Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Dezember 2011

Johannes, Rufer zur Umkehr

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Es trat ein Mann auf, der war von Gott gesandt. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle zum Glauben kommen.“ So beschreibt der Evangelist Johannes den Täufer Johannes. Johannes kam als Bußprediger und Vorläufer des Messias. Er hatte sich nicht selbst dazu gemacht, sondern er war von Gott bestellt worden. Es trat ein Mann auf, der war von Gott gesandt.

Johannes war ein Berufener. Die Sendung durch Gott gab ihm die Kraft, vor den König und vor das Volk zu treten; dem König zu sagen: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben!“ und dem Volke zu verkündigen: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gelehrt, dem Gerichte zu entgehen?“

Johannes kannte die Grenzen seiner Berufung. Das Volk, die Priester und die Leviten forschten ihn aus. Sie hatten ihre Vermutungen, wer er sein könnte. „Bist du der Messias?“ „Ich bin es nicht,“ entgegnete Johannes. Sie forschten weiter. Nach ihrer Zukunftserwartung sollte dem Messias der wiederkommende Elias vorausgehen. „Bist du Elias?“ „Ich bin es nicht.“ Die Abgesandten fragten weiter, ob er der Prophet sei. Der hier gemeinte Prophet ist ein bestimmter Prophet, der nach der Zukunftserwartung der Juden dem Messias und dem Elias vorausgehen sollte. Johannes antwortete: „Ich bin es nicht.“ „Ja, wer bist du denn dann?“ „Ich bin ein Rufer in der Wüste. Machet gerade die Wege des Herrn, füllet aus jedes Tal, traget ab jeden Berg!“ Johannes will nicht mehr sein als das, wofür ihn Gott berufen hat: ein Rufer in der Wüste. Er sieht ein Volk vor sich, das sich im Heil zu befinden meint, in Wahrheit aber vom Gericht bedroht ist. In seiner Selbstgefälligkeit, in seiner Selbstgerechtigkeit droht ihm das Gericht. Und deswegen fordert er auf zur Bekehrung: „Bekehret euch!“ Er erinnert an den richtenden und den rächenden Gott, nicht aus Sadismus, sondern um den Weg zum rettenden Gott zu weisen. Nur wirkliche Umkehr, nur Abkehr von den bisherigen Wegen, nur Hinwendung zu Gott kann vor dem Gericht bewahren.

Diese Aufgabe und auch seine Herkunft machten Johannes tatsächlich zu einem Propheten. Der Herr sagt es ja: „Er ist ein Prophet, aber noch mehr als ein Prophet.“ Er ist der Vorläuferprophet. Die Propheten haben, ähnlich wie Johannes, dem Volke das Gericht verkündet, wenn es nicht umkehrt, wenn es sich nicht abwendet von falschen Göttern, wenn es sich nicht hinwendet zum wahren Gott. Johannes fordert zur Umkehr auf. Auch der Messias Jesus Christus ruft zur Umkehr. Markus berichtet am Beginn seines Evangeliums, dass Jesus nach der Gefangennahme des Johannes nach Galiläa kam und die Frohe Botschaft vom Reiche Gottes predigte. Er sprach: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes hat sich genaht. Kehrt um, bekehret euch!“ Die Aufforderung zur Bekehrung bleibt ein grundlegender Bestandteil der Verkündigung Jesu. Die Jünger fragten einmal Jesus, wer der Größte sei im Himmelreich. Da stellte er ein Kind unter sie und sagte: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie ein Kind, könnt ihr in das Himmelreich nicht eingehen.“

Einige kamen zu Jesus und erzählten ihm, dass Pilatus eine Reihe von Galiläern beim Opfer getötet hatte. Pilatus war ein grausamer Mann. Er haßte die Juden. Und so hat er Galiläern, denen er oftmals mißtraute, beim Opfer den Tod bereitet. Jesus antwortete denen, die ihm das berichteten: „Wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr genauso umkommen.“ Wieder andere erzählten ihm, dass ein Turm in Siloah umgestürzt sei und 18 Menschen begraben hätte. Sie fragten, ob sie schuldiger seien als die anderen Menschen. „O nein“, sagt Jesus, „wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr genauso zugrunde gehen.“

