Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. März 1989

Christus ist wahrhaft auferstanden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Unzählige katholische Theologen sprechen dem evangelischen Professor Bultmann das Wort nach: „Die Auferstehung Jesu ist kein historisches Ereignis. Als historisches Ereignis ist nur der Osterglaube der Jünger faßbar.“ Dieser Satz ist entweder banal oder falsch. Der Satz ist banal, wenn man ihn so versteht wie ein unbefangener Leser ihn zunächst verstehen kann, nämlich daß wir von den österlichen Geschehnissen nur die Berichte der Anhänger Jesu zur Verfügung haben. Das ist mit allen historischen Ereignissen so. Die Ereignisse sind versunken, sie sind vergangen, aber die Berichte, also die Mitteilung derer, die dabei waren, haben die Ereignisse überdauert. In allen Geschichtsbüchern unserer Kinder wird berichtet, daß König Alexander der Große einen Besuch machte in der Oase Siwa, dem Heiligtum des Ammonium, und daß er dort von dem Oberpriester begrüßt wurde als Sohn des Ammon. Woher wissen wir von diesem Ereignis? Es gibt keine Spuren davon. Die Begleiter des Alexander haben es gesehen, sie haben es erzählt. Die Schriftsteller haben es aufgenommen und uns überliefert, und deswegen wissen wir heute davon. Das Ereignis ist selbstverständlich versunken, aber der Bericht ist uns erhalten, freilich ein Bericht, der viel längere Zeit von dem Ereignis ab liegt als die Berichte der Evangelien von den darin mitgeteilten Geschehnissen. Wir haben nämlich keinen Bericht eines Zeitgenossen. Die Berichte über den Besuch in der Oase Siva sind viel, viel später als das Leben und der Tod Alexanders des Großen. Aber kein Mensch zweifelt daran, daß Alexander die Oase besucht hat. Also, das ist eine Selbstverständlichkeit, daß sich von historischen Ereignissen nur die Berichte durchhalten. Das ist banal.

Aber man kann die erwähnte Äußerung Bultmanns auch verstehen, und dann ist sie falsch, nämlich wenn man der Meinung ist: Der Glaube der Christenheit an das Ostergeschehen beruht auf einer bloßen Überzeugung, nur auf einer Überzeugung, nicht auf einer Tatsache.

Wir haben am vergangenen Ostersonntag gesehen, daß die Auferstehung Jesu ein geschichtliches Ereignis ist. Ein geschichtliches Ereignis ist festgelegt nach dem Ort und Zeit. So ist es auch mit der Auferstehung Jesu. Sie liegt fest nach Ort, nämlich vor den Toren von Jerusalem, und nach der Zeit, nämlich am dritten Tag nach der Hinrichtung. Es war niemand zugegen bei der Auferstehung, aber ich erinnere noch einmal, was wir gestern überlegten: Wenn jemand von einer Reise zurückgekehrt ist, dann muß er die Reise gemacht haben. Die Rückkehr bezeugt seine Rückreise. Und wenn da ein Auferstandener ist, der sich als solcher präsentiert durch Erscheinungen, dann muß eine Auferstehung vorhergegangen sein.

Aber da setzen schon, meine lieben Freunde, die Attacken der Schriftgelehrten der Nachkonzilszeit ein, nämlich, so sagen sie: Der dritte Tag, das ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern das bedeutet nur, daß Gott rasch rettet. So zum Beispiel der Schriftgelehrte Karl Lehmann. Andere sagen: Am dritten Tag ist die Auferstehung bekannt gemacht worden, also nicht am folgenden Tage. Wieder andere sagen: Am dritten Tag hat man das leere Grab entdeckt. Meine lieben Freunde, die ganze Kirchengeschichte und alle Glaubensbekenntnisse halten daran fest, daß die Auferstehung am dritten Tage erfolgt ist; also nicht am Freitag, auch nicht am Samstag, sondern am Sonntag. Deswegen feiert ja die Christenheit den Sonntag. Der Sonntag ist die Erinnerung an die Auferstehung. Wir feiern nicht den Sabbat wie die Juden und auch nicht den Freitag wie die Mohammedaner, wir feiern den Sonntag, weil es der Auferstehungstag unseres Heilandes ist. Und nach jüdischer Zählung ist das der dritte Tag, Freitag der erste, Samstag der zweite, Sonntag der dritte Tag. Es ist also keineswegs gleichgültig, wie man über den dritten Tag denkt. Es ist das ein Element der Geschichtlichkeit der Auferstehung Jesu.

Manche nehmen Anstoß daran, daß in den Evangelien und auch in der Apostelgeschichte manchmal von der Auferstehung und mitunter von der Auferweckung Jesu die Rede ist und fragen: Ist das nicht ein Widerspruch? Jesus ist auferstanden, und Jesus ist auferweckt worden. Das eine ist eine aktive, das andere eine passive Form. Daß die neutestamentlichen Schriftsteller zwischen diesen beiden Redeweisen keinen Gegensatz erkannt haben, zeigt sich schon darin, daß in ein und derselben Schrift mitunter von der Auferstehung und manchmal von der Auferweckung geredet wird. Es ist deswegen zwischen diesen beiden Aussagen kein Gegensatz, weil die Sichtweise verschieden ist. Wenn man nämlich auf den Vater im Himmel schaut, der seinen Sohn Jesus Christus durch die Auferweckung beglaubigt hat, seinen Anspruch als Messias bestätigt hat, das Siegel unter sein Leben gesetzt hat, dann muß man von Auferweckung sprechen, denn Gott ist am Werk gewesen. Er hat den toten, entseelten Leib seines Christus wieder lebendig gemacht.

Wenn wir dagegen auf Jesus als den schauen, der nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist, der eine göttliche Natur mit der menschlichen Natur vereinigt hat, dann müssen wir sagen: Er war selbst in der Lage, den Tod zu überwinden; als Mensch nicht, aber als Gott. Als Gott kann er sagen: Ich und der Vater sind eins. Was der Vater tut, das tue auch ich. Insofern ist es also genauso berechtigt, zu sagen: Christus ist aus eigener Kraft vom Tode auferstanden; nicht aus eigener menschlicher Kraft, aber aus eigener göttlicher Kraft. Wir brauchen uns also von der doppelten Aussageweise nicht beirren zu lassen. Wenn wir sagen: Jesus ist auferweckt worden, dann schauen wir auf den Vater, und wenn wir sagen: Jesus ist auferstanden, dann schauen wir auf den Sohn. Beides ergänzt sich, ja beide Sprechweisen sind notwenig.

Vor einiger Zeit hat der evangelische Pfarrer Georg Huntemann von vielen seiner Amtsbrüder geklagt, daß sie zwar von der Auferstehung sprechen, aber nicht die leibhaftige Auferstehung meinen, daß sie also mit dem Wort von der Auferstehung etwas ganz anderes bezeichnen, als der christliche Glaube damit aussagen will, etwa daß die Sache Jesu weitergeht, daß das Leben Jesu legitimiert wurde, daß sein eschatologischer Anspruch anerkannt wurde; aber das alles geht am neutestamentlichen Zeugnis vorbei, denn dieses lautet: Der Herr ist leibhaftig auferstanden. Wenn es im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes und in alten Glaubensbekenntnissen heißt: Jesus ist nicht nur gestorben, sondern begraben worden, dann ist mit diesem Wort 'begraben worden' etwas ganz Bestimmtes gemeint und ausgesagt, nämlich so real, so wirklich, wie das Begräbnis ist, so real und wirklich ist die Auferstehung. Begräbnis und Auferstehung sind gleichsam spiegelbildlich zueinander. Das eine geschah mit dem Leibe, denn begraben wird ein Leib. Das andere muß auch mit dem Leibe geschehen, denn auferweckt wird ebenfalls ein Leib. Also die neutestamentlichen Zeugnisse lassen keinen Zweifel daran, daß die Auferstehung leibhaftig zu verstehen ist. Jede Ausflucht ist uns verwehrt, jede Ausflucht, die vielleicht ein rationalistisches Denken befriedigen mag. Aber diese Ausflucht ist eine Abwendung vom Zeugnis der Apostel.

Wir müssen darum sehr wohl unsere Worte wählen, wenn wir von der Auferstehung sprechen. Unter Gläubigen, die sich über den Sinn der Kunde des Ostermorgens einig sind, genügt es im allgemeinen, von der Auferstehung zu sprechen. Aber überall da, wo der Zweifel nagt, sollten wir von der leibhaftigen Auferstehung reden. Die Kirche weiß um diese Zusammenhänge.

Im Missale Pauls VI., das seit einigen Jahren im Gebrauch ist, und zwar im lateinischen Missale Pauls VI., ist im 1. Kanon die Rede von der Auferstehung Jesu secundum carnem – nach dem Fleische, also leibhaftig. Im deutschen Missale, das in unseren Kirchen fast nur noch Verwendung findet, steht von der leibhaftigen Auferstehung kein Wort. Da ist nur von der Auferstehung die Rede. Man hat die beiden Worte, die im Lateinischen stehen, glatt unterschlagen – secundum carnem – nach dem Fleische. Warum denn? Ich weiß es nicht. Es gibt Vermutungen, aber ich weiß es nicht. Wenn wir genau sprechen wollen, müssen wir uns an das halten, was im lateinischen Missale steht, und da heißt es: „Er ist auferstanden nach dem Fleische.“ Die leibhaftige Auferstehung verbürgt die Identität des irdischen Jesus mit dem erhöhten Heiland. Es hat ja auch, wenn man vom Wortsinn ausgeht, überhaupt keine Bedeutung, wenn man von Auferstehung spricht und nicht die leibhaftige Auferstehung meint. Denn selbstverständlich geht diese Aussage auf den Leib.

Als die Emmausjünger nach Jerusalem zurückkehrten, meldeten sie, daß sie den Auferstandenen auf dem Wege gesehen und ihn eingeladen hatten zu einer Abendmahlzeit. Sie sagten: Der Herr ist auferstanden. Da tönt es ihnen bedeutsam entgegen: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden.“ In dem Worte 'wahrhaft' wird die Wirklichkeit, die leibhaftige Wirklichkeit der Auferstehung hervorgehoben. Und so tut es die ganze russische Kirche, wenn sie nicht müde wird zu rufen: „Der Herr ist auferstanden, der Herr ist wahrhaft auferstanden!“

Und so wollen auch wir, meine lieben Freunde, in unserer gläubigen Überzeugung daran festhalten: Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Er ist dem Leibe nach lebendig geworden. Gott hat ein unendliches Wunder seiner Allmacht gewirkt.

Amen.

 

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