Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Mai 2009

Der mächtige Antrieb des Geistes Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Ausgießung des Heiligen Geistes Versammelte!

Als der Apostel Paulus auf seiner Missionsreise nach Ephesus kam, traf er dort einige Jünger Jesu. Er fragte sie: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Da kam die erstaunliche Antwort: „Wir haben nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.“ Paulus fragte weiter: „Welche Taufe habt ihr denn empfangen?“ „Wir haben die Taufe des Johannes empfangen.“ „Tja“, sagte da Paulus, „das war eine Bußtaufe zur Vergebung der Sünden. Johannes hat gesagt, ihr sollt auf den warten, der nach ihm kommt, auf Jesus.“ Da sie dies hörten, ließen se sich taufen, und sie empfingen den Heiligen Geist. Es waren ungefähr zwölf Männer, denen dies widerfuhr.

Dieses Begebnis, meine lieben Freunde, zeigt, dass der Heilige Geist – auch heute – für viele ein unbekannter Gott ist. Die katholische Lehre von der Dreifaltigkeit, die wir am nächsten Sonntag in besonderer Weise betrachten werden, läßt an Macht und Wesen und Würde keinen Unterschied zwischen dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist zu. Sie sind ein Gott, nicht drei Götter, wie die Mohammedaner fälschlich uns unterstellen, ein Gott. Aber ein Gott in drei Personen. Das Wesen Gottes ist eines, aber drei haben daran Anteil: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Heute ist das Fest des Heiligen Geistes. Es paßt zu dieser Stelle des Kirchenjahres; es muss an dieser Stelle gefeiert werden, denn nach Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn mußte die Geistsendung erfolgen. Die Erhöhung des Herrn in Auferstehung und Himmelfahrt zielt auf die Sendung des Heiligen Geistes. In der Geistsendung werden Auferstehung und Himmelfahrt erfüllt. Die Geistsendung ist die Frucht der Himmelfahrt. Der Geist ist das Gnadengeschenk, das der erhöhte, zur Rechten des Vaters sitzende Christus uns sendet. Der Heilige Geist wird die Umgestaltung und Neuordnung der Schöpfung vornehmen, welche in dem verklärten Christus vorgebildet ist. Was am Haupte geschehen ist, nämlich die Verklärung, das muss am All geschehen. Indem Christus auferstand und in den Himmel fuhr, ist das Haupt des Alles in den Zustand der Verklärung übergegangen. Was am Haupte schon geschehen ist, das muss auch am Leibe und an seinen Gliedern geschehen. Es soll an ihnen erst begonnen werden, wenn es am Haupt vollendet ist, aber dann soll sein Beginnen nicht länger aufgeschoben werden. Die Himmelfahrt des Herrn ist also die Veranlassung, den Geist zu senden.

Was hat der Heilige Geist an Jesus von Nazareth, dem Menschen, dem Logos, dem Sohne Gottes gewirkt? Er hat seine menschliche Natur gewirkt. Der Engel Gabriel sagte zu Maria: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden.“ Die Natur, die irdische Natur Jesu ist vom Heiligen Geist geschaffen und vom Heiligen Geist durchwaltet. Bis zu seiner Auferstehung und zu seiner Himmelfahrt war diese Tatsache verborgen. In der Auferstehung aber hat der Heilige Geist die von ihm geschaffene Natur Jesu so umgewandelt, dass sie durchscheinend geworden ist für die Gottesherrlichkeit. Jetzt ist sie erkennbar durchglüht vom Geiste Gottes. Indem der Heilige Geist die menschliche Natur Jesu in den Zustand der Verklärung umwandelte, durchstrahlte er mit seinem Licht und mit seiner Glut das Haupt des Alls, und von ihm und aus ihm geht dieses Leuchten und Glühen über in das All und durchdringt die Menschen. Meine Freunde, jetzt verstehen wir das geheimnisvolle Wort, das sehr schwer verständliche Wort, das Jesus am Gründonnerstag zu den Jüngern sprach: „Es ist gut für euch, dass ich hingehe, denn wenn ich nicht hingehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen.“ Ich wiederhole noch einmal: „Wenn ich nicht hingehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden.“ Ja, warum kann denn der Beistand nicht kommen, wenn Jesus nicht hingeht? Warum muss er denn durch Tod und Auferstehung hindurchgehen, um den Geist, um den Heiligen Geist zu senden? Die Erklärung liegt darin, dass aus der verklärten Natur Jesu der Heilige Geist ausströmt. Erst mußte die menschliche Natur Jesu verklärt und in ihrer Verklärung sichtbar werden, damit aus ihr der Geist herausströmen konnte. In Christus wohnt der Geist in der Fülle und unbegrenzt und ungeteilt. Ihm wurde die ganze Fülle des Geistes gesandt und zugewandt, so dass sie aus ihm herausströmen kann. In Christus verbleibt der Quell des Heiligen Geistes, aber er ergießt sich auf alle, die von seinem Geiste erfüllt werden. Aus seinem überströmenden Reichtum gibt er denen, die zu ihm gehören, den Heiligen Geist.

