Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Mai 2013

Löschet den Geist nicht aus!

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am Pfingstsonntag kam der Heilige Geist über die in Jerusalem versammelten Jünger Jesu. Es geht bei dem Pfingstereignis um die Einheit und die Gemeinschaft unter den Menschen. Sie waren alle an einem Ort versammelt, und über alle kam in gleicher Weise der Heilige Geist und führte sie durch seine Bande zu einer Gemeinschaft zusammen. Man kann die Kirche bestimmen als die Gemeinschaft derer, die im Heiligen Geiste um Christus versammelt sind. Die Menschen vermögen die Einheit ihres Geschlechtes zu durchbrechen, und sie tun es oft genug durch Unrecht, durch Gewalt, durch Unterdrückung, durch Krieg. Aber der Heilige Geist ist imstande, diese Unarten des Menschen zu überwinden. Der Heilige Geist, der im Alten Bunde verheißen und im Neuen Bunde geschenkt wurde. Wir haben vor einiger Zeit den Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament hervorgehoben. Und wir haben davon gesprochen, dass das Alte Testament unaufgebbar ist. Heute erfahren wir es. Am Pfingsttage hat sich eine Verheißung des Alten Testamentes erfüllt, nämlich die, welche bei dem Propheten Joel steht. Dort heißt es: „Wenn die letzte Zeit anbricht, wird Gott über die Menschen den Geist ausgießen. Eure Söhne und Töchter werden weissagen, eure alten Menschen werden Träume haben. Aber auch über meine Knechte und Mägde werde ich den Geist ausgießen“, also ausnahmslos für alle, die bereit sind, ihn aufzunehmen. Im Neuen Bunde hat sich diese wunderbare Voraussage erfüllt. Die Kirche hat die Erfahrungen, die sie mit dem Geist gemacht hat und die Offenbarungen über den Geist, die im Alten und im Neuen Bunde uns gewährt werden, zusammengefasst im nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, wo es heißt: „Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender.“ Dass der Heilige Geist als „Herr“ bezeichnet wird, ist seiner Göttlichkeit zuzuschreiben, denn „Herr“, Kyrios, ist der Name für Gott. Und dass er der Lebendigmacher ist, das zeigt er in den Wirkungen, die von ihm ausgehen. Er ist der Geist der Kraft, er ist der Geist der Wahrheit, er ist der Geist des Trostes, wie wir gestern gesehen haben. Vor allem aber ist er eine göttliche Person. Ich habe in vielen Büchern nicht-katholischer Autoren vergeblich gesucht, dass sie ihn als göttliche Person bekennen. Sie schreiben von ihm als einer Kraft, als der „Kraft der Verkündigung“, sagt einer aus Marburg. Nein, meine lieben Freunde. Der Heilige Geist ist Gott von Gott und Licht vom Licht, wie der Sohn. Wir werden, so Gott will, am kommenden Sonntag, am Dreifaltigkeitssonntag, den Zusammenhang der drei Personen in einem Wesen zu betrachten versuchen. Aber schon heute sei gesagt: Der Heilige Geist ist eine göttliche Person, ungetrennt vom Vater und vom Sohn, weil wir Gott als Dreieinigen bekennen. Deswegen kann der Glaube an den Heiligen Geist niemals losgelöst werden vom Glauben an den Vater und an den Sohn. Wo immer Vater und Sohn wirken, da ist auch der Heilige Geist zu finden. Und umgekehrt: Wo der Geist ist, da ist auch der Vater und der Sohn; alle Wirkungen der Trinität nach außen sind den drei göttlichen Personen gemeinsam. Das ist ein eherner Satz der katholischen Trinitätslehre. Der Heilige Geist deutet schon durch seinen Namen an, dass er allem Unheiligen entgegengesetzt ist. Dem Bösen setzt er seine lebendige und lebenschaffende Kraft entgegen. Dem Leid und der Verzweiflung begegnet er als der Tröster. Und den Zweifelnden wird er mitgeteilt als der Glaubenserwecker und Glaubensstärker. Der Heilige Geist ist eine göttliche Person: schöpferisch, lebendig, herrschend, vom Vater ausgehend, den Sohn in der Welt verkündigend. Er hat durch die Propheten gesprochen. Er ist Tröster, Kraftquelle des Lebens, Glaubenserwecker. Es ist ein totales Missverständnis, wenn man sich den Geist als eine bestimmte Verfassung der Seele, als eine Mentalität, als eine Denkweise vorstellt. Nein, der Geist ist eine personale göttliche Wirklichkeit. Freilich sprechen wir auch in einem anderen Sinne vom Geist. Wenn wir sagen, er hat einen guten Geist, er hat einen schlechten Geist. Wir meinen damit die Einstellung, die ein Mensch hat, die Denkweise, seine Mentalität. Wir sprechen auch vom Ungeist, der über die Menschen kommt und sie verführt. Der Heilige Geist ist dem Ungeist entgegengesetzt. Er ist imstande, die Mentalität des Menschen zu verändern. In der Kraft des Geistes kann ein Mensch bekehrt und umgeschaffen werden. Und deswegen, meine lieben Freunde, möchte ich Sie heute auffordern: Beten Sie täglich zum Heiligen Geist. Beten Sie vor allem für die Menschen, die ich als Problemgruppen bezeichne: Die Journalisten, die Politiker, die Theologen, die Künstler. Rufen Sie auf sie den Geist herab, der es vermag, die Herzen umzuschaffen, der es fertigbringt, sie vom Ungeist zu lösen.

