Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Januar 2012

Der treue Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Treue ist eine Tugend, sie ist jene Tugend, die zur Erfüllung eines gegebenen Versprechens anhält. Die Treue steht in enger Beziehung zur Wahrhaftigkeit und zur Gerechtigkeit. Die Wahrhaftigkeit verpflichtet uns,  dass Worte und Taten übereinstimmen. Die Treue gebietet, den Worten Taten folgen zu lassen. Das Versprechen gibt dem anderen, dem wir es machen, ein Anrecht, dass es erfüllt wird. Und die Gerechtigkeit gebietet, dieses Versprechen zu erfüllen.

Eine wesentliche Eigenschaft unseres Gottes ist die Treue. Wir haben einen treuen Gott.  Das Alte Testament spricht oft davon, dass Gott ein treuer Gott sei. Gott ist der Fels, so heißt es im Deuteronomium. Er tut nichts halb; alle Seine Wege sind gerecht. Ein Gott der Treue ist Er und nicht des Trugs. Er ist gerecht und zuverlässig. Wegen dieser Treue Gottes haben wir Vertrauen zu Ihm. Wir wissen, dass Gott die Verheißungen, die Er gegeben hat, erfüllen kann und will und wird. Die Treue Gottes ist eigentlich nichts anderes als die Wahrhaftigkeit in Seinen Verheißungen. Seine Drohungen und Seine Verheißungen gehen in Erfüllung. Am Anfang, im Urzustand, im Paradiese gab Gott den Menschen ein Gebot: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, nur von  einem nicht, der in der Mitte steht. Wenn du davon isst, mußt du sterben.“ Das erste Menschenpaar aß und musste sterben. Die Drohung ist eingetreten. „Alle Menschen müssen sterben, weil sie Adams Sünde erben.“

Gott hat aber am Anfang auch eine Verheißung gemacht: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Menschengeschlechte, zwischen der Frau und dem Nachkommen, dem Sproß; du wirst ihm den Kopf  zertreten, er aber wird dich an der Ferse verletzen.“ Der Schlangentreter, der Kopfzertreter ist gekommen. Wir nennen Ihn Jesus von Nazareth. Gott bedient sich der Drohungen und der Verheißungen, um unseren schwachen Willen mächtig zu bewegen. Vom Eintritt der Drohungen soll uns die Furcht abhalten und zu der Erfüllung der Verheißungen soll uns die Hoffnung tragen.

Auch das Neue Testament weiß um die Treue Gottes. An vielen Stellen wird sie ausgesprochen: „Getreu ist der, der euch berufen hat“, schreibt Paulus an die Thessalonicher.  „Er wird es auch vollenden.“ „Gott ist treu. Er wird euch stärken und vor dem Bösen bewahren“, schreibt er wiederum an die Gemeinde in Saloniki. „Gott ist treu, Er wird euch  nicht über eure Kräfte versuchen lassen, sondern mit der Versuchung auch den guten  Ausgang geben“,  so tröstet der Apostel die Gemeinde in Korinth. Jesus ist treu. Was Er verheißt, was Er vorhersagt, das trifft ein, das wird erfüllt.

Dreimal hat der Herr den Jüngern das Leidensschicksal angekündigt. „Wie Moses die Schlange in der Wüste erhöhte, so muss der Menschensohn erhöht werden.“ „Damit deutete Er auf die Art, wie Er sterben sollte“, sagt Johannes, nämlich erhöht am  Kreuze. Petrus wollte vom Leiden des Heilandes nichts wissen. „Herr“, sagt er, „Herr“, „wenn es sein muss, bin ich bereit, mit Dir in den Kerker und in den Tod zu gehen.“ Wie der Herr vorhergesagt, so ist es eingetreten. Jesus erwidert: „Ich sage dir, Petrus, heute wird der Hahn nicht krähen, bis du dreimal verleugnet hast, dass du mich kennst.“ Jesus hat dem Petrus verheißen: „Der Satan hat verlangt, euch zu sieben wie man den Weizen siebt, aber Ich habe für dich  gebetet, dass dein Glaube nicht wanke, und wenn du einmal bekehrt bist, dann stärke deine Brüder.“ Ein Wort, das sich in zweitausend Jahren Kirchengeschichte erfüllt hat. Seit zweitausend Jahren stärkt Petrus, stärken seine Nachfolger in Rom die Brüder im christlichen Volke. Sie wahren den  Glauben, sie leiten den Fortschritt in der Erkenntnis, sie erhalten die apostolische Hinterlassenschaft.

Als der Heilige Vater vor einiger Zeit in Deutschland weilte, erwarteten manche, wie der Herr Bundespräsident, dass er die Gebote Gottes lockern würde. Benedikt XVI. hat lieber Beschimpfung und Schmach auf sich genommen, als dass er gegen Gottes Gebot gehandelt hätte. Er will es nicht den Menschen recht machen, er will es Gott recht machen. Noch immer erfüllt sich die Verheißung des  Herrn:  „Du aber stärke deine Brüder.“

Im Jahre 70 n. Chr. wurde der herrliche Tempel in Jerusalem zerstört, wie der Herr es vorausgesagt hatte. „Kein Stein wird auf dem anderen bleiben.“ Nach einer Weissagung des Propheten Daniel soll der Tempel, wenn wir die Weissagung richtig verstehen, nie mehr aufgebaut werden. Aber einer  hat es versucht. Im Jahre 361 unternahm es Kaiser Julian, der Abtrünnige, den Tempel von neuem aufzubauen. Aber was geschah? Ein Erdbeben zerstörte die Grundmauern,  Feuer kam aus der Erde und verzehrte die Bauleute.

Gott ist treu. Es werden also auch die Verheißungen in Erfüllung gehen, die noch nicht erfüllt sind. Es wird keine Zeit kommen, wo es die katholische Kirche nicht mehr geben sollte. Es wird keine Zeit kommen, wo es keinen Papst mehr geben würde. Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Die Kirche hat die Verheißung der Unzerstörbarkeit. Jesus hat sich als den Richter der Lebenden und der Toten bekannt. Der Menschensohn wird in der Herrlichkeit Seines Vaters mit den Engeln kommen und dann einem jedem vergelten nach seinem Werke.

Wir warten auf dieses Weltgericht, wir warten auf das Kommen des Herrn, aber wir wissen, dass wir nichts dagegen halten können. Einmal wird der Tag sein, einmal wird die Stunde schlagen. „Denn Gott“, so sagt Paulus in Athen, in der Universitätsstadt Athen, „denn Gott hat einen Tag festgesetzt, an dem Er die Welt richten will durch einen Mann, den Er dazu bestellt und durch die Auferweckung von den Toten beglaubigt hat.“ Wir wissen, wer dieser Mann ist. Es ist Jesus, der Nazarener.

Gott gewährt Treue, Gott erwartet aber auch Treue. Er hat einen Bund geschlossen und ein Bund ist immer zweiseitig. Beide Bündnispartner müssen den Bund bewahren. Er verlangt also die Treue zum Bekenntnis. Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich auch vor meinem Vater im Himmel bekennen. Treue im Bekenntnis, meine lieben Freunde, trotz aller Geringschätzung, Zurücksetzung, Verfolgung. Treue im  Bekenntnis, Treue im täglichen Leben – alles, was ihr tut in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus. Denn wer im Geringsten treu ist, der ist auch  treu im Größeren. Und wer im Kleinen ungerecht ist, der ist es auch im Größeren. In dem Gleichnis von den Talenten werden die beiden Männer gerühmt, die mit den Talenten gearbeitet haben. „Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, will ich dich über vieles setzen.“

