Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. März 2013

Der Herr ist wahrhaft auferstanden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Versammelte!

Vom Jahre 1694 bis 1768 lebte in Hamburg der evangelische Theologe und Philosoph Hermann Samuel Reimarus. Er versah seinen Dienst am Akademischen Gymnasium, war jeden Sonntag im evangelischen Gottesdienst und schrieb ein glaubensfeindliches Buch nach dem andern. Die Erlösung durch Jesus bezeichnete er als ein Konstrukt der Jünger, also eine Erfindung, eine Fiktion, welche die Jünger geschaffen haben. „Um diese Fiktion zu stützen, haben sie den Leichnam Jesu gestohlen und die Geschichte von der Auferstehung erfunden.“ Das war der radikalste Angriff gegen die leibhaftige Auferstehung Jesu, der je stattgefunden hat. Vieleicht sagen Sie zu mir, was belästigst du uns mit den alten Geschichten aus dem 18. Jahrhundert? Meine lieben Freunde, Hermann Samuel Reimarus ist lebendig bis heute! Seine gesammelten Werke werden seit 1972 neu herausgegeben. Es gibt eine Renaissance des Reimarus. Freilich sind so massive Unterstellungen, wie sie von Reimarus vorgenommen wurden, heute kaum anzutreffen. Aber subtilere. Wenn Sie das Buch des Kardinals der Heiligen Römischen Kirche, Walter Kasper, „Jesus Christus“ lesen, da finden Sie darin den Satz: „Die Auferstehung Jesu ist kein historisches Ereignis.“

Die Frage erhebt sich dann: wenn es kein historisches Ereignis ist, was ist es dann? Eine Erfindung? Eine Einbildung? Eine Phantasie? Unser Glaube gründet auf der Geschichte. Wir glauben an den menschgewordenen Gottessohn. Und wir glauben an den gekreuzigten und aus dem Grabe erstandenen Jesus Christus. Diese Ereignisse liegen fest, nach Zeit und Raum. Unser Glaube stützt sich nicht auf Theologenmeinungen, sondern auf das Zeugnis des Hl. Geistes in seiner Kirche. Auf Theologenmeinungen kann man keine Kirche bauen. Die Lehre der Kirche hat immer daran festgehalten: Die Osterereignisse sind historische Geschehnisse! Der Herr ist wahrhaft am dritten Tage in Jerusalem dem Grabe entstiegen, lebendig geworden und verklärt. Er hat vierzig Tage lang sich von vielen Menschen sehen lassen. Er hat zu ihnen gesprochen. Er hat mit ihnen gegessen. Er hat sich betasten lassen. Seine Erscheinungen waren wirkliche Erfahrungen, leibhaftige Erfahrungen der Zeugen der Auferstehung. Sie ergaben sich nicht aus krankhaften Phantasien, sondern aus äußeren Begegnungen.

Zu der Auferstehung Jesu gehört das leere Grab. Die Evangelisten bezeugen es, und auch Paulus weiß darum, allen Angriffen der ungläubigen Theologen entgegen. Wenn er davon spricht, dass das Vergängliche verschlungen ist, dann ist es nicht mehr da, dann ist es verwandelt. Die Knochen der verstorbenen Christen, die liegen in den Gräbern, aber die Knochen Jesu Christi sind in einer verklärten Weise zu einer Gestalt erhoben, wie sie die Menschheit noch nie gesehen hat. Zu den Osterereignissen gehören die Erscheinungen. Sie haben recht eigentlich die Auferstehungsüberzeugung der Jünger begründet. Und Jesus erscheint immer vom Himmel her. Ich habe schon am Fest Christi Himmelfahrt darauf hingewiesen: Jesus hat die vierzig Tage nicht auf Erden verbracht, sondern er ist erhöht worden am Tage seiner Auferstehung, in die himmlische Existenzweise eingegangen. Und von da ist er jedesmal bei Erscheinungen erschienen. Zu der Auferstehung gehören die Zeugen, die den Auferstandenen gesehen haben. Viele Zeugen, einzelne und mehrere zugleich, Männer und Frauen, Glaubensbereite und Skeptiker. Alle, die ihn gesehen haben, wurden gläubig, alle! Alle haben die Überzeugung gewonnen: Der Gekreuzigte ist nicht im Tode verblieben. Er ist wieder lebendig geworden. Aber der Lebendiggewordene ist kein anderer als der Gekreuzigte. Das älteste Zeugnis, das älteste literarische Zeugnis von der Auferstehung des Herrn liegt im 1. Korintherbrief des Apostels Paulus vor, etwa aus dem Jahre 55 n. Chr. Dieser älteste Bericht ist aber sehr knapp. Im 15. Kapitel zählt nämlich Paulus nur die ihm bekannten Zeugen der Auferstehung auf und merkwürdigerweise nur Männer, keine Frauen. Die Berichte der Evangelisten sind später, die Evangelien sind später schriftlich niedergelegt worden. Aber deswegen ist der Inhalt nicht dadurch verändert worden. Spätere Niederschrift hat nichts mit Legenden zu tun. Am 20. Juli 1944 geschah das Attentat auf Adolf Hitler. Der älteste Bericht über dieses Geschehen stammt von Hitler selbst. Er hat nämlich am Abend dieses Tages über den Rundfunk gesprochen. Wie es wahrhaft zugegangen ist, erfahren wir aber nicht aus seiner Ansprache, das erfährt die Welt erst viele Jahre später. Und diese späteren Berichte sind viel umfangreicher, viel genauer und viel zuverlässiger, als das erste Zeugnis des Adolf Hitler. Deswegen: späte Niederschrift hat nichts mit Legenden zu tun.

