Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. März 2004

Was Christen auszeichnet

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Die Christen sind auch nicht besser.“ So höre ich manches Mal in öffentlichen Verkehrsmitteln. Man liest es in Magazinen und Zeitungen: „Die Christen sind auch nicht besser.“ Wenn dieses Urteil zuträfe, wären wir die elendesten aller Menschen, und zwar aus zwei Gründen. Denn wenn die Christen nicht besser sind als die Nichtchristen, dann ist Gottes Heilsveranstaltung vergeblich, dann ist er umsonst am Kreuze für uns gestorben, denn er kam doch, um uns von den Sünden zu erlösen; er kam doch, um sich ein heiliges Volk zu schaffen; er kam doch, um uns in seine Nachfolge zu rufen. Wenn die Christen nicht besser sind als die Nichtchristen, dann wird der Name Gottes unter den Menschen geschändet, dann können die Feinde der heiligen Religion mit Recht sagen: Die Kirche hat versagt. Wenn der Vorwurf zutrifft, werden aber auch die Christen entmutigt. Sie müssen sich dann sagen: Wir waren unfähig, dem Rufe des Herrn zu folgen; wir haben uns umsonst gemüht, gearbeitet, gelitten, gekämpft, mit uns gerungen. Wenn das stimmt: Die Christen sind auch nicht besser, dann ist es vielleicht angebracht, zu sagen: „Mach dir's auf der Erde schön! Kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn!“ – Dieser Behauptung: „Die Christen sind auch nicht besser“ stelle ich zwei Thesen entgegen.

1. Die Christen tun weniger Böses als die Nichtchristen.

2. Die Christen tun mehr Gutes als die Nichtchristen.

Wenn gesagt wird: Die Christen sind auch nicht besser, dann werden nicht alle Getauften damit angezielt, sondern es richtet sich dieser Vorwurf gegen die Kirchenchristen, gegen die Gläubigen, die den Gottesdienst besuchen, die beten, die Sakramente empfangen. Von ihnen wird gesagt: Die Christen sind auch nicht besser. Und ich sage im Gegenteil: Die Christen tun im Durchschnitt weniger Böses, die Christen tun im Durchschnitt mehr Gutes als die Nichtchristen.

Der erste Satz lautet: Die Christen tun weniger Böses als die Nichtchristen. Jede Statistik weist nach: Die Ehebrüche sind bei Nichtchristen viel häufiger als bei Christen. Die Ehebrüche wachsen mit der Entfremdung von der Religion. Vor 1600 Jahren schrieb der heilige Hieronymus: „Es ist schwer, unter Häretikern einen zu finden, der die Keuschheit liebt.“ Genauso ist es. Die Nichtchristen sind weit mehr der geschlechtlichen Unordnung verfallen als die Christen. Ich weiß, daß es auch unter Christen Sünden gibt, aber ich weiß, daß sie weniger zahlreich sind als bei den Nichtchristen.

Die Christen lassen sich auch weniger häufig scheiden als die Nichtchristen. Man hat ausgerechnet, daß unter den aus der Kirche Ausgetretenen doppelt so viel Geschiedene sind wie unter den in der Kirche verbleibenden Christen – doppelt so viel Geschiedene. Auch hierin muß man sagen: Die Christen sind besser als die, welche sich von Christus abgewandt haben. Wenn Sie auf die Selbstmordzahlen schauen, dann stellen Sie fest: Die Neigung zum Selbstmord wächst mit der Entfernung vom christlichen Glauben. Die Selbstmordrate unter den Nichtchristen, unter den Ungläubigen, unter den Abgefallenen ist erheblich größer als unter den Christen. Im Mittelalter gab es fast keine Selbstmorde. Die Selbstmorde setzten ein, als der christliche Glaube zersetzt wurde in der Aufklärung. Und heute ist die Selbstmordhäufigkeit unter den Ungläubigen beträchtlich höher als unter den Gläubigen.

