Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Argumente der Ungläubigen (Teil 8)

14. März 2004

Das christliche Glaube und das Sittengesetz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor einiger Zeit reiste ein Priester im Flugzeug in die Vereinigten Staaten. Neben ihm saß ein beleibter Herr. Sie kamen ins Gespräch, und der Herr sagte zu ihm: „Ich bin sehr religiös, oder besser, ich möchte es gern sein, aber wissen Sie, da ist ein Haken; kein Suff, keine Weiber, das ist etwas viel, was die Religion verlangt.“

Die christliche Religion ist die Einheit von Glaube und Sittengesetz. In der christlichen Religion werden nicht nur Gott und göttliche Dinge geglaubt, sondern auch göttliche Gebote gelehrt und mit Gottes Kraft beobachtet. Glaube und Sittlichkeit gehören im Christentum untrennbar zusammen. Der Christ soll leben, was er glaubt. Das charakteristische Zeichen des Katholiken soll sein, nicht daß er vom Glauben redet, sondern daß er den Glauben lebt. – Wir wollen deswegen heute drei Sätze aufstellen und zum Gegenstand unserer Überlegung machen, nämlich

1. Zum Glauben gehört die Sittenlehre.

2. Zum Staat gehört die Kirche.

3. Zur Schule gehört die Religion.

Der erste Satz lautet: Zum Glauben gehört die Sittenlehre. Die Gebote der Sittlichkeit sind Gesetze, sittliche Gesetze. Zu den Gesetzen gehört ein Gesetzgeber. Der einzige Gesetzgeber, der Sittengesetze aufstellen kann, ist Gott. Denn er ist der absolute, souveräne Herr, der Schöpfer der Menschen. Es ist vielfach versucht worden, ohne Gott auszukommen, Sittengesetze zu schaffen, die von Gott absehen; man sagt beispielsweise, der Staat soll die Sittengesetze geben. Aber der Staat ist unfähig dazu; er lebt von den Sittengesetzen, er lebt von den Voraussetzungen, die er selbst nicht geschaffen hat. Der Staat gibt Rechtsgesetze, und die Rechtsgesetze sollen sich an die Sittengesetze anlehnen, sie sollen von den Sittengesetzen bestimmt sein. Aber der Staat ist unfähig, Sittengesetze zu erlassen. Wo die Zehn Gebote nicht mehr gelten, vermögen zehntausend Staatsgesetze eine Sittlichkeit nicht zu begründen. Der Staat ist unfähig, ein Sittengesetz zu beschaffen.

Die Gesellschaft ist ebenso unfähig. Die Gesellschaft vermag Konventionalregeln aufzustellen: „Das tut man nicht.“ „Das tut man.“ Aber diese Konventionalregeln sind unverbindlich; die Gesellschaft kann sie jederzeit abändern oder verwerfen. Konventionalregeln vermögen das Sittengesetz nicht zu ersetzen.

Auch der Einzelne kann nicht chöpfer des Sittengesetzes sein. Der Einzelne kann sich vornehmen, bestimmte sittliche Verhaltensweisen zu beobachten, und das ist richtig so. Aber er kann seine Vorsätze jederzeit verwerfen, er kann sie ändern, er ist daran nicht gebunden. Und selbst der Kategorische Imperativ von Kant hängt in der Luft, wenn er nicht von Gott verbindlich gemacht wird. Wir wissen, was dieser Imperativ besagt: Man soll sich so verhalten, daß das eigene Tun als Grundsatz für ein allgemeines Gesetz gelten könnte. Jawohl, sehr gut gesagt! Aber dieses formale – es ist ja kein materiales Prinzip – dieses formale Prinzip hängt in der Luft, solange Gott es nicht als Gesetz erläßt. Ein Sittengesetz, das nur einen Privatnamen trägt, ist so ohnmächtig wie der König auf der Spielkarte.