Treue in der Ehe. „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, der bricht die Ehe. Und wenn die Frau ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, dann bricht sie die Ehe“, so lautet die Formulierung des Gesetzes bei Markus. Unsere Kirche weigert sich seit zweitausend Jahren, den Ehebruch zu segnen.  Sie steht allein, sie steht allein auf der ganzen Erde. Alle anderen beugen sich der menschlichen Schwäche. Man sagt, die Kirche soll barmherzig sein und die Zweitehe gestatten. Ich bin der Meinung, das Gebot, die Ehe nicht  zu scheiden, das Verbot der Ehescheidung ist Ausdruck der göttlichen Barmherzigkeit. Weil Gott weiß, wie unbeständig der Mensch ist, deswegen hat Er verfügt, dass Mann und Frau sich nicht trennen dürfen. Die Unauflöslichkeit der Ehe verbürgt die Beständigkeit. Der eine kann sich auf den anderen verlassen, wenn immer er sich an das Gebot des Herrn hält. Dank der Unauflöslichkeit sind die Gatten aufgerufen, sich in der Ehe zusammenzunehmen und in der Ehe etwas hinzunehmen. Das sind die beiden Pfeiler, auf denen die gute Ehe ruht: Sich zusammennehmen und etwas hinnehmen. Ich bin überzeugt, dass die Unauflöslichkeit der Ehe Ausfluss der Barmherzigkeit Gottes ist.

Wir alle wissen, wieviel Untreue in der Welt ist. Katholische Christen, die ihre religiöse Praxis aufgeben, nicht mehr beichten, nicht mehr beten, die Kirche beschimpfen, die Priester verdächtigen, die Frommen schmähen; katholische Christen, die den  Glauben wegwerfen, das Taufgelübde zertreten, sich von der Kirche trennen. Wahrlich: in unserer Zeit erfüllt sich die Weissagung des Propheten Isaias: „Kinder habe ich großgezogen und zu Ehren  gebracht, doch sie sind mir untreu geworden.“ Untreue in der Ehe, Eheverfehlung, Ehetrennung, Ehescheidung – oft nach Jahrzehnten. Der Sänger Roberto Blanco, 73 Jahre alt, hat sich nach vierzig Jahren von seiner Frau getrennt. Nach vierzig Jahren von seiner Frau getrennt. Untreue in der Liebe, ach, meine lieben Freunde! Liebe, das am meisten geschändete Wort in allen Sprachen. Heiße Liebesschwüre werden zuerst ausgetauscht, und dann wird der Mann oder die Frau weggeworfen wie eine Konservenbüchse. Untreue im Amt. Wir wissen, dass sich so manche Amtsträger bereichern im Amt, ihr Amt benutzen, um sich Vorteile zu beschaffen. Sie sind der Bestechung  zugänglich.

Eine ganz schlimme Form der Untreue ist der Verrat. Unser Heiland hat ihn in bitterster Weise erlebt. „Einer von Euch wird mich verraten.“ Als die Jünger nachfragten,  ja, wer ist es denn? „Einer von den Zwölfen, der mit mir die Hand in die Schüssel taucht.“ Wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Ihm wäre besser, wenn er nicht geboren wäre.

Im Jahre 480 v. Chr. verteidigten die Griechen ihr Land gegen die Perser unter Xerxes. An einer Enge, in den Thermopylen,  hatten sie eine Abwehr aufgebaut, Griechen unter dem König Leonidas. Aber es fand sich ein Verräter, Ephialtes. Ephialtes, ein Grieche. Er führte die Perser in den Rücken der Griechen und alle wurden niedergemetzelt. Am Abend des 20. Juli 1944 sagte Graf Stauffenberg: „Sie haben mich ja alle im Stich gelassen!“

Seit dem 21. November 1942 war die sechste deutsche Armee in  Stalingrad eingeschlossen. Zweihunderttausend Männer waren umringt von mehreren russischen Armeen. Die Kälte und der Hunger nagten an ihnen. Sie hatten Mangel an Treibstoff, an Munition, an Waffen. Aber der Führer, der Führer des Reiches, versprach, sie zu befreien. „Der Führer haut uns raus“, sagten die Soldaten in Stalingrad. Aber der Führer hat sie nicht rausgehauen. Er hat sie preisgegeben.  Das war Verrat an einer ganzen Armee.

