Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Engel (Teil 2)

3. Februar 2019

Die Wirksamkeit der Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag haben wir die Existenz der Engel uns vor Augen geführt, heute wollen wir fragen: Welches ist denn ihre Wirksamkeit? Die Engel sind Geister; das ist ihre Natur. Sie sind vom Heiligen Geist durchherrschte Geister; das ist ihre Übernatur, ihr übernatürlicher Zustand. Sie sind in die Unzugänglichkeit Gottes hineingenommen. Sie stehen in nächster Beziehung zu Gott. Die Engel bringen Gott mit den Seligen des Himmels einen immerwährenden Kult dar, einen Gottesdienst, eine Anbetung. Dieser Kult ist bestimmt durch den Gesang des Dreimal-Heilig, der Siegeshymnen und der Psalmentexte. Die Engel existieren überhaupt bloß, indem sie sich im Lobe Gottes verströmen. Sie gehen darin auf, in schauender Liebe Gott zu preisen. Ihr ganzes Wesen und Dasein ist Anbetung. Im Lobe Gottes besitzen sie ihre eigene Vollendung. In ihnen ist der Zustand verwirklicht, den wir den Himmel nennen. Ihre Seligkeit erfährt im Laufe der Heilsgeschichte eine Zunahme durch die immer neuen Heilstaten Gottes, die ihnen bekannt werden.

Nach den Andeutungen der Heiligen Schrift ist die Zahl der Engel überaus groß. Nach dem Buche Daniel dienten tausendmal Tausende Gott und standen zehntausendmal Hunderttausende vor ihm. Der Brief an die Hebräer spricht von Zehntausenden von Engeln. Thomas von Aquin – immerhin wohl unser bedeutendster Theologe – spricht davon, dass die Zahl der Engel die Zahl sämtlicher körperlichen Dinge übersteige. Wer sich in den Naturwissenschaften ein wenig auskennt, weiß, mit welchen Zahlen man in der Natur und im Weltall rechnen muss. Sie haben alle schon gehört von der Milchstraße, der Galaxis, dem Milchstraßensystem, einem Sternensystem, das von unvorstellbaren Ausmaßen bestimmt ist. Ihm gehören die Sonne mit dem Planetensystem und mit der Erde an, etwa sechstausend Sterne, die wir mit bloßem Auge erkennen können, aber etwa einige hundert Milliarden Sterne, die uns nicht sichtbar sind. Angesichts solcher Zahlen ist es eigentlich leicht zu glauben, dass die Zahl der Engel unvorstellbar groß ist.

Die Engel sind untereinander ungleich. Es gibt eine Hierarchie, eine Rangordnung. Es gibt Engel und Erzengel. Im Alten Testament werden die Cherubim und die Seraphim erwähnt, im Neuen Testament ist gesprochen von den Thronen, Herrschaften, Fürstentümern, Mächten und Kräften. Die Rangordnung der Engel richtet sich nach den von Gott empfangenen Gaben und nach den ihnen von Gott zugewiesenen Verrichtungen. Die Engel wirken mit am Aufbau des Gottesreiches. Wie sie im Himmel Gottes Willen tun, so verkünden und verwirklichen sie auf Erden Gottes Herrschaft und bringen den Menschen Heil. Im Hebräerbrief wird gesagt, dass sie bestimmt sind zum Heil derer, die das Erbe Gottes empfangen sollen. Dabei ist ein grundlegender Unterschied zwischen der Heilsbedeutung Christi und jener der Engel zu beachten. Christus schafft und begründet das Heil, die Engel sind seine Werkzeuge und Vollstrecker. Aus dieser Heilsbedeutung ergibt sich die Christusbezogenheit der Engel. Sie können nur das Heil vermitteln, das in Christus Jesus ist. Man kann die Engel nicht lösen von ihrer Christusbezogenheit. Sie nehmen daher auch teil an der Sendung Christi. Im Alten Testament ist es ihre Aufgabe, die Menschen hinzuführen zu Christus, das Erlösungsverlangen und die Sündenempfindung wachzuhalten. Im Neuen Testament ist ihr Handeln ein Tun für Christus und in seinem Dienste. Im Alten Testament erscheinen die Engel als gütige, hilfreiche mächtige Boten des göttlichen Heilswillens und zugleich als siegreiche Mitkämpfer gegen die Feinde und Widersacher Gottes und der gottverbundenen Menschen. Sie können keinen selbständigen Heilsdienst ausüben. Schweigend und gehorsam vollziehen sie Gottes Befehle, und nichts als sie. Sie gehen darin auf, Werkzeuge des göttlichen Willens zu sein.

