Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. April 1987

Verteidigung des Osterglaubens (Teil 2)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der ehemalige Bundeskanzler Schmidt gilt als ein gläubiger evangelischer Christ. Vor einiger Zeit fragte man ihn, wie er zu den Letzten Dingen stehe, ob er an ein Weiterleben nach dem Tode glaube. Da gab er zur Antwort: „Ich glaube, daß eine Spur von unserem Wirken sich erhalten wird.“ Das ist eine sehr unsichere Aussage. Es wird sich eine Spur von unserem Wirken erhalten, das heißt also, es gibt eine Art Fortleben in dem, was man getan hat, aber kein persönliches Weiterleben, sondern ein Fortwirken in den Taten oder auch in den Unterlassungen des Lebens.

Die Unsicherheit über die Letzten Dinge ist im evangelischen Bereich außerordentlich weit verbreitet. Der evangelische Christ kennt ja kein Gebet für die Verstorbenen. Er kennt ein Gedächtnis der Toten, aber kein Gebet für sie, und er kann nicht beten, weil er nicht ans Fegfeuer glaubt. Diese Unsicherheit ist aber nicht auf den evangelischen Bereich beschränkt. In der Folge des ökumenischen Betriebes hat sie auch viele katholische Christen ergriffen. Man spricht von einem Weiterleben im Gedächtnis, von einem Weiterleben in den Taten, von einem Fortwirken, aber man bekennt nicht die klare Wahrheit des Glaubens, daß ein jeder, auch wenn der Leib zerfallen ist, mit seinem Geiste fortlebt, persönlich und eigens und individuell.

Diese Wahrheit ist eng verknüpft mit dem Ostergeschehen. Das Ostergeschehen geht über das Weiterleben der Seele hinaus, denn es geht bei dem auferstandenen Christus nicht bloß darum, daß seine Seele fortlebt, nachdem sein Leib gekreuzigt wurde, sondern er existiert weiter in voller menschlicher Gestalt mit Leib und Seele. Da erheben sich freilich mehrere Mißverständnisse. So wäre das Mißverständnis zu meiden, daß Jesus nach seiner Auferstehung das Leben so fortgesetzt hat, wie er es vorher geführt hat. Jesu Auferstehung war keine Rückkehr ins irdische Leben. Das wäre ein Mythos. Das Evangelium bezeugt die Wiederkunft Christi am dritten Tage in veränderter, in verwandelter Gestalt. Der Auferstandene ist derselbe wie der Gekreuzigte, aber er ist anders geworden. Er ist kein anderer, aber er ist anders geworden. Der Tod, der Lanzenstich, das Grab, die schwere Grabplatte, die Wächter, sie alle erheben Einspruch gegen den Gedanken, daß das Leben des Auferstandenen eine Fortsetzung des bisherigen wäre. Nein, das bisherige Leben ist für immer zu Ende. Was da beginnt, ist ein neues Leben, ein durchlichtetes Leben im Heiligen Geist.

Von diesem Leben hat der Herr seinen Jüngern einmal eine Ahnung verschaffen wollen, als er mit ihnen auf dem Berge Tabor weilte. „Da ward er vor ihnen verklärt. Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden wie Schnee oder wie Licht.“ Diese Erscheinung, dieses Phänomen auf dem Berge Tabor sollte den Jüngern eine Ahnung vermitteln von dem, was dem Herrn bevorstand, als er aus dem Tode gerissen wurde, als der Vater ihn auferweckte und ihm eine neue und verklärte Wirklichkeit schenkte. Von dieser neuen Wirklichkeit gibt es im Neuen Testament zwei Reihen von Aussagen. Bei den Erscheinungen wird bald berichtet, daß Jesus wie ein Geist wirkte, wie etwa von den Emmausjüngern berichtet wird. Sie erkannten ihn nicht. Es ist doch höchst merkwürdig, daß sie den nicht erkannten, der derselbe war, der wirkliche Jesus, der mit ihnen gewandert war und der jetzt als Auferstandener wieder bei ihnen einkehrte. Sie erkannten ihn nicht. Ihre Augen waren gehalten. Und auch bei den anderen Erscheinungen wird berichtet, wie die Apostel zweifelten. Das ist die eine Reihe von Aussagen. Die andere Reihe von Aussagen berichtet von seiner Körperlichkeit. Er spricht mit ihnen, er redet mit ihnen, er läßt sich von ihnen Nahrung reichen, er nimmt die Nahrung, er verzehrt sie. Da scheint er mit einer ganz wirklichen, massiven Leiblichkeit ausgestattet zu sein.

Diese beiden Reihen, die Verschiedenheit der beiden Reihen werden von der liberalen, also von der ungläubigen Theologie hergenommen, um zu sagen: Da sieht man es ja, die Auferstehungs- oder besser die Erscheinungsberichte stimmen nicht zueinander, sie sind Erfindung. Gegen diese kurzschlüssige Lösung müßte schon die Tatsache wappnen, daß in ein und demselben Evangelium, ja sogar in ein und demselben Bericht beide Wirklichkeiten bezeugt sind, einmal die Geistigkeit Jesu und zum anderen seine wirkliche Körperlichkeit. Diese beiden Wirklichkeiten widersprechen sich nicht, sie ergänzen sich. Jesus ist mit Leib und Seele nach der Auferstehung den Jüngern erschienen. Er besitzt einen wirklichen Leib, aber es ist kein Leib, wie er den Menschen während ihres Erdenlebens gegeben ist, es ist ein himmlischer Leib.

Der heilige Paulus hat darum gerungen, die Wirklichkeit dieses Leibes zu beschreiben. Er fing an bei den Vögeln und Fischen und sagt: Da gibt es verschiedene Vögel und verschiedene Fische, verschiedene Leiber. Er greift dann zurück auf die Sterne: Es gibt Sterne dieses und jener Art, und so gibt es auch verschiedene Körper, sagt er, einen irdischen und einen himmlischen. Der eine ist unansehnlich, der andere ist in Herrlichkeit, der eine ist schwach, der andere ist stark, der eine ist verweslich, der andere ist unverweslich. So sucht er die Wirklichkeit des leiblichen Bestandes an der Person Jesu zu erklären. Jesus tritt zu den Jüngern bei geschlossenen Türen, das deutet auf seine geistige Leiblichkeit, wenn ich so sagen darf. Aber Jesus verlangt auch, daß man ihm etwas vom Fisch und vom Honigkuchen gibt, und das deutet auf seine Leiblichkeit. Beides muß festgehalten werden, wenn wir den ganzen Auferstandenen in voller Wirklichkeit uns vor Augen stellen wollen. Auferstehung ist eben Erlösungsgeschehen, das nicht nur den Geist, sondern auch den Körper betrifft, ja den Körper zumal.

Die Auferstehung Christi versteht nicht, wer die Wirklichkeit seiner Körperlichkeit verkürzt. Der Auferstandene ist den Jüngern leibhaftig erschienen. Damit wollte er die Gewißheit in ihnen festigen, daß die Auferstehung ein wirkliches Geschehen und nicht bloß eine Vision ist. Die liberale, d.h. die ungläubige Theologie sagt: Die Auferstehung ist ein Wort für die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Schwer zu verstehen: ein Wort für die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Deutlich gesprochen: Eine wirkliche Auferstehung in leibhaftiger Gestalt gibt es nicht. Aber das Kreuz Jesu war eben nicht bloß eine Katastrophe, sondern es war ein bedeutsames Ereignis, und das bezeichnet man, wenn man sagt: Jesus ist auferstanden. Die „Erklärung“ ist natürlich eine offenkundige Lüge, das ist ein Höllendienst einer solchen Theologie.

Nein, meine Christen, das ist nicht das biblische Zeugnis. Christus ist wahrhaft auferstanden, deswegen wird auch immer im Brevier und im Meßbuch beigesetzt: Surrexit dominus vere, das heißt nicht bloß: Der Herr ist auferstanden, sondern er ist wahrhaft auferstanden. Und das „wahrhaft“ geht auf seine Leiblichkeit. Ja, wir lesen sogar im Meßbuch am Ostersonntag und die ganze Osterwoche von der resurrectio secundum carnem, von der Auferstehung gemäß dem Fleische, in bezug auf das Fleisch.

Ein wenig erleuchteter Theologe in Mainz vertrat vor einiger Zeit die Ansicht, der Leichnam Jesu sei auf einem Misthaufen verfault. Da können Sie sehen, zu welchen Aussagen ein von Gott und vom Heiligen Geist verlassenes Denken kommt, das den Glauben längst abgegeben hat, aber immerhin noch die Einkünfte beziehen will, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben. Das Geld will man ja haben, bloß den Glauben hat man nicht mehr.

Nein, meine lieben Freunde, das sind Erklärungen, die an der biblischen Botschaft zerbrechen. Der Herr ist wahrhaft auferstanden, sein Leib ist durchlichtet, sein Leib ist durchherrscht von der Herrlichkeit Gottes. Ein evangelischer Theologe hat einmal gesagt: „Ein toter Leib kann nicht wieder lebendig werden.“ Das ist aber einmal passiert, und deswegen gibt es ja das Christentum, deswegen sind ja die Evangelien geschrieben worden, weil dieses einmal geschehen ist, daß ein toter Leib – nun freilich nicht in seiner bisherigen Gestalt, aber in verwandelter Gestalt – lebendig geworden ist. Deswegen stehen wir hier und feiern das heilige Opfer, weil der verklärte Leib des Herrn unter uns weilen wird, wenn die Wandlungsworte gesprochen sind. Der Leib Christi ist ein reeller Leib, d.h. er ist nicht gleich mit der Wirklichkeit des LOGOS, er bleibt ein menschlicher Leib, und deswegen ist die Theorie, die etwa Luther aufgestellt hat von der Allgegenwärtigkeit des Leibes Christi, sicher falsch. Allgegenwärtig ist Christus nach seiner himmlischen Natur, aber nicht nach seiner Leiblichkeit. Der Leib steht nicht mehr unter den Gesetzen von Raum und Zeit, gewiß nicht mehr, aber er ist dennoch in Raum und Zeit. Der Raum und die Zeit grenzen ihn nicht mehr ein, aber trotzdem bleibt er in Raum und Zeit.

Diese Wirklichkeit, meine lieben Freunde, müssen wir festhalten, denn daran hängt unser Heil. Was Christus widerfahren ist, das ist ihm als Haupt der Menschheit geschehen. „Ihr seid schon auferstanden!“ heißt es in einer Reihe von Aussagen der Paulusbriefe. Und in einer anderen Reihe: „Ihr werdet auferstehen!“

Da könnte man wieder sagen: Das ist ein Widerspruch – ihr seid schon auferstanden, ihr seid schon auferweckt; ihr werdet auferstehen, ihr werdet auferweckt werden. Nein, kein Widerspruch, sondern: Es sind durch die Auferstehung Christi in die Menschen, die durch Glaube und Taufe zu ihm gehören, Auferstehungskeime eingesetzt worden. Wir, die wir uns von seinem Fleische nähren, sein Blut trinken, wir besitzen Auferstehungskeime, wir besitzen die Lebenskräfte des Auferstandenen, und deswegen werden diese Kräfte sich einmal entfalten und wir werden auferstehen, wie er auferstanden ist.

Die Auferstehung des Leibes ist ein Geschehnis der Erlösung, wir sind in den Machtkreis, in die Wirksphäre Christi versetzt worden, und diese Versetzung bürgt uns, daß die Auferstehung an allen geschehen wird. Der erlösende Heiland, er ist es, der uns die Gewißheit gibt, daß auch wir einmal auferstehen werden.

Der Heiland lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo sind jetzt deine Schrecken? Er wird auch dich und mich vom Tode auferwecken!“

Amen.

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