Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Januar 2023

Gottes Führung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Was uns anzieht an den drei Weisen aus dem Morgenlande, ist vor allem das Geheimnisvolle. Sie kommen, aber man weiß nicht woher. Sie gehen, aber man weiß nicht wohin. Sie bringen ihre Gaben dar und verschwinden dann vor unseren Blicken. Und ebenso das Geheimnisvolle in ihrer Führung. Ein Stern ruft sie aus der Heimat; im heiligen Land verschwindet er. Sie müssen forschen und fragen, und dann, kurz vor Bethlehem, leuchtet er wieder auf. Wir können es verstehen, wenn der Evangelist Matthäus schreibt: „Und als sie den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude!“ So geht es uns Menschen doch immer, wenn wir einmal so recht zu dem Bewusstsein kommen, dass eine höhere Macht uns führt und leitet in unserem Leben. Die Freude über die Führung und Vorsehung Gottes! Freilich auch die bange Frage: Wie werde ich mit den Widrigkeiten und Belastungen in meinem Leben fertig werden?

Unser Glaube belehrt uns: Gott hat die Welt nicht nur erschaffen; Gott erhält und regiert die Welt. Wie alles durch des Schöpfers Allmacht, Weisheit und Güte ins Dasein gerufen wurde, so würde alles wieder ins Nichts zurücksinken, wenn nicht Gottes Vorsehung beständig mit den geschaffenen Dingen wäre und die gleiche Kraft, die sie uranfänglich schuf, sie dauernd im Dasein erhielte. Gott schuf nicht und ging davon. Nein, was von ihm stammt, das ist und bleibt in ihm. Mehr noch: Was sich bewegt, was in Tätigkeit ist, dem gibt Gott durch innerliche Kraft den Antrieb zur Bewegung und Tätigkeit. Gott hindert nicht die Wirksamkeit der geschaffenen Ursachen; er trägt und ermöglicht sie. Mitwirkung Gottes ist die Bezeichnung für das schöpferisch-erstursächliche Wirken Gottes in einem jeden wirkursächlichen Akt des Geschöpfes. Das Geschöpf ist von Gott restlos abhängig nicht nur im Sein (Existieren) und seinem Vermögen, sondern auch in seinem aktualen Wirken. Mitwirkung bezeichnet das aktuale, unmittelbare und physische Wirken Gottes, durch das er das Wirkvermögen des Geschöpfes (erst)ursächlich „voraus“gehend in den Akt erhebt und diesen im Akt-Sein „begleitet“. Als absolute causa prima et principalis verleiht Gott dem Geschöpf erstursächlich den Akt selbst wirksamen Verursachens, Zweitursächlichkeit genannt. Mit Mitwirkung wird das eigentümliche aktuale Miteinander-Wirken „beider“ Ursachen ausgesprochen, das die eine und selbe Wirkung hervorbringt, so dass alle Aktualität und alles Positive, das der Tätigkeit des Geschöpfes und deren Wirkung zuzuerkennen ist, präzise gesprochen zugleich und ganz Gottes und des Geschöpfes ist.

Vielleicht fragt jemand: Sind es nicht die Naturgesetze, die alles Geschehen in der Welt bestimmen? Wo bleibt da noch Platz für Gottes Erhaltung und Vorsehung? Der Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, ist auch der Schöpfer und Herr der Naturgesetze. Sie sind seine Geschöpfe, Ausdruck seiner Weisheit und Kraft. Die Erhaltung der Welt und Gottes Vorsehung über der Welt ermöglichen und tragen alles Geschehen in der Welt, soweit es von den Naturgesetzen bestimmt wird. Die Zuverlässigkeit der Naturgesetze bedingt, dass sie auch dann funktionieren, wenn sie Schaden bringen. Ein Verkehrsunfall. Eine Explosion in einer Dynamitfabrik. Ein Starkregen. Ein Tornado. Alle diese Geschehnisse in der Welt der Menschen und in der Natur gehorchen Naturgesetzen. Dass die Naturgesetze bei Nichtbeachtung Schaden und Unheil bringen, ist die notwendige andere Seite ihrer Wirksamkeit. Die Sterne laufen ihre Bahn dank der Weisheit und der Macht Gottes. Sie laufen, solange er will. Einmal wird er nicht mehr wollen, und dann wird es so sein, wie es der Evangelist Matthäus schildert: „Die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“

