Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Mai 1990

Die Einsetzung des eucharistischen Sakramentes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Was man nicht kennt, das schätzt man nicht. Dieser Grundsatz gilt auch vom Höchsten, was in unserer Kirche an Schätzen enthalten ist, nämlich vom eucharistischen Opfersakrament. Wegen dieses Zusammenhanges haben wir uns vorgenommen, an einer ganzen Reihe von Sonntagen dieses Geheimnis in seinen verschiedenen Schichten und Gestalten vor unserem geistigen Auge vorüberziehen zu lassen. Selbstverständlich muß jede Belehrung über das eucharistische Opfersakrament ihren Ausgang nehmen von dem, was im Obergemach in Jerusalem geschah an jenem Abend, da der Herr überliefert wurde. Und so wollen wir am heutigen Sonntag drei Fragen stellen und zu beantworten versuchen, nämlich

1. Was tat der Herr an jenem Abend?

2. Welches ist der Sinn dessen, was er da tat?

3. Was wollte er, daß seine Jünger tun sollten?

Die erste Frage lautet: Was tat der Herr an jenem Abend, da er überliefert wurde? Die Antwort geben uns die drei ersten Evangelisten, die sogenannten Synoptiker. Sie sagen uns: Der Herr hielt ein Ostermahl. Er feierte das Paschamahl, und im Rahmen dieser Feier begründete er das, was wir als das eucharistische Opfersakrament bezeichnen.

Das Paschamahl kann man nur begreifen, wenn man seine Entstehung kennt. Die Entstehung des Paschamahles weist uns nach Ägypten. Dort wurde das Volk Israel in der Knechtschaft gehalten. Es schmachtete unter den Banden, die die Ägypter ihm angelegt hatten, aber Gott hatte beschlossen, es zu befreien. Doch der Pharao, der König von Ägypten, wollte es nicht ziehen lassen. Da verhängte Gott über ihn und sein Land die Plagen. Als er immer noch Widerstand leistete, kam die zehnte, die furchtbarste Plage über die Ägypter: Alle Erstgeburt wurde in einer Nacht vertilgt.

Aber nicht so geschah den Israeliten. Ihre Erstgeburt sollte vor der Strafe bewahrt bleiben. Und damit der Würgengel beim Vorübergang (der Vorübergang heißt hebräisch pascha) wüßte, welches Haus er zu verschonen hatte, sollten die Israeliten ein fehlerloses Lamm schlachten, das Blut an die Türpfosten und an die Oberschwelle streichen, das Lamm, gerüstet zum Aufbruch, verzehren, und auf diese Weise würde ihre Befreiung vonstatten gehen. Und so geschah es. Zur Erinnerung an diese wunderbare Errettung trug der Herr dem Volk Israel auf, jedes Jahr einmal das Osterfest zu feiern, das Paschafest, wo sie so verfahren sollten, wie sie in Ägypten gehandelt hatten. Und eben das hat der Herr am letzten Abend vor seinem Tode getan. Er hat das Paschamahl gehalten.

Das Paschamahl war so aufgebaut, daß vier Becher getrunken wurden, und zwischen den Bechern fanden Gebete statt, vor allem das große und das kleine Hallel in den Psalmen 115 bis 118. Es wurden Bitterkräuter genossen zur Erinnerung an die Bitternis in Ägypten, ungesäuertes Brot gegessen und vor allem das Osterlamm verzehrt, das Osterlamm, das vorher im Tempel von Jerusalem geopfert ward und das jetzt als geopfertes Lamm auf dem Tische lag. So hat es der Herr getan, und das ist deutlich erkennbar etwa im Lukasevangelium. Da wird nämlich zweimal vom Trinken berichtet, das erstemal vor dem, was wir eucharistisches Opfersakrament nennen; das ist der sogenannte erste Becher. Erst später, nachdem das Mahl seinen Fortgang genommen hatte, setzte der Herr das eucharistische Opfersakrament ein. Da sprach er: „Nehmet und esset, das ist mein Leib! Nehmt ihn und teilt ihn unter euch, diesen Becher, das ist mein Blut!“ Das also ist es, was der Herr am letzten Abend seines irdischen Lebens getan hat. Er hat im Rahmen des Paschamahles eine neue Feier gestiftet.

Die Evangelisten legen auf das Paschamahl gar keinen Wert, Markus und Matthäus am allerwenigsten. Warum nicht? Deswegen, weil sie gar nicht an dem Alten interessiert sind, das vergangen ist, sondern an dem Neuen, das jetzt heraufkommt. Ihr Blick ist allein auf das gerichtet, was der Herr an Neuem getan und ihnen zu tun aufgetragen hat.

