Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Heilige Maria, Mutter Gottes (Teil 2)

31. Januar 1993

Die immerwährende Jungfrauschaft Mariens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Durch die Geburt von einer irdischen Mutter steht Jesus in der Geschlechterfolge der Menschen. Aber er ist nicht restlos eingespannt in diese Geschlechterfolge, denn er wurde geboren, ohne daß ein irdischer Vater bei seinem Entstehen mitgewirkt hätte. Maria ist Jungfrau vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt. In der Heiligen Schrift ist davon die Rede, daß die Kraft Gottes über sie kommt und das bewirkt, was in anderen Fällen das männliche Prinzip schafft. Maria trägt das bei, was eine jede Mutter beiträgt, aber das, was ein Mann normalerweise bei der Entstehung eines Menschen zu tun hat, das wird ersetzt durch die Kraft Gottes.

Maria ist jungfräulich geblieben. Sie ist die immerwährende Jungfrau. Nicht nur also vor der Empfängnis Jesu, sondern auch in der Empfängnis und nach der Empfängnis, während ihres ganzen irdischen Lebens ist sie Jungfrau geblieben. Die Jungfräulichkeit schließt drei Tatsachen in sich, erstens, daß Maria leiblich unversehrt geblieben ist, zweitens, daß sie frei ist von jeder Sünde gegen die Keuschheit und drittens, daß sie frei ist von der ungeordneten Begierlichkeit.

Das ist der Inhalt ihrer Jungfräulichkeit: leibliche Unversehrtheit, Freiheit von der Sünde, von jeder Sünde, speziell von der Sünde gegen die Keuschheit und Freiheit von der ungeordneten Begierlichkeit, die den Verstand überwältigt oder der Überlegung der Vernunft vorausgeht.

Die leibliche Unversehrtheit ist Ausdruck und Grundlage der seelischen Unversehrtheit. Maria hat als Jungfrau empfangen, sie hat als Jungfrau geboren, sie hat nach der Geburt Jesu niemals fleischlichen Umgang mit einem Manne gehabt. Das ist der Inhalt ihrer Jungfräulichkeit. Dazu hat sich die Kirche in ihren Lehrurkunden bekannt, z.B. auf dem Konzil zu Ephesus: „Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne die heilige und immer jungfräuliche und unbefleckte Maria als Gottesgebärerin bekennt, da sie eigentlich und wahrhaft das göttliche Wort selbst vom Heiligen Geist ohne Samen empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihre Jungfrauschaft auch nach der Geburt, der sei ausgeschlossen.“ Oder das 11. Konzil zu Toledo in Spanien: „Von ihr ist Christus in einer neuen Ordnung und mit einer neuen Geburt geboren worden. In einer neuen Ordnung, weil der durch seine Gottheit Unsichtbare sichtbar im Fleische erschienen ist; in einer neuen Geburt, weil unberührt die Jungfrauschaft, die das Beilager eines Mannes nicht kannte, ihm in ihrem durch die Erschaffung des Heiligen Geistes fruchtbar gewordenen Schoß einen Leib bereitet hat. Diese Jungfrauengeburt kann mit natürlichem Verstand nicht begriffen werden und steht ohne Beispiel da. Könnte man sie begreifen, wäre sie nicht wunderbar. Könnte man noch ein anderes Beispiel anführen, wäre sie nicht einzig dastehend. Zwar hat Maria durch die Überschattung des Heiligen Geistes empfangen, doch darf man deswegen nicht glauben, daß der Heilige Geist der Vater des Sohnes sei, als ob wir zwei Väter des Sohnes annähmen, was zu sagen ganz verwerflich wäre.“

Gegen diese Glaubenswahrheit,  meine lieben Freunde, stürmt der Unglaube an. Im Protestantismus ist die Jungfräulichkeit Mariens, von wenigen  altgläubigen Kreisen abgesehen, aufgegeben. Aber diese Ungläubigkeit macht sich jetzt auch im katholischen Bereich geltend. Eine Wortführerin ist die früher als katholische Theologin lehrende Frau Uta Ranke-Heinemann. Sie steht an der Spitze derer, die die Jungfrauschaft Mariens leugnen, und sie mußte deswegen von ihrem Lehrstuhl entfernt werden. Der Bischof von Essen hat angeblich 6000 Briefe von Gläubigen empfangen, die sich gegen die Irrlehren dieser Frau gewandt haben. Da ist das katholische Bewußtsein aufgestanden gegen die falsche Lehre aus dem Munde einer beamteten Theologin. Ich will jetzt im Folgenden die fünf Einwände vorführen, die gegen die Jungfrauschaft vom Unglauben geltend gemacht werden, fünf Einwände.

