Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. August 1992

Die Zeit des Antichristen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

Die Wahrheit und die Gnade sind erschienen in unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Aber von Anfang an fanden die Wahrheit und die Gnade Widerstand. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf.“ Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Nun hat es den Anschein, daß im Laufe der Kirchengeschichte doch einige ihn aufgenommen haben. Es hat christliche Völker gegeben und ein christliches Mittelalter. Aber diese Entwicklung darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß kein kontinuierlicher Fortgang der Annahme des Evangeliums durch alle Zeiten verheißen ist. Das Gegenteil ist der Fall. Je näher die Zeit dem Ende, dem Ende der Welt, kommt, um so mehr wird sich der Abfall vergrößern. Der Massenabfall gehört geradezu zu den Vorzeichen des Endes. Wenn der Glaube dahinfällt und die Liebe erkaltet, wenn die Massen sich lossagen von Christus und seiner Kirche, dann ist der Christ aufgerufen, sich zu fragen, ob nicht die letzte Zeit ist. Der Massenabfall aber ist einem Wesen zuzuschreiben, das an vier Stellen der Heiligen Schrift erwähnt wird als der große Widersacher Christi, als der Wider-, der Gegenchristus, als der Antichrist.

Im Markusevangelium, in der sogenannten synoptischen Apokalypse, ist zum erstenmal aus dem Munde Jesu – aus dem Munde Jesu! – die Rede von dieser Gestalt. „Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung dort sehet, wo er nicht stehen darf – wer das liest, verstehe es wohl –, dann fliehe, wer in Judäa ist, auf die Berge.“ Der Greuel der Verwüstung ist im griechischen Text ein Maskulinum, also kein Neutrum, sondern ein Maskulinum, eine Figur, eine Gestalt, eine Person. Und dieser Greuel der Verwüstung tritt da auf, wo er am wenigsten zu erwarten ist, nämlich im Bereich der Religion, im Gotteshaus, im Tempel, in der Kirche.

Dieser Gegenspieler Jesu hat Vorläufer. „Wenn dann jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist der Messias, siehe dort, so glaubt es nicht. Denn es werden falsche Messiasse und falsche Propheten auftreten und Zeichen und Wunder wirken, um, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten in den Irrtum zu führen.“ Es bleibt also eine Ungewißheit, ob der endgültige und letzte Gegenspieler Christi schon erschienen ist, der Widerchristus, oder ob es sich noch um einen seiner Vorläufer handelt. Die Christen haben diese Vorhersage des Herrn aufgenommen. Sie haben im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder gefragt: Ist das schon der Antichrist, oder ist es noch sein Vorläufer? Diese Frage haben sie erhoben beispielsweise bei Kaiser Nero oder selbst bei dem Hohenstaufen, Kaiser Friedrich II. Offensichtlich waren es noch die Vorläufer. Aber einmal wird eine Figur die allerletzte sein, und das ist dann nicht mehr der Vorläufer des Antichristen, sondern das ist er selbst.

Von ihm spricht an zweiter Stelle der Apostel Paulus im 2. Thessalonicherbrief: „Laßt euch von niemand täuschen! Zuerst muß der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles erhebt, was Gott und Heiligtum heißt, der sich selbst in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt.“ Zwei Vorzeichen des Endes nennt Paulus; der große Abfall ist es und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über Gott erhebt und sich selbst als Gott ausgibt. Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit allerlei Verführung zur Bosheit bei denen, welche verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden.

