Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Juli 2008

Das Gleichnis vom ungerechten Verwalter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Da ist es wieder, dieses Ärgernis erregende Evangelium. Ärgernis erregend, ja. Die Gegner des Christentums nehmen das Gleichnis zur Zielscheibe schwerer Vorwürfe gegen Jesus, seine Verkündigung und die Kirche. Sie stolpern über die Worte: „Der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte.“ Daraus wird nun fälschlich der Schluß gezogen, Christus erkläre sich irgendwie einig mit dem Verhalten des Verwalters. Das ist ein einziges Missverständnis. Nicht der reiche Mann, ein Großgrundbesitzer, wie es sie in der Zeit Jesu, vor allem in Galiläa, gab, nicht der reiche Mann ist die Hauptgestalt des Gleichnisses, sondern der Verwalter. Er wird bei seinem Herrn angeklagt, dass er seine Güter veruntreue, ob mit Recht oder nicht, bleibt unklar, ist auch für das Gleichnis gar nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass der Herr der Klage Glauben schenkt und es dem Verwalter nicht gelingt, das erschütterte Vertrauen wieder zu gewinnen. Er wird seines Amtes entsetzt und zur Rechenschaft gezogen, d. h. er muss alle Rechnungen vorlegen, alle Schuldscheine, die der Herr offenbar bisher nicht geprüft hat; vielleicht lebte er sogar im Ausland.

In dem Selbstgespräch, das jetzt das Gleichnis wiedergibt, wird gezeigt, dass der Mann mit Überlegungen für seine Zukunft beschäftigt ist. Etwa durch Bitten bei seinem Herrn etwas zu erreichen, sieht er offenbar als aussichtslos an. Nun gibt es aber zwei andere, anständige Wege, um sein Auskommen nach der Entlassung zu finden. Er könnte graben, d.h. er könnte schwere körperliche Arbeit tun. Oder er könnte betteln, also durch Fechten seinen Lebensunterhalt verdienen. Doch beides kommt aus verschiedenen Gründen für ihn nicht in Frage. Aber da kommt ihm ein rettender Gedanke, dessen Ausführung ihm über alle Zukunftssorgen hinweghelfen kann. Er ist entschlossen, mit absoluter Skrupellosigkeit und auf Kosten seines Herrn sich selbst zu helfen. Er nutzt die kurze Frist, die er noch hat; er muss ja die Papiere vorlegen. Und seine Überlegungen führen ihn zu der Erkenntnis, dass alles darauf ankommt, seine Vollmacht, die er noch für kurze Zeit besitzt, für die Sicherung seiner Zukunft zu benutzen. Er macht es so, dass er sie Schuldner seines Herrn, mit denen abzurechnen ja immer noch seine Aufgabe ist, kommen lässt und ihnen weitgehend entgegenkommt, indem er ihre Schuld herabsetzt. Er lässt jeden einzeln kommen. Das ist natürlich verständlich, denn solche Geschäfte, wie er sie vorhat, kann man nur einzeln, unter vier Augen, machen. Die Frage, wieviel der Schuldschein enthält, ist nicht zu dem Zweck gestellt, dass er sich selber informiert. Er weiß es ja, denn er hat ja die Schuldscheine in Händen, sondern das gehört zu der lebensvollen Darstellung und dient dem Verständnis des Zuhörers. Er lässt also einen nach dem anderen kommen, zwei nur werden vorgeführt. Der erste schuldet dem Herrn 100 Bat Öl. Ein Bat sind 36 Liter. 100 Bat Öl ist so viel wie der Jahresertrag von 160 Ölbäumen, der Jahresertrag von 160 Ölbäumen, das ist eine gewaltige Menge. Und bei dem anderen ist der Wert der Schuld nicht geringer: 100 Kor Weizen. Ein Kor sind 10 Bat, also auch eine gewaltige Menge. Die Schuld wird bei beiden ungefähr gleich sein. Die Schuldscheine werden jetzt geändert, und zwar so, dass der alte Schein durch einen neuen ersetzt wird. Die neuen Schuldurkunden gewinnen verpflichtende Kraft durch die Unterzeichnung für beide Beteiligte, und das sichert dem Verwalter die Zukunft, denn die Schuldner werden sich dank dieser Manipulation dankbar zeigen und ihn in ihre Wohnungen aufnehmen. Er braucht sich also für die Zukunft keine Sorgen zu machen.

Und jetzt kommt der entscheidende Satz: „Der Herr lobte den ungerechten Verwalter.“ Er lobte ihn wegen seiner Klugheit, nicht wegen seiner Ungerechtigkeit. Er wird nicht umsonst der ungerechte Verwalter genannt, weil der Herr an der Ungerechtigkeit überhaupt nicht rüttelt, aber er lobt seine Klugheit, dass er seine Vollmacht benutzt hat in der Zeit, wo er noch darüber verfügt, um für seine Zukunft zu sorgen. In der Klugheit, und in nichts anderen, liegt die Vorbildlichkeit seiner Handlung. Das ist immer so bei den Gleichnissen, die der Herr erzählt. Es ist ein einziger Zug, auf den es ankommt, alles andere ist Beiwerk. Und dieser Zug, auf den es hier ankommt, ist die Klugheit des Verwalters. Dadurch verliert das Gleichnis seine Bedenklichkeit. Mathilde Ludendorff, die die Älteren unter Ihnen vielleicht noch kennen, Mathilde Ludendorff, die in den 30er Jahren eine eigene Religionsgemeinschaft stiftete, hat wegen dieses Gleichnisses die katholische Kirche in schwerster Weise verdächtigt. Sie hat es nicht verstanden.

Es ist auch gar keine Frage, dass mit dem Herrn, der hier lobt, Jesus selber gemeint ist. Er lobt nicht den Betrug, und noch viel weniger empfiehlt er seinen Jüngern, nun auch zu betrügen, um sich Freunde zu machen. Er lobt nur die Klugheit des Mannes. Klüger, als er gehandelt hat, hätte er in seiner Lage gar nicht handeln können. Und allein darin setzt Jesus ihn, der gerade jetzt betont ihn als ungerechten Verwalter bezeichnet, ihn zum Vorbild. Und dann kommt eine sentenzenartige Schlussfolgerung, eine allgemeine Begründung, nämlich: Die Kinder dieser Welt sind im Verkehr mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Hier werden also zwei Gruppen von Menschen gegenübergestellt. Kinder dieser Welt. Wer ist damit gemeint? Nun, da wir wissen, dass nach dem Evangelium die Welt im argen liegt, dass der Teufel der Herrscher dieser Welt ist, muss man annehmen, dass die Kinder dieser Welt solche sind, die sich dieser im argen liegenden Welt verpflichtet halten und die dem Teufel als ihrem Herrn dienen. Weltmenschen sind das, Kinder dieser Welt. Kinder des Lichtes dagegen sind jene, die sich vom Glauben haben erleuchten lassen, die aus der Finsternis in das Licht Christi eingetreten sind, die jetzt als Kinder des Lichtes zu wandeln berufen sind.

Und jetzt kommt die Mahnung und, wenn Sie wollen, der Tadel an die Kinder des Lichtes. Sie tun nämlich weniger für ihr himmlisches Ziel, als die Weltmenschen für ihr irdisches Ziel unternehmen. Sie sollten sich bei der ungleich wichtigeren Aufgabe, nämlich für das ewige Ziel zu sorgen, mehr mühen als bisher und sich an dem auf den Eigennutz ausgerichteten Verhalten der Weltmenschen ein Beispiel nehmen. Sie sollten von ihnen lernen. Wie jene, die für ihren Untergang sorgen, sollten sie für ihr Heil besorgt sein. Die Jünger bedürfen offenbar solcher Belehrung. Sie sind zwar aus dieser Welt und ihren Bindungen durch Jesus herausgenommen, und sie sind in das Licht gestellt, das Gott umgibt und das in Jesus erschienen ist und wirksam geworden ist. Aber das Handeln, das Handeln nach den Maßstäben des Lichtes ist ihnen keineswegs selbstverständlich, wie es das Handeln nach den Maßstäben der Dunkelheit ist für diejenigen, die dort verblieben sind. Die Mahnung Jesu an seine Jünger lautet deswegen: „Seid nun die Menschen des Lichtes, zu denen euch Gottes vergebende Gnade gemacht hat. Und seid es bewusst und ganz. Und vor allem: Bewährt es durch die Art und Weise, wie ihr mit den Gütern dieser Welt und besonders mit dem Mammon umgeht.“ Es heißt also alles daran setzen, damit wir das ewige Leben erlangen. Oder wie es das kleine Verslein ausdrückt, das wir als Kinder gelernt haben: „Das hab ich mir vorgenommen: In den Himmel will ich kommen. Mag es kosten, was es will, für den Himmel ist nichts zuviel.“