Weil die Engel Gottes Boten und Bürgen der göttlichen Güte und Huld sind, kann man Vertrauen zu ihnen haben. Sie beschützen unser leibliches und geistiges Leben. Ja, sie treten bei Gott für die Menschen ein. Wir können sie um ihre Fürbitte anrufen, und sie bringen unsere Gebete vor Gott. An den Widersachern Gottes und den Feinden des menschlichen Heiles vollstrecken die Engel im Auftrag Gottes Strafgerichte. Denken Sie an den Würgengel in Ägypten, der die Erstgeburt der Ägypter tötete, oder an den Engel, der in einer Nacht 200 000 Soldaten des Königs Sennacherib tötete. Sie haben also manchmal auch eine unheilvolle Aufgabe, aber sie handeln im Befehle Gottes. Bis zu Christus hin waren die Engel die Boten des verheißenen und ersehnten Gottesreiches. Seit der Ankunft Christi sind sie die Werkzeuge des in Christus erschienenen Gottesreiches. Sie sind Christus unterworfen, unterliegen gänzlich der Verfügungsmacht Gottes; er bestimmt ihren Auftrag und seine Erfüllung. Das Christusgeheimnis überschattet die Engel. Sie sind an die Christusoffenbarung gebunden und können nichts hinzutun und nichts hinwegnehmen. So sehr die Engel unter Christus stehen, so leben sie doch in jener Welt, aus der Christus kommt. Sie steigen mit dem LOGOS vom Himmel nieder und dienen ihm auf Erden. Sie umgeben ihn als die Repräsentanten des Himmelsreiches. Sie werden mit ihm erscheinen, wenn er zum großen Weltgericht kommt. Im Einzelnen sind die Engel Vorherverkünder, Zeugen oder Mitbeteiligte der Menschwerdung Gottes, der Geburt, der Auferstehung, der Himmelfahrt, des Gerichtes.

Wie die Engel Christus dienen und schirmen, so schirmen und schützen sie auch seinen Leib: die Kirche. Sie stehen ihr bei in ihren Drangsalen, überbringen Gottes Aufträge, Weisungen und Tröstungen. Die Engel nehmen am Gottesdienst der Kirche teil. Wenn wir das heilige Messopfer feiern, sind unsichtbarer Weise Engel um uns. Sie greifen in die Kulthandlung ein, z.B. bei der Taufe, aber auch bei der Eucharistie, vor allem bei der Eucharistie und bei der Trauung, oder sind wenigstens gegenwärtig. In der Präfation der heiligen Messe vereinigen wir uns ja mit dem Gebet der Engel, mit dem Lobpreis der Engel. Gemeinsam mit ihnen rufen wir das Dreimal-Heilig. Der Schutz der Engel für die gesamte Kirche breitet sich auch aus auf ihre Teilgemeinschaften: auf die Bistümer, auf die Pfarreien, ja, auch auf die einzelnen Glieder des Volkes Gottes. Jeder Christ hat einen Schutzengel. Ja, die Theologen sind davon überzeugt, dass sogar jeder Mensch einen Schutzengel hat. Der Schutzengel betreut und umsorgt uns. Er gibt uns gute Gedanken in die Seele; er bewegt unseren Willen zum Guten; er trägt unsere Gebete und guten Werke zu Gott; er beschützt uns in Gefahren; er offenbart manchen Menschen den Willen Gottes – denken Sie an Josef, dem mehrmals ein Engel erschienen ist, der die Aufträge Gottes überbrachte. Damit die Engel uns beschützen, müssen wir uns bemühen, ihnen durch ein heiliges Leben ähnlich zu werden, sie verehren und um ihre Hilfe anrufen. Im meiner Heimat, in Schlesien, gab es viele Bergleute, denn in Schlesien waren große Kohlengruben und Erzgruben. In der Bergwerkstadt Ratibor, in Schlesien, ist folgendes passiert: Ein Bergmann brachte von seiner Arbeitsstätte Dynamitpatronen in sein Haus, die feucht geworden waren. Er legte sie auf den Ofen zum Trocknen. Dann verließ er für eine Zeit sein Haus mit seiner Frau. In dieser Zeit trockneten nicht nur die Dynamitpatronen, sondern gingen in die Luft und rissen das Haus zusammen. Als er nach Hause kam, suchte er sein Kind. Das Kind war unversehrt – wahrhaft und wirklich geschehen in Ratibor, in Schlesien. Es wäre eine Entwürdigung des Engels, wenn man sich ihn als himmlische Gouvernante, als Aufsichtsperson vorstellen würde. Er führt die ihm Anvertrauten durch das Leben hindurch zum Heil, und zwar auf dem von Gott bestimmten Wege, also auch durch Leid und Tod. Er rettet uns auch vor dem Leid, wenn dies der Weg zum Heile ist. Er hat keinen eigenen Willen, er vollzieht den Willen Gottes.