Die Verführung, die Lüge begleiten die Kirche wie der Schatten das Licht. Wenn Sie,  meine lieben Freunde, die Tiraden des abgefallenen Herrn Drewermann lesen, dann können Sie wahrhaftig ahnen, welche verführerische Kraft, welche Demogogie, welche infernalische Haßmacht der Antichrist aufbieten mag, wenn er kommt und seine Propagandisten mit sich bringt. Das Wort Antichrist kommt dann zum erstenmal vor in zwei Briefen des Apostels Johannes. „Kindlein, es ist letzte Stunde. Wie ihr gehört habt, daß der Antichrist kommt, so sind jetzt schon viele Antichristen aufgetreten. Wer anders ist der Lügner als der, welcher leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht.“ Hier wird der Antichrist als der offenkundige Gegenchristus beschrieben. Er tritt zum Angriff gegen den Christusglauben an. Es hat immer Menschen gegeben, die Teile der Offenbarungswahrheit geleugnet haben. Aber das Zentrum der Offenbarung ist eben Jesus Christus, der menschgewordene Sohn des Vaters. Und wenn die Gewalt der Lüge zu ihrem Gipfel kommt, dann geht sie gegen Christus und seine Wirklichkeit an, dann entschärft sie die christliche Verkündigung, dann verharmlost sie Jesus, macht aus ihm einen Sozialrevolutionär oder einen gütigen Menschen oder einen Bußpropheten. Nur eines gibt diese Lüge nicht zu: daß er der Sohn des Vaters ist, der vom Himmel herabgestiegen ist, um die Menschheit zu erlösen. Deswegen, so scheint mir, spielt auch in der Lügenpropaganda Drewermanns die Christologie eine besondere Rolle, die Verfälschung des Bildes Jesu. Wenn Sie seine mit Falschheit gesättigten Ausführungen lesen, dann spüren Sie, daß es ihm immer wieder darum geht, aus Jesus einen gemütlichen Menschen zu machen, der die anderen von der Angst befreit. Das ist die Funktion Jesu in der vergifteten Lehre von Drewermann. „Darin erkennt man den Geist Gottes. Jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist, der ist von Gott. Jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Dies ist der Geist des Antichristen, von dem wir gehört haben, daß er kommt. Er ist bereits in der Welt.“

Da haben wir wieder diese relative Unsicherheit, daß eben der Apostel Johannes sagt: Der Antichrist kommt, eine Figur der Zukunft, und er ist schon da. Wir glauben, daß wir berechtigt sind, diese leicht mißverständliche Aussage damit aufzulösen, daß einmal der Antichrist mit Macht und Kraft auf diese Erde eindringen wird, aber daß er seine Vorgänger, daß er seine Vorläufer hat, und daß wir eben nicht wissen, ob es sich noch um einen Vorläufer handelt, oder ob schon der Antichrist zum letzten Gefecht angetreten ist. In jedem Falle aber wissen wir, daß er der Verführer ist, der die Menschen von der Anbetung unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus abbringen will.

Die grauenhafteste Vision freilich tritt erst in der Apokalypse des Johannes auf. Er schildert diese Ereignisse in Bildern, in Bildern, die aber übersetzt werden sollen und können. Er sieht aus dem Meere – und das Meer ist in der Bildsprache die menschenfeindliche, die gegnerische Macht – er sieht aus dem Meere ein Tier auftauchen mit 10 Hörnern und 7 Häuptern und 10 Kronen auf den Hörnern. Ein Tier mit 10 Hörnern gibt es nicht. Wenn hier ein solches Tier beschrieben wird, dann hat das seinen Sinn darin, daß die Macht, die überragende Macht dieses Wesens ausgesagt werden soll. Horn ist Zeichen für Macht, und 10 Hörner sind Zeichen für gewaltige, übermenschliche Macht. 7 Häupter: Wesen mit 7 Köpfen sind auf Erden nicht zu finden. Wenn dieses Tier mit 7 Häuptern beschrieben wird, dann soll seine Intelligenz, seine übermenschliche Intelligenz beschrieben werden. Die ganze Welt staunte über das Tier, und man betete den Drachen an, der dem Tiere die Macht gegeben. Man betete auch das Tier an mit den Worten: „Wer ist diesem Tiere gleich?“ Die Menschen sind immer bereit, Macht und Gewalt anzubeten, und wenn der Antichrist kommt mit seiner überragenden Macht und Gewalt, dann ist es kein Wunder, daß die Menschen, die meisten Menschen vor diesem gewaltigen Machtträger in die Knie gehen und ihn anbeten. Und mit seiner Macht wurde ihm gestattet, die Heiligen zu bekriegen und zu besiegen.

