondern seine Bekehrung. Und wenn es einem so gut geht wie dem reichen Prasser, dann hat er eben seinen Lohn auf Erden schon empfangen für das wenige Gute, das er getan hat, und geht in der Ewigkeit leer aus. Nicht alles Schlimme, was über uns kommt, ist sodann wirklich ein Übel. Gott weiß uns auch durch Leiden und Enttäuschungen zu seinem Ziel zu führen. Nicht jeden Tag hält Gott Zahltag für die Guten. Außerdem ein ganz entscheidender Einwand gegen die Behauptung, Gott sei nicht gerecht, ist der: Die Religion darf kein Geschäftsträger irdischer Vorteile sein. Wenn man mit einem Rosenkranz eine Hypothek abstoßen könnte, wenn man mit einer Wallfahrt todsicher eine Krankheit sich vom Leibe halten könnte, dann wäre die ganze Welt religiös, aber aus Geschäftsgründen! Sie wäre pseudoreligiös. Nein, meine lieben Freunde, die freie Entscheidung des souveränen Gottes muss auch unseren dringendsten Gebeten gegenüber gewahrt bleiben, wenn Gott gerecht bleiben will. Die volle Vergeltung kommt in jedem Falle erst im jenseitigen Leben. Gott ist gerecht, und Gott ist heilig.

Gott ist aber auch voll Güte und Liebe. Die Liebe will verschenken. Sie will sich verströmen, und so erweist Gott aus Liebe seinen Geschöpfen zahllose Wohltaten. In der ganzen Natur leuchtet seine Güte auf. „Der Herbstes Frucht, des Frühlings Blüte, der Sonne Glanz, der Erde Pracht sind Zeugen, Gott, von deiner Güte, sind Wunder deiner weisen Macht.“ Der Herr schildert es ergreifend, wenn er sagt, dass der Vater im Himmel die Vögel nährt und die Lilien des Feldes kleidet. Alle Geschöpfe preisen ihn. „Danken dem Herrn, denn er ist gut.“ Alle erfahren seine schenkende Güte. „Du liebst alles, was du geschaffen, und du hassest nichts von dem, was du gemacht hast“, heißt es im Buche der Weisheit. Und wir beten beim Tischgebet: „Du öffnest deine Hand und erfüllest alles, was da lebt, mit Segen.“

Ein Priester ging einmal durch die wogenden Roggenfelder. Da traf er einen Bauern, der mit dem Hut in der Hand ebenfalls die Felder abschritt. Er fragte ihn: „Warum gehen Sie unbedeckten Hauptes?“ Da antwortete der Bauer: „Man sollte, wenn man durch diese gesegneten Fluren geht, den Hut gar nicht mehr aufsetzen aus Dankbarkeit gegen Gott.“ Am meisten erfahren wir Menschen die Güte Gottes. Er hat uns nach seinem Ebenebild erschaffen. Unseretwegen ist alles andere erschaffen worden. Gott hat es für uns geschaffen. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi“, schreibt Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther. Und er hat uns erlöst. Er hat seine Liebe bewiesen, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, um uns zu erlösen. Er hat uns zur Kindschaft berufen und zur Teilnahme am ewigen Leben. „Seht, welche Liebe uns der Vater erweist, dass wir Kinder Gottes heißen und es auch sind“, schreibt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe.

Besonders ergreifend ist Gottes Liebe in seiner Barmherzigkeit, also in der Liebe zu den gefallenen Geschöpfen. Wie oft sprechen die Blätter der Heiligen Schrift von der Barmherzigkeit Gottes! Schon nach der ersten Sünde verheißt Gott den Erlöser, und durch die Propheten lässt er verkünden: „So wahr Gott lebt: Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre von seinem Wege und lebe.“ Und als die Fülle der Zeit gekommen war, da sandte Gott seinen Sohn, zu suchen, was verloren war. Ergreifend das Bild des Guten Hirten, der dem verlorenen Schafe nachgeht. Und wenn er es gefunden hat, dann legt er es auf seine Schultern und trägt es zurück zur Herde. „Denn im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ Und den verlorenen Sohn schließt der Vater in seine Arme.