Das Sittengesetz Gottes ist verbindlich, d.h. die Menschen sind verpflichtet, sich daran zu halten, und sie müssen es bezahlen, wenn sie sich nicht daran halten. Dieses Bezahlen besteht in der Strafe, die sie schon auf Erden erleiden und die sie einmal im Jenseits erleiden können, wenn sie sich nicht daran gehalten haben. Gottes Gesetz ist verbindlich.

Es ist auch allgemeingültig, d.h. es gilt für alle Menschen, für alle Generationen, für jedes Volk, für jede Klasse, für jede Rasse. Es gibt kein Rassensittengesetz, wie die Nazis behaupteten. Es gibt aber auch klein Klassensittengesetz, wie die Kommunisten sagten. Das Sittengesetz ist für jeden Menschen verbindlich; es ist allgemein gültig. Es ist empörend, meine lieben Freunde, wenn man immer wieder in Biographien von Künstlern, Politikern, Wissenschaftlern, Forschern liest, das Privatleben habe mit ihrer äußeren Tätigkeit nichts zu tun, das Privatleben, das könnten sie gestalten, wie sie wollten. Es gibt kein eigenes Sittengesetz für Künstler und Politiker. Richard Wagner und Gottfried Benn sind genauso an das Sittengesetz gebunden gewesen wie der letzte Bühnenarbeiter und der letzte Drucker. Es gibt auch kein eigenes Sittengesetz für Außenminister, und wenn sie nach der vierten (bürgerlichen) Ehe wieder eine Studentin in ihre Wohnung hineinbugsieren, dann ist das eben ein Verstoß gegen das Sittengesetz, der uns Staatsbürger nicht gleichgültig lassen kann.

Das Sittengesetz ist unverbrüchlich, d.h. es kann nicht abgeändert, und es kann nicht in Urlaub geschickt werden. Es gibt keine Dispens vom Sittengesetz. Das Sittengesetz gilt für immer und für alle Zeiten. Es ist unverbrüchlich.

Zum Glauben gehört die Sittlichkeit. Die christliche Religion ist die Einheit von Glaubenslehre und Sittenlehre. Die Sittenlehre aber, ebenso wie Glaubenslehre, muß verkündet werden, sie muß bewahrt werden, sie muß ausgelegt werden. Dazu bedarf es einer Institution. Der Glaube zerfasert, und die Sittenlehre verkommt, wenn nicht eine bewahrende Institution vorhanden ist, und deswegen der zweite Satz: Der Staat bedarf der Kirche.

Der Staat soll die Religion schützen und bewahren. Er soll die Religion zur Grundlage seiner Gesetzgebung machen. Wir haben ja in den letzten Jahrzehnten erlebt, wie der Staat sich immer weiter von sittlichen Grundsätzen zurückzog. Immer da, wo die menschlichen Leidenschaften aufbegehren, da gibt er nach, vor allem natürlich auf dem Gebiete des Geschlechtlichen. Da will der Mensch tun, was ihm Lust und Laune eingibt. Es begann mit der Freigabe der Ehescheidung, die wir ja dem Protestantismus zu verdanken haben, und endete mit der Aufwertung der Homosexualität. Der Staat, der sich nicht an das Sittengesetz hält, gräbt sein eigenes Grab. Er ist gehalten, das Sittengesetz zur Grundlage seiner Staatsgesetzgebung zu machen. Es ist nicht so, wie der Protestantismus sagt in seiner Lehre von den zwei Reichen: In dem einen Reiche gilt das Evangelium, im anderen Reiche gilt das Gesetz. Nein, nein, nein, nein. Das ist eine Irrlehre. Auch der Staat ist verpflichtet, dem Evangelium in seinem Gesetz Gehör zu verschaffen.

Wir erleben es soeben wieder in Chile. In Chile gab es bis vor kurzem keine Ehescheidung. Jetzt hat der Staat, hat die Regierung, hat das Parlament unter dem Beifall des chilenischen Protestantismus die Ehescheidung freigegeben. Die Kirche hat sich bis zuletzt heldenmütig gewehrt, aber der Staat, die Regierung, das Parlament haben auf die Kirche nicht gehört. Wenn die Kirche das Sittengesetz nicht mehr darlegt und den Menschen verkündet, dann gibt es überhaupt keine sinnstiftende Organisation mehr im Staate. Die Kirche ist unbedingt notwendig, denn Gott hat zwei Gewalten gestiftet, die auf ihren Gebieten die höchsten sind, den Staat auf dem weltlichen Gebiete, die Kirche auf dem geistlichen Gebiete, aber so, daß das weltliche Gebiet seine sittlichen Normen vom geistlichen Gebiet empfängt. Im Mittelalter haben die Theologen und Kanonisten das Verhältnis von Staat und Kirche mit Sonne und Mond verglichen; der Mond empfängt ja sein Licht von der Sonne. Das Bild ist nicht ganz falsch. Der Staat empfängt sein Licht, nämlich das Licht seiner sittlichen Prinzipien von der Kirche. Die Kirche ist seine sinnstiftende Organisation.

Damit ist auch die Aufgabe der Kirche gezeichnet, nicht mit der Zeit zu gehen, sondern der Zeit zu widersprechen. Das ist gerade ihre Sendung, nicht der Zeit zuzustimmen, sondern der Zeit Widerspruch zu leisten. Davor brauchen wir uns nicht zu fürchten und dafür brauchen wir uns schon gar nicht zu entschuldigen. Das ist ihre heilige, gottgegebene Aufgabe, auf Grundsätzen zu beharren, die immer gelten. Wir hängen nicht an dem, was gestern war, sondern wir leben aus dem, was immer bleibt. Der Staat bedarf der Kirche. Wenn er der Kirche einen Maulkorb umhängen will, wenn er sie aus der Öffentlichkeit verdrängen will, dann erleben wir das, was wir in Frankreich seit über hundert Jahren erlebt haben: das Volk versackt religiös und sittlich. Was wir in Frankreich seit über hundert Jahren erleben, ist das Produkt des religionslosen Staates.

Die Religion muß den Menschen gelehrt werden. Die Menschen müssen in der Religion unterwiesen werden. Die Religion muß in die Erziehung eingebaut werden, ja, sie ist die höchste Kraft der Erziehung. Und deswegen unser dritter Satz: Zur Schule gehört die Religion; denn in der Schule vollzieht sich ein großer Teil der Erziehung. Viele Jahre muß ein jeder in der Schule verbringen, und dort soll er nicht nur schreiben, lesen und rechnen lernen, sondern vor allem und über allem Religion in sich aufnehmen. Er soll im Glauben unterwiesen werden, und er soll das Sittengesetz kennenlernen. Wir sind in Deutschland in der glücklichen Lage, daß in den meisten – nicht in allen! – daß in den meisten Bundesländern Religion noch ordentliches Lehrfach ist, also ein Fach im Kanon der Fächer wie andere Fächer. Aber wir wissen ebenso, daß die Chance, die der Staat damit der Kirche einräumt, von der Kirche schlecht genutzt wird. Wehe der Kirche, die den Kindern Religionsbücher an die Hand gibt, die den Glauben nicht aufbauen, sondern erschüttern! Wehe den Religionslehrern, die in die Kinderherzen den Zweifel säen und nicht die Gewißheit!

