Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 2021

Die Engel von Bethlehem

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In dem Glaubensbekenntnis, das wir jeden Sonntag in der heiligen Messe beten, wird Gott gepriesen als der Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Zu den unsichtbaren Wesen gehören an erster Stelle die Engel. Es gibt keine Offenbarung Gottes ohne Engel. Zum ersten Mal ist in der Heiligen Schrift von Engeln, genauer gesagt von einer Ordnung der Engel, den Cherubim, im ersten Buch Moses (1,3, 24) die Rede. Es war nach dem Sündenfall von Adam und Eva. Der Herr vertreibt die Menschen aus dem Paradies und stellt östlich des Gartens Eden die Cherubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Baum des Lebens bewachen. Die Cherubim gehören neben den Seraphim und den Thronen zur ersten Ordnung der himmlischen Hierarchie. Es sind Engelwesen, die Gott am nächsten stehen. Im Alten Testament sind sie ein Herrschaftszeichen. Der Herr der Heerscharen thront über den Cherubim. Im Psalm 99 lautet der Lobpreis: „Der Herr ist König. Es zittern die Völker. Er thront über den Cherubim. Es wankt die Erde.“ Zwei Cherubim schmückten die Deckplatte der Bundeslade; es ist der Raum zwischen diesen beiden, von dem her Moses im Offenbarungszelt die Stimme Jahwes vernimmt. Die Tradition kennt noch zwei weitere Ordnungen von himmlischen Wesen. Es sind die Gewalten, Herrschaften und Mächte sowie die Engel, Erzengel und Fürsten. Zusammen bilden sie die neun Chöre, wie sie Dionysius Areopagita im 6. Jahrhundert in seiner Schrift „Über die himmlische Hierarchie“ angeführt hat. Darin wird das Wesen der Engel beschrieben: „Durch die Spannkraft der göttlichen Liebe sind sie erhoben; sie können die Erleuchtungen der Urquelle ungetrübt in sich aufnehmen, sich anders als in nur irdischer Art nach ihr richten; und so besitzen sie das ganze Leben unbeschwert, als Geist.“ Ebenfalls bei Dionysius finden wir einen Umriss ihrer Aufgaben und Tätigkeiten: Sie lehren, was im Augenblick zu tun ist. Sie führen aus unheiligem Leben hinaus auf den geraden Weg der Wahrheit. Sie kündigen göttliche Vorhersagen an. Am Berge Sinai hat Jahwe seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen und seine Gesetze gegeben. Danach spricht er eine Verheißung aus: „Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe. Achte auf ihn und höre seine Stimme“ (Ex 23,20). Hier wird neben das Wächteramt der Cherubim aus der Genesis von der Schutz- und Führungsfunktion des Engels gesprochen mit den Worten des Allmächtigen selbst. Es ist der dritte Monat nach dem Auszug aus Ägypten, vor dem auserwählten Volk liegt ein vierzigjähriger beschwerlicher, entbehrungsreicher Weg durch die Wüste, bevor es endlich das Gelobte Land erreicht.

Im Neuen Testament sind die Engel fast allgegenwärtig. Sie begleiten den Weg des Offenbarers Jesus Christus in allen Phasen. Sie verkünden seine bevorstehende Ankunft. Der Erzengel Gabriel wird zu der Jungfrau Maria in eine Stadt Galiläas namens Nazareth gesandt. Als er bei ihr eintritt, spricht er sie mit den Worten an: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Maria erschrickt zutiefst, als sie solcherart angeredet wird. Diese Reaktion veranlasst Gabriel, ihr eilig zuzurufen: „Fürchte dich nicht!“ Die Nähe Gottes und seiner Boten lässt die Menschen erschrecken. Denn Gott ist anders als die Welt. Es entspinnt sich ein sachlich-nüchterner Dialog zwischen dem Engel und der Jungfrau. Gabriel hat einen Auftrag zu erfüllen, und er tut dies äußerst gewissenhaft, als er auf die heilige Elisabeth zu sprechen kommt und den sechsten Monat ihrer Schwangerschaft zu benennen weiß.

Ein Engel befahl dem unsicher gewordenen Joseph, seine Verlobte Maria zu sich zu nehmen; er klärte ihn auf, woher das von ihr empfangene Kind stammt: vom Heiligen Geist. Von Anbeginn der Menschwerdung Gottes säumen Engel seinen Weg, leiten den Fortgang der Geschicke, genau wie seit dem Alten Bund dem Volk verheißen wurde, dass ihm ein Engel vorausgehen werde. Der Engel, der dem heiligen Joseph im Traum erschien und ihm befahl, mit seiner Frau und dem Neugeborenen nach Ägypten zu fliehen, rettete das Leben des Heilands und seiner Eltern. Es war ein strapaziöser Weg, der mit zahlreichen Entbehrungen verknüpft war.

In der Wüste versuchte Satan den Messias Jesus. Wiederholt setzte er an, um ihn von seinem Weg im Gehorsam gegen den himmlischen Vater abzubringen. Jesus wies ihn jedes Mal entschieden zurück: „Fort, Satan!“ Sogleich traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Als der Heiland in Todesangst auf dem Ölberg mit dem himmlischen Vater ringt und Schweiß wie Blutstropfen vergießt, da naht sich ihm ein Engel und gibt ihm Zuspruch und Trost, während die Jünger schlafen. Was für eine Aufgabe! Ein Engel, ein Geschöpf, muss den aufrichten, der als Herr der Schöpfung die Engel erschaffen hat. Das Grab des hingerichteten Messias wird von Engeln bewacht. Ein Engel wälzt den Stein fort, mit dem das Grab verschlossen war. Der Engel bringt den Frauen die Botschaft von der Auferstehung Jesu: Ihr sucht den gekreuzigten Jesus. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden von den Toten. Die Engel wissen von dem Ostersieg Christi vor allen Menschen. Ja, sie sind an seinem Ausstieg aus dem Grabe beteiligt.

Und nun das Ereignis, das den Erdkreis und den ganzen Kosmos umstürzen sollte: die Geburt des göttlichen Messias auf den Halden von Bethlehem, Beginn der Zeitrechnung, Anfang der Erlösung, Höhepunkt der Offenbarung. Ein Engel brachte die bedeutendste Nach-richt der Menschheitsgeschichte. „Da trat ein Engel des Herrn zu den Hirten und sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkünde euch große Freude, die allem Volk zuteil werden soll.“ Der Engel fordert die Hirten auf, sich nicht zu fürchten, damit sie nicht tumultartig die Flucht ergreifen, sondern ihm weiter zuhören. Die Botschaft des Engels lautet nicht: Ich verkündige euch ein großes Problem, sondern ich verkündige euch eine große Freude: eine Geburt, die Geburt des Retters, des Erlösers, des himmlischen Herrn: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, der da ist der Messias, der Gesalbte, der Herr.“ Der Verheißene, der Ersehnte, der Erwartete ist da. Die Sehnsucht, die Hoffnung, die Erwartung der Jahrtausende ist erfüllt. Gott steht zu seinem Wort, dass er kommen und sein Volk erlösen werde. Er beweist sich als der treue Gott, der seine Versprechung einlöst. Ein Engel ist es, der dies den Menschen anzeigt. Der Verkündigungsengel bleibt nicht allein. Plötzlich ist bei dem Engel ein himmlisches Heer, das Gott lobt und spricht: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seiner Gnade.“ Das Geschehnis der Ankunft des Erlösers preist Gott. Er erweist sich als der Retter seines Volkes. Die Verherrlichung Gottes bedeutet für die Menschen Frieden. Frieden ist der Inbegriff des Heils. Verherrlichung Gottes und Frieden der Menschen gehören unzerreißbar zusammen. Wenn die Menschen Gott die Ehre geben, schenkt Gott ihnen den Frieden. Das ist der Grund, warum die Menschen keinen Frieden halten können: weil sie Gott nicht verherrlichen durch Anbetung und Gehorsam gegen seinen Willen.

Ungeheuerliches geschah auf den Fluren von Bethlehem. Es muss der blanke Aufruhr in den Herzen der einfachen Hirten getobt haben, dass ausgerechnet ihnen eine Schau der himmlischen Scharen gewährt wurde, die unaufhörlich vor dem Throne Gottes das Dreimal Heilig singen. Aber die Hirten sind unbeirrt, denn sie sind aufnahmebereit. Der Engel hatte sie hingewiesen auf ein Zeichen, ein sehr schlichtes Zeichen: „Ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend.“ In diesem Hinweis lag die Aufforderung, das Zeichen zu sehen. Und so machten sie sich „eilends“ auf, wie es im Evangelium heißt, suchen und finden das Kind und mit ihm Maria und Joseph. Die Hirten verglichen die Botschaft der Engel, die ihnen kundgetan worden war, mit dem, was sie vorfanden, und stellten die Übereinstimmung zwischen Ankündigung und Ereignis fest. Kein Wunder, dass Lukas schreibt: „Die Hirten priesen und lobten Gott für all das, was sie gehört und gesehen hatten, wie es ihnen gesagt worden war.“ Die Hirten waren gläubige Hörer der Botschaft Gottes. Kein Zweifel befällt sie, keine Skepsis quält sie, der frohe, ungeschmälerte Glaube erfüllt ihre Herzen. Die Hirten werden weiterhin im Evangelium nicht erwähnt. Aber wir werden nicht irregehen, wenn wir annehmen, dass sie ihr erfüllendes Erlebnis nicht verschwiegen. Sie werden davon gesprochen haben, sie werden die ersten, von Gott selbst berufenen Verkünder der Menschwerdung Gottes gewesen sein. Wen Gott mit Glauben an seine Großtaten erfüllt, den rüstet er auch aus, diese Großtaten in die Welt hineinzurufen. Hatte der Engel doch davon gesprochen, dass die große Freude dem ganzen Volk widerfahren ist.

O Wunder groß, aus Vaters Schoß ist Gott von Gott gekommen. Und hat aus Lieb’, die ihn

antrieb, die Menschheit angenommen.

O Wunder groß, nackt, arm und bloß wohnt Gott bei uns auf Erden. Aus Gütigkeit ist er

bereit, ein Mittler uns zu werden.

O Jesu mein, hold Kindelein, wir fallen dir zu Füßen. Wir dich verehrn als Gott den Herrn

und tausendmal dich grüßen.

Amen.

Schrift
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