Warum sucht Gott den Sünder? Weil er im Staub und Schmutz der Sünde sein Meisterwerk sieht. Es war einmal vor einiger Zeit eine Versteigerung, und ein altes, unansehnliches, verstaubtes Bild ging zu 50 Pfennig an den, der es erwerben wollte. Er reinigte es, er ließ es restaurieren, und das Bild hatte auf einmal einen gewaltigen Wert gewonnen. So ähnlich-unähnlich ist es mit dem Sünder, dem Gott nachgeht. Er sucht sein Meisterwerk, er sucht es und reinigt es, damit es in seiner Schönheit wieder erglänze. Gott sucht den Sünder aus Liebe. Er weiß, dass die Not am größten ist in der Sünde. Wieviel Angst, wieviel Seelenqual, wieviel Friedlosigkeit liegt oft in einer bedrückten Sünderseele! Sie haben gelesen, dass vor wenigen Tagen Maria Schell, die Schauspielerin, gestorben ist. Maria Schell war ein Weltstar, einer der wenigen deutschen Schauspieler, die zur Weltklasse aufgestiegen sind. Aber Maria Schell war zutiefst unglücklich. In ihrem Leben hat es so manche Affären gegeben, und sie war voll Gewissensbissen, voll Skrupel; sie hat einmal einen Selbstmordversuch gemacht. Meine lieben Freunde, weil Gott die Liebe ist, geht er dem Elend des Sünders nach und freut sich, wenn der Mensch sich daraus erlösen lässt. Gott ist voll Güte und Liebe.

Gott ist aber auch drittens der allmächtige Vater. Etwa 70 mal ist in der Heiligen Schrift die Rede von der Allmacht Gottes, und diese Allmacht stellt Gott in den Dienst seiner Liebe. Seine Allmacht hat die Schöpfung hervorgebracht. Er spricht, und es wird. Damit drückt die Heilige Schrift aus: Es kostet ihn keine Mühe, zu schaffen. Er braucht kein Material, aus dem er etwas bilden könnte. Mit souveräner Freiheit und mit allmächtiger Kraft ruft er die Schöpfung ins Leben. Er befiehlt, und alles wird geschaffen. Wir können immer nur ummodeln und umändern, aber er schafft aus dem Nichts. Und diese Allmacht muss man sich immer wieder vorstellen. Im kleinsten Wassertropfen, da wimmelt es von Lebewesen. Und in den Gestirnen, da sehen wir, wie die Werke Gottes ihre Bahn ziehen. „Herr, mein Gott, wie wunderbar ist dein Name auf der ganzen Erde!“

Noch mehr zeigt sich die Allmacht Gottes im Reich der Gnade. Zahllose Wunder begleiteten das Gottesvolk des Alten Bundes, führten es aus Ägypten durch die Wüste, ließen das Manna auf sie herabströmen und die Quellen fließen. Und dann kam der Sohn Gottes. Er ist umglänzt von Wundern. Sein Leben war im buchstäblichen Sinne ein wunderbares Leben. „Blinde sehen, Lahme gehen, Tote stehen auf“, so heißt es in seiner Botschaft an Johannes den Täufer. Mit wenigen Broten und Fischen sättigt er Tausende. Das tosende Meer gehorcht seinem Willen, und die Stürme schweigen, und die Wogen legen sich, wenn ihr Schöpfer ihnen gebietet. Die Krankheiten weichen seinem Wort, und der Tod flieht vor ihm. Die Wunder Gottes leuchten auch in seiner Allmacht.