Wir können die Stationen namhaft machen, die der auferstandene Herr während der vierzig Tage durchschritten hat: Maria Magdalena, das ist die erste Station, geht am Sonntagmorgen zum Grabe und findet es leer. Zweite Station: Petrus geht zum Grabe, und findet es leer. In dieser Zeit muss das Gerücht entstanden sein, die Jünger Jesu haben den Leichnam Jesu gestohlen. Auch Magdalena denkt zunächst, der Leichnam Jesu sei vom Gärtner fortgeschafft worden. Dann die nächste Station: Der Auferstandene erscheint Maria Magdalena. Es ist und bleibt wahr, meine lieben Freunde: Die erste Erscheinung des Auferstandenen galt einer Frau! Weitere Stationen: Der Auferstandene erscheint Petrus allein. Es ist derselbe Petrus, der im Vorhofe des Hohenpriesters gesagt hatte: „Ich kenne diesen Menschen nicht!“ Der Auferstandene erscheint dann zwei Jüngern, die nach Emmaus gehen. Die Emmausjünger halten den Mann, der mit ihnen geht, für einen Fremdling, einen Unbekannten, der nicht weiß, was sich in Jerusalem zugetragen hat. Aber dann deutete er ihnen die Schrift, und da brannte ihr Herz, und sie erkannten ihn beim Brotbrechen. Der Auferstandene erschien danach den zwölf Jüngern. Zwölfen auf einmal. Alle sahen dasselbe. Der Auferstandene erschien weiter dem Jakobus, einem Herrenbruder, also einem Verwandten des Heilandes. Seine Mutter ging ja zum Grabe, die Mutter des Jakobus. Dann erschien der Auferstandene dem Thomas. Thomas ist für uns ein ganz wichtiger Zeuge, denn er war ein Skeptiker. Er wollte nicht auf die Botschaft von anderen hin glauben. Er wollte sich selbst überzeugen. Und das gewährte ihm der Herr. Weitere Erscheinungen erfolgten in Galiläa und in Jerusalem. In Galiläa vor sieben Jüngern, die beim Fischen waren. Und er bereitete am Strande ein Mahl aus gebratenen Fischen. Der Auferstandene, und das ist gewissermaßen der Höhepunkt, erscheint fünfhundert Brüdern auf einmal. Sie müssen also zusammengekommen sein, vielleicht zum Gottesdienst oder zum Gedächtnis. Paulus sagt: „Die meisten von ihnen leben noch.“ Man kann hingehen und sie fragen! Der Auferstandene erscheint auch einzelnen Aposteln. Man darf annehmen, dass er dem Barnabas, dem Begleiter des Paulus, erschienen ist. Dem Paulus ist er erschienen vor Damaskus und hat ihn umgewandelt vom Verfolger zum Bekenner Christi. Ja, im letzten Buch des Neuen Testamentes, in der Apokalypse, wird berichtet, dass der Apokalyptiker, der Seher der Endzeit, Jesus gesehen hat. Er hat sich ihm gezeigt als der Auferstandene.

Nun machen die ungläubigen Theologen den Einwand, die Erzählungen um den Auferstandenen seien erfunden, erdichtet, aus apologetischen Gründen. Apologetisch heißt, um etwas zu verteidigen. Wir fragen: Ja sollten die Jünger die Auferstehung, die wirkliche Auferstehung Jesu nicht verteidigen? Sollten sie schweigen bei den Angriffen? Sollten sie nicht wiedergeben, was sie gesehen und gehört hatten? Sollten sie nicht sagen: „Wir haben mit ihm gesprochen, wir haben mit ihm gegessen?“ Wieso ist apologetisch gleicherfunden oder sekundär? Jedermann verteidigt doch eine Wahrheit. Sollten es die Apostel anders gehalten haben? Seit wann aber kann man eine Tatsache verteidigen, indem man lügt? Für apologetisch wird die Geschichte von den Wächtern am Grabe erklärt. Warum soll die Geschichte erfunden sein? Die Hohenpriester erinnerten sich, dass dieser „Betrüger“, so nannten sie unseren Herrn und Heiland, dass dieser „Betrüger“, als er noch lebte, gesagt hatte, er werde in drei Tagen auferstehen. Sie hatten gut zugehört. Und so gingen sie zu Pilatus und ersuchten ihn, das Grab bis zum dritten Tage zu bewachen, damit nicht seine Jünger hingehen, ihn stehlen und dann sagen, er ist auferstanden. Dann wäre der letzte Betrug schlimmer als der erste. Pilatus gab ihnen die Wache. Die Hohenpriester nahmen die Weissagungen, die Vorhersagungen Christi ernster als die ungläubigen Theologen. Wenn die Geschichte von den Grabeswächtern erfunden ist, dann ist zu fragen, warum ihre Erfinder nicht weitergegangen sind und den Grabeswächtern die Aussage in den Mund gelegt haben, sie hätten Jesus auferstehen sehen. Das wäre ja noch viel wirksamer gewesen als nur: die Jünger seien gekommen und trotz der Wächter sei der Leib Jesu verschwunden. Aber kein Wächter sagt, er habe Jesus auferstehen sehen. Wie passend wäre es gewesen, wenn man schon auf der Mogeltour ist, den Wächtern derartiges in den Mund zu legen! Sie sagen eigentlich nur Belastendes, nämlich dass ein Diebstahl geschehen ist. Das soll Apologetik sein?

Die Wache wurde ans Grab gestellt, weil Jesus seine Auferstehung vorhergesagt hatte. Die ungläubigen Theologen flüchten sich vor den Konsequenzen der Auferstehung Jesu in die Behauptung, seine Voraussagungen des Leidens und der Auferstehung seien unecht, ihm nachträglich in den Mund gelegt. „Vaticinia ex Eventu“, nennt man das in der Theologensprache. Meine lieben Freunde! Man musste nicht einmal ein Prophet sein, um vorauszusehen, wie Jesus enden würde. Denn dass alle Propheten in Jerusalem umkamen, das war eine unbestreitbare Tatsache. Nun hat sich aber Jesus nicht nur als einen Propheten bekannt, sondern auch als den „danielischen Menschensohn“, der in der Herrlichkeit Gottes kommt. Und das hat er ja in seinem Prozess ausgesagt: „Ihr werdet den Menschensohn sehen auf den Wolken des Himmels kommen!“ Die Zeit der Erniedrigung würde also abgelöst von einer Zeit der Erhöhung. Die theologisch versierten Juden mussten also damit rechnen, dass er nicht im Tode verblieb. Deswegen die Wache am Grabe. Die Leidens- und Auferstehungsaussagen sind im Munde Jesu durchaus verständlich und brauchen nicht, in keiner Weise, als später erfunden ausgegeben zu werden.

Auch das leere Grab wird von den ungläubigen Theologen als Erfindung ausgegeben. Es sei eine apologetische Legende. Denn wenn das Grab leer war, konnte man das ja als Argument für die leibhaftige Auferstehung Jesu ausgeben. Aber das Grab war leer! Es musste leer sein, sonst hätte überhaupt die Legende oder die Behauptung vom Diebstahl nicht entstehen können. Diese Behauptung setzt ja das leere Grab voraus. Die Tatsache musste erklärt werden. Das Grab war leer. Das wussten die Hohenpriester auch. So versuchten sie, eine Lüge zu erfinden. „Die Jünger sind nachts gekommen und haben den Leichnam gestohlen.“ Diese Erklärung, diese Pseudo-Erklärung, legten sie den Grabwächtern in den Mund. „Als sie schliefen, seien die Jünger gekommen und hätten den Leichnam entführt.“ O meine Freunde, welche Ungereimtheit! Ein Wachvergehen wurde im römischen Heer streng bestraft. Im Nachtdienst schlafen, das war ein Wachvergehen! Schlafende Wächter aber können nichts beobachten, also auch keine Erklärung für das Verschwinden des Leichnams abgeben. Leichenraub war ein schweres Vergehen. Warum wurden keine Ermittlungen eingeleitet gegen die Täter, gegen die Verdächtigen? Warum wurden sie nicht vernommen? Weil die Urheber der Lüge selbst nicht daran glaubten! Das leere Grab gehört zur Auferstehung, ist ein unaufgebbarer Bestandteil der Osterereignisse. Wer das leere Grab verteidigt, der verteidigt die leibhaftige Auferstehung Jesu Christi.

Apologetisch, so sagen die ungläubigen Theologen, apologetisch, d.h. erfunden, sei auch die Erscheinung vor dem zweifelnden Thomas. Gewiß ist die Belehrung, die Thomas durch den Auferstandenen zuteil geworden, eine Verteidigung der leibhaftigen Auferstehung des Herrn. Sollten die Evangelisten sie unterschlagen? Dieser Apostel war für die Leser des vierten Evangeliums von besonderer Wichtigkeit. Das Beweisen der leibhaftigen Identität Jesu, und zwar als des am Kreuze Verwundeten, mit den Wundmalen an den Händen und an den Füßen und an der Seite, dieses Beweisen war für die Adressatenkreise des vierten Evangeliums entscheidend. Man sprach damals viel von Totengeistern. Totengeister sahen nach der damaligen Vorstellung ähnlich oder gleich den Lebendigen. Es musste also bewiesen werden, dass der auferstandene Jesus kein Totengeist ist, und das bewies er, indem er sagte: „Lege deine Hand hierher und sieh’ meine Seite, und lege deine Finger hierher und sieh’ die Wunden meiner Hände.“

Meine lieben Freunde, erst recht geben die ungläubigen Theologen das Essen des Herrn nach seiner Auferstehung als apologetische Erfindung aus, denn essen ist nun einmal ein Argument für die Leibhaftigkeit. Die Gemeinde, die Apostel, haben die Tatsächlichkeit der Auferstehung des Herrn auch in dieser Hinsicht verteidigt. Sie geben uns sogar an, was der Herr gegessen hat: Fisch und Honigkuchen. In Cäsarea am Meer bekennt Petrus: „Gott hat Jesus Christus auferweckt und ihm verliehen zu erscheinen den auserwählten Zeugen, uns, die wir nach seiner Auferstehung von den Toten mit ihn gegessen und getrunken haben.“ Die Teilnehmer an den Mahlzeiten mit dem Auferstandenen lebten damals noch. Wenn man alles das aus den Osterberichten ausmerzt, was die ungläubigen Theologen als apologetisch ausgeben, dann bleibt buchstäblich nichts mehr übrig. Denn auch alle Erscheinungen nach dem 1. Korintherbrief des Paulus kann man für reine Apologetik klären, dann nämlich, wenn man unterstellt: Die Jünger hätten in der Absicht des Betrugs, um ihre Bestellung und ihre Berufung zu legitimieren, diese Dinge erfunden. Wenn man einmal von diesem Verdacht ausgeht, dann ist kein Halten mehr. Aber meine lieben Freunde, die Betrugshypothese, die schon Reimarus vorgetragen hat und die heute wieder erneuert wird, in subtilerer Form, die Betrugshypothese ist abwegig. Es ist eine intolerante Unverschämtheit, den Glauben von Menschen, den sie durch ihr Martyrium glaubwürdig erwiesen haben, als Betrug zu denunzieren. Sind die Apostel, die vorher ängstlich und feige waren, mutig und leidensbereit geworden, weil sie die Auferstehung Jesu erfunden haben, oder – weil sie den Auferstandenen erlebt haben? Seit wann wird man durch Erfindung einer Lüge tapfer? Das ist eben die Botschaft, die einzigartige Botschaft des Christentums, die besondere Botschaft des Christentums: die leibhaftige Nähe, die Gott zu den Menschen gewonnen hat in der Menschwerdung, im Wandeln auf den Gefilden von Galiläa, aber auch in der Auferstehung. Es gibt nicht die Möglichkeit einer rein geistigen Auferstehung ins Kerygma oder in dem Slogan: Die Sache Jesu geht weiter. Nein! Entweder ist die Auferstehung eine leibliche oder sie ist überhaupt keine.

Wer nicht an Gott glaubt, wer nicht an den in die Geschichte eingreifenden Gott glaubt, der muss die Auferstehung Jesu verwerfen und alle Berichte über sein Sich-Zeigen umdeuten. Wer aber an Gott glaubt, der das Nicht-Sein ins Sein ruft, der Tote lebendig macht, der stimmt in den österlichen Ruf ein:

„Christus erstand wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not!“

Amen. Alleluja.

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