Die zweite Frage lautet: Was ist der Sinn dessen, was der Herr getan hat? An erster Stelle ist darauf hinzuweisen, daß er einen neuen Bund gestiftet hat. „Das ist der Neue Bund in meinem Blute“, heißt es bei Lukas und entsprechend beim Apostel Paulus. „Das ist der Neue Bund in meinem Blute.“ Hier wird also eine Bundesstiftung vollzogen, und das Medium, wenn ich so sagen darf, denn das griechische Wort en to haimati ist kausal und instrumental, ist das Blut, das heißt der geopferte Christus.

Die Jünger waren nicht unvorbereitet. Sie wußten, daß ein solcher neuer Bund schon in alten Verheißungen angekündigt war. Im 31. Kapitel bei Jeremias haben sie gelesen: „Denn siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da schließe ich einen neuen Bund mit Israels Haus und Judas Haus. Nicht einen Bund, wie ich geschlossen mit ihren Vätern, als ich sie bei der Hand nahm aus Ägypten. Nein, dieser neue Bund besteht darin: Ich lege mein Gesetz in ihr Herz und schreibe es in ihre Seele. So werde ich ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ Daran erinnerten sie sich, als der Herr sagte: „Das ist der Neue Bund in meinem Blute.“ In meinem Blute! Bundesschlüsse waren regelmäßig von Opfern begleitet Bei den Opfern wurde das Kostbarste dargebracht, was ein Volk von Nomaden und Viehzüchtern hatte, nämlich die Tiere. Junge, makellose Rinder wurden geopfert oder auch ein Lamm, wie es in Ägypten war, wo ja das Volk in der Sklaverei lebte und nicht über großen Besitz verfügte. Aber in jedem Falle wurde Blut vergossen, Blut, was das Kostbarste ist, das in der Menschen-, aber natürlich auch in der Tierwelt vorhanden ist, das Blut als Symbol der Ganzhingabe. So war es beim Paschaopfer. Das Blut der Lämmer wurde verschüttet und das Lamm, das geopfert ward, auf den Tisch gelegt und dann von den Israeliten verzehrt. Diesem Blute des Lammes stellt der Herr nun sein Blut entgegen, und das ist die ungeheure Überhöhung des Neuen Bundes gegenüber dem Alten. „Nicht das Blut von Böcken und Stieren“, wird bald der Verfasser des Hebräerbriefes schreiben, „reinigt uns von toten Werken, sondern das Blut unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus.“

Der Bundesschluß in Ägypten wurde besiegelt am Sinai, wo das Gottesgesetz zu den Menschen kam. Da wurde ebenfalls ein Opfer dargebracht. Junge Männer schlachteten Stiere, und Moses nahm das Blut, goß es am Altar aus, besprengt das Volk mit dem Blut und sprach dazu: „Das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat aufgrund all dieser Gebote.“ So heißt es im Buche Exodus. Diese Gedanken greift der Herr auf beim letzten Abendmahl und setzt dem Blute von Tieren sein eigenes Blut entgegen. Auch sein Bund wird im Blute geschlossen, aber im Blute des Gottessohnes, im Blute des makellosen Lammes, im Blute unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Und wer mit diesem Blute Gemeinschaft gewinnt, dem geht es ebenso wie den Israeliten in Ägypten: Der Würgengel geht vorüber; dieses Blut rettet vor dem Untergang, denn dieses Blut wird vergossen, damit die Herrschaft von Sünde, Tod und Teufel gebrochen werde.

Dieses Blut gab der Herr den Seinen zu trinken. Nicht in der natürlichen Gestalt, sondern unter der fremden Gestalt des Weines gab er den Seinen sein Blut zu trinken. „Trinket alle daraus!“ Was also in dem Becher war, das war sein Blut, jedoch unter der Gestalt des Weines. „Das Blut, das für euch vergossen wird.“ In dieser Wendung kündigt sich an, daß das Blut Opferblut ist. „Für euch!“ Nicht für mich wird es vergossen, sondern für euch. Was hier den Jüngern gegeben wird, ist stellvertretend vom Herrn dargebrachtes Opferblut. Natürlich wird das reale Vergießen dieses Blutes nicht hier und jetzt vollzogen. Wenn das Präsens steht, also die Zeitform der Gegenwart, dann ist das nicht so zu verstehen, daß noch im Abendmahlssaal diese blutige Vergießung erfolgt, sondern es verweist selbstverständlich auf das Kreuz. Das Präsens kann auch eine nahe Zukunft anzeigen. Und eben das geschieht hier. Das Blut des Herrn wird real vergossen am Kreuze. Aber eben dieses am Kreuze vergossene Blut macht er den Seinen jetzt schon in Vorwegnahme – in Vorwegnahme! – des Kreuzesopfers zugänglich. Und ähnlich ist es mit seinem Leib. „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Nicht jetzt wird er geopfert, sondern morgen, am Kreuze, am blutigen Karfreitag. Aber dieser Leib ist hier gegenwärtig, und diesen Leib gibt der Herr den Seinen zur Nahrung. „Esset davon!“ Das ist mein Leib für euch, für euch hingegeben am blutigen Karfreitag. Das also ist der Sinn dessen, meine lieben Freunde, was der Herr im Abendmahlssaal getan hat, eine Vorwegnahme des Kreuzesopfers, eine Vorwegnahme des blutigen Opfers, das er am nächsten Tage vollziehen wollte, und zwar in der Weise, daß diejenigen, die um ihn herumsitzen, teilnehmen an diesem Opfer, indem sie sich die Opferspeise zur Nahrung ihrer Seele einverleiben.