Das ist ein Ereignis von unabsehbarer Tragweite. Seitdem ist nicht nur Christus, sondern die Welt geisterfüllt, wenn sie es nur will. Im Alten Bunde wurde der Geist verheißen. Beim Propheten Joël heißt es: „Danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben, eure jungen Männer Visionen. Auch über meine Knechte und Mägde will ich den Heiligen Geist ausgießen.“ Das war die Ankündigung des Geistes im Alten Bunde. Im Neuen Bunde wurde sie aufgenommen und wiederholt. Jesus sagte seinen Jüngern voraus, dass sie würden Verfolgungen leiden müssen und dass sie vor Gericht gestellt würden. Und da fordert er sie auf, sich keine Sorgen zu machen, was sie da reden würden. „Macht euch nicht vorher Gedanken, was ihr da antworten sollt. Nicht ihr werdet reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.“ Das war die Verheißung des Heiligen Geistes im Neuen Bunde. Und noch deutlicher hat er erklärt: „Bleibet in der Stadt, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet werdet.“ Diese Verheißung hat sich am Pfingsttage erfüllt. Fünfzig Tage nach Ostern wurde der Geist allen gesandt, die sich in dem Obergemach zu Jerusalem befanden. Das Geschehen von Pfingsten war aufsehenerregend, einmalig. Sturmesbrausen, Feuerflammen, Sprachenreden – unerhörte Ereignisse, so unerhört, dass Unbedarfte sagen konnten: Die sind ja betrunken. Aber sie waren nicht betrunken. Sie waren voll des Heiligen Geistes. Und alle verstanden sie. Warum? Ja, weil sie nicht ihr Geschwätz von sich gaben, sondern weil sie die Großtaten Gottes verkündeten. Deswegen verstehen sich die Menschen nicht, weil sie nicht mehr die Großtaten Gottes verkünden.

Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass dieses Ereignis von Pfingsten einmalig war. Es war für den Anfang erforderlich, aber es brauchte nicht wiederholt zu werden. Der Geist wurde und wird auch später gesandt, aber nicht unter so aufsehenerregenden Ereignissen. In der folgenden Zeit vollzieht sich sein Kommen still. „Große Gedanken kommen auf Taubenfüßen“, sagt Friedrich Nietzsche, und so ist es auch beim Heiligen Geist. Er ist aber nicht weniger wirklich und nicht weniger wirksam als am ersten Pfingstfest. Damals wurde er in einer doppelten Richtung gesandt. Zunächst einmal empfing jeder Einzelne der Jünger die Gabe des Heiligen Geistes. Auf jedem Einzelnen ließen sich die Feuerzungen nieder. Jeder Einzelne bekam die Gabe der Sprachen, jeder Einzelne wurde vom Heiligen Geiste erfüllt. Er nahm in ihnen Wohnung. Er blieb in ihnen. Das war kein vorübergehendes Geschehnis, das war eine bleibende Ausstattung. Der getaufte und begnadete Christ lebt in einem wirklichen Sinne, meine lieben Freunde, im Heiligen Geiste. Er ist ein Tempel. Jawohl ein Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt. Das ist die unbeschreibliche Würde des Christen.

Die vielen Einzelnen, die damals den Heiligen Geist empfingen, standen aber nicht zusammenhanglos nebeneinander. Sie waren verbunden, verbunden durch den Glauben an Jesus, den Nazarener. Sie bildeten die Kirche im damaligen Zustand. Deswegen muss man sagen: Der Geist wurde nicht nur jedem Einzelnen, er wurde auch der Gesamtheit der Getauften gegeben, der Kirche Christi. Er lebt und wirkt seit jenem Tage in der Kirche. Man kann ihn in einem richtigen Sinne dir Seele der Kirche nennen.