Der erste Einwand: Man sagt, die Lehre von der Jungfräulichkeit Mariens sei später in die Heilige Schrift eingetragen worden. Ursprünglich habe die Heilige Schrift davon nichts gewußt. Die Textrollen, also die Handschriften, welche uns die Bibel überliefern, enthalten ohne Ausnahme den Text, in dem Maria als Jungfrau gelehrt wird. Ohne Ausnahme bezeugen sie, daß Josef nicht der wirkliche, sondern nur der Pflegevater Jesu war. Auch der Zusammenhang läßt gar keinen Zweifel daran, daß Maria als Jungfrau geboren hat. Es wird nämlich auf die jungfräuliche Empfängnis Mariens damit hingewiesen, daß gezeigt wird: Es ist ein wunderbares Begebnis auch bei einer Verwandten geschehen, bei Elisabeth. Zwar ist das Wunder bei Elisabeth anderer Art, aber in jedem Falle besteht etwas Ungewöhnliches in der Empfängnis Mariens wie in der Empfängnis der Elisabeth, und das Ungewöhnliche in der Empfängnis Mariens ist eben ihre Jungfräulichkeit, daß sie ohne ein männliches Prinzip einen Sohn empfangen hat und daß sie Josef nur als gesetzlichen Vater und als Gatten vor dem Gesetz neben sich hatte.

Der zweite Einwand macht sich zunutze, daß die Stammbäume alle über Josef zu Jesus führen. Die Stammbäume werden im Lukas- und im Matthäusevangelium angeführt, sie bezeugen die Abstammung Jesu. Da ist immer der letzte Posten Josef. Ja, sagt man,  da sieht man ja. Was haben die Stammbäume für einen Sinn, wenn Josef nicht der biologische Vater Jesu ist? Sie haben einen tiefen Sinn, wenn Josef nicht der biologische Vater Jesu ist, denn er ist dann der gesetzliche Vater, und wer einen gesetzlichen Vater hat, der bekommt nach jüdischem Recht die Ahnen dieses gesetzlichen Vaters zu seinen eigenen Ahnen. Weil also Josef der gesetzliche Vater Jesu war, sind seine Vorfahren auch die Vorfahren Jesu, und auf diese Weise stammt Jesus aus dem Stamme David. Die Davidabstammung wird auch durch den gesetzlichen Vater Josef bewirkt.

Man weist an dritter Stelle darauf hin, daß im Evangelium mehrfach die Stimme des Volkes berichtet wird: „Ist das nicht der Sohn des Josef? Ist das nicht des Zimmermanns Sohn?“ Da sieht man es ja, daß er von den Leuten für den Sohn Josefs gehalten wurde. Ja natürlich, selbstverständlich wurde er das. Aber die Evangelisten berichten das ohne jeden Umschweif und ohne jedes Verbergen, weil sie eben überzeugt waren, daß diese Volksmeinung falsch ist. Wie sollten die Leute anders als nach dem Augenschein urteilen, und der führte eben dahin, daß Josef der Vater Jesu war. Und das war auch notwendig, damit nicht Maria als Ehebrecherin oder als solche, die sich mit Männern eingelassen hat, verdächtigt würde. Es war notwendig, daß Josef als der gehalten wurde, der der Mann Mariens und der Vater Jesu ist. Aber das ist eine falsche Volksmeinung.

Der vierte Einwand knüpft an an eine Verheißungsstelle aus dem Alten Testament. Im Buch des Propheten Isaias gibt es eine berühmte Stelle, die wir in der Adventszeit immer lesen: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sie wird ihn Emanuel nennen.“ Aha, sagen die Vertreter des Unglaubens, die palästinensischen Christen, die Judenchristen in Palästina haben diese Stelle gelesen, und dann haben sie gefolgert: Das muß in Jesus in Erfüllung gegangen sein. Sie haben also aus der Weissagung Geschichte gemacht. Gegen diese Einwendung lassen sich zwei Gegengründe anführen. Erstens haben die Juden zur Zeit Jesu diese Stelle niemals von einer jungfräulichen Empfängnis und Geburt verstanden. Sie haben den Sinn dieser Stelle überhaupt nicht begriffen. Und zweitens, der Evangelist Matthäus führt die Isaias-Stelle nicht an, um daraus die Jungfräulichkeit der Geburt Jesu zu beweisen, sondern er nimmt die Tatsache der Geburt Jesu zum Anlaß, die Erfüllung dieser Verheißung aufzuzeigen. Weil er überzeugt war und weil er wußte, daß Maria jungfräulich empfangen und geboren hat, konnte er die Schrift des Alten Bundes im Lichte dieser Tatsache lesen, und da stieß er auf die Stelle Is 7.14: Siehe, die Jungfrau wird empfangen...“ Das, was in Maria geschehen ist, ist also schon vorhergesagt worden. Es ist also genau umgekehrt, als der Unglaube argumentiert.

Der fünfte Einwand macht die hellenistischen Christen, also die aus dem Heidentum zum Christentum kamen, verantwortlich für die Geschichte von der jungfräulichen Empfängnis Mariens. Die Ungläubigen sagen: Ja, im ägyptischen, babylonischen, griechischen Kulturkreis ist oft die Rede von Göttermüttern, daß sich also Götter mit irdischen Frauen verbinden und daß daraus dann göttliche Männer entstehen. So hat z.B. Zeus, der oberste Gott, viele Frauen gehabt, irdische Frauen, mit denen er in Zeugung getreten ist. Berühmte Männer wie Plato, der König Alexander, der Kaiser Augustus wurden als Erzeugnis von einer Vermischung der Götter mit Menschen angesehen, und das hat man dann eben auf Christus übertragen. So wie es in den Mythologien der Ägypter, Babylonier und Griechen erzählt wurde, so hat man es auch im Christentum gemacht. Man hat Maria als irdische Mutter und die Gottheit zusammengebracht, und daraus ist dann Jesus entstanden.

Was ist zu diesem religionsgeschichtlichen Argument zu sagen? Erstens, niemand in der alten Zeit hat die Erzählungen vom Umgang der Götter mit irdischen Frauen für Tatsachen genommen. Alle wußten, daß das Phantasien, Träume, Einbildungen sind. Es war allent, die diese Dinge lasen, klar, daß das dichterische Ergüsse sind, aber keine geschichtliche Wirklichkeit. Wie sollte man also, was man da für Träume hielt, bei Jesus von Nazareth für Geschichte ausgeben? Das ist ganz ausgeschlossen, daß man hier als Wirklichkeit ansah, was dort dem Servilismus der östlichen Provinzen und der Schmeichelei der höfischen Rektoren zuzuschreiben war.

Der zweite Gegengrund liegt darin, daß ein geschlechtliches Zusammenkommen von Göttern und Menschen im Neuen Testament überhaupt ausgeschlossen ist. Das mag im babylonischen oder im griechischen Mythos so sein, daß sich ein Gott als Goldregen oder als Wind oder sonstwie einem Menschen naht. Aber der Gott, den das Neue Testament bekennt, ist über alle Geschlechtlichkeit erhaben. Er ist ein reiner Geist; er ist, wenn man so sagen will, unfähig, überhaupt geschlechtlich tätig zu werden, weil er nicht in geschlechtliche Kategorien einzuordnen ist. Es ist also ein ganz anderes Gottesbild, das überhaupt nicht zu diesen Mythologien paßt, und das ist ein entscheidender Einwand dagegen, daß man die Mythologien auf das Geschehen von Nazareth übertragen haben könnte.

Und schließlich noch ein dritter Gegengrund. Die Göttermütter in den Mythologien leben in schwüler Sinnlichkeit; sie werden gar nicht als Jungfrauen bezeichnet. Und wenn es doch einmal vorkommt, z.B. bei Ischthar und Aphrodite, dann bedeutet der Titel Jungfrau nicht, daß sie unberührt sei, sondern er besagt, daß sie vielen Göttern angehört, daß sie sich also allen Göttern zur heiligen Hochzeit zur Verfügung stellt.

Ganz anders Maria. Sie steht in ungetrübter Reinheit vor uns, in absoluter jungfräulicher Keuschheit. Nichts von Sinnlichkeit, nichts von Geschlechtlichkeit ist bei ihr auszumachen. Sie ist die reinste Jungfrau, die unbefleckte und die unversehrte Jungfrau.

Warum,  meine lieben Freunde, habe ich Ihnen diese fünf Anwürfe und ihre Entkräftungso ausführlich vorgeführt? Ja, wir müssen uns wappnen gegen die Angriffe. Wir müssen sicher werden im Glauben. Wenn der Glaube nicht fest steht, wenn wir unsicher sind und schwanken, dann können wir uns auch nicht wehren, dann können wir den Glauben auch nicht verteidigen, und dann werden wir ihn auch nicht weitergeben können an die, die uns anvertraut sind. Es gibt Gründe, es gibt gute Gründe, es gibt bessere Gründe für unseren Glauben als für den Unglauben unserer Feinde. Und eines ist sicher: Wer die jungfräuliche Mutterschaft Mariens nicht zugibt, der tut das nicht aus wissenschaftlichen Gründen, sondern aus weltanschaulichen Gründen. Weil er ein Eingreifen Gottes in die Geschichte nicht für möglich hält, deswegen muß die jungfräuliche Mutterschaft Mariens fallen. Wir dagegen, die wir an den personhaften, geschichtsmächtigen Gott glauben, der die Geschichte lenkt und der in die Geschichte eingreift, wann immer es nach seinem heiligen Willen erforderlich ist, wir halten fest daran, daß Maria immerwährende Jungfrau ist, zu der wir aufschauen, die wir lieben und die wir anrufen können.

Amen.

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