Ähnliches gilt für die Verbrechen. Fragen Sie doch einmal die in den Gefängnissen Befindlichen, wie viele von ihnen religiös praktiziert haben. Es gibt keine Statistik darüber, aber ich bin mir sicher, daß die meisten derer, die wegen schwerer Verfehlungen ins Gefängnis kamen, ihren christlichen Glauben nicht praktiziert oder nur spurenhaft gelebt haben. In New York fand vor einiger Zeit eine Fernsehdiskussion über die Verbrechensbekämpfung statt. Es wurden die verschiedensten Meinungen geäußert. Ein erfahrener Polizist sagte: „Je weniger Religion die Jungs haben, um so schneller geht es mit ihnen bergab.“ Je weniger Religion die Jungs haben, um so schneller geht es mit ihnen bergab. In den 60er und 70er Jahren hatten wir in Deutschland eine Terrorwelle, die von deutschen Terroristen angeführt wurde. Keiner von ihnen war ein religiös praktizierender Christ, auch nicht Gudrun Ensslin, obwohl sie aus einem evangelischen Pfarrhaus stammte.

Die Schandtaten der Geschichte werden in der übergroßen Mehrzahl nicht von Christen verübt, sondern von Nichtchristen. Ich erinnere nur an die beiden gewaltigen Bewegungen des Bolschewismus und des Nationalsozialismus. Der Bolschewismus, der unzählige Opfer erzeugt hat, wurde von Menschen begründet und getragen, die den christlichen Glauben abgeworfen hatten. Der Chefankläger der Schauprozesse von 1936/37, Wyschinski, rühmte sich, daß er nie in seinem Leben gebetet habe. Als die Rote Armee 1945 nach Deutschland kam, da wurde sie von einem Aufruf begleitet, den der jüdische Bolschewist Ilja Ehrenburg veröffentlicht hatte. Dieser wandte sich an die russischen Soldaten mit folgenden Worten: „Tötet sie alle! Metzelt sie alle nieder! Es gibt keinen unschuldigen Deutschen, weder unter denen, die heute leben, noch unter denen, die morgen geboren werden. Folgt dem Beispiel des Genossen Stalin! Rottet das faschistische Tier für immer in seiner Höhle aus! Schändet den Rassenwahn der deutschen Frauen! Nehmt sie euch mit Gewalt als Beute, die euch zusteht! Tötet, ihr furchtlosen Soldaten des Roten Sterns!“ Gemäß diesem Aufruf hat sich die Rote Armee in Deutschland verhalten. Lesen Sie, wenn Sie Zeit haben, das Buch des in diesen Tagen verstorbenen Gerhard Fittkau „Mein dreiunddreißigstes Jahr“! Da ist geschildert, was beim Einbruch der Roten Armee in Ostpreußen geschehen ist. Dieser Aufruf ging von einem Manne aus, der mit dem Christentum nichts am Hut hatte, wie man heute sagt. Die bolschewistischen Soldaten, die ihm gefolgt sind, waren gewiß nicht praktizierende Christen.

Ähnlich ist es mit dem Nationalsozialismus. Wer hat denn Millionen Menschen umgebracht, Länder überfallen, Schandtaten ohne Zahl auf unser Land gehäuft? Es waren Männer, die das Christentum abgeworfen hatten. Hitler war kein Christ, Goebbels war kein Christ, Himmler war kein Christ. Sie waren Abgefallene, Abtrünnige, Apostaten. Von ihnen gingen diese Schandtaten aus.

Die Christen haben sich in dieser Zeit bewährt. Ein jüdischer Autor hat geschrieben: „Wenn die Christen nicht gewesen wären, wäre noch eine Million Juden mehr ermordet worden.“ Der Jude Max Horckheimer hat eine Untersuchung veranlaßt, welche Bevölkerungsgruppe in der Zeit der nazistischen Herrschaft am meisten den Juden beigestanden hat. Das Ergebnis war verblüffend: Es waren die praktizierenden katholischen Christen. Aus ihnen, aus den Reihen der Christen stammen auch die Männer und Frauen, die sich dem Irrwahn und dem Verbrechen mit Aufopferung ihres Lebens entgegengeworfen haben. Die Männer des 20. Juli 1944 waren fast ausnahmslos Christen, überzeugte Christen. Von einem von ihnen, von Oberst Stauffenberg, stammt das schöne Wort: „Ich glaube, daß der Himmel denen gnädig ist, die in der Erfüllung ihrer Aufgabe alles opfern.“ Ich glaube, daß der Himmel denen gnädig ist, die in der Erfüllung ihrer Aufgabe alles opfern. Und sie haben alles geopfert – bis zum Leben. „Gäbst du alles außer Leben, so wisse, du hast nichts gegeben.“ So heißt es in einem Drama von Gerhart Hauptmann. Sie haben alles gegeben. Die Christen, die praktizierenden Christen, die gläubigen Christen, die Kirchenchristen tun weniger Böses als die Nichtchristen.

Sie tun aber zweitens auch mehr Gutes. Schon daß sie Gott anbeten, daß sie Gottesdienste besuchen, daß sie Sakramente empfangen, ist ein Zeichen ihrer Überlegenheit über die Nichtchristen, denn sie erfüllen damit die erste Tafel des mosaischen Dekalogs. Die ersten drei Gebote richten sich auf die Verehrung Gottes. Das sind die ersten und wichtigsten und obersten Gebote, und die erfüllen sie. Wer sie erfüllt, der gewinnt damit eine Überlegenheit über die gottlosen, ungläubigen, abständigen, gleichgültigen Dissidenten, die Gott die Ehre versagen, die ihm zukommt..

Die Christen hören aber nicht nur die Gebote in der Kirche bei der Lektüre der Heiligen Schrift oder des Katechismus. Sie hören sie nicht nur, nein, sie suchen sie auch zu erfüllen. Sie mühen sich. Wer mir sagt: Die Christen sind auch nicht besser, den frage ich: Haben Sie ein halbes Jahrhundert wie ich im Beichtstuhl gesessen? Wenn Sie das nicht getan haben, dann wissen Sie nichts von der Reue, vom Vorsatz, vom Ringen und vom Kämpfen der Christen. Das ist nicht wahr, wenn du mir sagst: Die Christen sind auch nicht besser. Sie sind besser! Schon in ihrem Ringen und Kämpfen, in ihrer Reue und in ihrem Vorsatz.

Die größere Kirchentreue erzeugt, statistisch gesehen, eine größere Berufstreue und Berufsfreudigkeit und Berufszuverlässigkeit. Die Christen sind aufgrund ihres Ethos besonders geneigt, den Beruf ernst zu nehmen, in ihm das Beste zu geben und ihn zu erfüllen. Die Christen, die die Gottesdienste besuchen, die im Gebet sich zu Gott bekennen, gehen auch leichter in die schweren Berufe, also vor allem in die Pflegeberufe. Ich war 1951 an einem Ort, wo nur 10 Prozent der Bevölkerung katholisch war, aber 40 bis 50 Prozent der Schwestern im Krankenhaus waren Katholikinnen. Vor einiger Zeit fand ein Kongreß der radikal-sozialistischen Partei Frankreichs statt. An dem Ort, wo der Kongreß tagte, hatten Christen Plakate angebracht. Auf diesen Plakaten stand zu lesen: „Radikale und Radikal-Sozialisten gesucht zur Pflege von Aussätzigen, Tuberkulosekranken und anderen mit ansteckenden Krankheiten, ohne Sicherheit vor Ansteckung und ohne Gehaltszuschlag.“ Von den Männern der großen Worte hat sich kein einziger gemeldet.

Die Christen tun mehr Gutes als die Nichtchristen. Das gilt auch auf dem Gebiete der Wohltätigkeit. Wer ist es denn, der die Spenden zusammenbringt, etwa am Passionssonntag, diese Millionen von Euros? Wer ist es denn? Die Kirchenchristen sind es, und nur die Kirchenchristen. Wo sitzen denn in Mainz die Bettler, vor der Gewerkschaftszentrale oder dem SPD-Büro oder vor den Kirchen? Wo sitzen sie? Vor den Kirchen sitzen sie. Sie wissen, daß die Kirchenchristen Mitleid mit ihnen haben und daß sie ihnen zu Hilfe eilen. Weil die gläubigen Christen gutmütig, ohne Argwohn sind, deswegen werden sie auch so häufig ausgenützt und betrogen. Das ist ihr Ehrenzeichen, daß sie sich ausnützen und betrügen lassen. Das zeugt für ihre gute Gesinnung. Von den anderen habe ich nie gehört, daß sie betrogen worden sind durch falsche Bettler und durch falsche Schnorrer. Die Christen tun mehr wohl als die Nichtchristen. Das ist ein Ehrenzeichen für die Kirchgänger, für die gläubigen, für die betenden Anhänger Jesu.

Man kann sich nun fragen: Warum werden denn immer die Kirchenchristen, ausgerechnet die Kirchenchristen, zur Zielscheibe des Spottes und der Verachtung? Der Grund ist darin gelegen: Die Kirchenchristen bilden für die Abtrünnigen, Abgefallenen, Abständigen einen ständigen Vorwurf. Die Abgefallenen, Abständigen finden keine Ruhe, weil ihr Gewissen ihnen keine Ruhe läßt. Und dieses Gewissen wird immer neu geritzt durch das Verhalten der gläubigen Christen. Der Katholik, der seinen Glauben bewahrt hat, ist eine Beunruhigung für die Ungläubigen. Und der Ungläubige, der einmal Katholik war, „findet seine Ruhe nicht“, wie der Vater von Joseph Goebbels an seinen Sohn im Jahre 1919 schrieb. Der Herr hat einmal ein Gleichnis von dem Pharisäer und dem Zöllner erzählt, der Pharisäer, der Heuchler, der sich vorn aufstellte und seine Taten rühmte, und der Zöllner, der reuig an seine Brust schlug und den Blick gesenkt hielt. Wenn er heute dieses Gleichnis erzählen wollte, müßte er es anders formulieren. Heute sind die Heuchler nicht diejenigen, die in der Kirche in der ersten Bank sitzen, sondern das sind diejenigen, die überhaupt nicht mehr hineingehen, die sich rühmen, besser zu sein als die Kirchenchristen. Das sind die Heuchler von heute. Die sagen: Die Christen sind auch nicht besser, das sind die Heuchler. Nicht alle Christen sind gut, ich weiß, daß es harte und unbarmherzige, daß es geizige und neidische, daß es geile und wollüstige Christen gibt. Ich weiß es. Aber sie tun das Böse schlechten Gewissens, und sie finden in aller Regel wieder zurück. Sie bekehren sich. Sie rühmen sich nicht ihrer Schandtaten, indem sie sagen: Das ist meine Freiheit, das kann ich tun, daran darf mich niemand hindern. Das sagen die Christen nicht, sondern sie klopfen an die Brust und sagen: „Herr, sei mir Sünder gnädig!“ Die Christen rühmen sich nicht ihrer guten Taten, aber sie dürfen sich verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Sie wissen, daß ihre guten Werke Geschenke der Gnade Gottes sind. Sie wissen, daß sie Werkzeuge der Gnade sind, aber sie dürfen auch sagen: „Seine Gnade ist in uns nicht unwirksam geblieben.“

Die gläubigen Christen sind diejenigen, welche die Kirche besuchen. Nicht jeder ist heilig, der oft in die Kirche geht. Aber noch viel weniger sind die heilig, die nicht hineingehen. Meine lieben Christen, wir wissen, daß wir nicht aufhören dürfen, an uns zu arbeiten. Wir wissen, daß uns nichts bleibt als der weitere Kampf gegen unsere Schwächen, Fehler und Nachlässigkeiten. In der alten Zeit hieß es: Du bist Spartaner, also verschaffe Sparta Ehre! Heute höre ich einen anderen Ruf: Du bist Christ, also mache Christus Ehre!

Amen.

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