Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Leiden Jesu Christi (Teil 3)

11. März 2018

Die Einsetzung der Eucharistie

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Über die Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl besitzen wir vier Berichte: einen von Markus, einen von Matthäus, einen von Lukas und einen von Paulus. Johannes erzählt wohl die Verheißung der Eucharistie, nicht aber die Einsetzung. Über Markus, Matthäus hinaus, die hinsichtlich des Wortlautes zusammengehen, haben Lukas und Paulus, die ebenfalls bezüglich des Wortlautes zusammengehen, den Stiftungsbefehl: Tut dies zu meinem Gedächtnis. Wegen der Verschiedenheiten des Wortlautes kann keine der beiden Textformen auf die andere zurückgeführt werden. Sie gehen vielmehr beide auf eine gemeinsame Urform zurück, die natürlich aramäisch (nicht griechisch) gewesen sein muss. Und sie ist am besten aufbewahrt im Evangelium nach Markus. Jesus nimmt eines der vom Pascharitual vorgesehenen ungesäuerten Brote, spricht darüber nach jüdischer Sitte den Lobspruch auf Gott, bricht, d.h. zerteilt es und reicht es den Jüngern zum Genusse mit den Worten: „Das ist mein Leib.“ Das Brotbrechen leitet jede jüdische Mahlzeit ein. Das Brechen, also die Zerteilung des Brotes war durch das Austeilen bedingt. Es ist darin keine Andeutung zu sehen, dass dem Leibe Jesu etwas Ähnliches widerfahren werde. Doch in der von Lukas und Paulus überlieferten Textform dieses Wortes ist ausdrücklich beigefügt: … das für euch vergossen wird, das für euch hingegeben wird, nämlich in den Tod, zur Erlösung der Menschen. Damit ist der Opfercharakter des Todes Jesu und der Opfercharakter der Eucharistie, in der ja der Tod Jesu dargestellt wird, erklärt. In genau entsprechender Weise verfährt Jesus auch mit einem der drei beim Paschamahl vorgesehenen Becher mit Wein. Es war der dritte Becher, der so genannte Segensbecher. Dabei spricht Jesus zu ihnen: „Das ist mein Bundesblut, das für euch vergossen wird.“ Mit dem Wort Bundesblut bezieht sich Jesus auf einen Vorgang im Alten Testament. Da hat es schon einmal einen Bund gegeben, den Bund, den Moses mit Gott geschlossen hat. Er hat das Blut von den Opfertieren genommen und einen Teil gegen den Altar gesprengt und den anderen Teil zum Volke hin und dabei gesprochen: „Das ist das Blut des Bundes, den Jahwe mit euch geschlossen hat.“ Wie durch jenes Opferblut am Sinai die Bundesschließung besiegelt wurde, so wird auch durch das Blut Jesu, das bald am Kreuz vergossen werden wird, aufs Neue ein Bund gegründet, ein neuer Bund zwischen Gott und der Menschheit, eine neue Heilsordnung gestiftet, eine neue religiöse Gemeinschaft, ein neues Gottesvolk geschaffen. Aus der Gegenüberstellung mit dem Geschehen im Alten Testament geht hervor, dass Jesus sein Blut ebenfalls als Opferblut versteht. Die bundesstiftende Wirkung des Blutes hat darin ihren Grund, dass es für die vielen, d.h. für die ganze Menschheit vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Aufgrund seines Todes nimmt Gott die Menschen in die Gemeinschaft des kommenden Gottesreiches auf. Hier spricht Jesus sein letztes, sein entscheidendes Wort über die Heilsbedeutung seines in wenigen Stunden erfolgenden Todes.

Die Sündenvergebung ist an das Opfer geknüpft, nicht an den Genuss der Opfergabe. Das war der fundamentale Irrtum Luthers, dass er die Sündenvergebung an das Essen und Trinken band und so die Eucharistie zum Sakrament der Sündenvergebung machte – irrtümlich natürlich machte. Aber Jesus hatte nicht gesagt, dass die Sünden vergeben werden durch Speise und Trank, sondern durch das Opfer von Leben und Blut. Nicht weil Leib und Blut des Herrn genossen werden, geschieht Sündenvergebung, sondern weil Leib und Blut vergossen werden.