Umkehr, Bekehrung ist es, was der Messias erwartet. Diese Umkehr wird, wenn sie die Menschen und die Einrichtungen ergreift, Reform genannt. Reform ist die Veränderung eines Zustandes von Einstellungen und Einrichtungen, der als mangelhaft und ungenügend erkannt ist. Reform ist etwas anderes als Revolution oder als Restauration. Revolution ist Bruch mit der Vergangenheit, Bruch mit dem Bestehenden; Restauration besagt Wiederherstellung des Vergangenen, eines früheren Zustandes. Reform dagegen beruht auf dem Willen zu Veränderung, der bewußt an Bestehendes anknüpft, auf Kontinuität bedacht ist und den Traditionsbruch vermeidet. Reformen bewahren die Identität der sich reformierenden Gesellschaft und erneuern sie aus ihren eigenen Wurzeln. Reform in der Religion besagt Umkehr, Abwendung von falschen Wegen, Wandel und Wendung hin zum lebendigen Gott. Reform in der Kirche besagt Umkehr zur wirklichen und wirksamen Nachfolge Christi.

Reformen bedürfen des Anstoßes. Sie bedürfen der Männer und Frauen, die vom Heiligen Geist erweckt sind und von Gott gesandt werden wie Johannes, die aus heiligem Eifer für Gottes Sache die Umkehr anderer in Angriff nehmen. Jede Reform setzt die Erneuerung bei sich selbst voraus. Johannes war ein solcher Reformer. Er begann die Reform bei sich selbst. Sein Sein predigte lauter und wirksamer als seine Worte. Er fing die Reform, die Erneuerung, bei sich selbst an. So müssen Reformer sein. Sie müssen zuerst die eigene Bekehrung erlebt haben, um andere bekehren zu können. Nur von Verwandelten können Wandlungen ausgehen. Von dem großen bayerischen Bischof Sailer stammt das schöne Wort: „Sei du zuerst selber, was andere durch dich werden sollen!“ Sei du zuerst selber, was andere durch dich werden sollen!

Die Reformer, die Gott erweckt, sind ausgezeichnet durch unerschütterlichen Glauben, ungeheuchelte Frömmigkeit, echte Sittenreinheit. Selbsternannte und weichlich lebende Liberale sind keine Reformer! Die Reformer, die Gott erweckt, sind von der Liebe zu Jesus und zu seiner Kirche getragen. Berufsmäßige Kirchenkritiker  sind keine Reformer! Die Reformer, die von Gott kommen, stehen in der heroischen Nachfolge Christi. Bequeme Schreibtischredner sind keine Reformer!

Heute ist viel von Reformen die Rede, Professoren, ach, Politiker, Journalisten sprechen und schreiben über Reformen, die angeblich notwendig sind. Ich frage zunächst einmal: Sind es Reformer, die Reformen fordern? Zeichnen sie sich aus durch einen ungebrochenen Glauben, tiefe Frömmigkeit, sittliche Lauterkeit? Ist ihr Leben ein Sittenspiegel? Sind sie die Sieger, die Weltüberwinder, die Christen mit heroischen Tugenden? Sind sie streng gegen sich selbst? Halten sie Nachtanbetung? Haben sie in der Wüste gelebt und sich von Heuschrecken und wildem Honig genährt? Sind sie von brennendem Eifer erfüllt, Menschen für die heilige Religion zu gewinnen? Kann man von ihnen sagen: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich? Ich fürchte, dass die allermeisten derjenigen, die heute nach Reform rufen, Pseudoreformer sind, keine Christen, die durch ihr vorbildliches Leben andere anspornen und beschämen. Viele Pseudoreformer unserer Tage sind selber der Reform bedürftig. Der CDU-Mann Wulff und der SPD-Mann Vogel, beide katholisch, fordern Reformen. Sie sollten bei sich anfangen. Beide sind geschieden und ungültig wiederverheiratet. Sie sollten ihre eigenen Verhältnisse in Ordnung bringen, das wäre der Beginn einer Reform. Der Schweizer Theologe Küng ruft seit Jahrzehnten nach Reformen, aber er ist inzwischen vom katholischen Glauben abgefallen. Die Männer und Frauen, die heute in der Kirche und in der Öffentlichkeit das große Wort führen und nach Reform rufen, sind keine Reformer, sie sind Anpasser. Sie wollen die Menschen nicht zum Glauben, zur Frömmigkeit und zur Sittenreinheit führen, sie wollen Glaube und Sitte an eine außer Rand und Band geratene Gesellschaft anpassen! Anpassung der Lehre und der Ordnung der Kirche an die schlimmen tatsächlichen Verhältnisse ist keine Reform, sondern Deformierung! Nicht der Glaube und die Gesetze sind zu verändern, sondern das Verhalten der Menschen muss sich ändern, muss sich dem Glauben und der Ordnung der Kirche nähern. Kein Naturwissenschaftler sucht die Naturgesetze zu ändern, sondern er will sie erforschen, um sich dann danach richten zu können. Kein Theologe kann die Wahrheit und die Ordnung Gottes ändern; ein jeder muss sie zu erkennen suchen und danach leben.

