Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Weg zum Heil (Teil 3)

28. Januar 2007

Der Weg der Bekehrung des Sünders

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Eines Tages erzählte Jesus den Jüngern folgendes Gleichnis. Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen trat eines Tages vor ihn hin und sagte: Gib mir mein Vermögen, damit ich verreisen kann. Der Vater händigte ihm das Vermögen aus, und er zog davon. Er verprasste sein Vermögen in der Fremde durch ein ausschweifendes Leben, und als alles aufgebraucht war, da hungerte ihn, und er verdingte sich bei einem Bauern als Knecht. Er schickte ihn auf das Feld, um die Schweine zu hüten, die unreinen Tiere in Israel. Gern hätte er seinen Hunger mit den Schoten gestillt, die die Schweine fraßen, aber niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Wie viele Tagelöhner in des Vaters Haus haben genug zu essen, und ich sterbe hier vor Hunger. Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von ferne. Er eilte ihm entgegen, er umarmte ihn, er küsste ihn, und dann führte er ihn in sein Haus und sagte den Knechten: Bringt ihm ein Kleid und zieht es ihm an, bringt Schuhe und legt sie an seine Füße und schlachtet das Mastkalb, denn mein Sohn war verloren und ist wiedergefunden; er war tot, und er ist lebendig geworden. Der Sohn aber sprach: Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir. Und so begannen sie dann ein Freudenmahl zu halten.

Meine lieben Freunde, in diesem ergreifenden Gleichnis hat der Herr den Weg des Sünders vorgezeichnet, von der Sünde zur Bekehrung. Wir wollen dieses Gleichnis zum Anlaß nehmen, um den Weg, den wir gehen müssen, wir Sünder, nachzuvollziehen, von der Versuchung über die Sünde bis zur Bekehrung und zur Heimkehr.

Das erste, was der Sohn in der Fremde tat, war: Er ging in sich, d.h. er betrachtete seine Sünden. Und das ist auch das erste, was wir tun müssen, wenn wir uns bekehren wollen: Wir müssen unsere Sünden erkennen, wir müssen Gewissenserforschung halten, wie man es nennt. Wir müssen also darüber nachdenken, was wir getan haben. Dazu kann uns helfen ein Beichtspiegel. In den Gebetbüchern, die hier ausliegen, ist ein guter Beichtspiegel. Das Gotteslob enthält nicht einen guten Beichtspiegel; dort ist darum herumgeredet. Dieser Beichtspiegel in dem alten Gesangbuch ist richtig und vollständig und wertvoll. An ihm kann man seine Sünden wirklich erkennen. Wir müssen uns erforschen über die schweren Sünden, und wir sollen uns erforschen über die lässlichen Sünden. Beides dient unserem Heil. Die Beicht der schweren Sünden ist unerläßlich. Die lässlichen Sünden müssen nicht gebeichtet werden, aber es ist nützlich, sie zu beichten. Sie dienen unserem Fortschritt und unserer Vollkommenheit. Wir sollten jeden Abend Gewissenserforschung halten, jeden Abend zurückblicken auf den Tag, uns an die Brust klopfen und um Verzeihung für unsere Sünden bitten.

Das zweite, was der verlorene Sohn tat, war die Reue. Er hat erkannt, wie gut es ihm im Hause des Vaters gegangen ist und wie schlecht es ihm jetzt in der Fremde ging, wo er sich den Satan als Herrn gesucht hatte. Die Reue zu empfinden ist nicht schwer, meine lieben Freunde. Wir müssen nur zwei Blicke nach unten richten und zwei Blicke nach oben. Zwei Blicke nach unten, nämlich zunächst in den Zustand der Verdammnis. Wir wissen, dass Gott die schwere nicht bereute Sünde in der Hölle straft. Daran führt kein Weg vorbei. Auch das Fegfeuer ist eine Strafe und keine geringe Strafe. Die größten Heiligen versichern uns, dass die Schmerzen auf Erden nicht zu vergleichen sind mit den Schmerzen des Reinigungszustandes. In diesen Reinigungszustand kommen wir, wenn wir lässliche Sünden begangen haben, die nicht vergeben sind, und wenn die Sündenstrafen auf Erden nicht abgebüßt wurden.

Zwei Blicke nach unten, zwei Blicke nach oben. Oben, da hängt er am Kreuze, er, der für uns verblutet ist in stellvertretendem Sühneleiden. „Das tat ich für dich – was tust du für mich?“ So fragen seine Wunden. „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde.“ Der zweite Blick nach oben ist in den Himmel, dort, wo der Vater auf uns wartet, dort, wo er uns einlädt, an seiner Freude teilzunehmen, das Glück, die Seligkeit des Himmels zu genießen. Das alles haben wir verscherzt durch die Sünde. Das kann uns zur Liebesreue führen, die für unsere Vergebung gefordert ist.

Und schließlich der Vorsatz: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, sagt der verlorene Sohn. Und so sollen wir uns auch aufmachen und zum Vater zurückkehren. Das schließt drei Dinge in sich. Erstens: Ich will die Sünde meiden. Der Vorsatz muss ein ernster sein, nicht ein irgendwie geartetes billige Meinen: Nun ja, es wird schon wieder gehen. Nein, ich will die Sünde meiden. Fest und entschlossen müssen wir der Sünde aus dem Wege gehen. Der Vorsatz ist nicht schlecht, wenn man fürchtet oder ahnt, dass man wieder in Sünde fallen wird. Gott schaut nicht auf unsere Kraft, sondern auf unseren Willen. Er wird uns die Kraft geben, wenn der Wille nur gut und fest ist, die Sünde zu meiden.

Die Sünde zu meiden bedingt aber zweitens, dass man die Gelegenheit zur Sünde meidet. Wer die Gelegenheit nicht meiden will, der will auch die Sünde nicht meiden. Gelegenheit, nun das ist eben jeder Umstand, der uns wahrscheinlich zur Sünde verführt. Das sind Freunde, das sind Bücher, das sind bestimmte Örtlichkeiten, die uns zur Sünde verführen. Wer die nächste Gelegenheit, die freiwillige nächste Gelegenheit nicht meidet, der will auch die Sünde nicht meiden; denn er weiß, bei der nächsten Gelegenheit fällt er wieder, und dennoch begibt er sich in diese Lage. Deswegen müssen wir uns und unsere Anvertrauten dazu erziehen, dass sie ganz energisch die nächste Gelegenheit zur Sünde meiden.

Das Dritte ist, dass wir die notwendigen Mittel anwenden, um nicht mehr zu sündigen, die Besserungsmittel anwenden. Solche Besserungsmittel richten sich nach der Eigenart der Sünde. Wer dazu neigt, einen über den Durst zu trinken, der muss sich durch Abtötung dazu bringen, dass er alle Unbeherrschtheit überwindet. Das ist ja das Problem bei fast allen von uns: die Beherrschung, die Beherrschung im Reden, im Denken, im Handeln. Die Beherrschung ist eigentlich das Problem unseres Lebens. Und dazu muss man die nötigen Mittel anwenden. Ein wichtiges Mittel, das ich vor allem Jugendlichen immer empfohlen habe, ist körperliche Betätigung, sich müde arbeiten, nicht sich scheuen, die Schaufel und die Hacke in die Hand zu nehmen. Körperliche Betätigung hat therapeutischen Wert für die Seele. Andere Besserungsmittel sind eifriges Gebet, regelmäßige Beicht, Besuch der Werktagsmesse, Beherrschung im Essen. Solche Besserungsmittel zeigen, dass wir ernst machen mit unserer Bekehrung.