Der Apostel Paulus erwähnt als eine besondere Gabe des Geistes die Unterscheidung der Geister. Er vermag zu erkennen, wer aus Gott stammt und wer nicht aus Gott stammt. „Niemand kann sagen, Jesus ist der Herr, außer im Heiligen Geiste.“ Und der Apostel Johannes nimmt diese Verkündigung auf, wenn er warnt: „Glaubt nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.“ Und er gibt ein Kriterium an, wie wir die Geister prüfen können. „Jeder Geist, der bekennt, dass Christus im Fleische gekommen ist, der ist aus Gott.“ Die Ungeister freilich scheinen in unserer Welt oft die Herrschaft zu besitzen: der Mammon, der Egoismus, die Karriere, die Macht, der Genuss, die Lust. „Wir haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Unsere Einstellung, unsere Mentalität, unsere Denkweise kann und soll vom Heiligen Geist geformt und genormt sein. Die Christen sind Geistträger, Geistbegabte, Geisterfüllte. Sie leben im Heiligen Geist, unter seinem Einfluß, in seiner Führung. Als ich noch im Theologiestudium war, besuchte ich einmal einen frommen, alten Priester. Und dann stellte er mir drei Fragen: Betest du zum Heiligen Geist? Verehrst du die Jungfrau Maria? Kannst du einsam sein? Dieser alte Priester wusste, worauf es ankommt für einen Priesterkandidaten. Den Heiligen Geist verehren und zu ihm beten. Die Muttergottes als unsere Mittlerin annehmen und den Mut zur Einsamkeit besitzen.

Wer den Geist, den Heiligen Geist empfangen hat, ist zum Kämpfer gegen den Ungeist gesalbt und zum Kampf gegen ihn aufgerufen. „Gott hat uns nicht einen Geist der Feigheit gegeben, sondern der Kraft“, schreibt Paulus an seinen Schüler Timotheus. Wir dürfen uns des Zeugnisses für Gott nicht schämen. Wir müssen unseren Glauben bekennen. In Frankreich, meine lieben Freunde, gehen junge Christen auf die Straßen, um gegen den Ungeist zu protestieren, der die Homosexualität der Heterosexualität gleichstellen will. Sie gehen gegen den Ungeist der Zerstörung der Familie an. Der Heilige Geist ist nicht nur dem einzelnen Christen mitgeteilt, er lebt in der Kirche und belebt sie. Man hat richtig gesagt: „Der Geist ist die Seele der Kirche!“ Und wie die Seele im Menschen das Lebensprinzip ist, so ist der Geist das Lebensprinzip der Kirche. Der Heilige Geist steht in einer ganz besonderen Beziehung zur Kirche. Er weckt den Glauben. Meine lieben Freunde, ohne Glauben kann man kein Christ sein, ohne den vollen Glauben, ohne den ganzen Glauben, ohne den Glauben, der keine Abstriche verträgt. Der Heilige Geist ist es, der den Glauben weckt und erhält. Niemand kann am Glauben festhalten außer in der Kraft des Geistes. Der Heilige Geist führt auch die Kirche. Sein Wirken kann durch kein menschliches Versagen erstickt werden. Wir wissen um die Mängel, um das Versagen, um das eigene Ungenügen. Wir wissen darum. Aber wir vertrauen darauf, dass der Heilige Geist ersetzt, was uns nicht möglich ist. Ohne den Heiligen Geist, wie er in der Kirche lebendig ist, wäre das Evangelium Jesu schon längst vergessen. In allen Lebenssituationen der Kirche wird der Geist wirksam. In einem Konzil und im hl. Vater als dem mit persönlicher Unfehlbarkeit Begabten. Der Geist ist es, der die Kirche lebendig macht in allen ihren Gliedern, im Zeugnis für Christus, im Dienst am Nächsten, in der Liebe zu den Ausgestoßenen.