Die Sache Christi liegt wie im Todeskampfe. Seine Anhänger werden nicht nur bekriegt, sie werden besiegt. „Und das Tier hatte Macht über Stämme und Völker und Sprachen und Länder, und wegen dieser Macht beten es an alle Weltbewohner, deren Name nicht seit Grundlegung der Welt im Lebensbuch des geschlachteten Lammes geschrieben steht.“ Da sehen Sie,  meine lieben Freunde, der Abfall, der Massenabfall ist ein Kennzeichen der letzten Tage. Wenn sich die Knie der Menschen beugen vor dem Herrscher der Welt, dann ist das Ende gekommen.

Aber dieses Tier ist nicht allein; es hat einen Begleiter, und der kommt von der Erde. Dieses Tier hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache, sieht also ganz normal aus, denn jedes Lamm, das mit Gehörn ausgestattet ist, hat zwei Hörner. Aber das ist eine Verkleidung. Innen ist es ein teuflisches Wesen, ein Drache; der Drache ist ja das Bild der widergöttlichen Macht. Und dieses zweite Tier ist der Propagandist des ersten Tieres. Es wirkt Wunder und Zeichen, läßt Feuer vom Himmel regnen, und durch die Zeichen verführt es die Bewohner der Erde, ein Bild des Tieres zu machen, des ersten Tieres. Dieses Bild des ersten Tieres wird in unwahrscheinlicher Weise lebendig und redet und bewirkt den Tod all derer, die es nicht anbeten. Dieser Propagandist, dieser Theologe des Antichristen, sorgt dafür, daß die Menschen, deren Namen nicht im Lebensbuche des Lammes eingetragen sind, dieses Tier anbeten, daß sie sich von der Anbetung des wahren Gottes und seines Heilandes abwenden und sich zu der Anbetung des Gegenchristus verleiten lassen. Und um auch sicherzugehen, daß die Masse der Menschen sich zu dieser widergöttlichen Anbetung bekehrt, müssen alle ein Zeichen an der rechten Hand oder an der Stirne anbringen, und nur wer dieses Zeichen hat, kann kaufen oder verkaufen. Wer das Zeichen nicht hat, verfällt dem Boykott. Er wird dem Hunger ausgeliefert, weil er nichts mehr erwerben kann und weil ihm niemand mehr etwas verkauft.

An vier Stellen der Heiligen Schrift,  meine lieben Freunde, ist die Rede von dem Gegenchristus, der am Ende der Zeiten erscheinen wird. Wenn er kommt, dann ist letzte Stunde. Aber er hat Vorboten, und es ist für uns eigentlich erst im Nachhinein möglich, zu entscheiden, ob sich bei einer widergöttlichen Macht schon der Antichrist gezeigt hat oder einer seiner Boten. Aber gerade diese Spannung muß bleiben, denn wenn wir genau wüßten, es handelt sich nur um einen Vorläufer, dann würden wir uns eben nicht bereitmachen, für die letzte Stunde uns zu rüsten. Gerade diese Unsicherheit muß bleiben, sie ist gottgewollt.

Der Schriftsteller Benson hat in seinem Roman „Der Herr der Welt“ die letzte Stunde dieser Erde beschrieben. Die vereinigten Luftflotten des Herrn der Welt haben sich gesammelt, sind gestartet und sind auf dem Fluge nach Bethlehem, wo sich der letzte Rest der katholischen Kirche um den letzten Papst, Sylvester, geschart hat. Die übriggebliebenen Christen haben sich um das Allerheiligste versammelt und singen das „Pange lingua“, während oben die Motoren dröhnen, die Motoren in den Bomberflugzeugen, die ihre tödliche Last über den letzten Christen ausladen wollen. Im fahlen Morgengrauen steuern sie also auf Bethlehem zu, und man hört nur das Dröhnen der Motoren, ab und zu unterbrochen von einem geheimnisvollen, unheimlichen Grollen, und als der Kommandant der Luftflotten den Befehl geben will, die Bomben auszulösen, da zuckt ein Blitz auf vom Osten bis zum Westen, und es versinkt die Welt in ihrer Herrlichkeit. So schildert Benson die letzten Stunden. Wir wissen nicht, ob es so sein wird, aber eines wissen wir, daß die Zeiten nicht besser, sondern schlimmer werden, daß der Abfall nicht zurückgeht, sondern sich mehrt, und daß die Antichristen, die Vorläufer des Endchristus, ausgegangen sind, um die Massen zu verführen und von Christus abzufallen. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“

Amen.

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