Häufig ist die Rede vom Reformstau. Meine lieben Freunde, was hier gestaut wird, sind nicht Reformen, das ist der Versuch, die Selbstzerstörung der Kirche zu unterbinden. Was hier gestaut wird, das sind Attentate, Anschläge auf das Wesen und die Aufgabe der Kirche. Wie immer – wie immer! – stoßen sich die Pseudoreformer an den Geboten der geschlechtlichen Sittlichkeit, welche die Kirche verkündet. Was soll sich ändern? Freigabe der Homosexualität, freie, ungehemmte Empfängnisverhütung, Ehescheidung und Wiederverheiratung. Das ist keine Reform, das ist Auflehnung gegen den Willen Gottes! Dem Pseudoreformern ist das Priestertum in seiner Stellung und in seiner Lebensform lästig. Es stört sie. Die Priester sollen so leben wie alle anderen. Wie sie sich das Priestertum vorstellen, das ist klar: Streng bemessene Arbeitszeit, Gehaltstabelle, wo man immer höher steigt im Gehalt, reichlich Urlaub, möglichst frühzeitiger Ruhestand, um dem Hobby nachgehen zu können, reichlich bemessene Pension, vor allem aber: der Priester soll heiraten, damit er leben kann wie alle anderen. Den Priesterzugang, den Zugang zum Priestertum verbilligen ist keine Reform, sondern Beeinträchtigung des Priestertums. Den Priestern Frauen verschaffen, bringt der Kirche keine Erneuerung, sondern eine Verarmung. Dann fällt der lebendige Beweis hin, dass es möglich ist, den Trieb zu beherrschen. Dann fällt der Beweis hin, dass geschlechtliche Enthaltsamkeit möglich ist. Dann fällt die Nachfolge Christi in der ehelosen Lebensform. Dann fehlen der Kirche die Männer, die um Gottes willen auf hohe menschliche Werte, wie es die Ehe ist, verzichten. Dann gibt es nicht mehr die Zeugen, die mit ihrem Verzicht für jenen Zustand zeugen, wo sie nicht mehr heiraten noch verheiratet werden. Die Ehe, die die Reformer, die Pseudoreformer für die Priester wünschen, sieht wie folgt aus: Anschluß an das Zweikindersystem, freie Empfängnisverhütung, Möglichkeit der Ehescheidung, Zulässigkeit einer weiteren Verbindung. Das ist die Ehe, die die Pseudoreformer für die Priester vorsehen.

Ein weiterer Punkt der Pseudoreformer ist der Ruf nach dem Priestertum oder Diakonat für das weibliche Geschlecht. Frauen die Weihe erteilen ist keine Bereicherung der Kirche, sondern ihre Anpassung an nichtkatholische Denominationen. Die Kirche kann Frauen nicht weihen, weil sie damit gegen Gottes Gebot verstoßen würde. Es liegt nicht am Reformstau, sondern am Gehorsam gegen Gottes Gebot, dass die Kirche keine Frauen weiht. Der Hauptgrund für den Vorbehalt der Weihe für Männer ist der folgende. Der katholische Priester ist Repräsentant und Stellvertreter Jesu Christi, des Logos, des auf Erden erschienenen Gottessohnes. Der Logos ist als Mann erschienen, er ist als Mann in die Welt eingetreten, und deswegen muss der Priester ihm möglichst angenähert werden, auch in der Lebensform.

Die Pseudoreformer vergreifen sich am innersten Heiligtum der Kirche. Sie wollen Personen, die im Zustand der schweren Sünde leben, den Leib des Herrn gereicht wissen. Kommunionunwürdigen die Kommunion reichen ist keine Reform, ist eine Herausforderung Gottes. In der heiligen Kommunion wird dem richtig vorbereiteten Gläubigen der wahre Leib des Herrn gereicht. Das Minimum an Vorbereitung besteht darin, dass man frei ist von schwerer Sünde. Wer anders lehrt, verfehlt sich gegen Gottes Gebot, auch wenn er ein Bischof ist! Personen eines anderen Glaubens am Gemeinschaftsmahl der katholischen Kirchenglieder teilnehmen lassen ist keine Reform. Die heilige Kommunion, meine Freunde, ist Kennzeichen und Stärkungsmittel der katholischen Christen. Kommuniongemeinschaft setzt Glaubensgemeinschaft und Kirchengemeinschaft voraus. Erst muss man sich im Glauben zu der Kirche Gottes bekennen, dann kann man auch die Gabe dieser Kirche empfangen. Wir wünschen, dass alle nichtkatholischen Christen mit uns zum Mahle des Herrn schreiten dürfen. Wir wünschen es. Aber der Weg dazu führt über den Anschluß an unsere Kirche.

Die Pseudoreformer möchten die Masse der Gläubigen zu Entscheidungsträgern in der Kirche machen. Sie möchten die Hierarchie entmachten. Es ist klar, warum sie auf die Masse setzen, denn die Masse ist anfällig für ihre Thesen; die Masse ist verführbar. Demokratisierung der Kirche heißt ihr Losungswort. Aber die Kirche ist keine Demokratie und sie kann es nicht sein, weil Christus es anders gewollt hat. Die Kirche demokratisieren wollen ist die unzulässige Übernahme eines zeitgeistigen Modells. Es hat auch andere Modelle der staatlichen Regulierung gegeben. Es gab den monarchischen Staat, es gab die Diktatur, es gab den autoritären Staat. Wenn die Kirche sich jeweils dem herrschenden Modell anpassen wollte, wäre sie ja fortwährend mit ihrer Verfassung in Bewegung. Sie muss sich aber zu dem halten, was der Herr ihr zugesprochen hat. Die Kirche wird nicht durch Mehrheitsbeschlüsse und Memoranden erneuert, sondern durch die von dem einzelnen Gläubigen an sich selbst zu vollbringende Arbeit, durch Bekehrung von sich selbst. Wir brauchen nicht einen neuen Glauben, wir brauchen eine neue Gläubigkeit. Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern wir brauchen den  Gehorsam gegen die bestehenden.

Johannes war kein gemütlicher Mann. Er war ausgesprochen ungemütlich. Gemütlichkeit ist keine christliche Kategorie. Ich fürchte, dass wir es uns in der nachkonziliaren Kirche zu gemütlich gemacht haben. Wir sollten auf Johannes den Täufer schauen, auf seine Verkündigung und auf sein Leben. Gewiß, ein Prediger der Umkehr, ein Prediger des Gerichtes macht sich nicht beliebt. Aber Beliebtheit ist wiederum keine christliche Kategorie. Wenn mir die Mutter eines Priesters sagt: „Mein Sohn, der Priester, ist so beliebt“, dann frage ich: „Woher stammt seine Beliebtheit? Vielleicht weil er allem durch die Finger sieht? Vielleicht weil er das tut, was die Masse in ihrem unerleuchteten Sinn begehrt?“ Nein, wir müssen uns an Johannes halten, den Bußprediger und den Vorläufer des Herrn. Wir alle stehen in seiner Spur. Die Furcht Gottes bleibt immer noch der Anfang der Weisheit. Und noch immer wird uns das ewige Heil nicht mit der Hausbar an unsere Tische herangeschoben. Noch immer leidet das Himmelreich Gewalt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich.

Amen.

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