Unsere Feinde finden Gefallen daran, der Kirche ihre Verfehlungen, ihre Schwächen, ihre Ohnmacht vorzuhalten. O, wir wissen das alles, wir wissen es noch besser als sie. Aber wir bleiben in dieser Kirche, weil es die Kirche des Heiligen Geistes ist, aus keinem anderen Grunde, nicht aus Nostalgie, nicht aus traditionalistischer Anhänglichkeit. Wir bleiben in der Kirche als in der Kirche des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist belebt, erhält, leitet und schützt seine Kirche. Der Heilige Geist ist die Kraft der Sakramente. Es wären leere Gesten, die wir Priester vollziehen, wenn sie nicht vom Heiligen Geiste durchwaltet wären. Die Wandlungsworte wären leer und ohne Wirkung, wenn nicht der Heilige Geist die Gaben durch sie wandeln würde. Der Priester ist ein lebendiges Werkzeug des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist auch die Kraft der Verkündigung. Die Verkündiger des Evangeliums und die Hörer des Evangeliums werden vom Heiligen Geist gelenkt, ergriffen und befruchtet. Der Heilige Geist bewirkt, dass nicht bloß geredet, sondern bezeugt und bekannt wird. Ohne das Wirken des Heiligen Geistes wäre die Offenbarung, wäre das Evangelium, wäre die Lehre der Kirche längst verunstaltet wie in den Abspaltungen von unserer Kirche. Der Heilige Geist sorgt dafür, dass die Wahrheit Gottes nicht untergeht.

Der Heilige Geist leitet die Hirten der Kirche. In der Priester- und in der Bischofsweihe werden sie mit der Ausrüstung des Heiligen Geistes versehen. Sie erhalten Vollmachten, die nicht von dieser Erde sind. Wenn die Hirten der Kirche ihr Amt recht verwalten, dann wirkt in ihnen und durch sie der Heilige Geist. Die Apostel konnten bei ihrem ersten Konzil das schöne Wort schreiben: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen.“ Wahrhaftig, wer sich öffnet für den Heiligen Geist, in dem wirkt er, in dem arbeitet er, in dem siegt er. Wir haben die Gewißheit: Der Heilige Geist ist bei uns in unserer Kirche. Er verläßt sie nicht. Mögen Menschen durch Schwäche fallen, mögen Untaten geschehen, auch durch Glieder der Kirche: Der Heilige Geist bleibt bei uns und verläßt uns nicht.

Man muss ihn nur wirken lassen. Sie haben vielleicht in der Wirklichkeit oder auf dem Fernsehschirm schon Segelschiffe gesehen. Ein Segelschiff ist vom Winde abhängig. Es kann nur dann über die Fluten gehen, wenn der Wind die Segel bläht. Und darin besteht die Kunst des Seglers, dass er die Segel so setzt, dass sie den Wind empfangen und das Schiff in Bewegung setzen. Ähnlich-unähnlich ist es mit dem Heiligen Geist. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer: „Alle, die vom Geiste Gottes getrieben werden, die sind Söhne – und das können wir ergänzen – oder Töchter Gottes.“ Alle, die vom Geiste Gottes getrieben werden, die sind Söhne oder Töchter Gottes. Also darauf kommt es an: sich vom Geiste treiben zu lassen. Wenn Sie wollen, können Sie auch sagen: führen oder lenken. Aber eines ist sicher: Der Heilige Geist ist ein Antreiber. Er treibt uns an, unsere Kaninchenhaftigkeit zu vergessen und in die Weite zu streben und in die Höhe, die niederen Gelüste zu überwinden, dem Zug zur Höhe zu folgen. Wir müssen den Kaninchengeist aufgeben und den Heiligen Geist wirken lassen.

Pfingsten geht vorüber, aber unser flehentlicher Ruf: „Sende aus deinen Geist, und alles wird neu geschaffen, und du wirst das Antlitz der Erde erneuern“, dieser Ruf darf nicht aufhören, auch nicht nach Pfingsten.

Amen.

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