Drittens: Was hat der Herr seinen Jüngern zu tun befohlen? „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ So hat er gesprochen. Er wollte also, daß diese Vorwegnahme, diese mystische Vergegenwärtigung seines Kreuzesopfers immer wieder vorgenommen werde. Sie sollte nicht aufhören bis zum Ende der Tage. Und die Jünger haben diese Weisung des Herrn verstanden. Der zeitlich älteste Zeuge ist ja wohl der Apostel Paulus in seinem 1. Korintherbrief. Da schreibt er den wunderbaren Satz: „Sooft ihr dieses Brot esset und sooft ihr diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt.“ Verkündet ihr den Tod des Herrn. Nicht zuerst dadurch daß darüber gesprochen wird. Das mag auch geschehen sein und ist auch durchaus berechtigt, aber die hier gemeinte Verkündigung des Todes des Herrn ist zuerst eine Tathandlung. Indem sie das tun und vollziehen, was der Herr getan und vollzogen hat, verkünden sie den Tod des Herrn, setzen sie den Tod des Herrn gegenwärtig, nehmen sie wie der Herr eine wirklichkeitserfüllte Gedächtnisfeier des Todes des Herrn vor. Ja, das ist das eucharistische Opfersakrament, ein Gedächtnis. Aber ein wirklichkeitserfülltes Gedächtnis. Bald wird in Oberammergau das Passionsspiel aufgeführt werden. Das ist auch ein Gedächtnis des Sterbens unseres Herrn und Heilandes, aber es ist kein wirklichkeitserfülltes Gedächtnis, denn der Herr ist dabei ja nicht wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig. Da erscheinen nicht die Opferelemente, Leib und Blut. Was aber in der Eucharistie, im eucharistischen Opfersakrament geschieht, das ist ein wirklichkeitserfülltes Gedächtnis des Opfertodes unseres Herrn und Heilandes. Das ergibt sich auch aus einer anderen Stelle des 1. Korintherbriefs. Da kommt der Apostel Paulus auf die Christen zu sprechen, die gleichzeitig am eucharistischen Opfersakrament teilnehmen und an den Götzenopferfeiern der Heiden. Ja, wie ist denn so etwas möglich? fragt er. Wer das Götzenopferfleisch ißt, der hat doch teil am Götzenopfer, der steht doch gleichsam am Altare, der ist doch auch an der Opferhandlung beteiligt, der opfert doch mit. Infolgedessen, wenn man jetzt die Analogie zum eucharistischen Opfer auszieht, muß man sagen: Wer an der Eucharistiefeier teilnimmt, der hat teil am Opfer Christi. der steht ebenfalls am Opferaltar, der opfert ebenfalls mit. Und das ist unverträglich. „Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der bösen Geister. Ihr könnt nicht am Tische des Herrn teilnehmen und am Tische der Dämonen.“

Die Jünger haben also aufgenommen, was der Herr ihnen aufgetragen hat. In der Apostelgeschichte, die uns das Werden der jungen Kirche schildert, heißt es im 2. Kapitel: „Die ersten Christen, dreitausend, die gläubig wurden auf die Petruspredigt hin, hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebet.“ Am Brotbrechen. Sie setzten also das fort, was der Herr beim letzten Abendmahl getan hatte. Sie nahmen wie der Herr die Opferelemente in die Hand und sprachen darüber die Worte, die der Herr gesprochen hatte, und auf diese Weise vollzogen sie die erhabene Feier, die der Herr den Seinen zum Gedächtnis überlassen hatte.

Diese Feier, meine lieben Freunde, soll und darf nicht aufhören. Sie ist schicksalhaft verknüpft mit dem katholischen Priestertum. Das eucharistische Opfersakrament steht und fällt mit dem Priestertum der katholischen Kirche. Deswegen wollen wir den heutigen Tag zum Anlaß nehmen, in besonderer Weise dem geschändeten und vielfach verunglimpften Priestertum der katholischen Kirche unser Gedächtnis zu weihen, wollen um gute und heilige Priester beten und wollen uns auch im täglichen Leben bemühen, den Priestern ihren Dienst, vor allem den herrlichen Dienst am eucharistischen Opfersakrament zu erleichtern durch unsere Teilnahme, durch die Treue, mit der wir daran teilnehmen, durch unsere Dankbarkeit für das, was der Herr getan und den Seinen zu tun aufgetragen hat. Amen.

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