10. Dezember 2006
Vom Sinn der christlichen Freude
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Gott hat uns nicht nur zur Arbeit geschaffen und auch nicht nur zum Kreuztragen. Er hat uns auch für die Freude geschaffen. Gewiß ist seit der Sünde, seit der ersten Sünde und den zahllosen folgenden Sünden, die Erde ein Tränental, aber auch in diesem Tränental gibt es Freuden, viele, ungezählte Freuden, und Gott will, dass wir diese Freuden sehen, genießen und uns aneignen. Wir sollen die Freuden zu geheiligten Freuden machen. In jedem Menschen gibt es einen Trieb, einen Urtrieb, einen unauslöschlichen Trieb zur Freude. Der Mensch trägt in sich die Sehnsucht nach Glück. Das ist nicht verwunderlich. Wenn der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist, und wenn Gott die Freude und die Wonne in höchstem Maße, in unausdenklichem Maße ist, dann muss auch der Mensch für die Freude geschaffen sein. Er muss Tropfen aus dem Meer der Freude auffangen können, das Gott ist. Und der Hunger nach Freude ist eine Erinnerung an Gott, der eben ein Meer von Freude ist und der uns zu seiner ewigen Seligkeit führen will. Eine Erinnerung an das verlorene Paradies und eine Mahnung, nach dem verheißenen Paradies zu streben.
Die Freude ist nicht nur ein Trieb, ein Urtrieb, sie ist auch eine Lebensnotwendigkeit. Der Mensch kann nicht leben ohne Freude. Der Mensch braucht Freude; so wie er die Sonne braucht, so braucht er die Freude. Die Arbeit und die Mühen des Tages bedingen, dass wir uns auch erholen und kräftigen müssen. Man kann nicht immer nur ausgeben und schaffen, man muss auch einmal sich der Ruhe überlassen und die Hände falten und am Feierabend sich auf ein Bänklein setzen und ausruhen. Gott selber hat ja unserer Tätigkeit eine Schranke gesetzt. Er hat uns die Nacht geschenkt, damit wir ausruhen. Er hat uns den Sonntag gegeben, damit wir einen Tag der Ruhe und der Freude besitzen. Und der Herr hat uns durch seinen Apostel den Aufruf ergehen lassen: „Freuet euch! Freuet euch allezeit im Herrn!“
Welches sind nun die Quellen der Freude? Woher schöpfen wir die Freude? O, es sind ihrer viele, meine lieben Freunde, wir müssen sie nur sehen. Die erste Freude, die uns Gott machen will, ist die Natur. Der Wald, die Bäume, die Blumen, die Berge, das Meer, der rauschende Bach, das alles sind Freudenquellen. Die Natur reicht uns Freuden mit ihren Gaben, ja mit ihrem alleinigen Dasein. Das wogende Kornfeld, die wachsende Saat, das sind Freuden. Ja selbst der Regen und der Schnee, auf den die Kinder warten, sind Freudenquellen. Die Natur ist wahrhaftig uns als Geschenk und Bote Gottes gegeben worden. Sie verweist uns auf die Allmacht und Barmherzigkeit unseres Herrn. Der Heiland hat diese Freuden zu genießen verstanden. Er hat auf die Lilien des Feldes verwiesen, und in den stillen Nächten hat er zu den Sternen emporgeschaut. Der Herr wusste, dass die Natur eine Quelle der Freude ist.
Zur Natur kommt die Kunst, das, was der Mensch mit dem Werkzeug und aus den Materien der Erde schafft. Auch das ist eine Freudenquelle. Die Kunst entschleiert uns, was die Natur verhüllt. In der Kunst spricht die entschleierte Natur zu uns, die bildende Kunst, die Dichtkunst, die Tonkunst. Ich glaube, was uns am meisten zu erfreuen vermag, ist die Musik. Ich bin kein Freund von Lenin, aber Lenin hat einmal das treffliche Wort gesagt: „Ich könnte den ganzen Tag Beethoven hören.“ Mir geht es ähnlich. Die Musik ist eine reine, eine schöne Freude, aus der wir schöpfen dürfen.
Eine Freude soll auch sein unsere Familie. Die Liebe der Gatten, die Liebe der Eltern, die Liebe der Kinder, die Liebe der Geschwister, das sollen tiefe Quellen der Freude sein, das Gemeinschaftsleben in der Familie, in der wir uns geborgen wissen. Hier soll man ungeschützt und ungedeckt sprechen und wirken dürfen. In der Familie soll man sich wohlfühlen; sie soll eine Stätte der Freude sein. Ein englischer Missionar hat einmal gesagt: „Unsere Mutter machte unser Heim zu einem Platz, der dem Himmel am nächsten war.“ Ein wunderbarer Satz. „Unsere Mutter machte unser Heim zu einem Platz, der dem Himmel am nächsten war.“ Die Verzweiflung geht durch die Welt, aber die Familie soll eine Stätte der Hoffnung und der Freude sein.
Eine Freudenquelle ist auch die Heimat, also das Dorf, die Stadt, das Land, in dem wir zu Hause sind, wo wir geboren wurden, wo die vertrauten und verwandten Menschen weilen, wo die Stätten unserer Kindheit und Jugend liegen, das Gotteshaus, in dem wir getauft wurden, in dem wir die erste heilige Kommunion empfingen, in dem wir die Sonntagsmesse besuchten, das ist Heimat. Auch die Schule, in der wir unseren Beruf vorbereiteten, wo wir lernen durften, das ist Heimat. Der Friedhof, auf dem unsere Verstorbenen ruhen, das ist Heimat. O wie glücklich, wer eine Heimat hat! Die Heimat ist eine Freudenquelle.
Dazu kommt die Arbeit. Jawohl, meine lieben Freunde, wir haben schon an vergangenen Sonntagen gesehen, dass die Arbeit eine Quelle der Freude ist. Das Schaffen, das Wirken, das Schaffendürfen, das Wirkendürfen, das ist ein Glück. Mit der Arbeit vermögen wir auch die Traurigkeit und das Leid zu überbrücken. Mir sagte einmal einer unserer Kirchenbesucher: „Wer leiden muss, braucht nicht zu arbeiten.“ Das ist völlig falsch. Wer leiden muss, der soll doppelt arbeiten, denn das Leid wird durch die Arbeit überwunden. Die Arbeit ist ein Trost im Leid. Arbeit heilt Leid am sichersten. Es ist ganz falsch, wenn man leidet, die Arbeit zu unterlassen. Der Mensch, der arbeitet, ist niemals ganz unglücklich.
Das sind also die Freudenquellen, die natürlichen Freudenquellen, die wir erschließen sollen. Dazu treten die übernatürlichen Freuden, die Freuden, die uns der Glaube eröffnet. Wir denken an Gottvater, wir dürfen seine Kinder sein. „Wir heißen nicht nur Kinder, wir sind seine Kinder“, sagt Johannes. „Seht, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind.“ Er hat uns geschaffen nach seinem Ebenbild. Wir sind keine Sklaven, sondern freie Kinder Gottes, Erben seiner Herrlichkeit. Und dieser Gott, der gewaltige Gott, ist Gesetzgeber. Er gab uns seine Gebote, und seine Gebote sind der Weg des Lebens. Seine Gebote bewahren uns vor Irrwegen, führen uns zum ewigen Ziele. „Deine Gebote sind meine Wonne“, so beten wir Priester jeden Sonntag. „Deine Gebote sind meine Wonne, nimmer will ich vergessen dein Gebot.“ Wie glücklich dürfen wir sein, dass wir die Gebote Gottes kennen. Gestern, meine lieben Freunde, bekam ich das Schlaganfall-Magazin zugesandt. Ich unterstütze immer die Schlaganfall-Hilfe. Und was steht in diesem Schlaganfall-Magazin? Da stellt sich eine Sexualtherapeutin vor und will den Schlaganfallpatienten beibringen, wie man sich sexuell befriedigen kann, ob mit oder ohne Partner, das spielt keine Rolle. Ja, was ist das eine Verirrung! Wenn man die Gebote Gottes beiseite lässt, dann kommt man zu solchen Verirrungen, und wie dürfen wir glücklich sein, dass wir die Gebote Gottes auch über der geschlechtlichen Sittlichkeit kennen! Das ist ein Glück!
Wir denken an Christus, den Sohn Gottes. Wir kennen sein Leben. Um seine Wiege, da klang das Gloria der Engel. Er war der Sonnenschein in Nazareth. Er ging Wohltaten spendend über die Lande. Aus seinem Munde kamen Worte der Heilsbotschaft, und mit seinem Befehle wurde das Meer zum Schweigen gebracht und wichen die Krankheiten. Dieser Jesus ist nicht tot. Er lebt. Er lebt auch in unseren Tabernakeln, und er lebt in unserem Herzen, wenn wir die heilige Kommunion empfangen. Wir sind Glieder seines Leibes, und das ist eine Freude. Wir sind erhaben, wahrhaftig erhaben und erhoben, weil Christus uns erhoben hat.
Wir sind auch Geschöpfe des Heiligen Geistes. Er hat uns neugeboren im Wasser der Taufe. Er hat uns das Buch der Bücher geschenkt, die Heilige Schrift. O meine Freunde, was ist das ein glückverheißendes Buch, die Heilige Schrift! Der große Regensburger Bischof Sailer hat einmal das schöne Wort gesagt: „Leben möchte ich nicht mehr, wenn ich ihn nicht mehr reden hörte.“ Wahrhaftig, so ist es. Leben möchte ich nicht mehr, wenn ich ihn nicht mehr reden hörte. Und wir hören ihn reden in seinem Buch, in der Heiligen Schrift. Der Heilige Geist hat uns dieses Buch geschenkt. Er ist wirksam in den Sakramenten der Kirche, auch und nicht zuletzt im Sakrament der Buße. Meine lieben Freunde, ich bin über 50 Jahre Beichtvater, und ich weiß, dass die Beichte ein Quell der Freude ist. Beicht macht leicht. Und deswegen sollten wir die Feier der Umkehr, die Feier der Bekehrung im Bußsakrament nicht missen und nicht aufgeben. Es gibt keine schönere Freude als das Bewusstsein eines im Bußsakrament gereinigten Gewissens.
Freuden bringen uns auch die Gottesdienste, bringt uns das heilige Messopfer, das Opfermahl mit der heiligen Kommunion. Eine Freude ist unser Gotteshaus. Es mag noch so schlicht sein, aber hier sind wir zu Hause, hier sind wir geborgen. Hier ist wahrhaftig das Zelt Gottes unter den Menschen. Ich erinnere mich, als ich als junger Mensch in Sachsen war, wie ich glücklich war, wenn ich eine katholische Kirche fand in diesem protestantischen Land. Wie glücklich dürfen wir sein über unsere Gotteshäuser! Und wie sehr dürfen wir uns freuen über das Kirchenjahr, über seine Höhepunkte mit der seligen Weihnachtszeit und dem Osterjubel. Und das alles ist ja nur ein Vorgeschmack der ewigen Himmelsfreude, der wir entgegengehen.
Das sind die übernatürlichen Freudenquellen, aus denen wir schöpfen dürfen. Wir müssen freilich aus diesen Quellen, seien sie natürlich oder übernatürlich, in der rechten Weise schöpfen. Das heißt erstens nur aus reinen Quellen der Freude schöpfen, nur aus reinen Quellen. Der Satan versteht es, uns unreine Quellen anzubieten, den Rausch, die Sensation, den Zeitvertreib. Der Satan besitzt die Gabe, uns zu verlocken, indem er uns an unreine Quellen führen will. Und wie viele Menschen verfallen dieser Verlockung! Es tut mir in der Seele weh, meine lieben Freunde, wenn ich sehe, wie Menschen mit ihrem Glückstrieb, der ja berechtigt ist, wenn sie mit ihrem Glückstrieb zu den unreinen Quellen der Freude eilen und sich damit vergiften. Nein, mit Weltfreuden kann man nicht satt werden, man wird nur ihrer satt. Die Weltfreuden sind wie Seifenblasen. Sie steigen in die Luft, und dann zerplatzen sie. Neben dem Lustbecher sinnlicher Genüsse liegt der Revolver der Verzweiflung. Deswegen, jede Freune, die anders erlangt wird als Gott es will, verwandelt sich in eine Bürde und bleibt, wenn die Freude vergangen ist, eine Last. Wir dürfen also nur aus reinen Quellen Freude schöpfen.
Und das zweite: Wir dürfen es nur im rechten Maß. Auch die Freuden sollen im rechten Maß genossen werden, nicht im Übermaß. Das Leben lehrt uns, dass Leid und Freude abwechseln wie Sonnenschein und Regen. Einen Himmel auf Erden, ein wolkenloses Glück gibt es nicht. Denken Sie an das schöne Wort: „Glück und Glas, wie leicht bricht das!“ Deswegen, die Freuden müssen im rechten Maß genossen werden, und die sinnlichen Freuden sind die höchsten nicht. Sie sind uns nicht verwehrt, aber sie müssen im rechten Maß genossen werden. Über den sinnlichen Freuden sind die geistigen Freuden, und aus denen sollen wir schöpfen. Sie sind ja auch nur Strahlen aus dem ewigen Licht. Sie sind nicht das Licht selbst, sie sind nur Strahlen aus dem ewigen Licht. Wir sollen durch die irdischen Güter hindurchgehen, dass wir die ewigen nicht verlieren.
Auf diese Weise, meine lieben Freunde, soll unsere Freude eine geheiligte Freude werden. In dieser Adventszeit mahnt uns der Apostel: „Freuet euch, Brüder! Noch einmal sage ich: Freuet euch, denn der Herr ist nahe! Euer gütiges Wesen soll allen Menschen bekannt werden. Freuet euch im Herrn!“
Amen.