Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Wiederkunft des Herrn (Teil 1)

9. Dezember 2001

Die Vorzeichen der Wiederkunft des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Am 30. Mai ist Weltuntergang; wir leben nicht mehr lang. Doch keiner weiß, in welchem Jahr, und das ist wunderbar.“ So lautet der Refrain in einem Marschlied, das in einer Münchener Kneipe am meisten verlangt wird. „Am 30. Mai ist Weltuntergang; wir leben nicht mehr lang. Doch keiner weiß, in welchem Jahr, und das ist wunderbar.“ So hat also der Spott auch die Letzten Dinge der Schöpfung erreicht. Wir Christen wissen, daß die Welt einmal verwandelt werden wird, wenn Christus wiederkommt. Der Weltuntergang, die Weltneuschöpfung, das Heraufkommen des neuen Himmels und der neuen Erde sind gebunden an die Wiederkunft Christi. Und wenn die Kapelle spielt: „Am 30. Mai ist Weltuntergang“, dann beten wir, wir Priester, jeden Tag im Advent: „Den Herrn, der wiederkommt, kommt, laßt ihn uns anbeten! Christus, den Herrn, der wiederkommt, laßt ihn uns anbeten!“ Der Herr hat seine Wiederkunft vorausgesagt. Er hat seinen Jüngern erklärt: „Ihr werdet den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.“ Als er vor dem Hohen Rate stand, hat er diese Ankündigung wiederholt: „Ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“

Die Kirche hat gehört, was die Engel den Männern gesagt haben, die Christus nachschauten, als er in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehrte: „Ihr Männer von Galiläa, was schaut ihr nach oben? Dieser Jesus, den ihr habt auffahren sehen, wird wiederkommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen.“ Die Kirche hält an dieser Wahrheit fest und betet: „Den König, der wiederkommen wird, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ Im Glaubensbekenntnis wiederholen wir jedesmal: „Er wird wiederkommen, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Wenn wir die heilige Messe feiern, da erinnern wir uns, daß das geschieht, „bis der Herr wiederkommt“. Den König, der wiederkommen wird, kommt, laßt ihn uns anbeten!

Freilich spähen unsere Augen die Horizonte ab nach dem ersten Schimmern seines Lichtes. Freilich sind auch wir, wie die Jünger, von der Frage bewegt: Wann wird das sein, wenn der Herr wiederkommt? Wir erhalten von ihm keine andere Antwort, als die Jünger sie erhalten haben: „Es ist euch nicht gegeben, den Tag und die Stunde zu wissen. Aber seid wachsam! Der Herr wird kommen wie der Dieb in der Nacht.“ Das heißt plötzlich, unvorhergesehen. Deswegen ist es gut, ist es heilsam, ist es notwendig, den König, der wiederkommen wird, anzubeten. Doch hat uns der Herr nicht völlig im Ungewissen gelassen über seine Wiederkunft. Er hat uns Vorzeichen gegeben, welche ankündigen, daß er nahe ist. Wir wollen am heutigen und an den kommenden Sonntagen die Vorzeichen bedenken, die uns der Herr gegeben hat, damit wir in etwa ahnen, daß es jetzt bald soweit ist.

Das erste Vorzeichen, das der Herr gegeben hat, ist die Verkündigung des Evangeliums bei allen Völkern. Erst muß das Evangelium allen Stämmen, Völkern und Nationen verkündet worden sein, bevor der Herr kommt. Jesus hat diese Voraussage den Jüngern gemacht: „Es wird diese Frohbotschaft vom Reiche in der ganzen Welt allen Völkern zum Zeugnisse verkündet werden, alsdann wird das Ende kommen.“ Es muß also bis zur Wiederkunft Christi das Evangelium auf der ganzen Erde verkündet worden sein. Es muß zu allen Völkern gedrungen sein. Es muß nicht zu jedem einzelnen gekommen sein; es ist auch nicht erforderlich, daß alle sich dem Evangelium angeschlossen, daß sie dem Glauben Gehorsam geleistet haben. Es genügt, wenn das Evangelium zu allen Völkern gedrungen ist. Da sieht man, daß die Kirche hier eine Aufgabe hat. Sie wirkt mit am Eintritt dieses Vorzeichens, denn ihr ist es ja aufgetragen, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu tragen. Von ihrem Missionsgeist, von ihrer Missionskraft, von ihrer Missionshilfe hängt es ab, ob das Evangelium zu allen Völkern dringt. Von der Einsatzbereitschaft ihrer Missionare, von der Glut ihres Eifers hängt es ab, ob das Vorzeichen der Verkündigung des Evangeliums erfüllt ist.

Wir haben keine untrügliche Gewißheit, aber es scheint, daß dieses Vorzeichen erfüllt ist. Das Evangelium ist zu allen Völkern gedrungen. Die Kirche hat sich in den vergangenen Jahrhunderten bemüht, es überall hinzutragen. Ob in die Eiswüsten Kanadas oder in die Gluthölle des Äquators: überall hat sie ihre Boten hingesandt. Alle Völker, so meine ich, haben Kunde vom Evangelium erlangt. Ich bin also der Meinung: Dieses Vorzeichen ist erfüllt. Aber es ist nur eines von mehreren.

Das zweite Vorzeichen ist die Bekehrung des jüdischen Volkes. Das jüdische Volk war einmal das auserwählte. Ihm wurden die Verheißungen gegeben, ihm wurde das Gesetz anvertraut; aus ihm stammt Christus dem Fleische nach. Bei seiner ersten Ankunft hat sich aber die Masse des Volkes dem Messias Jesus verweigert. Die Theologen und die Politiker waren ungläubig, und sie haben das Volk aufgehetzt, und das Volk hat sich in seiner Mehrzahl gegen Christus gewandt. „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ Und diese furchtbare Verheißung ist eingetroffen. Das jüdische Volk ist ein Volk, das nicht leben kann und nicht sterben darf. Der Fluch ist über dieses Volk gekommen und erfüllt sich im Laufe der Geschichte. Es ist sicher kein Zufall, daß die Juden fast überall verhaßt sind und abgelehnt werden. Wir reden nicht dem Antisemitismus das Wort. Wir wollen dieses Volk lieben, wir wollen ihm dienen, wir wollen es zu Christus führen. Aber es erfüllt sich an ihm eben die Verheißung, die über das Volk ausgerufen wurde: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ Und doch sind die Akten Gottes über Israel nicht geschlossen. Einmal wird dieses Volk sich bekehren. „Die Verstocktheit eines Teils der Israeliten dauert so lange“, schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief, „bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist. Alsdann wird Israel gerettet werden.“ Also, es gibt eine Verheißung für eine endgültige Rettung, für eine endgültige Bekehrung, für eine endgültige Zuwendung des Volkes Israel zu Jesus. Gottes Gaben und Berufung sind unwiderruflich. „So wie einstmals auch ihr Gott nicht gehorcht habt“, sagt Paulus den Heiden, „jetzt aber Barmherzigkeit erlangt habt, so haben auch diese (die Juden) jetzt nicht gehorcht zu eurer Begnadigung, damit auch sie Barmherzigkeit erlangen.“ Einmal wird die Barmherzigkeit Gottes auch über den Starrsinn des jüdischen Volkes triumphieren. Einmal wird die Blindheit und Betäubung weichen, und dann wird das Volk Christus als seinen Heiland und Erlöser erkennen.

Es sieht heute nicht so aus, als ob sich das jüdische Volk zu Christus bekehren würde. Die orthodoxen Juden halten eisern an der alttestamentlichen Botschaft fest, die liberalen Juden glauben wenig oder gar nichts. Solche, die sich zu Christus bekehren, sind außerordentlich selten. Es waren im 19. Jahrhundert viel mehr, vielleicht auch noch im 20. Jahrhundert bis zu dem Ereignis, das wir alle mit Beschämung in den Mund nehmen, bis zu dem Holocaust. Aber seitdem sind die Bekehrungen von Juden zum Christentum fast zum Erlöschen gekommen. Ich meine also – als fehlbarer Mensch –, daß dieses Vorzeichen der Wiederkunft Christi noch nicht eingetreten ist.

Ein drittes Vorzeichen der Wiederkunft Christi ist der allgemeine Abfall, der Abfall vom Glauben. „Laßt euch von niemand in irgendeiner Weise täuschen“, schreibt der Apostel Paulus an die Thessalonicher. „Zuvor muß der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott und Heiligtum heißt. Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit allerlei Verführung zur Bosheit bei denen, die verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden. Darum wird Gott ihnen einen starken Irrwahn schicken, daß sie der Lüge glauben.“ Es ist also nicht so, daß sich in den letzten Zeiten eine allgemeine Bekehrung hin zu Gott, hin zu Christus, hin zur Kirche vollzieht, sondern das Gegenteil wird eintreten: Der Abfall nimmt zu!

Wie kann es zu einer solchen Verkehrung, zu einer derartigen Auflehnung gegen die Absichten Gottes kommen? Satan ist am Werk, um die Menschen zu verführen und zum Abfall zu bringen. Er ist der Organisator des Abfalls. Aber er hat seine Dienstleute, und diese Dienstleute sind Menschen; wir werden gleich einige von ihnen nennen. Gemeinsam ist ihnen allen die Feindschaft gegen das Christentum, weil es ihre Ideologie und die Welt in der Fragwürdigkeit, die ihnen anhaften, offenbart. Daß die Welt nicht das ein und alles, daß die Welt nicht das Letzte und Endgültige, daß sie nicht autonom und selbstgesetzlich ist, das ist der Anstoß, den die Abfallenden am Christentum nehmen. Denn das Christentum verkündet die Botschaft: Das Letzte und Endgültige, das Siegreiche und das Helfende ist allein der Glaube an Gott und an Jesus Christus. Die Herrlichkeit und Macht Gottes ist das, was den Menschen wahrhaft Befreiung und Erlösung bringen kann. Aber gegen diese Botschaft reckt sich der Unglaube auf, erhebt sich das Ärgernis, wird der Widerstand wach.

Die Ungläubigen sind mächtig. Sie bauen eine Welt auf, welche die Menschen anzieht, und vielen Menschen ist eben die Welt genug. Sie brauchen keinen Gott, keinen Christus, keine Kirche, keine Sakramente. Es genügt ihnen der glitzernde Glanz dieser Welt. Immer mehr ist im Laufe der Jahrhunderte diese Anschauung gewachsen, daß man sich möglichst behaglich auf dieser Welt einrichten soll und alles andere für „Mumpitz“ hält, wie es Adolf Hitler nannte. Es begann mit dem Manne, der im 16. Jahrhundert ganze Länder von der katholischen Kirche losriß. Damals hat sich einer, ein einzelner, gegen die Lehre der Kirche, gegen den Glauben der Kirche gewandt. Dann sind andere gekommen, die sagten: Warum sollen wir diesem Mann folgen. Wir können die Freiheit, die er sich gegen die katholische Kirche genommen hat, ebenso gegen ihn anwenden. Und so sind sie weitergeschritten. So hat beispielsweise im 18. Jahrhundert Hermann Samuel Reimarus in Hamburg seine Schutzschrift „Für die vernünftigen Verehrer Gottes“ geschrieben. Was steht in dieser Schrift? Die Jünger Jesu wollten ein irdisches Messiasreich aufrichten. Dieser Versuch ist aber gescheitert, denn ihr Messias wurde gekreuzigt. So haben sie einen Christus erfunden, eine supranaturale Religion geschaffen, und die haben sie den Menschen weiterzugeben versucht. Das Christentum beruht auf Lug und Trug. Das ist die Botschaft von Hermann Samuel Reimarus, und sie hat das ganze 19. Jahrhundert bestimmt, den Materialismus, den Darwinismus, vor allem aber einen Mann, der ungeheuer einflußreich geworden ist, dessen Einfluß bis heute andauert, ob es die Menschen zugeben oder nicht, ich meine nämlich den Philosophen Friedrich Nietzsche. „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu! Glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind sie, ob sie es wissen oder nicht. Verächter des Lebens sind sie, Absterbende und selber Vergiftete, deren die Erde müde ist. So mögen sie dahinfahren. Einst war der Frevel an Gott der größte Frevel. Aber Gott starb, und damit starben auch diese Frevelhaften. An der Erde zu freveln ist jetzt das Furchtbarste, und die Eingeweide des Unerforschlichen höher zu achten als den Sinn der Erde.“ Und so ruft er denn den Menschen zu: „O meine Brüder, zerbrecht mir die alten Tafeln!“, also die Gebote der christlichen Religion. In einem seiner letzten Werke, da schreibt er: „Hier ist mein Urteil: Ich verurteile das Christentum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat. Sie ist mir die höchste aller denkbaren Korruptionen. Sie hat den Willen zur letzten auch nur möglichen Korruption gehabt. Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist. Ich heiße das Christentum den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit.“ Was Nietzsche hier so deutlich und unüberhörbar ausspricht, das ist in Millionen und Abermillionen von Menschen abgesunken. Begabte Organisatoren haben sich seiner Gedanken bemächtigt und sie in das Volk getragen. Der Abfall von Millionen und Abermillionen ist auf Männer wie Friedrich Nietzsche und andere, die ihm seine Thesen nachgesprochen haben, zurückzuführen.

Vor kurzem hat ein Unternehmer in Düsseldorf einen Meister-Eckart-Preis gestiftet. Meister Eckart war ein christlicher Theologe und Mystiker, der immer mit der Kirche gelebt hat und nichts anderes als ein katholischer Christ sein wollte. Der erste Träger dieses Preises von Meister Eckart ist der amerikanische Philosoph Richard Rorty. Und wofür hat er den Preis bekommen? Unter anderem dafür, daß er gesagt hat: „Die institutionalisierte Religion muß von der Bildfläche verschwinden.“

So ist also die Lage. „Am 30. Mai ist Weltuntergang; wir leben nicht mehr lang. Doch das ist wunderbar, denn keiner weiß, in welchem Jahr.“ Gegen diese Blasphemie erheben wir unseren Glauben an den wiederkommenden Jesus. Wir wissen, daß er untrüglich ist in seinen Worten. Wir bauen darauf, daß er unseren Glauben in Schauen verwandeln wird, daß er unsere Zuversicht krönen wird, daß er unsere Hoffnung erfüllen wird. Jesus, den wiederkommenden König, kommt, laßt ihn uns anbeten!

Amen.

 

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