Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Mai 2022

Christi Himmelfahrt I

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Einleitung 

Die Himmelfahrt Christi gehört zu den ältesten christlichen Dogmen. Sie findet sich in allen Formen des Apostolischen Symbolums. Das Dogma lautet: Christus stieg mit Leib und Seele aus eigener Kraft in den Himmel hinauf. Um gewollten oder ungewollten Missverständnissen vorzubeugen, sei gleich am Anfang der Überlegungen festgestellt: Das Wort Himmel ist doppeldeutig. Einmal besagt es das scheinbare Gewölbe, das sich über dem Horizont eines Beobachters aufspannt, wo die Wolken ziehen, von wo der Regen fällt, zu dem die Astronauten aufsteigen, wo zahllose Sterne sich befinden. Zum anderen ist Himmel „das theologische Bildwort für den endgültigen Heilszustand der durch Christus mit Gott für immer vereinten, geretteten Menschheit“, der nicht räumlich bestimmt werden kann, „die Dimension des Einsseins von Gott und Mensch“ (Joseph Ratzinger). Das Bekenntnis der Himmelfahrt Christi ist untrennbar mit dem Bekenntnis seiner Auferstehung verbunden und umgekehrt. Es kann weder aufgegeben noch umgedeutet werden. Nicht alle Theologen, die sich zum Christentum zählen, halten an der Glaubenswahrheit fest. Im Protestantismus werden mannigfache Ansichten zur Himmelfahrt Christi vorgetragen. Schon die Reformatoren gingen in ihrem Verständnis auseinander. Von nicht wenigen wurde die Lehre als sperrig empfunden. Die der Aufklärung verhaftete protestantische Theologie schied und scheidet die Himmelfahrt Christi als mythologische Aussage aus. In Preußen wurde im Jahre 1773 das Fest der Himmelfahrt des Herrn durch königliches Dekret abgeschafft, 1789 aber wieder eingeführt. Der wohl einflussreichste protestantische Theologe des 19. Jahrhunderts Friedrich Schleiermacher schied Auferstehung und Himmelfahrt Christi aus der Lehre von der Person Christi aus. Adolf von Harnack, einem Theologen von internationalem Ansehen und Haupt einer weit verbreiteten Schule, stand die Lehre von der Himmelfahrt Jesu im Widerspruch zu der ursprünglichen Verkündigung des Evangeliums. Rudolf Bultmann, wohl der angesehenste Theologe des 20. Jahrhunderts, eliminierte die Vorstellung von der Himmelfahrt erst recht als mythisch. Für Werner Georg Kümmel ist die Erzählung von der Himmelfahrt Christi „eine dem ursprünglichen Glauben an die Auferstehung Christi gegenüber sekundäre ‚späte Legendeʻ (Grass)“, die der „Mythenkritik“ unterworfen werden müsse. Es ist schmerzlich und tief bedauerlich, dass Personen, die den christlichen Namen tragen, eine fundamentale Wahrheit des christlichen Glaubens verwerfen. Die Glaubenslehre der katholischen Kirche hält selbstverständlich an der Wirklichkeit der Himmelfahrt Christi fest. Innerhalb des Glaubens an diesen Artikel des Symbolums bleiben jedoch manche Fragen. Es soll hier versucht werden, die eine oder die andere zu beantworten.

I. Die Erhöhung Christi

Wer von der Himmelfahrt Christi sprechen will, muss ausgehen von seiner Auferstehung. Es ist der fundamentale Satz des katholischen Glaubens: Jesus Christus ist am dritten Tage nach seiner Hinrichtung lebendig dem Grab entstiegen; er ist auferstanden von den Toten. Die Auferstehung besagt einmal die reale Wiedervereinigung von Leib und Seele. Der Herr stand sodann auf in verklärter, vergeistigter Gestalt, d.h. er war erhaben über die Schranken von Raum und Zeit. Es handelt sich nicht um die Wiederherstellung der irdischen Leiblichkeit des historischen Jesus. Dennoch ist der Auferstandene identisch mit dem historischen Jesus. Die Auferstehung Jesu ist von höchster Bedeutung für ihn selbst. Denken wir, was aus dem Christentum geworden wäre ohne dieses Ereignis. Dann wäre Jesus in die Geschichte eingegangen als ein gescheiterter Prophet. Dann hätte es kein Christentum und keine Kirche gegeben. Mit seiner Auferweckung bestätigte der himmlische Vater das Priestertum Christi, die Annahme und den Heilswert seines Kreuzesopfers. Der auferstandene Christus stirbt nicht mehr. Der Sohn Gottes, der sich durch die Annahme der leidensunterworfenen Menschennatur der Gottgleichheit entäußert hatte, ist durch die Auferstehung erhoben worden. Die Auferstehung Christi ist seine Erhöhung. Von ihr spricht die Heilige Schrift an zahlreichen Stellen. Die Erhöhung besagt das endgültige Angenommensein des menschgewordenen Sohnes Gottes in die Herrlichkeit und Macht des himmlischen Vaters. Durch die Rechte Gottes ist Jesus erhöht worden (Apg 2,33). Gott hat ihn durch seine Rechte zum Herrscher und Heiland erhoben (Apg 5,31). Jetzt sitzt er „zur Rechten Gottes“ (Mk 14,62; 16,19; Apg 2,33f.; Eph 1,20; Heb 1,3. 13; 8,1; 10,12f.; 12,2). Nun ist er recht eigentlich der „Herr“ (kyrios) (Apg 2,36; Phil 2,11) und „Christus“ (Apg 2,36) eingesetzt. Auferstehung und Einsetzung in die himmlische Vollmachtsstellung können begrifflich unterschieden werden, sind aber zeitlich nicht voneinander getrennt (Eph 1,20). Die sachliche Verbindung von Auferstehung und Himmelfahrt ist auch eine zeitliche. In der Heiligen Schrift ist nur von einem und einzigem Vorgang der Erhöhung die Rede (Apg 2,33-35; 5,30f.; 7,56). Die Jünger haben in den ihnen gewährten Erscheinungen Jesus nicht bloß als den Lebendiggewordenen, sondern als „Sohn“ und „Herr“ erlebt. „Erhöhung“ fasst somit Auferstehung und Himmelfahrt Christi zusammen. Auferstehung und Erhöhung sind nicht zwei getrennte Vorgänge, sondern gehören untrennbar zusammen. Der den Jüngern erscheinende Jesus ist der erhöhte Auferstandene. Eine Erhöhung, die der Auferstehung zeitlich nachfolgt, ist auch dadurch ausgeschlossen, dass die Jünger vor dem ihnen erscheinenden Jesus anbetend niederfallen und seine Gottgleichheit als „Herrn“ bekennen (Mt 28,9. 17; Lk 24,52; Joh 20,28). Wenn der Auferstandene zu den Emmausjüngern sagt, „der Messias musste leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen“ (Lk 24,26), dann ist damit ausgesagt, dass er sich bereits in der Herrlichkeit befindet. Der Geist kann erst dann zu den Menschen kommen, wenn Jesus verherrlicht ist (Joh 7,39; 16,7; Apg 1,4f.; 2,32f.; Eph 4,8). Da dies in seiner Auferstehung geschehen ist, kann er den Aposteln am Abend des ersten Wochentages den Geist spenden (Joh 20,22). Um Zeuge der Auferstehung zu sein, muss man auch Zeuge der Himmelfahrt gewesen sein (Apg 1,21f.).

II. Die Erscheinungen des Erhöhten

Der Auferstandene und Erhöhte hat sich seinen Jüngern wiederholt und in mehrfacher Weise zu erkennen gegeben. Er erschien „denen, welche mit ihm von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren“ (Apg 13,31). Während dieser Tage war er seinen Jüngern sinnenhaft erfahrbar (Lk 24,39-49). Aber er hat nicht erneut einen Umgang mit den Jüngern gepflogen, wie er ihn vor seiner Hinrichtung gepflegt hatte. Die Erscheinungen des Herrn sind keine Fortsetzung oder Wiederaufnahme der irdischen Wirksamkeit. Der Tod am Kreuze ist der Abschluss des Erdenlebens Jesu. Die Behauptung, die Erzählung der Lukasschriften setzte „die Rückkehr des Auferstandenen in ein irdisches Leben voraus, das durch die Himmelfahrt Christi beendet wird“ (Werner Georg Kümmel), trifft nicht zu. Es ist deswegen auch müßig zu fragen, an welchem Platz der Herr während dieser Zeit verweilt habe. Michael Schmaus schreibt: „Wo Jesus sich in den vierzig Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt aufhielt, wissen wir nicht.“ Er beruft sich dafür auf Thomas von Aquin, Summa theologica III, Frage 55, Artikel 3 zum zweiten Einwand. Dagegen ist zu sagen, dass sich Jesus in den Tagen der Erscheinungen nicht an einem Ort auf dieser Erde aufhielt. Er weilte in der Herrlichkeit des Vaters (vgl. Joh 20,17). Das Neue Testament kennt keinen Zwischenzustand, in dem Jesus zwar auferstanden, aber nicht aufgefahren wäre. Der Jesus, der sich den Emmausjüngern zugesellte, ist bereits in Gottes Herrlichkeit eingegangen, wie er die die Wanderer wissen lässt (Lk 24,26). Die Auferstehung Christi geschieht in einem verwandelten, verklärten Leibe. Dieser „passt“ nicht in die irdische Welt; er gehört der jenseitigen Welt an. Wenn der Auferstandene „den von ihm bestimmten Zeugen“ sichtbar wird, erscheint, dann ist sein Ausgangsort nicht ein irdischer Platz, sondern der Himmel.

III. Das Evangelium der 40 Tage

Der Verkehr des auferstandenen Jesus mit seinen Jüngern hatte Bedeutung nur für diese. Man kann ihn als Jüngerschulung und Jüngerausstattung bezeichnen. Jesus hat das „Evangelium der 40 Tage“ nicht in einem systematischen Kurs verkündet. Er hat vielmehr seine Lehre und seine Weisungen bei unterschiedlichen Begegnungen mit seinen Jüngern vorgebracht. Ihr Inhalt und ihr Zweck sind folgende. In diesen Tagen bewies der Herr den Jüngern einmal die Wirklichkeit seiner leibhaftigen Auferstehung, und zwar so eindringlich und nachhaltig, dass sie nie ein Zweifel daran überfiel. Es existiert kein Zeugnis, dass auch nur ein Jünger jemals an der Wirklichkeit und Wahrheit der Auferstehung Jesu irre geworden wäre. Die Erscheinungen des Auferstandenen dienten sodann der Belehrung der Jünger über den Zusammenhang von alttestamentlicher Vorhersage und neutestamentlicher Erfüllung (Lk 24,25-27. 44-48). Was an Jesus geschah, war kein Unfall und kein Verhängnis, sondern die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes. In den knapp sechs Wochen der Erscheinungen unterrichtete der Herr seine Jünger autoritativ und endgültig über die Gottesherrschaft, das Reich Gottes (Apg 1,3). Alle Gedanken an ein irdisches Reich, vergleichbar den Imperien der Geschichte, wies er ab. Das Reich Gottes ist eine transzendente und zukünftige Größe. Nicht Menschen führen es herauf, sondern die Macht und die Weisheit des himmlischen Vaters. Schließlich gab der erscheinende Auferstandene den Jüngern seine Sendung weiter (Joh 20,21). Nicht ihr Entschluss führte sie bis an die Grenzen der Erde, sondern der Befehl und die Ausstattung ihres Herrn. Jesus erteilte den Aposteln Aufträge (Apg 1,2). Er gab in den 40 Tagen den Jüngern ihre bleibende Aufgabe. Sie sollen seine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samaria und bis an die Grenzen der Erde (Apg 1,8). Er befahl ihnen, alle Völker zu Jüngern zu machen, sie zu taufen und ihnen seine Lehre zu vermitteln (Mt 28,19f.). Er versicherte sie seines Beistandes bei ihrer missionarischen Tätigkeit, der bis zur Wundertätigkeit reichen sollte (Mk 16,17f.). Der Herr gab schließlich den Jüngern den Heiligen Geist (Joh 20,22), die Kraft aus der Höhe. Er übertrug ihnen die Vollmacht, Sünden nachzulassen (Joh 20,23). Der Herr bestellte Petrus zum Oberhirten über seine gesamte Jüngerschaft (Joh 21,15-17). Er gab den Jüngern die Gewissheit, stets ohne Unterbrechung und ohne Aufhören bei ihnen zu sein bis zum Ende der Welt (Mt 28,20).

Wer die Erhöhung Christi, den vierzigtägigen Verkehr des Herrn mit seinen Jüngern nach seiner Auferstehung preisgibt, amputiert Jesus, unseren Heiland, macht die Kirche Gottes zu einem Gemächte von Menschen und zerstört unsere Hoffnung auf die Inbesitznahme der Plätze, die der Herr im Himmel seiner Freuden für uns bereitet hat. Halten wir uns an das Zeugnis der Apostel, der Augen- und Ohrenzeugen des erhöhten Herrn. Sprechen wir dem reuigen Schächer nach, was er dem Leidensgenossen in der Mitte sagte: Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst.

Amen.

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