Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. April 2021

Mit Christus auferstehen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Apostel Paulus spricht wiederholt aus: Ihr Christen seid auferstanden, seid auferweckt worden mit Christus (Kol 2,12; 3,1). Was aber heißt „mit Christus auferstehen“? Der Apostel Paulus gibt darauf eine vierfache Antwort. Erstens. Mit Christus auferstehen heißt inwendig ein neues Geschöpf werden. Wo man die Evangelien auch aufschlägt, weht es uns an wie ein frischer Wind, oft wie ein rauher Sturm: es müsse alles anders werden, als wir es zu treiben pflegen. Schwere Dinge sind uns auferlegt, fast über unsere Kraft. Aber lesen wir die heiligen Bücher bis zum Ende. Da steht in allen vier: Der Herr ist auferstanden, er lebt und wirkt mit uns. Als die Jünger die Botschaft vernahmen und den Auferweckten selber sahen, entflammte er ihnen ein neues Leben der Hoffnung, des Mutes und der Kraft. Die Predigt ihres Meisters war besiegelt von seiner Glorie, und sein Hervorgang aus dem Grab verbürgte der Welt den Beistand zu einem neuen Leben nach seinem Wort. Nun begriffen sie, dass er der Anfänger und Urheber einer neuen, höheren Menschheit ist. Das war jetzt offenbar geworden durch die Erscheinung unseres Heilandes, der den Tod besiegt und unvergängliches Leben ans Licht gebracht hat. Ein einziger Jubel des Umschwungs aller Dinge ergriff die Verkündiger der frohen Botschaft. Todesmutig streuen sie das Feuer vom Himmel, das der Herr gebracht hatte und von dem er wollte, dass es brenne. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Erbarmung neu gezeugt hat für eine lebendige Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ Uns erneuernd in unserem ganzen Wesen, sollen wir die Auferstehung des neuen, zweiten Adam an uns vollziehen. „Gleichwie Christus ist auferweckt worden von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln.“ „Wenn jemand mit Christus eins geworden ist, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ „Gestaltet euch nicht dieser Weltzeit gleich. Sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr das Gefühl dafür erlanget, was Gottes Wille ist: das Gute, das Edle, das Vollkommene.“ Das schwerste Hindernis des neuen Lebens, jeder weiß es, ist seine eigene Natur. Ihretwegen kommen die einen nicht dazu, es auch nur zu wollen; andere aber, die es wollen, bleiben weit vom Ziele; und wer gewonnen glaubt, vielleicht auch in Wahrheit gewonnen hat, ist in seinem Besitz täglich angefochten. Was wir aber alle sollen und wovon uns auch der barmherzige Gott nicht entbinden kann, das ist der gute Wille, es zu finden und zu haben. Dieser gute Wille ist kein laues „ich möchte wohl“; er ist der wahre Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, das leidenschaftliche Verlangen, ein Mensch zu sein, der vor Gott bestehen kann. Jener gute Wille ist ein Wille zum Guten im Gehorsam gegen den Gott Jesu Christi, ja den Gott in Jesus Christus, seinem fleischgewordenen, vom Kreuzestod erstandenen Sohn. Das Geheimnis der Erneuerung hat er uns in seiner Lehre verraten: „Wer sein Leben findet, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert, um meinetwillen, der wird es finden.“ Allein im selbstlosen Willen, der den Willen Christi in sich aufgenommen hat, liegt das Geheimnis einer seligen Weltüberwindung. Mein Christ! Du sollst nicht beten, dass dein Wille Gottes Wille werde, sondern dass Gottes Wille der deinige werde. „Ein Täter des Wortes wird selig sein in seinem Tun.“

