Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. August 2022

Existiert Gott, der Schöpfer?

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Grieche Aristoteles lebte von 384 vor Christus bis 322. Er war mit ausgesprochenem Sinn für Erfahrung und Naturforschung begabt. Platon führte ihn in die Prinzipien der Wissenschaft ein. 20 Jahre lang gehörte er der Akademie in Athen an. Danach lehrte er an verschiedenen Orten. Der mazedonische König Philipp beauftragte ihn mit der Erziehung Alexanders, der später Alexander der Große genannt wurde. Nach Alexanders Tod (323) wurde er von politischen Gegnern der Gottlosigkeit angeklagt. Aristoteles ist der größte Systematiker des Altertums, einer der bedeutendsten Wissenschaftstheoretiker aller Zeiten, ein Universalgelehrter. Er hat über Gott und die Welt nachgedacht und ist dabei zu erstaunlichen Einsichten gekommen. Seine Betrachtung der Welt war teleologisch; er hat sie als Ordo verstanden. Aus der Betrachtung der Welt fand er zu Gott. Er erklärte: Obwohl jeder sterblichen Natur unsichtbar, wird Gott aus den Werken selbst erkannt. Aristoteles stellte folgende Überlegungen an. Alles, was sich in Bewegung befindet, also entsteht, sich verändert und sich entwickelt, wird notwendig von einem anderen bewegt. In der Reihe der Bewegenden kann man aber nicht ins Unendliche weitergehen, weil es sonst überhaupt kein Erstbewegendes gäbe und somit auch kein zweites usf. Man musste also notwendig zu einem Erstbewegenden kommen, der von keinem anderen bewegt wird. So spricht Aristoteles von dem ersten unbewegten Beweger. Er ist selbst unbewegt, wird nicht von anderem bewegt, versetzt aber anderes in Bewegung. Aristoteles nennt ihn Geist oder Gott, reine Aktualität, eine geistige Persönlichkeit. Sein inneres Leben besteht im Denken, und zwar im Denken seiner selbst. Die Gedanken des Aristoteles haben die Jahrhunderte überdauert.

Wir sind dankbar für den Begriff des unbewegten Bewegers. Aber wir können uns dabei nicht beruhigen. Wir fragen weiter. Wie kommt es denn, dass etwas da ist, was in Bewegung, also in Veränderung, Entwicklung versetzt werden kann? „Warum existiert überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Aristoteles sah ein räumlich begrenztes, aber zeitlich in beiden Richtungen offenes Universum vor. Die Ideen der Weltschöpfung und des zeitlichen Anfangs der Welt gingen ihm allerdings ab. Der aristotelische Gott hat die Welt nicht geschaffen, denn sie ist unentstanden und unvergänglich, aber er hat die Bewegung eingeleitet. Wir denken und fragen weiter. Alle konkreten materiellen Wirklichkeiten, die wir kennen, waren nicht immer da; sie sind geworden. Sie haben ihr Sein nicht aus sich selbst. Der Grund ihres Daseins liegt in einem anderen, das bereits vor ihnen da war. Dieser Ursprung ist aber seinerseits ebenso wenig aus sich selbst, sondern hat das Sein wiederum von einem anderen vor ihm empfangen. Jedes gewordene Seiende bedarf zwingend einer adäquaten, ihm vorausgehenden Ursache außerhalb seiner selbst, um zu existieren. Kein (kontingentes) Ding kann sich selbst hervorgerufen haben, kann die Ursache für seine eigene Existenz sein; denn dann müsste es (absurderweise) schon existiert haben, bevor es zu sein begann. Wenn aber jede einzelne der gewordenen (kontingenten) Wesenheiten seine Ursache zwingend in einem anderen hat, das vor ihm existiert hat, so kann das in Bezug auf die Gesamtheit aller kontingenten Seienden nicht anders sein. Die Gesamtheit aller gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen Dinge muss eine reale Grundlage für ihre Existenz haben; andernfalls würde das Weltall nicht existieren. Es muss darum letztlich eine Wirklichkeit geben, die nicht zu der Summe der gewordenen (kontingenten) Dinge gehört. Wenn es dieses Eine, Nicht-Gewordene nicht gibt, würde der Gesamtheit der gewordenen Dinge ihre Ur-Sache fehlen.

