Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das sechste Gebot (Teil 4)

11. August 2013

Eheliche Pflichten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Auf Lebensentscheidungen muss man sich vorbereiten, auf den Beruf, aber auch auf die Eheschließung. Die beste und eigentlich unerlässliche Vorbereitung für eine Eheschließung ist, sich zu einer solchen Persönlichkeit zu gestalten, die ein wahres Geschenk für den anderen ist. Man sollte sich bemühen, eine vollkommene Persönlichkeit zu werden, die in einer Ehe die Garantie für das Gelingen dieser Gemeinschaft bietet. Das heißt, die Ehewilligen sollen die Haltungen, die Tugenden, die Eigenschaften ausbilden, die für eine Zweisamkeit unerlässlich sind: Rücksichtnahme, Selbstlosigkeit, Nachgiebigkeit, Versöhnlichkeit, Leidensbereitschaft. Man muss lernen, sich zusammenzunehmen, sich zu überwinden, zu verzichten, wenn man eine Ehe schließen will. Man muss hinnehmen, ertragen, dulden können, wenn man eine Zweisamkeit begründen will. Man muss fähig sein, auf den anderen einzugehen, seinen Bedürfnissen und Wünschen zuvorzukommen, wenn man mit ihm den Lebensbund schließen will. Der Eigenwille muss gezähmt, die Eigensucht überwunden werden, wenn man sich mit einem anderen Menschen ehelich verbinden will. Ehen leben nicht davon, meine lieben Freunde, dass jeder sein Recht einfordert, sondern dass jeder bereit ist, sein Recht preiszugeben. Selbstverständlich muss auch die Keuschheit und Schamhaftigkeit eingeübt werden vor der Ehe. Wer sich vor der Ehe nicht beherrschen kann, bei dem ist sehr zweifelhaft, ob er sich in der Ehe beherrschen wird. Es muss eine Belehrung erfolgen über die Zweigeschlechtlichkeit, über Ehe und Familie, und zwar möglichst frühzeitig und einprägsam. Zu einer sachlich richtigen Belehrung gehört nicht nur die Mitteilung über die körperlichen Vorgänge, sondern es muss auch über den ethisch und religiös verantworteten Umgang mit der Geschlechtlichkeit in der Ehe belehrt werden. Nicht die Orientierung über sexuelle Praktiken ist gefragt, sondern die Darstellung der Verantwortung gegenüber Gott und den Menschen. Es scheint, dass der heute betriebene Sexualkundeunterricht in der Schule diesen Erfordernissen nicht gerecht wird. Eltern und Kinder klagen, dass sie über sexuelle Verhütungspraktiken unterrichtet werden, aber nicht, wie man vor Gott und den Menschen die Geschlechtlichkeit beherrschen muss.

Der Ehestand bringt gewichtige Pflichten mit sich. Außer den allgemeinen Pflichten, die man gegenüber jedem Nächsten üben muss, kommen eben die speziellen Pflichten des Ehestandes hinzu, also aus der Lebensgemeinschaft, aus der Beziehung der Liebe, der Treue und der Gerechtigkeit. Die Pflichten der ehelichen Gemeinschaft im allgemeinen bestehen einmal in dem Zusammenleben, im äußeren Zusammenwohnen. Und das ist nicht leicht, denn hier lernt man sich in einer Weise intim kennen, die jeden Respekt vernichten kann. Das äußere Zusammenwohnen der Gatten ist aber von Sinn und Zweck der Ehe gefordert. Berufliche Gründe können ein kürzeres oder längeres Sichtrennen notwendig machen. Denken wir an die Fernfahrer in den Bussen und in den Lastkraftwagen, die tage-, manchmal wochenlang unterwegs sind. Ich kenne ein Ehepaar, von dem der eine Teil einen Betrieb in Nürnberg, der andere einen in Budenheim betreibt. Gott sei es gedankt, dass sie so viele Jahre und Jahrzehnte durchgehalten haben. Solche Wochenendehen bedürfen besonderer Rücksichtnahme, Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit. Längeres Fernbleiben ohne gewichtigen Grund ist sittlich unzulässig. Auch die sonstigen Rechts- und Vermögensbestimmungen sind von sittlicher Bedeutung in der Ehe, denn die Ehe ist nun mal ein Band der Liebe und der Treue und es muss vor Lockerung geschützt werden. Geduld, Opfersinn, Großmut, Arbeitsamkeit sind sittlich zu erwerben und zu festigen.