Ein anderer fragt: Wie passen Gottes Erhaltung und Vorsehung mit dem Zufall zusammen, der oft so eigenartig, beglückend oder zerstörend, in das Menschenschicksal eingreift? Zufall meint das Zustandekommen eines Ereignisses, auf das dessen Wirkfaktoren weder von der Natur aus noch durch eigene bewusste Absicht ausgerichtet sind; das in keiner Weise von ihnen selbst angezielte Zusammenwirken mehrerer Ursachen zu einer gemeinsamen Wirkung. Es ist unsere begrenze Einsicht und unsere fehlende Vorausschau, die uns von einem Zufall sprechen lässt. Für Gott gibt es keinen Zufall. Gott sieht das, was wir den Zufall nennen, ebenso voraus wie den Normalfall. Wo eine unendliche Weisheit und Kraft waltet, bleibt für den Zufall kein Raum. Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit. Gott ist der Herr auch des Zufalls.

Ein anderer fragt: Wenn alles von Gott gelenkt wird, wie steht es dann mit dem freien Willen des Menschen? Die Antwort lautet: Die psychologische Wahlfreiheit ist ein unverlierbarer Wesensbestandteil des Menschen. Aber seine Freiheit ist eine geschaffene Freiheit. Sie stammt von Gott. Gott lässt dem Menschen nicht nur die Freiheit, er wirkt sie auch. Zu dem Werk der Erhaltung seiner Schöpfung gehört auch die Bewahrung der Freiheit des Menschen. Die göttliche Mitwirkung ist eine begrifflich und ursächlich vorausgehende physische Einwirkung (praemotio physica), sodass die Geschöpfe in der vorherbestimmten freien Art sich bewegen. Der menschliche Wille bleibt auch unter dem Einfluss der wirksamen Gnade frei. Die Gnade ist nicht unwiderstehlich. Ein wie großer Liebhaber der Freiheit Gott ist, ersieht man daraus, dass er sie auch dann nicht hindert, wenn sie sich gegen ihn empört. Das bedeutet: Gott wirkt auch bei der Sünde mit. Da er aber hier nur die physische Seite bewirkt, die verfehlte ethische Richtung aber allein dem Ermangeln der Zweitursache zugesprochen werden muss, widerspricht dieser concursus generalis nicht der göttlichen Heiligkeit.

Und noch fragt einer: Warum das Leid, das viele, unmessbare Leid dieser Welt? Unser Glaube weiß darauf eine Antwort. Er verweist auf das Kreuz. Diese Religion, die einen gepeitschten Sklaven auf die Altäre stellt, versteht etwas vom Leiden. Das Christentum ist eine Religion des erlösten Leidens. Es gibt in unseren Augen kein schöneres Bild als das Bild des am Kreuze Hängenden. Das ist das Bild des Todes, der Qual, es ist ein absurdes Bild, und trotzdem ist es unser Gnadenbild, das Bild des Lebens, des Glückes, das Bild, das wir endlos küssen, das Bild des Gekreuzigten. Es lehrt uns: Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauch entfalten sich die Seelen. Hart Geprüfte sind ein Segen für ihre Umgebung. Sie sind liebevoll, gefügig, zu jedem Dienst brauchbar, weil sie die Kraft zum Leiden aus dem Lebensbaum des Kreuzes gezogen haben. Darum legen wir alles in Gottes Hände. Die drei heiligen Magier schauten auf und freuten sich über den Stern, der ihnen vorausleuchtete. Schauen auch wir auf zum Vater der Lichter und danken wir Gott für seine treue Führung. Gott ist weiser als wir. Er weiß es besser, was uns dient, als wir selbst. Am Anfang der Schöpfung steht das Wort: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und es war gut.“ Am Ende, am Jüngsten Tag, wird wiederum das Wort dastehen: „Und Gott sah alles, was er gelenkt hatte, und es war gut.“ Wir müssen in den Begebenheiten, Fährnissen und Beschwerden unseres Lebens den Finger Gottes sehen. An uns ist es, jedes Mal zu fragen: Was will mir Gott mit dieser Mühe, mit dieser Pein, mit diesem Unglück sagen? Nach Gottes Plan ist das Leid dem Menschen ebenso nützlich wie das Glück. Gott würde mir das Leid nicht senden, wenn er nicht eine gute Absicht damit hätte. Gott hat jedem Stern seine Lasten zugewogen. Er hat auch jedem Menschen zugewogen, was er tragen kann und tragen muss, um vollkommen zu werden.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt