Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Januar 1989

Der heilige Josef

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Noch immer stehen wir in der weihnachtlichen Zeit. Nach richtigem Verständnis schließt die Weihnachtszeit mit dem Fest Mariä Lichtmeß. Wenn die Muttergottes ihre Reinigung – 40 Tage nach Weihnachten – vollendet, dann ist die Weihnachtszeit abgeschlossen. Wir hatten uns vorgenommen, in dieser Zeit das Geheimnis der Menschwerdung mit allem, was dazugehört, zu betrachten.

Die heilige Familie ist ein bevorzugter Gegenstand unserer Überlegungen gewesen. Die heilige Familie besteht aus Maria, der Mutter, aus dem Jesuskind und aus dem heiligen Josef. Josef ist eine weithin vergessene Persönlichkeit der heiligen Familie, und deswegen sollen unsere heutigen Gedanken auf ihn gerichtet werden. Es ist, als ob ein stiller Befehl an uns erginge: Gehet zu Josef, so wie es der Pharao in Ägypten beim ägyptischen Josef getan hatte. Gehet zu Josef! Denn von ihm ist viel zu lernen.

Josef ist keine Märchengestalt. Er steht im klaren Licht der Geschichte. Wir kennen einige Einzelheiten seines Lebens und seiner Abstammung. Er war ein tekton, so heißt das griechische Wort, also ein Bauhandwerker, ein Zimmermann, jemand, der sich mit Holz beschäftigt, um Häuser zu bauen. Sein Vater hieß Heli, und er stammt aus dem Geschlechte, aus dem natürlich weit verzweigten Geschlechte Davids. Er ist ein Davidide. – Josef, den Nährvater Jesu, wollen wir unter einem vierfachen Gesichtspunkt uns betrachten, nämlich

1. als Bräutigam der Gottesmutter,

2. als ganzen Mann,

3. als Vertrauten der Pläne Gottes und

4. als Stellvertreter der himmlischen Vaters.

Josef war erstens der Bräutigam der Gottesmutter. Wir könnten auch sagen: der Mann, der Ehemann; aber die Kirche bevorzugt das Wort Bräutigam deswegen, weil Josef von den Rechten eines Ehemannes keinen Gebrauch gemacht hat. Deswegen spricht man lieber vom Bräutigam. Er war wirklicher Ehemann, denn das Geschäft der Eheschließung war im Judentum, wenn man so will, ein gestrecktes Rechtsgeschäft, juristisch gesprochen, d.h. es bestand aus einem Konsensaustausch, d. h. einer Willenseinigung, und aus einem Realakt, nämlich der Heimführung in das Haus. Dieser Willensaustausch hatte stattgefunden. Maria und Josef waren tatsächlich Eheleute, wenn auch Josef zur Zeit der Empfängnis Mariens die Heimführung noch nicht vollzogen hatte. Josef, der Bräutigam der Gottesmutter. Kann das, meine lieben Freunde, ein kleiner, ein gewöhnlicher Mensch gewesen sein, den Gott als Gatten Mariens auserwählt hat? Müssen wir nicht annehmen, daß das ein bedeutender, ein innerlich bedeutender, ein wertvoller, ein kostbarer Mensch gewesen ist? Wenn es von einer jeden christlichen Ehe gilt, daß sie im Himmel geschlossen wird, dann muß erst recht von der Ehe zwischen Josef und Maria gelten, daß sie im Himmel geschlossen wurde. Die innere Größe des heiligen Josef läßt sich erschließen aus der Tatsache, daß er von Gott zum Bräutigam der Gottesmutter vorgesehen war.

Er war aber auch ein ganzer Mann, und das sollte sich zeigen, als er in der Zwischenzeit zwischen Eheschließung und Heimführung erkannte, daß Maria gesegneten Leibes war. Wir dürfen uns die Erschütterung, die sich in Josef beim Erkennen der Tatsache ereignete, nicht gering vorstellen. Josef war tatsächlich betroffen und ging wochenlang mit sich zu Rate: Wie ist das zu erklären? Was soll ich tun? Es war das für ihn sicher ein ganz schweres und kaum zu bewältigendes Problem. Die späteren Lügen der Heiden werden zwar nicht an sein Ohr gedrungen sein. Der Heide Celsus z.B. im 3. Jahrhundert stellte die unbeweisbare und natürlich auch unbewiesene Behauptung auf, Maria sei gesegneten Leibes von einem römischen Legionär gewesen. Und wenn Sie die Tischgespräche Hitlers lesen, da können Sie feststellen, daß Hitler noch im Jahre 1942 diese Lüge aufgegriffen hat.

Nein, das wird Josef nicht gedacht haben. Aber es war ihm ein Rätsel, was mit seiner Ehefrau geschehen war. Und da er gerecht war, wie die Schrift sagt, wollte er keinen Auftritt machen. Er konnte es sich nicht erklären, aber er wollte es auch nicht zu einem öffentlichen Skandal kommen lassen, der ja möglich gewesen wäre, sondern er wollte seine Frau heimlich, also still und ohne Aufsehen entlassen. Er wollte Verzicht leisten auf das, was ihm das Liebste war, nämlich seine Gattin. Er dachte daran, ihr den Scheidebrief auszustellen, wie es Moses vorgeschrieben hatte, und sie nicht heimzuführen.

Verzicht ist ein Wort, das die Menschen, vor allem die Männer, nicht gern hören. Die Menschen wollen besitzen, sie wollen genießen, aber nicht verzichten. Ein ganzer Mann zeigt sich darin, daß er verzichten kann, verzichten, wenn es Gott fordert, wenn es das Gebot Gottes vorschreibt. Das gilt vor der Ehe, das gilt in der Ehe, das gilt außerhalb der Ehe. Der Mann muß zum Verzicht bereit sein. Verzichte sind für ein Leben unentbehrlich, und an Josef können wir lernen, wie ein ganzer Mann den Verzicht leistet.

Aber da griff Gott ein. Josef war auch der Vertraute der Pläne Gottes. Was Maria ihm offenbar nicht anvertraut hatte, das wird ihm in einer Botschaft Gottes vermittelt. Er erfährt, daß das, was in Maria entstanden ist, vom Heiligen Geiste gewirkt ist, daß alle Verdächtigungen haltlos sind, daß Maria so rein und unberührt ist, wie sie immer war, aber daß sich hier ein Geheimnis ankündigt, das wir nur zitternd aussprechen können, nämlich das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Und dieses Geheimnis sollte nach Gottes unergründlichem Willen sichtbar und spürbar vor allen Menschen werden durch die jungfräuliche Empfängnis. Deswegen ist es so wichtig, meine lieben Freunde, daß wir an dieses Geheimnis nicht rühren, daß sich unser katholischer Sinn meldet, wenn von irgendwelchen mißratenen Theologen ein Angriff auf das Geheimnis der Jungfräulichkeit, der jungfräulichen Empfängnis Mariens gestartet wird. Denn an diesem Geheimnis hat Gott uns erklären wollen, wer der ist, der da auf die Welt kommen soll.

Dieses Geheimnis wurde Josef eröffnet. „Zögere nicht, dein angetrautes Weib zu dir zu nehmen, denn was in ihr entstanden ist, das stammt vom Heiligen Geist.“ So sprach der Engel Gottes zu ihm in der Nacht, in einem Traumgesicht. Und, gehorsam gegenüber den Plänen Gottes, ist Josef bereit, seine Frau zu sich zu nehmen. Das ist seine Größe, daß sein Herz dem Willen Gottes geneigt war, daß er bereit war, auch da zu gehorchen, wo er eine irdische Erklärung nicht besaß. Das ist Glaube! Josef ist auch ein Mann des Glaubens, des fraglosen Glaubens. Und Glaube ist etwas anderes als Schauen. Glaube ist Gehorsam gegenüber dem Offenbarungswillen Gottes, auch da, wo die Einsicht noch nicht oder überhaupt nicht möglich ist.

Und so wurde er der Stellvertreter Gottes in der Erziehung des Sohnes Mariens. Er sollte Vaterstelle übernehmen. Wir sprechen seitdem von ihm als dem Nährvater oder Pflegevater Jesu. Er ist gerade nicht das, was die Häretiker sagen, der biologische Vater Jesu, nein, er ist der Nährvater, er ist der Pflegevater Jesu. Und er hat in dieser Funktion die Stelle des Vaters im Himmel zu vertreten. Er gab dem Kind Mariens den Namen Jesus, und Jesus, der Knabe, hat ihm gehorcht, er hat zu ihm aufgeschaut als zu seinem Vater. Wie sagt doch Maria in Jerusalem: „Dein Vater und ich, wir haben dich mit Schmerzen gesucht.“

So ist Josef derjenige gewesen, der sein Kind erzogen hat und der es in den Beruf eingeführt hat, da wir wohl annehmen dürfen, daß Jesus dasselbe Handwerk ausgeübt hat wie sein Pflegevater.

Er muß verhältnismäßig früh gestorben sein. Und wir dürfen vermuten, daß es so ist, wie es die Darstellung in der Wallfahrtskirche zu Marienthal zeigt, nämlich daß Josef in den Armen Mariens und Jesu gestorben ist. Er hat deswegen ein Anrecht darauf, der Patron der Sterbenden zu sein.

Meine lieben Freunde, der Philosoph Friedrich Nietzsche hat einmal den Satz geschrieben: „Ein Held ist, wer einer großen Sache so dient, daß seine Person dabei gar nicht in Frage kommt.“ Ja, das ist ein wahres Wort. Ein Held ist, wer einer großen Sache so dient, daß seine Person dabei gar nicht in Frage kommt. Ein solcher Held war Josef. Er hat einer großen Sache, ach, was sage ich, einer großen Person so gedient, daß seine eigene Person dabei gar nicht in Frage kam. Er steht zurück hinter dem göttlichen Auftrag, er ist gehorsam, er verzichtet auf sein Glück, er dient einer großen Sache, wie nur ein Held ihr dienen kann.

Gehet zu Josef!

Amen.

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