Auch den Völkern stellt Gott Wächter und Heilsengel zur Seite. Jedes Volk stellt ja ein einheitliches Ganzes dar, und der Schutzengel des Volkes vertritt gleichsam das Volk vor Gott. Er tritt mit seiner Fürbitte für das Volk ein. Er hilft ihm, die von Gott gestellte geschichtliche Aufgabe zu erkennen und zu erfüllen. Er sucht das Volk auch durch geschichtliche Gefährdungen hindurchzuführen; er unterstützt es in den notwendigen Kämpfen. Michael ist der Patron des Heiligen Römischen Reiches und des deutschen Volkes. Michael heißt: Wer ist wie Gott. Die Langobarden schon haben Michael als ihren Schutzpatron betrachtet. In den Schlachten der deutschen Heere gegen die Ungarn 933 und 955 flatterte das Bild des heiligen Michael den Heeren voran. Der Festtag des heiligen Michael ist der 29. September. Er wurde von der Mainzer Synode des Jahres 813 festgelegt. Der 29. September ist in den germanischen Ländern das Erntedankfest. Viele Orte, viele Kirchen, viele Menschen, Männer und Frauen, tragen den Namen des heiligen Michael. In jeder heiligen Messe wird der heilige Michael angerufen bei der Einlegung des Weihrauchs. Nach jeder Werktagsmesse beten wir das Gebet zum heiligen Michael. Michael ist der Verteidiger der Seelen beim Tode und nach dem Tode. Er ist der Vorgesetzte des Paradieses; er geleitet die Seelen ins Paradies. Er ist der Patron der armen Seelen. Er ist auch beteiligt am Gericht. In den letzten Tagen streitet er für sein Volk und gilt als Anführer des Kriegsheeres Jahwes. Von ähnlicher Bedeutung ist Raphael. Der Name bedeutet: Gott hilft. Im Buch Tobias wird berichtet, dass Raphael in menschlicher Gestalt als Bote Gottes und Werkzeug der Vorsehung für die Gerechten erscheint. Er begleitet Tobias, er befreit Sara vom Dämon und er heilt Tobias, den Vater. Wir rufen Raphael vor allem an als Patron der Reisenden und der Kranken.

Der Fürsorge der Engel für ihre Schutzbefohlenen entspricht die Verehrung und Anrufung von Seiten der ihnen Anvertrauten. Wir feiern das Engelamt. Das Engelamt bedeutet im wörtlichen Sinne ein Hochamt, das nach dem Formular von den heiligen Engeln gefeiert wird. Die Roratemesse im Advent, das ist ein Engelamt. Die Mitternachtsmesse zu Weihnachten ist ein Engelamt, denn am Ende des Evangeliums wird ja von dem Lobgesang der Engel berichtet. In der kirchlichen Liturgie werden sowohl die Engel im Allgemeinen wie auch einzelne Engel im Besonderen angerufen. Im Hymnus des Schutzengelfestes feiert die Kirche die Engel und betet: „Euch, ihr Hüter der Menschen, feiern im Liede wir, die dem Gebrechlichen der Vater sorglich zur Seite gab, ihn zu geleiten, auf dass den Ränken der Feinde er schutzlos nimmer erliegen möge.“ Am Fest des Erzengels Michael heißt es: „Michael, der Engel des Friedens, steige hernieder in unsere Hütten, bringe Segen und Frieden.“ Und im liturgischen Abendgebet – das wir Priester jeden Abend beten – bittet die Kirche, dass die heiligen Engel in unseren Häusern Wohnung nehmen und uns in Frieden bewahren. Im Offertorium der Totenmesse wird gebetet: „Herr Jesus Christus, König der Herrlichkeit, du rettest die Seelen aller verstorbenen Gläubigen vor den Strafen der Unterwelt. Der heilige Bannerträger Michael führe sie heim ins himmlische Licht.“ Die Engel werden im Himmel unsere Gefährten sein, deshalb freuen sie sich auf uns. Sie warten auf uns und sie sind glücklich, wenn sie uns begrüßen dürfen in der Ewigkeit. Die Engel greifen oft in unser geistiges und körperliches Leben ein, wenn wir ihnen nicht durch unsere Sünden Hindernisse bereiten. O meine lieben Freunde, möchten Sie eine innige und zuversichtliche Liebe zu den Engeln erwecken. In einem Gedicht aus England heißt es: „Die Engel halten ihre Stellungen noch immer. Dreh einen Stein um, wag den Flügelschlag! Das bist nur du, der Augen abgewandter Schimmer, der ihren Vielglanz nicht zu schau`n vermag!“

Amen.   

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