Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Juli 2020

Der Herr lobt den ungerechten Verwalter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Viele von uns haben das Gleichnis des heutigen Evangeliums schon wiederholt gehört und dabei vielleicht ein gewisses Unbehagen empfunden. Wird hier nicht das offenkundige Unrecht gelobt und als vorbildlich hingestellt? Das Unbehagen schwindet, wenn man das Gleichnis recht versteht. Die Hauptgestalt ist der Verwalter eines reichen Mannes, eines Großgrundbesitzers, wie sie zur Zeit Jesu vor allem in Galiläa zu finden waren. Der Verwalter wird bei seinem Herrn beschuldigt, dass er durch schlechte Verwaltung dessen Besitz verschludere. Ob die Anklage berechtigt ist oder nicht, bleibt unklar, ist aber auch für das Gleichnis unwichtig. Wichtig ist nur, dass der Herr der Anklage Glauben schenkt. Dem Verwalter gelingt es nicht, dessen erschüttertes Vertrauen wieder zu gewinnen. Er wird seines Amtes entsetzt und zur Rechenschaftsablegung aufgefordert. Er soll also alle Rechnungen, Schuldscheine und Ausgaben vorlegen. Wie es scheint, hat sie der Herr niemals geprüft, sondern sich auf die Umsicht des Verwalters verlassen. Der Verwalter überlegt nun, wie er aus der Klemme kommt. Er weiß, dass er in Kürze seine Stelle verliert. In einem Selbstgespräch erwägt er, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Etwa durch Bitten bei seinem Herrn noch etwas erreichen zu wollen, daran denkt er nicht. Er findet zwei einwandfreie Wege, wie er sich nach der Entlassung fortbringen könnte. An erster Stelle denkt er an schwere körperliche Arbeit „graben“, als sprichwörtliches Beispiel für diese Art des Erwerbs. Doch er verwirft diese Möglichkeit; angeblich kann er eine solche Tätigkeit aufgrund seiner körperlichen Befindlichkeit nicht ausüben. An zweiter Stelle denkt er an den Erwerb des Lebensunterhalts durch „Betteln“ um milde Gaben. Aber auch diesen Gedanken weist er von sich. Bettler sind eine gering eingeschätzte Schicht der Bevölkerung. Zu ihr möchte er nicht gehören.

Da kommt ihm plötzlich ein rettender Gedanke, dessen Ausführung ihm über alle Zukunftssorgen hinweghelfen kann. Er ist entschlossen, mit absoluter Skrupellosigkeit auf Kosten seines bisherigen Herrn sich selbst zu helfen. Er lässt die Schuldner seines Herrn zu sich rufen, und zwar alle; die beiden vorgeführten sind nur beispielsweise genannt. Er lässt sie einen nach dem anderen, also einzeln kommen; denn solche Geschäfte, wie er sie vorhat, schließt man nur unter vier Augen ab. Die Frage, die er an sie stellt, dient nicht zu seiner eigenen Information, denn er hat ja die Schuldscheine in Händen, sondern gehört zu der lebensvollen Darstellung und dient dem Verständnis des Zuhörers. Sein Plan geht dahin, die Schuldner seines Herrn sich zu verpflichten, wenn er sein Amt als Verwalter verloren hat. Dies geschieht dadurch, dass er ihre Schuld drastisch herabsetzt. Er rechnet damit, dass ihm die Schuldner diese Großzügigkeit entgelten werden. Der Verwalter will sich durch seinen schlauen Betrug nach seiner Absetzung Aufnahme in die Häuser der von ihm so großzügig Bedachten verschaffen. Der erste Schuldner schuldete seinem Herrn 100 Bath Öl. Ein Bath ist ein Flüssigkeitsmaß mit 36,44 Liter Inhalt. Hundert Bath sind der Jahresertrag von 160 Ölbäumen. Der Verwalter setzt die Schuld auf die Hälfte herab. Die Änderung des Schuldscheins ist so zu denken, dass der alte durch einen neuen ersetzt wird, den dann der Gutsbesitzer in die Hand bekommt. Dass der Schuldner auf den Vorschlag eingegangen ist, wird nicht eigens gesagt, aber als selbstverständlich vorausgesetzt. Der zweite Schuldner schuldet dem Herrn 100 Kor Weizen. Ihn fordert der Verwalter auf, einen neuen Schuldschein auszustellen, auf dem zwanzig Kor weniger stehen. Der Schuldenerlass, den der Verwalter dem zweiten Schuldner gewährt, ist prozentual geringer. Weil aber ein Kor gleich zehn Bath ist, so ist die Menge viel größer. Dem Wert nach sind die beiden erlassenen Schuldbeträge ungefähr gleich, weil der Preis des Öls viel höher ist als der des Weizens.

Jetzt kommt der entscheidende Gedanke des Gleichnisses: Der Herr lobt den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt habe. Der Verwalter wird wegen der Klugheit, mit der er für seine Zukunft Vorsorge traf, solange er dazu noch Zeit hatte, vom Herrn gelobt. In seiner Klugheit und in nichts anderem liegt die Vorbildlichkeit seiner Handlungen. Sobald beachtet wird, dass es nur auf diesen Zug ankommt und nicht auch auf die Ungerechtigkeit des Verwalters (die nicht gelobt wird), verliert das Gleichnis alles Anstößige und Sittenwidrige. Die Gestalt des ungerechten Verwalters ist dann nicht bedenklicher als die ebenfalls als Vorbild der Klugheit genannten Schlangen (Mt 10,16) oder der Dieb, der ebenso überraschend kommt wie der Menschensohn bei der Parusie (Lk 12,39f.). Der leitende Gesichtspunkt im Gleichnis ist: am Beispiel eines Weltmenschen zu zeigen, wie man in kluger und entschlossener Weise Vorsorge für seine Zukunft treffen soll. Dabei werden zwei Gruppen von Menschen gegenübergestellt: die Söhne dieser Welt und die Söhne des Lichtes. „Die Söhne dieser Welt sind im Verkehr mit ihresgleichen klüger als die Söhne des Lichtes.“ Die „Söhne dieser Welt“ sind die Menschen, die in ihren Lebensgrundsätzen und in ihrem Handeln vom Geist der gottentfremdeten, dem Einfluss Satans unterstehenden Welt beherrscht werden; sie kennen nur irdische Ziele. Sie erweisen sich dabei den „Söhnen des Lichtes“ an Klugheit und Weitblick in der Verfolgung ihrer Interessen und in der Wahl der Mittel (zur Erreichung ihrer Ziele) überlegen. Darin liegt deutlich ein Tadel gegen die Kinder des Lichtes, der aber als Mahnung verstanden werden soll. Diese haben eine ungleich wichtigere, aber auch schwierigere und opfervolle Aufgabe, nämlich das Trachten nach dem Heil. Daher sollen sie sich das zielbewusste Handeln der von ihrem Eigennutz angetriebenen Weltmenschen in deren ausschließlich irdischen Angelegenheiten zum Beispiel nehmen.

Die praktische Nutzanwendung aus dem Gleichnis des Herrn lautet: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit man euch, wenn er zu Ende geht, in die ewigen Hütten aufnimmt. Darin besteht die wahre christliche Klugheit: Man muss den ungerechten Mammon so benützen, dass man durch ihn Freunde im Himmel gewinnt. Mit den Freunden ist Gott und er allein bezeichnet, denn er ist es, der jede Liebestat vergilt. „Wenn er zu Ende geht“ bezeichnet die 12. Stunde, in welcher der Mammon aufhört für seinen Besitzer einen Wert zu haben, nämlich die Todesstunde. Als das Mittel, sich die Aufnahme in das ewige Leben zu erwerben, wird der ungerechte Mammon genannt. Damit ist der irdische Besitz überhaupt gemeint, weil an ihm regelmäßig Unrecht hängt. Die Verwendung dieses für das Heil so gefährlichen Besitzes zu Liebeswerken ist echte christliche Klugheit. Was man für andere aufwendet, ist häufig besser angelegt, als was man für sich selbst verbraucht. Man wird darüber hinaus an weitere Verwendungen des irdischen Vermögens denken können, die ebenfalls gemeinverträglich und gemeinnützlich sind und vor Gott bestehen können. Die Klugheit soll auch nicht nur den Umgang mit dem irdischen Vermögen ordnen. Sie soll das gesamte Handeln des Christen bestimmen. Die Klugheit ist jene Tugend, die uns zeigt, was in den einzelnen Fällen des Lebens zu geschehen hat, um der sittlichen Ordnung und dem letzten Ziel des Menschen zu entsprechen, und die eine Anregung zur Ausführung gibt. Die wahre Klugheit macht bereit, eher alles preiszugeben, als das eigentliche Ziel des Menschen zu verfehlen. Unser eigentliches Ziel liegt im Himmel. Die wichtigste Frage bei allen menschlichen Handlungen lautet: Was nutzt das für die Ewigkeit? Diese Frage hat sich mancher spät oder zu spät gestellt. Kardinal Wolsey, Erzbischof von York in England, war ein skrupelloser Vollstrecker der Einfälle und Absichten des despotischen Königs Heinrich VIII. Dennoch fiel er in Ungnade und wurde als Hochverräter an den Hof zitiert. Auf der Reise ereilte ihn das Ende. Eines seiner letzten Worte war: „Hätte ich Gott so eifrig gedient, wie ich dem König gedient habe, Er hätte mich nicht verlassen in meinen alten Tagen. Aber das ist der Lohn, dass ich nicht meinen Dienst gegen Gott, sondern nur das Wohlgefallen meines Fürsten vor Augen hatte.“ An uns alle ergeht die Aufforderung, klug zu sein in der Besorgung unserer Angelegenheiten, auf dass wir Platz finden in den ewigen Wohnungen: „Das Leben ist ein leerer Krug, du hast ihn anzufüllen, und was du dir gesammelt hast, wird dich im Jenseits stillen.“ „Trage Gott in dein Leben, dann trägt dich dein Leben zu Gott.“

Amen.

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