Zweitens. Mit Christus auferstehen, das heißt freiwerden von der Angst des Daseins. „Gott hat uns in Christus Jesus miterweckt und miteingesetzt in die Himmelswelt, um in den kommenden Weltzeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade kundzutun durch die Güte gegen uns in Christus. Ja, aus Gnade seid ihr gerettet durch den Glauben.“ Dass in den heiligen Schriften das Wort „Fürchtet euch nicht“ vorkommt so oft wie wenige andere, sagt genug von dem Willen Gottes, heile Wesen aus uns zu machen, aber genug auch vom natürlichen Zustand des Menschen, in Furcht und Angst zu sein. Worin gründet dieser Zustand? a) Der eine wird sagen in der täglichen Sorge um die Existenz, um die Gesundheit, um die Erhaltung unseres äußeren Besitzes. b) Der andere wird sagen in der Ungewissheit aller irdischen Verhältnisse, die uns jede Stunde bedroht. Wir sind auch des inneren Besitzes, der Liebe und Treue unserer nächsten Menschen, ja selbst der Wahrheiten, die wir gefunden glauben, niemals sicher. c) Ein dritter wird den Schatten des Todes, der ihm so gewiss ist wie jetzt sein Dasein, auf alle Dinge fallen sehen. d) Ein vierter wird im Zerwürfnis mit seinem Dasein leben, ja selbst im vollen Wohlergehen daran leiden, dass kein Glück ihm ausreicht, um glücklich zu sein. Solches Ungenügen am Leben hat seinen Grund in dem Gefühl, das Leben selber habe keinen Grund. Es kann die Menschen, die von ihm befallen werden, bis zum Entschluss des Todes treiben. Sie sind, mit den einfachen, aber tiefen Worten der alltäglichen Sprache gesagt, davon überzeugt, dass es nichts gibt. Diese Furcht, dass es nichts gibt, ist zu überwinden nur vom religiösen Glauben. Wer nichts Ewiges hat, an das er sich halten kann, dem bleibt nur die Angst vor dem überall lauernden bodenlosen Abgrund, der ihn verschlingen wird. Keine Hoffnung haben auf einen festen Ort. Keine Zuversicht, dass wir aus dem Flusse unseres Lebens das feste Ufer der Ewigkeit erreichen können, das ist die Krankheit, welche die Völker langsam zum Tode bringt. Aus namenloser Furcht vor dem Dasein erfüllt man es mit viel Betriebsamkeit. Wie soll uns geholfen werden ohne einen ewigen Grund zur Freude? Und es ist nur jene Freude, dass die Zeit geborgen ist in der Ewigkeit. Schon wissen es manche Staatsmänner, dass gottlose Völker mit keiner Kunst der Politik zu bewahren sind. Schon wissen es manche Ärzte, wie ohnmächtig ihre Kunst am Kranken ist, wenn das Leben von der schwersten Krankheit ergriffen wird, von der Hoffnungslosigkeit, die keine Antwort hat auf die Frage: Wozu bist du auf Erden? Der Christ findet die Rettung aller Angst in der Heilsgewissheit des Glaubens an den Gekreuzigten und Auferstandenen: „Wenn Gott für uns ist, wer ist dann wider uns? Wird denn der, der seinen eigenen Sohn nicht geschont, sondern ihn für uns dahingegeben hat, uns mit ihm nicht auch alles andere schenken? Christus Jesus, der gestorben, nein, der auferweckt ist, der auch zur Rechten Gottes sitzt, er tritt für uns ein. Wer will uns trennen von der Liebe Christi? Glorreich überwinden wir in allem durch die Hilfe dessen, der uns geliebt hat.“ Unser Herr selber wollte, dass die Freude, wie er sie hatte, auch in den Herzen der Seinigen sei. „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Drittens. Was heißt: mit Christus auferstehen? Das heißt: „in der Gemeinschaft seiner Leiden“ zur Kraft seiner Auferstehung, zum Triumph über die Schwäche und die Todesläufigkeit der Natur zu gelangen. Eine andere Lösung des schmerzlichsten aller Welträtsel, als Jesus sie in den drei blutigen Stunden am Kreuze gab, ist dem Menschen versagt. Damals hat der Gottmensch alles Zucken des Körpers und alles Erbeben der Seele vor den Vater gebracht, auf dass die Sünde ihren ersten Todesstoß gegen die Menschen zurückempfange. Seitdem der Herrlichste als Gottes und der Menschen Knecht gelitten hat, ist eine göttliche Kraft auch im Leiden, wenn Jesus lebt, damit wir „in der Gemeinschaft seiner Leiden“ stehen können. Die rechte Bewährung unserer Christlichkeit zeigt sich erst im Leiden mit und in Christus. Dann aber ist es auch ein Leiden mit dem Blick auf das leere Grab. War Jesus nur der schuldloseste und tragsamste unter den blutenden Helden der Weltgeschichte, so geben wir ihm seinen Dornenkranz zurück, bewundernd, mitfühlend, aber unerlöst. Nur ein Christus, der vom Grabe erstanden ist und jedes Menschenleben mitlebt, der wahrhaft bei uns ist alle Tage, lässt uns den Schmerz der Welt und unseren Teil an ihm verstehen und als geheiligt durch die Gemeinschaft mit dem Christusleiden ertragen.

Viertens. Auferstehen mit Christus heißt zuletzt mit ihm verklärt und verherrlicht werden. Die tiefste Sprache der Schöpfung ist ein einziger Seufzer nach Erlösung, nach Wiederkehr des Urstands, zu dem Gottes Werde! sie gerufen hat. Die Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes befreit zu werden. Die Völker vor Christus ersehnten den großen Tag der Verklärung. Die Urchristen, die Apostel, die Kirchenväter verkünden unablässig ihre Erwartung. Es wird nach Christi Verheißung ein neuer Himmel und eine neue Erde sein, in denen Gerechtigkeit wohnt. Der auf dem Throne sitzt, spricht: Siehe, ich mache alles neu. Die Hoffnung ungezählter Jahrtausende auf einen göttlichen Bezwinger des Todes hat sich erfüllt in der Auferstehung des Herrn. In seiner Glorie liegt die Bürgschaft für die Verwandlung der Schöpfung in den Zustand der Verklärung. Wir haben die Verheißung, wir dürfen vertrauen, dass sie sich erfülle. Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören. Und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes. Nicht nur in unserer Zeit, immer und allezeit war es den Menschen zumute, als pilgerten sie abendwärts wie die beiden auf dem Weg nach Emmaus. „Ihre Augen waren gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten.“ Jesus tritt zu ihnen. Was sind das für Reden, warum seid ihr traurig? Die mutlosen zwei verzweifelten an dem, der doch zwischen ihnen wanderte. Er rüttelte ihre Gemüter auf zur Erkenntnis der göttlichen Pläne: O ihr Toren und Mattherzigen! Das wird immer das Bild entmutigter Zeiten der Christenheit sein: gehaltene Augen, Zweifel, fast Irre-werden an dem geglaubten Auferstandenen, der doch selig nahe, ob auch unerkannt, mit ihnen pilgert. Heißen wir ihn bei uns bleiben und bleiben wir bei ihm! So steht, auch wenn es Abend wird, die Ostersonne allezeit über uns.

Amen. 

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