Beim jüdischen Paschamahl blieben Brot und Wein das, was sie waren: natürliche Genussmittel für das Mahl. Jesus gab den jüdischen Mahlbräuchen einen neuen Inhalt. Unter seinen Händen wurden Brot und Wein zu Trägern eines andersartigen Inhaltes. So wurden deutende Worte unentbehrlich. So wird die Eucharistiefeier mehr als ein Brudermahl. Indem Jesus Brot und Wein nimmt und sie den Jüngern zum Genusse reicht mit der Erklärung, das sei sein Fleisch und sein Blut, schenkt er ihnen Anteil an der Heilskraft seines Todes. Nach dem Wortlaut bei Lukas und Paulus sagt Jesus geradezu: „Dieser Becher ist der neue Bund, der durch mein Blut besiegelt wird, das für euch vergossen wird.“ Anstelle der Ursache, nämlich des vergossenen Blutes Christi, wird hier die Wirkung genannt, nämlich der durch das Blutvergießen geschaffene Neue Bund. Damit ist der Charakter des eucharistischen Mahles als eines wirklichen Opfermahles, mit anderen Worten, der Opfercharakter der Eucharistie deutlich ausgesprochen. Die Eucharistie ist das Opfer des Neuen Bundes, und zwar wegen ihrer Beziehung auf den Kreuzestod Jesu für die vielen.

„Der Herr nahm das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, er dankte, brach es und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset: Das ist mein Leib. Dann nahm er auch den Kelch, dankte abermals und gab ihn den Jüngern, indem er sprach: Nehmet hin und trinket daraus: Das ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes.“ Das sind die wunderbarsten, die größten, die mächtigsten Worte, die unser Heiland in seinem ganzen Leben gesprochen hat. Jesus reichte den Jüngern Brot und Wein zum Genuss dar, aber nicht als bloßes Symbol seines bevorstehenden Todes oder als Symbol der ewigen Gemeinschaft zwischen ihm und ihnen – denn Brot und Wein sind ihrer Natur nach nicht Symbole für Fleisch und Blut des Menschen. Das Urchristentum von Paulus und Johannes an und die ganze spätere Christenheit bis ins 16. Jahrhundert hat die Worte Jesu realistisch, nicht symbolisch verstanden, also als wirkliche Gegenwart von Leib und Blut, wirklich, wahrhaft und wesentlich, wie das Konzil von Trient ein für allemal festgestellt hat. In diesen Worten, meine lieben Freunde, liegt die ganze Allmacht der Weltschöpfung, denn dies ist ein unmittelbares Werk Gottes. Das, was auf dem Tische lag, war Brot; der Herr nahm es und sprach: Das ist mein Leib. Er sagte nicht: Das bedeutet meinen Leib, wie Zwingli; er sagte auch nicht: Das enthält meine Leib, wie Luther; er sagte auch nicht: Das ist Kraft von meinem Leib, wie Calvin, nein, er sagte: Das ist mein Leib. In Kraft dieser Worte, in Kraft des Schöpferwillens Jesu, der hinter diesen Worten steht, wurde das Brot verwandelt in den Leib des Herrn in dem Augenblick, in dem diese Worte gesprochen wurden. Das ist die Kraft Gottes allein, die so ein Wunder vollbringen kann. Wie er allein die Welt erschaffen hat und ihm niemand beigestanden hat, wie er allein Tote aus dem Grabe erweckt hat und ihm niemand geholfen hat, wie er allein das Brot vermehren konnte und kein Jünger ihm dazu beistand, so kann er allein das Brot verwandeln in seinen Leib und den Wein in sein heiliges Blut. Da hat ihm kein Engel geholfen; der hat nicht die Kraft dazu, und erst recht kein Mensch. Der Priester, der am Altare steht, kann nichts tun, als die Worte Christi sprechen, aber die Kraft, die da wirkt, ist Gottes Kraft. In dem Augenblick, wo die Glocke der Wandlung ertönt, steigt Gottes Allmacht selbst hernieder auf den Altar und wirkt dieses unerhörte Wunder. Da zeigt sich der Finger Gottes, die Hand des Allmächtigen reicht da herein in unsere Mitte und offenbart sich. Es gibt einen Ort in der Welt, meine lieben Freunde, wo Gott selbst wirkt in unserer Mitte, Gott, unser Vater. Es gibt einen Augenblick an jedem Tage, wo er herabsteigt und unter uns arbeitet, wenn die Glocke zur Wandlung läutet. Dann können wir uns wahrlich trösten und sagen: Da ist mein Gott. Da ist etwas, was nicht die Menschen machen, was nicht meine Feinde machen, was nicht das Schicksal macht, nein, da ist etwas, was mein Gott macht.