In Frankreich gibt es seit über hundert Jahren keinen Religionsunterricht mehr in der öffentlichen Schule. Die Feinde der Kirche haben die Trennung von Staat und Kirche beschlossen, die feindliche Trennung, und sie haben vor allem die Schule von der Religion getrennt. Diese „Liga der freien Schule“, wie sie sich nannte, hielt einmal eine Versammlung ab, und auf dieser Versammlung sprach ein Redner die folgenden Worte: „Wir, die Liga der freien Schule, wir nehmen für uns die Ehre in Anspruch, günstige Umstände und eine bessere Lage geschaffen zu haben, die Kinder auf die Freiheit getauft zu haben, die Freiheit, die im Verein mit der Brüderlichkeit die Gleichheit erzeugt. ,Unterrichtet, belehret‘, rief Victor Hugo, ,baut Schulen! Durch jede Schule, die ihr errichtet, reißt ihr ein Gefängnis nieder.‘ Wir haben Schulen gebaut, ja, was sage ich, wir haben Paläste aufgeführt und...“ Da rief eine dröhnende Stimme dazwischen: „Eure Gefängnisse reichen nicht mehr aus!“ Und der Zwischenredner fuhr dann fort: „Sie, meine Damen und Herren, haben vergessen, daß Unterricht ohne Religion nur die Bestie im Menschen großzieht.“ Wahrhaftig, so ist es. Schule ohne Religion, Schule ohne Vermittlung von Glaube und Sittlichkeit vermag keine fruchtbare Erziehungsarbeit zu leisten.

Sie haben vielleicht in der Presse und im Rundfunk oder im Fernsehen gehört, wie immer mehr besorgte Stimmen sich äußern über die wachsende Gewalt in der Schule, Gealt gegen Sachen, Gewalt gegen Personen, Gewalt von Kindern gegen Kinder, von Schülern gegen Schüler, Gewalt auch gegen Lehrer. Der schrecklichste Vorfall ereignete sich vor einiger Zeit in Erfurt. Aber wer hat sich jemals gefragt, ob die wachsende Gewalt nicht mit der wachsenden Religionslosigkeit zusammenhängt? Wer in der Schule nicht religiös erzogen wird, der wird es später schwerlich noch einmal werden. Wellington, der große englische General und Sieger von Waterloo, hat einmal im englischen Unterhaus folgendes ausgeführt: „Ich bin kein Schulmeister und fälle über Lehrmethoden kein Urteil. Aber in einem Punkte erlaube ich mir meine Überzeugung, und zwar mit Nachdruck auszusprechen, daß, sofern nicht die Religion zur Grundlage des Unterrichtes gemacht wird, es eure Schuld ist, wenn es in Zukunft nur um so viel mehr gescheite Teufel in der Welt geben wird.“ Wahrhaftig, meine lieben Freunde, Wellington hat recht. Das große Experiment der religionslosen Schule ist gescheitert. In einer Zuschrift an die Komsomolskaja Prawda in Moskau hat ein Leser die Meinung geäußert, daß die Fehlschläge in der russischen, in der sowjetischen Jugenderziehung nur daher rühren, daß die Religion aus der Pädagogik verbannt sei. Wörtlich schrieb der Leser: „Wir haben Christus aus der Familie und aus der Schule vertrieben und mit ihm auch die Moral, und mit ihm ist die Moral verschwunden. Ohne Christus gibt es keine Moral, und es wird sie nie ohne ihn geben.“

Wahrhaftig, meine lieben Freunde, Religion, Staat, Kirche und Schule gehören zusammen. Die Religion ist das Aroma, das die Welt daran hindert, in Fäulnis überzugehen. Die Religion lehrt uns den Ernst des Lebens gegenüber der Tändelei und den Spielereien, die uns von religionsloser Seite zugemutet werden. Die Religion sagt uns: Spiel nicht mit deinem Leben, denn du verfügst nicht über dein Leben! Spiel nicht mit deinem Eigentum, denn du trägst es zu Lehen! Spiel nicht mit deinem Kind, es ist keine Puppe für deinen Salon! Spiel nicht mit deinem Körper, er hat Ewigkeitsbedeutung! Spiel nicht mit deiner Ehe, sie ist nicht Genuß, sondern Pflicht!

Amen.

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