Wir treten ein, meine lieben Freunde,  in ein neues, bürgerliches Jahr 2012. Auch dieses Jahr ist ein Jahr des Herrn. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Christus derselbe gestern, heute und morgen. Wir vertrauen auf den treuen Gott. Er kann nicht anders als treu sein. Die Treue ist ihm wesenhaft eingeschlossen. Wir vertrauen auf seine Vorsehung. Die Vorsehung wirkt ihre höchsten Ziele  häufig durch scheinbare Zufälle. Wir vertrauen auf unseren Heiland. Schwer lässt der vom Menschen ab, der für ihn Blut und Leben gab. Wir wissen nicht, was das soeben begonnene Jahr bringen wird. Es ist von  Gott weise eingerichtet, dass wir die Zukunft nicht kennen. Es schützt unsere Freiheit, dass wir keinen Blick in die kommende Zeit werfen dürfen. Wir sollen selbst planen und entscheiden, was wir tun und unterlassen, ohne vom Wissen um Unausweichliches gehemmt zu sein. Wenn uns die Zukunft kund wäre, kämen  wir aus der Unruhe nicht mehr heraus.

In einem  Seebad an der Ostsee mietete sich ein Ehepaar ein Boot und ruderte weit ins Meer hinaus. Später trieb das Boot leer ans Land. Die beiden waren in den Tod gegangen. Sie hatten einen Brief hinterlassen im Hotel, sie hätten durch Astrologen erfahren, dass ein unausweichliches Schicksal auf die Frau zukomme und da wollten sie lieber eher gemeinsam in den  Tod gehen. Tatsächlich hatte die Angst vor dem Geschick ihren Tod herbeigeführt. Das Leben der Menschen untersteht dem Schöpfer, dem Schöpfer auch der Sterne. Nicht die Sterne leiten unser Leben, sondern der Schöpfer der Sterne.

Wir brauchen uns nicht an  Wahrsager zu halten. Sie sagen, was sie nicht wissen. Ihre Vorhersagen treffen nicht zu. Vor kurzem ist der Anderl  Heckmair gestorben. Wer ist Anderl Heckmair? Er ist der Besteiger der Nordwand im Eigergebirge, der Nord-Eigerwand. Die hat er bestiegen, als Erster. Und er ging einmal zu  einem Wahrsager und ließ sich seine Zukunft voraussagen. Der Wahrsager erklärte ihm, er werde eines unnatürlichen Todes sterben. Anderl Heckmair ist jetzt im Alter von 98 Jahren in seinem  Bett gestorben.

Wir können unser Vertrauen auch nicht auf Vorhersagen von Menschen setzen. Der ehemalige Finanzminister Waigel geht  unter die Propheten und verkündet, „den Euro wird es noch nach 400 Jahren geben“. Naja, ob das eintreffen wird?

Der Ewige Gott hält die Fäden unseres Geschickes in Seinen  Händen. Alles, was Gott über uns kommen lässt, wird in seiner Hand zum Segen.

„Von  guten Mächten wunderbar geborgen

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns, am Abend und am Morgen

und  ganz gewiß an jedem neuen Tag.“

Das wollen wir erstreben, meine lieben Freunde, was Gott von uns erwartet. Das wollen  wir tun, was Er uns aufgetragen hat.

„In ihm sei's begonnen, der Monde und Sonnen

an  blauen Gezelten des Himmels bewegt.

Du Vater, Du rate, lenke Du und wende,

Herr,  Dir in die Hände sei Anfang und Ende,

sei alles gelegt.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt