Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. November 2001

Die heilbringende Wirkung des Opfermahls

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im 19. Jahrhundert hatte John Henry New-man eine einträgliche Stelle in der anglikanischen Kirche. Er war ein Wahrheitssucher, und auf der Suche nach der Wahrheit fand er sie in der katholischen Kirche. Er war entschlossen, seinen Posten aufzugeben und katholisch zu werden. Wenige Tage vor seinem Übertritt besuchte ihn ein Freund und sagte: „Mensch, das willst du alles aufgeben, diese schöne Stelle als Erzdiakon mit einem Einkommen von 100.000 Franken?“ – in der damaligen Zeit eine ungeheure Summe. Da entgegnete ihm John Henry Newman: „Was sind 100.000 Franken für eine einzige gültige Kommunion!“

Das Mahlopfer gipfelt im Opfermahl. Die Kommunion ist die Vollendung des eucharistischen Opfers; sie vollendet auch die Heilskraft des Opfers. Derjenige, der kommuniziert, empfängt mehr von der Heilskraft des eucharistischen Opfers als jener, der nicht kommuniziert, immer vorausgesetzt, daß er würdig kommuniziert und entsprechend disponiert ist. Die erste und oberste Wirkung der heiligen Kommunion ist die Vereinigung mit Christus. Davon kommt ja der Name dieses Geschehens: Communio – Einigung, Vereinigung, Gemeinschaft, nämlich mit Christus. Die heilige Kommunion ist der Gipfel der Vereinigung mit Christus. Auch wer ohne zu kommunizieren an der heiligen Messe teilnimmt, hat etwas davon. Mir sagte einmal eine junge Dame: „Ich habe nichts davon.“ Ja, sie versteht es nicht, deswegen meint sie, nichts davon zu haben. Sie hat etwas davon, auch wenn sie nicht die Kommunion empfängt. Aber die bloße Teilnahme am Meßopfer vermittelt nicht die Fülle der Gnaden, welche die heilige Kommunion in sich birgt. Sie ist der Gipfel, sie ist die Vollendung der Vereinigung mit Christus. Obwohl er der Reichste ist, hatte er nicht mehr zu geben; obwohl er der Mächtigste ist, konnte er nicht mehr geben. Die heilige Kommunion vereinigt den schon in der Gnade Gottes Lebenden mit Christus, vertieft und verinnerlicht seine Christusgemeinschaft, denn Christus schenkt sich ihm in leibhaftiger Weise.

Auch unter Menschen gibt es Hingabe. Man kann einem anderen Dinge schenken, Geschenke machen, und das ist ein Zeichen der Freundschaft, der Liebe, der Verehrung. Man kann noch weitergehen; man kann einem Freund Anteil an dem eigenen Erleben, an der eigenen Erfahrung, am eigenen Innenleben geben, und das ist mehr. Ja, es gibt noch eine weitere Stufe, nämlich den Versuch, sich selbst zu schenken in der Freundschaft und in der Ehe. Hier wird tatsächlich eine Schenkung vollzogen, wo ein Mensch leiblich und geistig dem anderen sich übereignen will. Aber jede Schenkung unter Menschen kommt an eine Grenze. Der Mensch bleibt unaufhebbar in sich selbst eingeschlossen, er kann sich nicht selbst überschreiten. Anders bei der Schenkung in der heiligen Kommunion. Hier gibt sich Christus in leibhaftiger Weise dem Empfänger hin. Er überschreitet sich selbst und zieht den Empfänger in sein Herrlichkeitsleben hinein. Die heilige Kommunion ist der Gipfel der Selbstschenkung unseres Heilandes.

Wenn Christus in die Seele einkehrt, dann geschieht das in der Form des Essens. Wir essen, äußerlich gesehen, Brot und trinken Wein, wissen aber, daß unter diesen Hüllen, unter diesen Gestalten Christus verborgen ist, sein Fleisch und sein Blut, das Fleisch verbunden mit dem Blut, das Blut verbunden mit dem Fleisch, der Leib verbunden mit der Seele, die Seele und der Leib verbunden mit dem Logos. Denn hier wird nicht ein Ding gegessen, hier nehmen wir nicht eine Materie zu uns, sondern wir empfangen den personalen Christus. Die Eucharistie ist ein personhaftes Geschehen. Christus, die Person, die lebendige Person, kommt zum Menschen, wird in ihm aufgenommen vermittels des Essens seines Fleisches und seines Blutes. Die Vereinigung mit Christus hält bei ihm nicht inne; sie geht weiter, denn Christus ist unlöslich mit dem Vater im Himmel und mit dem Heiligen Geist verbunden. Wer also in der heiligen Kommunion die Christusverbundenheit, die Christusverähnlichung empfängt, der empfängt auch die Verbundenheit mit dem dreifaltigen Gott; er wird verbunden mit dem Vater, und er wird verbunden mit dem Heiligen Geist. Der Kommunizierende empfängt die Verähnlichung und die Verbundenheit mit dem dreifaltigen Gott. Der Vater, der in ihm die Züge seines Sohnes erkennt, schenkt sich ihm, und der Heilige Geist, die Liebesverbundenheit zwischen Vater und Sohn, strömt in den Empfänger der Kommunion über. Das Christusleben, das Herrlichkeitsleben Christi wächst in der heiligen Kommunion. Wir sagen das mit den uns vertrauten Ausdrücken: Der Empfänger der heiligen Kommunion empfängt helfende Gnade und heiligmachende Gnade. Die heiligmachende Gnade, die er schon besitzt – denn man darf ja nur im Zustand der heiligmachenden Gnade die Kommunion empfangen – die heiligmachende Gnade nimmt zu, wird gefördert, wird gestärkt durch den Empfang des Leibes unseres Herrn und Heilandes. Die erste und oberste Wirkung der Kommunion ist die Verbundenheit und die Verähnlichung mit Christus und darüber hinaus mit dem dreifaltigen Gott.

Die zweite Wirkung ist die Verbundenheit der Kommunizierenden. Wer mit Christus verbunden wird, in wen das Christusleben strömt, der wird auch mit denen verbunden, die ebenfalls mit Christus verbunden sind. Sie werden untereinander eine Blutsbrüderschaft, eine Gemeinschaft. Diejenigen, die Christus als seine Tischgenossen annimmt, werden untereinander Brüder und Schwestern. Der eucharistische Leib wirkt den mystischen Leib. Der eucharistische Leib, das ist die Kommunion; der mystische Leib, das ist die Kirche. Der eucharistische Leib wirkt den mystischen Leib. Durch die Kommunion werden die Glieder der Kirche miteinander verbunden zu einem Leibe. In der Kommunion, im Empfang des Heilandes, erlebt die Kirche die Darstellung ihres eigenen Wesens, nämlich Leib Christi zu sein.

Diese Verbundenheit untereinander hat natürlich ihre Auswirkungen, muß ihre Auswirkungen haben; denn wer durch das Blut Christi miteinander verbunden ist, der muß sich auch als ein Verbundener bezeugen, d.h. er muß die opfernde und dienende Liebe in seinem Leben zeigen, die von Christus ausgeht und die er in der heiligen Kommunion ontologisch in sich aufgenommen hat. Was dem Sein nach geschehen ist, das muß dem Tun nach verwirklicht werden. Was ontologisch verwirklicht ist, das muß ethisch bewährt werden. Diejenigen, die untereinander am Tisch des Schenkens gewesen sind, müssen sich auch im Alltag als solche betragen, die durch Christus miteinander verbunden sind. Sie müssen die opfernde und helfende Liebe beweisen. Sie haben den aufgenommen, der diese Liebe bis zum Tode bewährt hat, also müssen sie auch ihrerseits diese Liebe bewähren.

Ein eherner Grundsatz der katholischen Sakramentenlehre lautet: Die Sakramente wirken nach Maßgabe der Disposition des Empfängers. Es ist also an uns, diese Wirkungen zur Auswirkung kommen zu lassen. Wir haben es in der Hand, was aus jeder Kommunion wird. Wir sehen damit auch die große Verantwortung, die wir haben, wenn wir zum Tisch des Schenkens eilen, die Verantwortung dafür, daß nicht ein Todespfand in uns gelegt wird, sondern daß ein lebendiger Strom der Liebe uns ergreift, indem wir uns als Blutsbrüder Christi bewähren.

Das Wachstum der Gnade hat als weitere Wirkung, daß alles Ungöttliche und Widergöttliche geschwächt wird. Wir drücken es so aus: Die heilige Kommunion mindert die Neigung zum Bösen und stärkt die Widerstandskraft gegen die Sünde. Sie mindert die Neigung zum Bösen; sie stärkt die Widerstandskraft gegen die Sünde. Ja, die heilige Kommunion tilgt läßliche Sünden kraft der Liebe und der Liebesreue, die sie im Menschen erweckt. Keine schweren Sünden, das ist der Irrtum des Protestantismus, nein, die Kommunion tilgt läßliche Sünden und gibt die Kraft, der schweren Sünde zu widerstehen. Aber sie tilgt keine schweren Sünden. Deswegen darf niemand, den das Bewußtsein einer schweren Sünde bedrückt, von diesem Mahle essen. Und noch ein Weiteres wirkt die Kommunion, nämlich sie tilgt auch Sündenstrafen. Wir sehen, welcher Reichtum, welche Fülle in diesem Sakrament verborgen ist, wenn wir uns nur bemühen, sie auszuschöpfen.

Die letzte Wirkung des Sakramentes ist darin gelegen, daß es für das ewige Leben bereitet. Wenige Gedanken hat der Herr so oft ausgesprochen wie den: „Wer mich ißt, wird durch mich leben.“ „Wer mein Fleisch und mein Blut ißt und trinkt, der lebt durch mich, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“ „Wer mich ißt und trinkt, der wird nicht sterben in Ewigkeit.“ Also: Die heilige Kommunion sorgt dafür, daß wir das ewige Leben empfangen. Wenn manchmal Sterbende besorgt sind, wie es nach dem Tode sein wird – und solche Fälle habe ich erlebt –, dann dürfen wir ihnen sagen: Du hast den Leib des Herrn, den lebendigen und unvergänglichen Leib des Herrn empfangen, er wird dich nicht im Tode lassen. Er wird dich hinüber geleiten in das andere Land. Hier erfüllt sich wahrhaftig das Wort der Präfation in den Requiemsmessen: Uns wird das Leben nicht weggenommen, uns wird es verwandelt. Das bewirkt der Leib des Herrn, den wir in uns aufnehmen. Es gibt ein ewiges Leben der Seele, und dieses ewige Leben der Seele in der Freude des Herrn verbürgt uns die heilige Kommunion. Darüber hinaus senkt die Kommunion Keime in uns ein, die einmal bei der Auferstehung des Leibes sich entfalten werden. Ja, die Kommunion ist das Unterpfand auch der Auferstehung des Leibes. Ich gebe zu, daß man sich das nicht vorstellen kann – auch ich kann es nicht. Aber der Glaube verbürgt uns die Wahrheit der Auferstehung des Fleisches am Ende der Tage. Und die Kommunion ist das Angeld, die Anzahlung für diese Wirklichkeit, die einmal an uns hervorkommen wird.

Wenn der Priester die heilige Kommunion austeilt, dann spricht er eine Formel. Es gibt eine jüngere und eine ältere Formel. Die jüngere Formel heißt: „Der Leib Christi“, was ja richtig ist: das ist der Leib Christi. Und der Empfänger bestätigt das: „Amen.“ Jawohl, ich glaube. Die ältere Formal sagt noch mehr aus. Sie sagt nicht bloß „Der Leib Christi“, sie sagt: „Der Leib Christi bewahre deine Seele zum ewigen Leben.“ Hier wird also auf die Wirkung des Leibes Christi angespielt. Der Leib Christi ist pharmakon tes athanasias, wie Ignatius von Antiochien geschrieben hat, ein Heilmittel der Unsterblichkeit, pharmakon tes athanasias (φάρμακον της αθανασίας). Das drückt diese Formel aus: „Der Leib des Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben.“ Deswegen ziehe ich persönlich diese Formel vor. Es ist jedem unbenommen, wie er kommunizieren will, aber inhaltskräftiger und aussagekräftiger ist die alte überkommene Formel. Bei den Dominikanern wird noch eine andere Formel verwendet. Da heißt es nicht: Der Leib Jesu Christi bewahre deine Seele zum ewigen Leben, sondern: „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre dich zum ewigen Leben.“ Da wird deutlicher, daß nicht nur die Seele durch die Kommunion in das ewige Leben gerettet wird, sondern auch der Leib. „Dich“ – der ganze Mensch, der aus Leib und Seele bestehende Mensch wird durch die Kommunion für das ewige Leben bereitet. „Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre dich zum ewigen Leben.“ So sprechen die Priester im Dominikanerorden bei der heiligen Kommunion.

Im Neuen Testament wird berichtet, wie die Menschen zu Jesus drängten, um von ihren körperlichen Leiden, von ihren Krankheiten befreit zu werden. Denken Sie an die blutflüssige Frau: „Wenn ich auch nur den Saum seines Gewandes berühre, so werde ich gesund werden.“ Und sie wurde gesund. Ach, meine lieben Freunde, wir berühren nicht nur den Saum seines Gewandes. Wir nehmen ihn in uns auf, wir essen ihn, wir vereinigen uns mit ihm, nicht nur mit seinem Leibe und mit seinem Blute, auch mit seiner Seele und mit seiner Gottheit.

„O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens erneuert, die Seele mit Gnade erfüllt und uns ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.“

Amen.

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