Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. Juli 2017

Fleisch und Geist

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Epistel der heutigen heiligen Messe schlägt der Apostel Paulus ein Thema an, das in seiner Verkündigung einen hervorragenden Platz einnimmt, das Thema Fleisch und Geist. „Wir sind nicht dem Fleische verpflichtet, sodass wir nach dem Fleische leben müssen, denn wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch den Geist die Werke des Fleisches tötet, werdet ihr leben.“ Was meint Paulus, wenn er im theologischen Sinne von Fleisch spricht? Fleischlich ist der Mensch ohne Christus, der unerlöste Mensch, der Mensch ohne den Geist Christi, verkauft unter die Sünde. Das Fleisch steht unter der unerbittlichen Herrschaft der Sündenmacht. Es setzt dem heiligen Gesetz Gottes einen unüberwindbaren Widerstand entgegen. Mit dem Fleisch dient der Mensch der Sünde. „Als wir im Fleische waren“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom, „da wirkten die sündigen Leidenschaften in unseren Gliedern, sodass wir dem Tode Frucht brachten.“ Im Fleische wohnt nichts Gutes. Das andere Gesetz in den Gliedern des unerlösten Menschen liegt mit dem Gesetz der Vernunft im Kampfe. Das Fleisch begehrt wider den Geist und der Geist wider das Fleisch, das sind einander entgegengesetzte Mächte. Mit dem Begriff Fleisch bezeichnet also der Apostel den Menschen in seiner Ohnmacht vor Gott, nachdem Tod und Sünde ihre Herrschaft über die Welt angetreten haben. Es gibt neben dem Christen, also dem erlösten, dem geistbegabten Menschen, es gibt neben dem Christen nicht etwa einen ungespaltenen, im Frieden mit sich selber lebenden natürlichen Menschen, nein, es gibt nur noch den gefallenen Menschen, den Menschen, der den Mächten des Bösen unterworfen ist. „Die nach dem Fleische sinnen auf das, was des Fleisches ist. Das Sinnen des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. So können die im Fleische Gott nicht gefallen. Wer nach dem Fleische lebt, muss sterben“, elend sterben, für immer sterben.

Das Fleisch vermag nichts Gutes zu vollbringen, von ihm gehen vielmehr alle Sünden und Laster aus. Der heilige Paulus hat in seinen Briefen mehrfach Lasterkataloge aufgestellt, also Verzeichnisse von Sünden des Fleisches, Verzeichnisse von Sünden des unerlösten Menschen. Der umfangreichste steht im Briefe an die Galater: „Die Werke des Fleisches sind: Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Hader, Eifersucht, Zornausbrüche, Streitereien, Zwistigkeiten, Spaltungen, Neid, Trunkenheit, Gelage und solche ähnliche Dinge, von denen ich euch voraussage, wie ich es euch schon früher vorausgesagt habe: die solches tun, können das Reich Gottes nicht erben.“ An die Gemeinde in Rom schreibt er in ähnlicher Weise: „Wie am Tage lasst uns ehrbar wandeln, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Ausschweifung und Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht.“ Und an die Gemeinde in Ephesus wiederholt er seine Warnungen vor den Werken des Fleisches: „Kein Unzüchtiger, kein Unreiner, kein Habsüchtiger hat Anteil am Reiche Gottes und Christi.“ Für heidnisches Wesen sind charakteristisch: Ungerechtigkeit, Bosheit, Unzucht, Habsucht, Schlechtigkeit, Neid, Mord, Hader, Arglist, Tücke, Ohrenbläserei, Verleumdung, Gottesfeindschaft, Spott, Stolz, Prahlerei, Bösartigkeit, Widerspenstigkeit gegen die Eltern, Unvernunft, Unordnung, Lieblosigkeit, Treulosigkeit, Erbarmungslosigkeit; das alles zählt Paulus im Römerbrief als charakteristisch für das Wesen des Fleisches auf. Der fleischliche Mensch ist also nicht zuerst oder allein der in geschlechtlichen Dingen haltlos sündigende Mensch, nein, mit dem Begriff Fleisch umfasst der Apostel alles Gottferne, alles Gottfeindliche im Menschen. Der Mensch ist Fleisch, insofern er gefallen ist und jeglicher Unordnung schuldhaft unterworfen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Unzucht in allen Lasterkatalogen vorkommt und regelmäßig an der Spitze steht, nicht nur deswegen, weil sie so häufig ist, sondern vor allem darum, weil jede andere Sünde außerhalb des Leibes bleibt. Wer aber Unzucht treibt, der versündigt sich an seinem eigenen Leibe. Wenige Sünden neigen auch so stark dazu, wiederholt zu werden, wie die Sünde der Unzucht.

Sünden und Laster sind dem unerlösten Menschen eigen. Aber dann kommt die Wende durch Christus. In der Taufe legt der Mensch den fleischlichen Leib grundsätzlich ab. Die Christen, die Christus angehören, haben ihr Fleisch mitsamt den Leidenschaften und Lüsten ans Kreuz geschlagen, also getötet. Das geschieht aufgrund des Heilswirkens Gottes, der in Christus die Sünde gerade dort angegriffen und vernichtet hat, wo sie ihr festestes Bollwerk besaß. Gott sandte nämlich seinen Sohn, der uns ähnlich wurde durch das sündhafte Fleisch und wegen der Sünde, und er verdammte in seinem Fleische die Sünde. Durch seinen Martyrertod am Kreuz hat er die Sünde überwunden. Deswegen steht der Christ nicht mehr wehrlos unter der Tyrannis der Unheilsmächte. Er ist nicht mehr im Fleische, sondern im Geiste, denn der Geist Gottes wohnt in ihm. Dem Fleische gegenüber steht der Geist. Im theologisch bedeutsamen Sinne ist der Geist das Wesen Gottes, vor allem insofern es sich der geschaffenen Welt mitteilt. Das eigentliche Merkmal des Christen ist der Besitz des Geistes. Der Christ ist Geistbesitzer, Geistträger. Wer den Geist besitzt, nimmt am Wesen Gottes teil. Die ganze Breite des Lebens zwischen Gott und Mensch ist durchwaltet vom Heiligen Geiste, und insofern stehen Fleisch und Geist in einem ausschließlichen Gegensatz. Das Fleisch begehrt wider den Geist und der Geist begehrt wider das Fleisch; das sind einander entgegengesetzte Mächte. „Das Sinnen des Fleisches ist Tod, das Sinnen des Geistes aber Leben und Friede.“ Das unvergängliche Geistige steht im Gegensatz zu dem vergänglichen bloß Psychischen.

Den göttlichen Geist erhalten die Menschen durch Glauben und Taufe, und von da an verwandelt sich ihr Leben. Sie lassen sich jetzt vom Geiste Gottes, der in ihnen wohnt, leiten, ja, sie werden von ihm getrieben und sie werden von ihm belehrt. Der Geist ist die Norm des Wandels der Christen. Deswegen spricht man vom Geist auch als von dem neuen Gesetz. Es ruht in der Brust des Herzens und treibt von dort die Werke Gottes hervor. „Die nach dem Fleische leben, trachten nach den Werken des Fleisches, die nach dem Geiste leben, nach den Werken des Geistes.“ Die Christus angehören, haben das Fleisch samt den Leidenschaften und Lüsten gekreuzigt. Der Geist ist die Lebenskraft der Christen. Sie beten im Geiste, sie erwarten die Vollendung im Geiste. Das Wirken des Apostels geschieht im Geist, in der Kraft des Geistes. Nur im Geiste kann ein Geistbegabter sagen: Herr ist Jesus Christus. Der Geist ist die Triebkraft des Christen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Wandel im Geist von dem Menschen den Einsatz aller seiner Kräfte verlangt. Wer den Geist empfangen hat, muss auch nach ihm leben, er muss das ihm frei Geschenkte Tag um Tag verwirklichen. Paulus wehrt sich also gegen das Missverständnis, als ob der Getaufte die Hände in den Schoß legen könnte und auf diese Weise die Vollendung erwarten dürfte, nein, er muss sich anstrengen, er muss in den Antrieb des Geistes eintreten, er muss die Kraft des Geistes in sich zur Auswirkung bringen. Darauf insistiert Paulus häufig in seinen Briefen. „Darum sind wir Schuldner (Schuldner!), nicht um nach dem Fleische zu leben, denn wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch den Geist die Regungen des Fleisches ertötet, werdet ihr leben. Wenn wir im Geiste leben, lasst uns auch nach dem Geiste wandeln.“ Das ist das Axiom der paulinischen Lehre vom Geiste: „Wenn wir nach dem Geiste leben, lasst uns auch nach dem Geiste wandeln.“ „Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Der Tempel Gottes ist heilig, und das seid ihr.“ „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selber gehört? Um teuren Preis seid ihr erkauft. Verherrlicht Gott an eurem Leibe.“ Der in den Christen lebende Geist zeigt seine Anwesenheit in den Tugenden, in der Rechtschaffenheit, Redlichkeit und Lauterkeit. Er bringt Früchte hervor. Paulus zählt diese Früchte in den Tugendkatalogen auf, die im Gegensatz zu den Lasterkatalogen stehen. „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit.“ An anderer Stelle: „Die Frucht des Lichtes, und wir sind ja als Christen Kinder des Lichtes, ist Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Die Kolosser fordert Paulus auf, als Auserwählte Gottes Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld anzuziehen. Von den Ephesern erwartet er Demut, Sanftmut, Langmut, liebevolles Ertragen, Güte, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft. „Von Unzucht, Unlauterkeit und Habsucht soll unter euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für Heilige ziemt.“ „Ihr seid um teuren Preis erkauft.“

Der Geist zeigt seine Anwesenheit nicht nur in der Vervollkommnung des Willens, also in den Tugenden, er ergreift auch den Verstand, das Erkenntnisvermögen. Der den Menschen mitgeteilte göttliche Geist schenkt und ermöglicht neue Erkenntnisse über Gottes Wesen und Pläne. Wer den Geist hat, versteht Gott, versteht ihn besser, ja, versteht ihn allein. Der Geist ist wesentlich und zuerst Gottes Geist. Er stammt aus Gott und ist dem Wesen Gottes entsprechend Heiliger Geist. Gott sendet den Geist seines Sohnes in die Herzen der Menschen. Die Korinther sind nach Paulus ein Brief Christi, der mit dem Geist des lebendigen Gottes in lebendige Herzen eingeschrieben ist. Der Geist durchwaltet das ganze Wesen des Christen. Er ist die Grundkraft des christlichen Existierens. Er wohnt im Christen, der Leib des Christen und auch die Gemeinde sind Tempel des Heiligen Geistes. Eine Reihe von Stellen schreiben dem Geist persönliches Handeln zu. Der Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Er tritt für uns ein im Gebet mit unaussprechlichen Seufzern. Er lehrt Werke und Worte göttlicher Weisheit. Er erforscht die Tiefen Gottes. Er wirkt alle Geistesgaben, er teilt jedem seine Geistesgabe zu. Die ganze Fülle des Geistes wohnt in Christus, und deswegen wird der Geist auch Geist Christi genannt, Geist des Herrn. Die volle Offenbarung des Geistes der Heiligkeit in Christus brachte die Auferstehung. In der Auferstehung wurde Christus zum lebendigmachenden Geist. Und zwischen dem Geist und Christus besteht die innigste Gemeinschaft. Wo der Geist ist, da ist Christus, und wo Christus ist, da ist der Geist. Es ist kein Zweifel, dass Paulus den persönlichen Gott und den persönlichen Herrn, aber auch den persönlichen Geist lehrt. Er lehrt die Dreieinigkeit, wie sie später durch die christologischen Dogmen formuliert wurde. Der Herr ist der Geist, und doch sind der Herr und der Geist nicht dasselbe. Eine begrifflich klare Formel als ausreichende Antwort auf spätere Fragestellungen hat Paulus nicht gegeben, dazu war er nicht imstande, aber seine Lehre tendiert zu den Erklärungen, wie sie die Konzilien von Chalcedon und Ephesus und Konstantinopel gegeben haben.

Wenige Lehren, meine lieben Freunde, der Heiligen Schrift sind so wirklichkeitsnahe und der Erfahrung zugänglich wie die Lehre von Fleisch und Geist. Im 7. Kapitel des Briefes an die Römer erzählt Paulus die traurige Geschichte der Sünde im Menschen in Ichform als seine eigene Geschichte. Der Mensch vor Christus und ohne Christus ist gespalten. Er erfährt den Zwiespalt zwischen Anziehung des Guten und Verlockung des Bösen. „Meinem inneren Menschen nach habe ich am Gesetze Gottes Freude (meinem inneren Menschen nach!). Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meiner Vernunft widerstreitet. Ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich erlösen aus diesem Leibe des Todes? Dank sei Gott: durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ Die Christen haben eine geistliche Entwicklung durchgemacht. Ohne Christus waren sie Fleisch, danach sind sie Geist geworden. Einst waren die Leidenschaften der Sünde in ihnen wirksam, sodass sie dem Tode Frucht brachten, jetzt aber sind sie mit Christus der Sünde gestorben, sodass sie Gott Frucht bringen. Vielleicht erheben Sie hier einen Einwand, meine lieben Freunde. Was hier vom unerlösten Menschen gesagt wird, gilt das nicht auch noch für den erlösten Menschen? Wird er nicht auch angefochten? Spürt er nicht auch die Versuchungen? Gibt der Satan nicht keine Ruhe auch gegenüber dem erlösten Menschen? Spürt der Christ nicht das Andringen des Vergangenen, das ihn zurückbringen will in das vergangene Leben, in die Herrschaft des Fleisches, der Sünde und des Todes? Jawohl, Satan versucht ihn erneut in seinen Machtbereich zu holen; das gilt auch für den Christen. Aber das ist der wesentliche Unterschied zwischen dem Menschen vor Christus und ohne Christus und dem Menschen mit Christus und in Christus: Der Getaufte (der Christ) ist den Versuchungen gewachsen. Es hängt allein von ihm ab, ob er den Versuchungen erliegt oder ob er sie überwindet. Er besitzt die Kraft, den Verlockungen des Fleisches zu widerstehen. Und darum, meine lieben Freunde, noch einmal die Mahnung, die Grundmahnung des Apostels im Thema Fleisch und Geist: Wenn wir im Geiste leben, dann lasst uns auch im Geiste wandeln, damit wir nicht im Fleische beenden, was wir im Geiste begonnen haben. Die Christus angehören, haben das Fleisch gekreuzigt mit seinen Leidenschaften und Begierden. Ihr waret einst Finsternis, jetzt seid ihr Licht im Herrn. Wandelt wie Kinder des Lichtes, damit die Frucht des Lichtes in euch offenbar werde.

Amen.

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