Meine lieben Freunde, ihr sprecht vom Ungenügen, ihr sprecht von den Schwächen, ihr sprecht vom Versagen, ihr sprecht von den Missetaten der Mitglieder der Kirche. Ihr habt recht! Aber lasst uns auch reden von den Wundern Gottes in seiner Kirche! Laßt uns auch reden von den ungezählten Scharen, die durch sein Gebot den Weg zum Himmel gefunden haben! Laßt uns auch reden von den Heroen, die ihr Leben für Christus geopfert haben! In meiner Schulzeit hatte ich einen Freund, der später Ordenspriester wurde. Er ging nach Südamerika, und dort ist er heute noch, mit 79 Jahren. Er könnte sich ein Plätzchen in Deutschland suchen, einen warmen, schönen Platz für seine alten Tage, er könnte sich ausruhen von den Mühen seines Lebens. Nein, er harrt aus. 20.000 Seelen hat er in seiner Pfarrei – 20.000 Seelen. in Ecuador. Laßt uns auch reden von den Wundern der Gnade Gottes!

Gott ist unser Vater, und wir stehen ihm so nahe, dass wir ihn Vater nennen dürfen. In seiner Vaterliebe hat er uns die Gebote gegeben. Immer wieder wird versucht, diese Gebote abzuschwächen. Man meint den Menschen damit einen Dienst zu tun. Man tut ihnen keinen Dienst, sondern man fügt ihnen Schaden zu. Als Schüler hatten wir einen Lehrer, der des öfteren über seinen Durst trank. Wenn er dann zuviel getrunken hatte, dann tastete er sich an den Gartenzäunen nach Hause; deswegen hatte er den Beinamen „der Zitherspieler“. Dieses Beispiel, meine lieben Freunde, ist mir signifikant für die Bedeutung der Gebote. Die Gebote Gottes sind gewissermaßen die Gartenzäune, an denen wir uns nach Hause tasten. Wenn diese Gebote wegfielen, dann wüssten wir nicht mehr den Weg, dann fänden wir ihn nicht mehr. Es muss so bleiben, wie die Kirche sagt. Es ist nicht wahr, dass Gott unbarmherzig ist, wenn er den Geschiedenen die Wiederverheiratung verbietet. Das ist seine Barmherzigkeit, dass er sagt, die Ehe ist unauflöslich. Das ist seine Barmherzigkeit.

Und so ist es mit allen anderen Geboten. Gott ist Vater, Gott ist gut. Gut ist alles, was er tut. Und die Antwort auf diese Eigenschaften Gottes muss erstens sein demütige Ehrfurcht. Wer sich nicht vor Gott neigt, der kann Gott nicht finden. „Was ist der Mensch, dass du ihn ansiehst? Was ist der Mensch, dass du seiner achtest?“ So heißt es im 8. Psalm. Demütige Ehrfurcht vor Gott muss unsere erste Gesinnung sein. Dann ein frohes Vertrauen. Der allmächtige Gott ist unser Vater. Ohne ihn fällt kein Sperling vom Dache. Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns? „Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn“, so beten wir Priester jeden Tag, wenn wir in der Sakristei uns verabschieden, um die heilige Messe zu feiern. Frohes Vertrauen. Der Vater des heiligen Papstes Pius X. starb in jungen Jahren. Er hinterließ seiner Frau 9 Kinder; der älteste Sohn war 17 Jahre, das jüngste Kind war 4 Tage alt. Der 17-jährige Josef sagte zur Mutter: „Ich will meinen Herzenswunsch, Priester zu werden, aufgeben, um die Familie zu ernähren.“ Die Mutter wehrte entschieden ab: „Das kommt nicht in Frage. Du hast den Ruf empfangen, und dem musst du folgen. Gott wird für uns sorgen.“ Und er hat für sie gesorgt. Er hat für diese Familie von 9 Kindern gesorgt, ohne Witwenrente, ohne Unterstützung von irgendeiner Seite. Frohes Vertrauen muss uns eigen sein.

Und schließlich drittens das ständige Gebet: Vater unser, der du bist in deinem Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.

Amen.

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