Lebendigkeit im Heiligen Geiste ist freilich etwas anderes als Betriebsamkeit. Die Lebendigkeit, die der Geist wirkt, zeigt sich in Innerlichkeit und Anbetung, in der Bereitschaft zum Dienst und zum Opfer, in missionarischer Gesinnung. Nicht die Gemeinde ist lebendig, in der Unterhaltung, Plauderei und Geselligkeit blühen, sondern in der Gottes Forderungen ernstgenommen und die schweren Dinge angepackt werden. Das Reich Gottes besteht nicht im Reden, sondern in Tat und in Kraft. Wenn man mir sagt, eine bestimmte Gemeinde ist lebendig, dann stelle ich zwei Fragen. Erstens: „Wie hoch ist die Zahl derer, die das Bußsakrament empfangen?“ Zweitens: „Wie viele kinderreiche Familien gibt es in dieser Gemeinde?“ Das ist das Kriterium der Lebendigkeit. Der Imbiß- und Umtrunk-Katholizismus, der sich in der Nachkonzilszeit ausgebreitet hat, hat mit dem Wirken des Heiligen Geistes wenig zu tun. „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste“, schreibt der Apostel Paulus. Lebendige Spiritualität und christliche Aktivität leben aus der Gegenwart des Heiligen Geistes. Die Kirche ist das Werkzeug des Heiligen Geistes, sie ist aber auch sein Organ, d.h. der Geist wirkt durch die Kirche. Die Kirche soll ein prophetisches Zeichen sein, d.h. sie soll durch ihr Wirken Gott in der Welt lebendig und gegenwärtig machen. Sie soll Sauerteig sein. Sie soll die Menschheit mit ihrer Botschaft durchdringen, und sie soll den Menschen die heilende und erhebende Kraft des Geistes vermitteln. Die Kirche vermag umso mehr in der Welt zu wirken, je weniger sie sich der Welt anpasst. Ich höre die Mahnung des Völkerapostels: „Gestaltet euch nicht dieser Weltzeit gleich, sondern wandelt euch um durch die Erneuerung eures Geistes.“ Der Geist hat die Kirche im Glauben zusammengeführt. Er erhält sie auch im Glauben. Meine lieben Freunde, Elemente des Christentums gibt es auch außerhalb der katholischen Kirche. Es wird die Taufe gespendet. Es werden die Evangelien gelesen, wenn auch anders erklärt. Es gibt den Dienst der Gemeinschaft und der Nächstenliebe – unbestritten. Aber die Fülle des Christentums ist nur da, wo außer dem Taufsakrament auch der volle Glaube unversehrt bewahrt wird. Und das ist nur da möglich, wo der Geist die Abweichung von diesem Glauben verwehrt. Deswegen hat Gott den Geist einem Manne gegeben, wir nennen ihn den Papst, der in seinen letztgültigen Entscheidungen unfehlbar ist. Er besitzt die persönliche Unfehlbarkeit, dieselbe Unfehlbarkeit, die der Gesamtkirche gegeben ist. Heute wird oft davon geredet, man solle der Ortskirche, also den Diözesen, mehr Selbständigkeit geben. Der Erzbischof Zollitsch fordert solche Selbständigkeit. Meine lieben Freunde, ich vermag diesem Ruf nach mehr Selbständigkeit für die Ortskirchen nicht zu folgen. Es ist gewiss, wohin diese Selbständigkeit führen wird: Zum Abbau alles Beschwerlichen und Lästigen, zur Einführung von Elementen, die mit der katholischen Kirche nichts zu tun haben. Ich warne den Erzbischof Zollitsch und seine Genossen. Der Geist ist der Gesamtkirche gegeben, und in der Gesamtkirche finden wir die Wahrheit und die Gnade. Der Apostel Paulus mahnte einst die Gemeinde in Saloniki: „Löschet den Geist nicht aus“, d.h. hemmt nicht sein Wirken, unterdrückt nicht seine Impulse, zerstört nicht seine Initiativen. Mir ist, als richtete der Apostel heute dieselbe Mahnung an uns. Löschet den Geist nicht aus! Seid nicht geistlose, ungeistige, geistesfremde und geistvergessene Christen. Lasst euch vom Geist führen. „Alle, die sich vom Geist treiben lassen, sind Kinder Gottes“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom. Lasst den Geist euch führen und über alles Engherzige, Kleinliche, Eigensüchtige hinwegheben. Werdet hochherzige, großmütige, adelige Geistträger! „Werdet untadelige Menschen, mitten unter einem irren und wirren Geschlecht, unter dem ihr leuchten solltet, wie die Sterne im Weltall.“

Amen.

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