Der verlorene Sohn ist dann heimgekehrt zum Vater und hat seine Schuld bekannt. „Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir.“ So müssen auch wir in der Beicht unsere Sünden bekennen. Wir müssen alle schweren Sünden nach Zahl und Art bekennen. Es ist eben nicht gleichgültig, ob man einen erschlagen hat oder fünf, und es ist nicht gleichgültig, ob man einen Klassenkameraden versohlt hat oder ob man den Vater geschlagen hat. Das ändert die Art der Sünde. Wir müssen also die schweren Sünden nach Art und Zahl bekennen. Das ist keine Schande, meine lieben Freunde. Eine Schande ist es, zu sündigen, aber es ist keine Schande, die Sünde zu bekennen. Wir brauchen uns da in keiner Weise besorgt zu zeigen. Ich habe in meiner 56-jährigen Beichtstuhltätigkeit niemals einen Schrecken empfunden über die schweren Sünden, wohl aber bin ich erschrocken, wenn mir jemand gesagt hat: „Ich habe keine Sünden.“ Da bin ich erschrocken.

Wir beichten unsere Sünden einem Priester, der zu ewigem Stillschweigen gebunden ist. Es gibt keinen Grund, es gibt keine Gelegenheit, die ihm gestatten würde, etwas, was er in der Beicht gehört hat, zu verraten. Der französische Bischof Grégoire von Blois, der die Französische Revolution miterlebt hat, hat ein Buch geschrieben über den Klerus in Frankreich während der Revolution. In diesem Buch steht der Satz: „Man hat in der Revolution Priester gesehen, die eine Ehe eingegangen sind. Man hat Priester gesehen, die ihr Priestertum aufgegeben haben. Aber man hat nicht einen einzigen Priester gesehen, der das Beichtsiegel gebrochen hätte.“ Das ist ein Ruhmesblatt für den Klerus der katholischen Kirche. Der Priester ist selber ein Mensch. Er leidet unter seinen eigenen Schwächen und Erbärmlichkeiten. Er kennt sich wahrscheinlich besser als Ihr und weiß, wie weit er von dem Ideal entfernt ist, das Christus uns gesetzt hat. Er kann also mitfühlen mit dem Büßer, mit dem Sünder; er ist solidarisch mit ihm. Er kann mitweinen und mitopfern. Der Priester ist aber auch Stellvertreter Gottes. Er steht hier nicht als Mensch neben dem anderen, sondern als der Beauftragte Gottes, der im Sinne Christi den Sünder anzunehmen hat.

Man braucht seine Sünden nur einmal zu beichten. Wenn sie vergeben sind, sind sie für immer vergeben. Gott wird uns auch in der Ewigkeit keine Sünde vorhalten, die vergeben ist. Und auch die Verdammten sind nicht in der Hölle wegen der Sünden, die vergeben wurden, sondern wegen derer, die nicht vergeben wurden. Allerdings kann es sich empfehlen, auch schon gebeichtete Sünden noch einmal zu beichten. Man nennt das eine Generalbeicht. Vor wichtigen Abschnitten des Lebens – Eheschließung, Priesterweihe, 50. oder 60. Geburtstag – kann man eine Generalbeicht ablegen, also die Sünden der Vergangenheit wiederholen, um sich tief zu demütigen. Das ist eine sehr nützliche Übung, Sünden, die lange zurückliegen, noch einmal zu beichten, um sich vor Gott und seinem Stellvertreter zu demütigen. Allerdings gilt das nur für seelisch gesunde Menschen. Wer skrupulös ist, dem ist von solchen Generalbeichten abzuraten. Eine Generalbeicht ist sogar notwendig, wenn man eine ungültige Beicht abgelegt hat. Dann müssen alle Sünden seit der ungültigen Beicht gebeichtet werden.

„Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Halte mich wie einen deiner Knechte“, sagte der verlorene Sohn. Er will also sühnen. Er will sühnen für das, was er angerichtet hat. Das müssen auch wir tun. Wir müssen die Genugtuung leisten, die mit der Buße verbunden ist. Der Priester legt eine Buße, eine Genugtuung auf, eine heute sehr leichte Buße. Früher waren sehr schwere Bußen üblich. Lange Zeit musste man vor der Kirche verharren, musste lange Zeit Fasten auf sich nehmen. Die Bußen haben sich sehr, sehr vermindert, nicht zum Vorteil der Büßer. Denn wer hier nicht büßt, der muss anderswo büßen, und die Buße, die im Fegfeuer verbracht wird, ist schwerer als die Buße auf Erden.

Der Büßer muss bereit sein, die Buße anzunehmen. Wer die Buße nicht annehmen will, dessen Lossprechung ist ungültig. Wenn einer die Buße vergisst, wird die Beichte nicht nachträglich ungültig; das ist mit der menschlichen Schwäche zu begründen. Aber wer sie nicht auf sich nehmen will, der beichtet ungültig. Ich wurde gefragt, ob man nach der Lossprechung zur heiligen Kommunion gehen kann, auch wenn man die Buße noch nicht verrichtet hat. Die Frage ist mit ja zu beantworten. Wer losgesprochen ist, kann in dem Augenblick die heilige Kommunion empfangen, auch wenn er die Buße noch nicht verrichtet hat, sondern nur den Vorsatz hat, sie zu verrichten. Für die heilige Kommunion sind immer zwei Dinge erforderlich: Freiheit von schwerer Sünde und rechte Absicht. Wenn das vorhanden ist, kann man also auch, bevor man die Buße verrichtet hat, die sich ja manchmal über Tage hinziehen kann, zur heiligen Kommunion gehen.

Es gibt Büßer, die bitten den Beichtvater, ihnen eine strengere Buße aufzuerlegen. Sie wissen, dass die sakramentale Buße sehr mächtig ist, nämlich die Sündenstrafen abzutragen, die über uns wegen unserer Verfehlungen verhängt sind. Es gibt auch Büßer, die freiwillig sich eine Buße auferlegen. Auch das ist wertvoll vor Gottes Auge. Vor allem aber besitzt eine besondere Sühnekraft die von Gott selbst uns geschickte Buße, also die Leiden und die Kreuze, die wir zu tragen haben. Wenn wir sie in der Gesinnung Jesu tragen, werden dadurch unsere Sünden abgetragen. Die Kreuze haben also eine wichtige Funktion in unserem Leben. Denn die Leiden, die Gott uns schickt und die wir nach seiner Gesinnung tragen, helfen uns, Genugtuung zu leisten.

Der verlorene Sohn wurde vom Vater liebevoll aufgenommen. Er umarmte ihn, er küsste ihn, er war voll Freude und ließ ein Fest ankündigen, denn der Sohn, der verloren war, ist wiedergefunden worden, der tot war, ist lebendig geworden. Das ist auch der Fall, wenn wir eine gute Beichte abgelegt haben. Meine lieben Freunde, wir sind wieder Gottes Kinder. Es ist alles vergeben. Wir sind wieder geschmückt mit der Gnade. Wir haben neue Kraft, die Sünde zu meiden. Wir sind beglückt und getröstet. Der himmlische Vater freut sich, dass sein Kind heimgekehrt ist. Der Gute Hirt freut sich, dass das verlorene Schaf wiedergefunden ward. Der Heilige Geist freut sich, dass sein Tempel nun wieder bewohnt ist. Die Engel und die Heiligen des Himmels freuen sich, dass ein Sünder heimgekehrt ist. Die Kirche freut sich, weil wieder einer am Freudenmahl der heiligen Kommunion teilnehmen kann. Und er selber fühlt in seiner Seele ein großes Glück. Meine lieben Freunde, Beicht macht leicht! Das wollen wir beherzigen und deswegen freudig zu diesem Sakramente gehen.

Ich lief verirrt und war verblendet,

ich suchte dich und fand dich nicht.

Ich hatte mich von dir gewendet

und liebte das geschaff’ne Licht.

Nun aber ist durch dich gescheh’n,

dass ich dich habe auserseh’n.

Erhalte mich auf deinen Stegen

und laß mich nicht mehr irre geh’n.

Laß meinen Fuß auf deinen Wegen

nicht straucheln oder stille steh’n.

Erleucht’ mir meine Seele ganz

mit deines Himmelslichtes Glanz.

Amen.

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