Das Werk, das Gott wirkt in der Wandlung, bedeutet die Erlösung der Welt. Christus hat das Geheimnis seines Erlösungstodes in diesem heiligsten Sakrament schon vorausgenommen. Seinen Opfertod am Karfreitag hat er schon gefeiert am Abend des Gründonnerstags, da hat er schon dieses Todesopfer dem himmlischen Vater dargebracht unter den Gestalten von Brot und Wein. Es ist, als hätte er das Opfer nicht erwarten können, so hat er danach verlangt, und darum hat er schon vorher darüber entschieden. Als das Abendmahl vollzogen war, da war auch über ihn und sein Leben das Urteil gesprochen mit den Worten: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut für euch und für viele vergossen.“ Jetzt hat er in diesen Worten das Kreuz aufgepflanzt; jetzt muss er es auch besteigen. In diesen Worten: „Nehmet hin und esset“ hat er sie Frucht seines Todes schon verteilt; jetzt muss er aber auch den Preis bezahlen. In diesen Worten hat er sein Leben und sein Blut als Opferspeise hingegeben; jetzt muss er es auch opfern. Er konnte es scheinbar nicht erwarten, bis die Stunde kam. Und als die Stunde gekommen war und er sein Opfer blutig vollbrachte, da hat er es damit nicht genug sein lassen. Er wollte, dass sein Opfer immerfort und immer wieder neu gegenwärtig gemacht wird, Jahrhundert um Jahrhundert, Tausend Mal, Millionen Mal. Es ist, als könne er es nie wieder vergessen. Immer wieder will Gott dieses Opfer seines Sohnes sehen, immer aufs Neue will er den Aufgang dieser Sonne sehen und dieses Morgenrot der erlösten Menschheit. Von allem, was auf dieser Erde geschieht, hat für Gott nichts so viel Interesse wie der Aufgang seines Sohnes auf den Altären. Alle die großen Staatsaktionen der Menschen, alle die Sonnenaufgänge in der Natur, ja selbst die heroischen Werke seiner Heiligen, Gott hat dafür nicht so viel Blick wie für das Opfer seines Sohnes, für das Geheimnis der Erlösung. Gott sprach: „Nehmet hin und esset“ – nehmet hin. Wenn ein Gott uns etwas gibt, ja, wenn er uns befiehlt, etwas zu nehmen, dann wird das wohl das Wichtigste sein und das Notwendigste, das wir brauchen. Was hält Gott für das Notwendigste in unserem Leben? Dasselbe, was er für das größte hält unter seinen Werken. Von allen seinen Werken aber ist das größte die Menschwerdung seines Sohnes. Und im Leben des Gottmenschen ist das Allergrößte der Tod des Gottessohnes. Und das gleiche ist auch für uns das Wichtigste und das Größte nach der Meinung Gottes. O meine lieben Freunde, dass der Sohn Gottes auf unseren Altären erscheint, dass er seine Lebenshingabe gegenwärtig macht, das ist unser Reichtum, unser Glück, unser Himmel auf Erden. Ach, möchten wir doch würdig werden dieser Gabe.

Amen.

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