Diese letzte eigentliche Ursache des Universums muss notwendig außerhalb der gesamten materiellen Welt verursachter, gewordener Dinge stehen. Wäre sie ein weiteres Glied innerhalb der Kette des Werdens und Vergehens, könnte sie nicht die letzte Ursache des einen großen materiellen Entwicklungsprozesses sein. Ohne einen allerersten Ursprung kann das Werden des kontingenten materiellen Universums nicht gedacht werden. Jede Abfolge, jede Kette einer Entwicklung bedarf zwingend eines realen Anfangs, eines Hakens, an dem sie hängt. Die Abfolge, die ganze Kette der Evolution materieller, kontingenter Wirklichkeiten benötigt für ihre Existenz eine Wirklichkeit, die nicht kontingent, sondern im ursprünglichen Sinn des Wortes absolut ist, d.h. die ganz in sich selbst ruht, ohne Ursache, ohne Entwicklung, ohne Abhängigkeit von einem anderen ist. Ohne diese erste Ursache würde die ganze Evolutionskette des Universums in sich zusammenfallen. Da diesem Absoluten nichts vorausgeht, weil es nichts gibt, aus dem und durch das es geworden sein kann, muss dieses Eine immer gewesen sein, anfanglos, zeitlos, ewig. Da es Raum und Zeit nur da gibt, wo messbare Abstände und zurücklegbare Entfernungen existieren, d.h. innerhalb des kontingenten, materiellen Kosmos, steht es über Raum und Zeit. Vor allem muss diese eine, ewige, absolute, immaterielle, d.h. rein geistige Wirklichkeit imstande sein, etwas zu erschaffen, d.h. aus dem Nichts an Vorgegebenem das All ins Dasein zu setzen und sich entwickeln zu lassen. Es muss einen Schöpfer geben. Ein solches Erschaffen des Alls aus Nichts und seine Evolution setzt ein universales geistiges Erkennen und Wollen voraus. Zur Schöpfung bedarf es einer personalen gestalterischen Allmacht. Wir nennen diese Wirklichkeit Gott. Wenn ein allmächtiger Jemand existiert, der aller Zeit und aller Materie voraus ist, der das All und die Entwicklung der Welt bis hin zum Menschen gedacht, gewollt und ins Dasein gerufen hat, dann gibt es einen realen und überzeugenden Seinsgrund sowohl für die Existenz des materiellen Kosmos als auch für die Naturgesetze und für die Evolution. Dann ist nicht ein Etwas, ist nicht blinde Materie und ihr Werkzeug, der statistische Zufall, das tragende Fundament der Welt, sondern es ist ein des Erkennens, des Wollens und des Gestaltens fähiger Jemand. Das heißt: Am Anfang war nicht der Wasserstoff; am Anfang war der Geist, der Logos, das schöpferische Wort.

Die Forschung ist sich heute nahezu einig: Unsere Welt hat keineswegs schon immer bestanden, sondern sie hat einstmals einen Anfang genommen. Die Kosmologie rechnet mit einem Alter der Welt von etwa 10 bis 20 Milliarden Jahren. Viele Hinweise sprechen dafür, dass die Welt von einem einzigen Punkt ihren Ausgang nahm. Dieser Ausgangspunkt wird üblicherweise der Urknall genannt. Urknall ist Bezeichnung für einen angenommenen physikalisch singulären Zustand, in dem das gesamte Weltall ein unendlich kleines Volumen mit einer unendlich hohen Energiekonzentration einnahm und von ihm ausgehend explosionsartig mit zunächst unendlich hoher Geschwindigkeit expandierte. Nach dem Hubbleeffekt unterliegen die Sternensysteme einer allgemeinen Fluchtbewegung. Deren Größe ist unabhängig von der Beobachtungsrichtung und nimmt linear mit der Entfernung zu. Die Galaxien bewegen sich dabei nicht in einen vorgegebenen Raum hinein, vielmehr dehnt sich dieser mitsamt den Galaxien als Ganzes aus.

Wie es zu dem Urknall selbst gekommen ist, bleibt völlig ungeklärt. Hinter ihn lässt sich wissenschaftlich nicht weiter zurückfragen. Somit bleibt die Frage des allerersten Anfangs der Welt bei der Urknalltheorie offen. Eine Antwort hierauf finden wir in der Bibel. In der Genesis heißt es lapidar: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ (Gen 1,1). Diese Aussage stimmt mit unserem heutigen Erkenntnisstand insofern überein, als hier von einem Anfang der Welt die Rede ist. Der Glaube und die Theologie präzisieren die biblische Aussage mit dem Satz: Gott hat die Welt aus nichts erschaffen. Die Schöpfung ist absolut voraussetzungslos. Der Ausdruck „aus nichts“ bezeichnet nicht das etwas, woraus Gott die Welt macht. Das Dogma will sagen: Gott brachte das All hervor, ohne irgendetwas anderes dabei zu benutzen, einfach und allein durch seinen allmächtigen Willen. Somit darf man uns nicht das Axiom „Aus nichts wird nichts“ entgegenhalten. Denn die Welt ist nicht aus nichts, also von selbst entstanden, sondern durch Gottes Allmacht. „Im Anfang“ schuf Gott Himmel und Erde. Vor dem Anfang war er also allein in seiner Ewigkeit oder, wie Augustinus sagt, in sich und bei sich. Er schuf die Welt „im Anfang“ will sagen, er schuf sie so, dass sie einen Anfang nahm. Mit der Schöpfung wurde ihr Anfang gesetzt. Die entstehende Welt wird als Chaos bezeichnet. Die Bibel spricht von Tohuwabohu (1 Mos 1,2). Chaos ist der endlose leere Raum, die gestaltlose Urmasse des Weltalls, der erste Zustand der Welt. Im Unterschied zu außerchristlichen Schöpfungserzählungen ist festzustellen: Auch das Chaos ist von Gott erschaffen. Mit der chaotischen Welt ist eine materielle Basis gegeben, von der aus eine weitere Entwicklung einsetzen kann. Mit dem Geist Gottes ist der Träger von Initiativen genannt, die für die weitere Gestaltung entscheidend sind. Als Schöpfer der Welt wird Gott genannt. Ein Motiv Gottes nennt die Genesis nicht. Auch das Glaubensbekenntnis gibt hierüber keine Auskunft. Aus dem Neuen Testament insgesamt ergibt sich jedoch Gottes Liebe als der Ursprung des Schöpfungswillens. Die Dinge sollen, je in ihrer Art und in verschiedenem Grade, die göttliche Güte und Vollkommenheit abbilden, was dadurch geschieht, dass sie an derselben teilnehmen. Indem die vernünftigen Geschöpfe das Sichangleichen an Gott vollziehen, werden sie auch in sich glücklich.

Das Alter des Weltalls wird auf 10 bis 20 Milliarden Jahre geschätzt. Das Alter unseres Sonnensystems wird mit etwa 4,6 Milliarden Jahren angegeben. Für das Alter der Erde nimmt man heute 4,55 Milliarden Jahre an. Leben beherbergen kann sie – von den physikalischen Bedingungen her – seit vermutlich 4 Milliarden Jahren. Das Leben erschien also recht bald, nachdem die Erde in der Lage war, es zu tragen. Primitive Lebensformen gab es auf der Erde bereits vor mindestens 3,5 Milliarden Jahren. Man nimmt allgemein an, dass das Leben auf der Erde entstanden ist. Das Leben besteht aus einem materiellen Anteil (physikalische und chemische Aspekte) und einem immateriellen Anteil (Information aus geistiger Quelle). Leben kann sich nur in einem begrenzten Intervall zwischen vielleicht 10¹⁰ und 10¹² Jahren bilden und entwickeln. In früheren Zeiten ist die kosmische Materie noch zu arm an schweren Elementen, die für die Lebensentstehung benötigt werden; in späteren Zeiten sind die Energie liefernden Sterne ausgebrannt. Viele organische Verbindungen, einschließlich der Aminosäuren und anderer typischer biologischer Bausteine, entstehen spontan in vielen Regionen des Kosmos. Es ist naheliegend anzunehmen, dass diese Substanzen die Bausteine für das Leben bilden. Die Naturwissenschaft hat empirisch bewiesen (vor allem durch die Versuche von L. Pasteur), dass unter den heutigen Naturbedingungen kein Lebewesen aus dem Anorganischen entsteht, sondern immer nur von anderen Lebewesen der gleichen Art stammt (omne vivum e vivo). Selbst die spontane Entstehung organischer Stoffverbindungen könnte nie zur Bildung organischer Körper führen; denn das organische Leben bedarf zu seinem Zustandekommen neben den materiellen Kräften noch eines gestaltenden immateriellen Faktors. Den Naturwissenschaften ist es unmöglich, für das Phänomen Leben eine physikalisch-chemische Definition zu geben. Allem Lebendigen gemeinsam sind die Notwendigkeit des Stoffwechsels, die Fähigkeit zur Vermehrung und die Möglichkeit der Veränderung des Erbguts. Die Funktionsträger für die Stoffwechselprozesse sind energiereiche Makromoleküle. Ebenso ist die Fortpflanzungsfähigkeit an Makromoleküle (Nukleinsäuren) gebunden. An die Nukleinsäuren gebunden ist schließlich auch die Veränderlichkeit des Erbguts. Die Lebensentstehung ist in keinem Fall experimentell nachgewiesen worden. Trotz mannigfacher Anstrengungen ist es bis heute nicht gelungen, Leben aus unbelebter Materie zu schaffen. Offensichtlich gehört die Entstehung des Lebens zu jenen Ereignissen, die sich nicht gesetzmäßig immer wieder vollziehen, sondern die ein unwiederholbares Geschehen darstellen. Die Frage nach dem Ursprung des organischen Lebens überhaupt ist von der Naturwissenschaft nicht zu beantworten. Die Frage nach der Entstehung des ersten Lebewesens ist naturwissenschaftlich völlig offen. Die Frage nach dem Ursprung des immateriellen Prinzips ist rein metaphysischer Natur und führt notwendig zur Annahme eines göttlichen Schöpfungsaktes.

Gott und die Welt sind wesentlich verschieden. Alles entsteht durch seine freie, schöpferische Tat, nicht durch Emanation oder naturhaftes Werden. Es besteht kein Kampf mit dem Chaos, um die Materie zu gestalten, wie heidnische Erzählungen der Weltentstehung es darstellen. Die Materie gehorcht dem Schöpfer wie im Anfang, so dauernd in den eingeschaffenen Naturgesetzen. Die Theorie, dass es einen Gott gibt, der die Welt erschaffen hat, erklärt die Phänomene, mit denen wir in unserer Welt konfrontiert sind, einfach besser als die Theorie, dass es keinen Gott gibt. Wenn wir an Gott glauben, sind der Urknall, das Fein-Tuning des Universums, die Gesetzmäßigkeit der Natur keine unerklärlichen Rätsel mehr. Alle diese Dinge, die wir beobachten, sind dann komplett sinnvoll. Wir können mit Überzeugung sprechen: Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Amen.      

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