Aber eine Forderung gibt es, über die ich jedesmal erschrecke, wenn ich sie lese, nämlich im Epheserbrief schreibt der Apostel: „Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ Hier wird als Maßstab und als Leitbild der ehelichen Liebe das Vorbild Christi vor uns hingestellt. Und wie hat denn Christus seine Kirche geliebt? Indem er sie geliebt hat bis zum Tode, indem er sein Leben für sie hingegeben hat. Das ist eine erschreckende Forderung: Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt hat. Wer seine Frau so liebt, wie Christus die Kirche geliebt hat, dessen Ehe steht fest. Eine solche Ehe ist vor allen Gefahren geschützt. Die rechte Führung der Ehe soll auch eine Schule der sittlichen Vervollkommnung und Erbauung sein. Die Gatten sollen sich gegenseitig fördern. „Nicht nur fort sollt ihr euch pflanzen“, schreibt Friedrich Nietzsche, „sondern hinauf sollt ihr euch pflanzen.“ Jawohl, so ist es! Die Gatten sollen voneinander lernen, sich behilflich sein, um sich auszubilden. Einer muss fragen, was braucht der andere, wie kann ich ihn fördern, wie kann ich ihm dienen? Wir unterscheiden bekanntlich drei Arten der Liebe: Die begehrende Liebe, die schenkende Liebe und die dienende Liebe. Die wichtigste von diesen drei Arten der Liebe ist die dienende Liebe. Die Liebesgemeinschaft soll sich unter Prüfungen läutern und die Grundlage einer unerschütterlichen Lebens-gemeinschaft werden. Es ist kein unumstößliches Gesetz, dass die Liebe in der Ehe ständig abnimmt. Sie kann auch wachsen, sich vertiefen, lauterer und selbstloser werden. Die Kaiserin Maria Theresia von Österreich, die sechzehn Kinder geboren hat, diese Kaiserin Maria Theresia schrieb einmal an ihre Tochter Christine: „Alles Glück der Ehe besteht im gegenseitigen Vertrauen und Entgegenkommen. Die törichte Liebe vergeht bald, aber man muss einander achten und dienen.“

Auch in der christlichen Ehe können Schwierigkeiten, Missverständnisse, Meinungsverschiedenheiten entstehen. Es ist fast unvermeidlich, dass zwei verschiedene Menschen unterschiedlich denken, und es ist nicht auszuschließen, dass es Widersprüche und vielleicht auch Konflikte gibt. Aber das unterscheidet christliche Ehen von anderen: In christlichen Ehen werden Verstimmungen, Spannungen, Reibungen überwunden, sodass es nicht zum Zerwürfnis und zur Zwietracht kommt. Christliche Ehen sind heilbar. In der Taukraft des Christentums werden Konflikte innerlich überwunden. Eine Generalbeichte, eine Osterkommunion, zwei Menschen nebeneinander auf den roten Kissen, wie damals bei der Hochzeit vor dem Tabernakel. Zwei Christen, die sich verzeihen, die ihre Pflicht wiederfinden, das ist Auferstehung.

Ein besonderes Wort muss zu den Pflichten bezüglich des Geschlechtsverkehrs in der Ehe gesagt werden. Das sechste Gebot schärft die Sündhaftigkeit jedes außerehelichen Geschlechtsverkehrs ein. Ein sogenannter Seitensprung ist und bleibt eine schwere Sünde. Eheleute verstoßen dadurch gegen die Keuschheit, die Gerechtigkeit und die Treue. Im heidnischen und im modernen Bereich werden dem Manne größere Freiheiten eingeräumt als der Frau. Nicht so im Christentum. Im Christentum gilt die wesentliche Gleichheit des Keuschheitsgebotes für den Mann wie für die Frau. Positiv bewirkt die Ehe die Pflicht, den natürlichen Geschlechtsverkehr zu gewähren. Man spricht von der ehelichen Pflicht: „Debitum conjugale“. Das steht im 1. Korintherbrief. „Der Frau leiste der Mann die Pflicht, gleicherweise auch die Frau dem Manne. Die Frau hat nicht Gewalt über ihren Leib, sondern der Mann. Gleicherweise hat auch der Mann nicht Gewalt über seinen Leib, sondern die Frau.“ Erster Korintherbrief, siebentes Kapitel. Der natürlich vollzogene eheliche Akt ist sittlich erlaubt, ist pflichtmäßig und gut. Er ist das gottgewollte Mittel der Fortpflanzung. Im ersten Timotheusbrief schreibt Paulus: „Die Frau wird ihr Heil wirken durch Kindergebären.“ Der vornehmste und von Gott gewollte Zweck der ehelichen Beiwohnung ist selbstverständlich die Erzielung von Nachkommenschaft, für die Familie, für das Volk, für die Kirche. Aber auch die anderen Zwecke sind gültige Motive für den ehelichen Verkehr, also die Erhaltung der ehelichen Liebe und Treue, die geordnete Befriedigung des Geschlechtstriebes. Die eheliche Pflicht darf verweigert werden, wenn der andere Gatte Ehebruch begangen hat, wenn er seine Vaterpflichten gewissenlos versäumt, bei Trunkenheit. Mir sagte einmal ein bayerischer Minister: „Die meisten Kinder bei uns sind Rauschkinder“, ein schreckliches Wort. Die meisten Kinder bei uns sind Rauschkinder, d.h. im Rausch erzeugt. Auch bei übermäßiger Forderung besteht die Möglichkeit der Verweigerung oder bei beträchtlichen leiblichen oder seelischen Beschwerden der Frau. Rücksichtnahme ist in jedem Falle gefordert. Jede vollständige Geschlechtsbefriedigung, die den Hauptzweck der Ehe in widernatürlicher Weise ausschließt, also der onanistische Eheverkehr, ist naturwidrig und deswegen untersagt. „Es gibt keinen noch so schwerwiegenden Grund“, hat einst Papst Pius XI. verkündet, „der etwas innerlich Naturwidriges zu etwas Naturgemäßem und sittlich Gutem machen kann.“ Es gibt keinen noch so schwerwiegenden Grund, der etwas innerlich Naturwidriges zu etwas Naturgemäßem und sittlich Gutem machen kann. Das ist keine Sondermeinung eines Papstes, das ist die Lehre der Kirche seit zwei Jahrtausenden. Sie hat sich nie geändert, und sie kann sich nicht ändern, weil Gott sich nicht ändert und seine Gebote sich nicht ändern. Im zweiten Jahrhundert schreibt der Ehemann Tertullian: „Wir Christen gehen grundsätzlich die Ehe ein entweder um der Kinder willen oder wir verzichten auf die Ehe und leben enthaltsam.“ Das II. Vatikanische Konzil ist dieser Lehre treu geblieben. „Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und der Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Es ist den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu bestreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“ Diese Lehre wurde von Papst Paul VI. in der bekannten Enzyklika, die mit den Worten „Humanae Vitae“ beginnt, bekräftigt. Diejenigen, die gegen diese Enzyklika Stellung nehmen, haben meistenteils sie nicht gelesen. Wer sie liest, wird sehen, dass das, was dort vorgetragen wird, in sich schlüssig ist. Es heißt in dieser Enzyklika: „Jeglicher Vollzug der Ehe muss von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens ausgerichtet sein. Diese Lehre gründet in der von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte: Liebende Vereinigung und Fortpflanzung, die beide dem ehelichen Akte innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig aufgeben. Ein Akt gegenseitiger Liebe widerspricht dem göttlichen Plan über der Ehe und dem Willen des ersten Urhebers menschlichen Lebens, wenn er der vom Schöpfer in ihn hineingelegten Eignung zur Weckung neuen Lebens abträglich ist. Wer einerseits Gottes Gabe genießt und andererseits Sinn und Ziel dieser Gabe ausschließt, handelt im Widerspruch zur Natur des Mannes und der Frau und stellt sich gegen Gottes Plan und Willen. Jede Handlung ist verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn bei dem Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern.“

Meine lieben Freunde, ich bin mir des Gewichtes dieser Normen durchaus bewusst. Vielleicht sagt jemand, du bist ja nicht verheiratet, du hast es leicht. Nein, der Priester hat es nicht leicht. Er muss das verkünden, was Vielen nicht gefällt. Wenn die Eheleute keinen Kindersegen wünschen, dann bleibt die mit Gottes Gnade mögliche Enthaltsamkeit, entweder die volle oder die periodische Enthaltsamkeit, d.h. die Nutzung der empfängnisfreien Tage für den ehelichen Verkehr. Die Verkündigung der Kirche weiß sehr wohl, dass es durchaus Gründe geben kann, die empfängnisfreien Tage für die eheliche Einung zu benutzen. „Wenn die Eheleute sie auch benutzen, ist nichts dagegen einzuwenden“, sagt Pius XI. „Und nur, wenn sie ausschließlich benutzt werden, müssen schwerwiegende Motive da sein.“ Und die kann es durchaus geben. Es ist mir bekannt, dass kein Gegenstand der kirchlichen Verkündigung auf so heftigen Widerstand stößt wie dieser. Man verweist auf die hohe Zahl der Ehepaare, die die Empfängnisverhütung praktizieren. Ich frage: „Hält sich die Masse der Menschen, ja auch die Masse der katholischen Christen, hält sich die Masse der Menschen an die übrigen Gebote Gottes? Hält sie sich an das Gebot der Keuschheit, der Wahrhaftigkeit, der Ehrlichkeit? Dürfen wir, weil die Menschen auch diese Gebote fast überall übertreten, dürfen wir deswegen die Keuschheit, die Wahrhaftigkeit und die Ehrlichkeit aus dem Gebotekanon streichen?“ In unserer Zeit ist die Ehe mit einem Kind oder mit zwei Kindern üblich geworden. Das war nicht immer so. Ein Bischof von Münster, Max von Galen, hat bei seinem Amtsantritt ein Bildchen drucken lassen, und auf diesem Bildchen stand geschrieben: „Ich bin das 13. Kind meiner Eltern, und ich werde es meiner einzigen Mutter ewig danken, dass sie den Mut hatte, auch zu diesem dreizehnten Kind, das Gott ihr anbot, noch ein Ja zu sagen. Ohne dieses Ja der Mutter wäre ich nicht Priester und Bischof geworden.“ Ich kenne alle Einwände, die gegen die gottgegebene und von der Kirche nur verkündete, nicht erfundene, von der Kirche nur verkündete Ehelehre vorgebracht werden. Ich nehme sie wahrlich nicht leicht, aber Grundsätze, meine lieben Freunde, dürfen nicht danach gemessen werden, ob sie schwer oder leicht sind, sondern ob sie richtig sind. Grundsätze werden auch nicht dadurch falsch, dass es Menschen gibt, die nicht darunter leiden. Es fällt mir gewiss schwer, ein Gesetz zu predigen, das den anderen belastet und mir selbst erspart bleibt. Aber ein Gesetz wird dadurch nicht falsch, dass es den, der es auf Anruf verkündet, mit seiner Schwere nicht trifft. Der Verkündiger weiß nicht, ob er selbst fähig und gewillt wäre, dem unveräußerlichen Willen Gottes über der Ehe nachzukommen. Niemand von uns ist sicher, das große Opfer, wenn es gefordert wird, zu erbringen. Aber eines ist gewiss: Ohne Opfer hat es nie ganze Kultur gegeben, noch weniger ganzes Christentum. Sein Geheimnis beginnt hier, seine Kraft.

Amen.

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