Das Gleichnis gestattet aber noch eine andere Überlegung. Es gibt eine fundamentale Unterlegenheit des guten, himmlisch gesinnten Menschen gegenüber dem gerissenen, irdisch eingestellten Menschen. Es gibt eine fundamentale Unterlegenheit. Wieso? Erstens, der himmlisch eingestellte Mensch setzt nicht seine ganze Kraft und nicht alle seine Unternehmungen für irdische Ziele ein. Er verwendet einen Teil seiner Kraft für das jenseitige Ziel, zum Beispiel, dass er sonntags in die Kirche geht. Der irdisch eingestellte Mensch dagegen benutzt alle seine Kräfte dazu, auf Erden Gewinn zu machen, voranzukommen, und in dieser rücksichtslosen Entschlossenheit ist er dem himmlisch eingestellten Menschen überlegen. Zweitens, der himmlisch eingestellte Mensch ist bei Streitigkeiten leichter geneigt nachzugeben als der irdisch gesinnte Mensch. Er weiß, es gibt wichtigere Dinge als Besitz und Genuß. Der irdisch eingestellte Mensch dagegen beharrt unerbittlich auf seinen Forderungen. Er gibt nicht nach. Dadurch ist er dem himmlisch eingestellten Menschen überlegen. Er kommt leichter zu seinem Ziel. Drittens, der himmlisch eingestellte Mensch verzichtet bei seinen irdischen Bestrebungen auf Tricks und Winkelzüge. Er verzichtet auch auf den Ellenbogen. Er verzichtet erst recht auf unlautere Mittel. Dadurch ist er dem irdisch gesinnten Menschen unterlegen. Der irdisch eingestellte Mensch bedient sich aller Mittel, um seine Bestrebungen zum Erfolg zu führen. Er schreckt vor Täuschung und Lüge nicht zurück. Dadurch ist er dem himmlisch eingestellten Menschen überlegen.

Der Herr knüpft an dieses Gleichnis noch eine weitere Anwendung, nämlich die: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit man euch, wenn es zu Ende geht, in die ewigen Hütten aufnehme.“ Freunde machen mit dem ungerechten Mammon. Das Wort „ungerecht“ vor dem Mammon zeigt, dass eben leicht beim Gewinnstreben Unrecht unterlaufen kann. Wenn wir in unser Herz schauen, können wir vielleicht auch feststellen, dass wir bei dem Bestreben, Gewinn zu machen, nicht immer Gottes Willen getan haben. Deswegen die Bezeichnung des Mammons als „ungerecht“. Und der Herr fordert nun auf, den ungerechten Mammon so zu benutzen, dass man sich Freunde macht im Himmel. Wer ist denn damit gemeint? Es ist niemand anders gemeint als Gott selber, denn er ist es, der die Gerechten belohnt und die Ungerechten bestraft. Er ist es, der urteilt, wie wir mit dem Mammon umgegangen sind. Und wenn wir recht damit umgegangen sind, dann wird der Herr uns in die „ewigen Hütten“ aufnehmen. So heißt es nämlich im griechischen Text: in die ewigen Hütten, nicht Wohnungen. Und das ist offenbar im Gegensatz gesagt zu den Wohnungen, in die der ungerechte Verwalter aufgenommen werden will. Wir streben nach den Hütten der Ewigkeit, in die ewigen Hütten, die der Herr für uns bereitet hat.

Was wir heute nicht vorgelesen haben, weil es im Text der heiligen Messe nicht vorgesehen ist, das geht noch weiter. Da heißt es nämlich: „Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und wer im Kleinsten untreu ist, der ist auch im Großen untreu. Wenn ihr nicht treu waret mit dem nichtigen Mammon, wird euch dann das wahre Gut anvertraut werden? Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Das ist tatsächlich eine weitere Anwendung. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder Gott diesen, dem ewigen Ziel, und alles, was wir auf Erden tun, auf dieses Ziel ausrichten, oder den irdischen Bestrebungen nachgeben, dem Mammon, also dem Verdienst, dem Gewinn, und auf diese Weise das ewige Ziel verpassen.

Wir, meine lieben Freunde, sollten aus diesem Gleichnis die Folgerung ziehen, dass uns Geld, Gut und Besitz Freunde schaffen kann im Himmel, wenn wir sie richtig verwenden. Das heißt nicht nur, dass wir Almosen geben, was auch dazu gehört. Nein, sondern dass wir eben mit dem Geld verantwortungsvoll umgehen, dass wir unseren Besitz so verwenden, wie wir es einmal vor dem Richterstuhl Gottes wollen verantworten können. Wir müssen also in die heilige Welt der wahren Werte gehen und uns vor allem an das unvergängliche Wort des Herrn erinnern: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber Schaden litte an seiner Seele?“

Amen.

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