Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. Januar 2021

Jesus, der Sieger über die Dämonen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Welt ist Gottes Schöpfung. Sie wird von seiner weisen und gütigen Vorsehung durchwaltet. Dennoch steht die Welt in der gegenwärtigen Zeit unter dämonischen Einflüssen und ist darum böse. Satan, der Widersacher Gottes, ist der „Fürst (oder Gott) dieser Welt“ (Joh 12,31; 2 Kor 4,4). Er kann Jesus die Herrschaft der Welt anbieten, weil sie ihm, Satan, „übergeben ist“ (Mt 4,8f. = Lk 4,5-7). Satan macht unausgesetzt seinen unheilvollen Einfluss auf die Welt geltend. Er ist der Urheber allen Unheils (Mk 1,28). Seinem Einfluss unterstehen auch die Jünger Jesu, und zwar nicht bloß in der Gestalt der Verfolgung, sondern auch der Verführung. Er will sie zu Fall bringen (Lk 22 3,31). Beim Letzten Abendmahl spricht Jesus den Petrus an: Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt. Auch die Kirche unterliegt ihm, obgleich sie das Reich des Menschensohnes ist (Mt 13,24-30; 36-43). Dass die Person Jesu zum Widerspruch reizt und zum Ärgernis für die Menschen werden kann, dass das Evangelium, die Heilsbotschaft, Hass erzeugt (Mt 10,34), und die Jünger um ihres Bekenntnisses zu Jesus willen verfolgt werden, beweist, dass die Welt böse ist, dämonisch. Wohl erklärt Jesus, dass mit seinem Kommen Satans Macht grundsätzlich gebrochen ist (Mt 12,25-29) und der Fürst dieser Welt hinausgeworfen wird (Joh 12,31). Trotzdem ist aber sein Einfluss noch nicht ausgeschaltet, weil der gegenwärtige böse Äon immer noch fortbesteht, solange nicht die Gottesherrschaft in ihrer endgültigen Gestalt angebrochen ist.

Die Evangelien sprechen von „unreinen Geistern“, „bösen Geistern“ oder „Dämonen“. Sie haben von bestimmten Menschen Besitz ergriffen, werden aber durch Jesus und seine Jünger von diesen ausgetrieben. Mit der dämonischen Besessenheit sind regelmäßig schwere körperliche und seelische Schädigungen der betreffenden Menschen verbunden, wie Stummheit, Taubheit, Blindheit, schwere Lähmungen, Epilepsie und Tobsucht. Dabei werden diese Krankheiten nur als Folge der dämonischen Besessenheit beschrieben; es wird zwischen Besessenheit selbst und Krankheit deutlich unterschieden. Auch werden nicht alle Krankheiten auf dämonischen Einfluss zurückgeführt.

Nie werden die Besessenen als sittlich schlechte Menschen geschildert. Sie sind vielmehr die wehr- und willenlosen Opfer satanischer Mächte. Es wird auch nie gesagt oder auch nur angedeutet, dass die dämonische Besessenheit Strafe für frühere Sünden ist. Ebenso ist nie die Rede davon, dass die Dämonen ihre Opfer zu sittlich schlechten Taten verführen und ins ewige Verderben stürzen wollen. Dies wird einzig und allein als das Trachten Satans selbst erklärt. Die Dämonen haben, obwohl sie die Gehilfen Satans sind, lediglich die Absicht, die Menschen zu quälen. Darum ist Jesu Kampf gegen sie nicht ein Kampf gegen die Sünde. Judas, der unter teuflischem Einfluss Jesus auslieferte (Lk 22,3; Joh 13,27), wird nicht als Besessener dargestellt. Weil die Dämonen die Gehilfen Satans sind, darum sind sie die Feinde Gottes und der Menschen. Das Unheil, das sie anrichten, widerspricht Gottes Willen. Sie werden nicht als göttliche Strafengel dargestellt – wie im Judentum. Die Dämonenaustreibungen Jesu und seiner Jünger gehören zu seinem Kampf gegen die Satansherrschaft. Das Auffallendste an den in den (syn.) Evangelien erzählten Fällen von dämonischer Besessenheit ist ihre große Häufigkeit (Mk 1,32; 3,1f.; Lk 8,2f.). Sie erklärt sich aus der Tatsache, dass mit der Ankunft des Messias der Entscheidungskampf zwischen Gott und Satan begonnen hat. Als Jesus im Haus des Petrus weilte, brachten die Bewohner der Stadt alle Kranken und Besessenen zu ihm, und er trieb viele Geister aus. Am See Genesareth stürzten sich die unreinen Geister auf ihn. Unter denen, die Jesus folgten, waren auch einige Frauen, die er von bösen Geistern befreit hatte, so Maria Magdalena, von der sieben Geister ausgefahren waren.

Der Unglaube sieht in der Besessenheit nur verschiedene Formen von Nerven- oder Geisteskrankheiten, vor allem Epilepsie, Hysterie, Tobsucht, manisch-depressives Irresein, Bewusstseinsspaltung. Er behauptet, Jesus habe die beschränkte Anschauung seiner Zeit geteilt und dort teuflisches Wirken gesehen, wo nur natürliche Krankheitszustände vorlagen. Die Erkenntnisse der modernen Psychiatrie und damit die Möglichkeit zur richtigen Beurteilung dieser Fälle hätten ihm gefehlt. Die psychiatrische Erklärung der Berichte der Evangelien erleichtert nicht das Verständnis ihrer überaus großen Häufigkeit. Auch die zahlreichen Heilungen der Besessenen lassen sich ohne die Annahme von Wundern nicht begreiflich machen. Vor allem spricht gegen die psychiatrische Deutung der Besessenheitsfälle das Verhalten der Besessenen Jesus gegenüber. Es begegnet kein einziger Fall doppelten Ich-Bewusstseins, kein Beispiel dafür, dass ein Besessener etwas gegen den Willen des in ihm hausenden Dämons tut. Die Handlungen der Besessenen wie ihre Worte werden vielmehr durchweg als Äußerungen des Dämons dargestellt, dessen Werkzeug diese Menschen sind. Darum wehren sie sich gegen die Annäherung Jesu (Mk 1,23f.; 5,10). Der Mann in der Synagoge mit dem unreinen Geist schrie: „Lass uns! Was haben wir mit dir zu schaffen? Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu vernichten.“ Ein Besessener hauste in den Grabhöhlen. Es war nie gelungen, ihn mit einer Kette zu fesseln. Wenn man ihn zu binden versucht hatte, dann hatte er die Ketten zerrissen und die Fußfesseln zerbrochen; niemand war stark genug, ihn zu binden. Er schrie und zerschlug sich selbst mit Steinen. Als er Jesus von weitem erblickte, lief er auf ihn zu, fiel vor ihm nieder und schrie mit lauter Stimme: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesus, du Sohn des höchsten Gottes? Ich beschwöre dich bei Gott, mich nicht zu quälen.“ Besonders auffällig ist, dass die Besessenen und nur sie Jesus als Messias erkennen und anerkennen. Mk 1,34: In Kapharnaum trieb Jesus viele Geister aus. Aber er ließ sie nicht sagen, dass sie um ihn Bescheid wussten. 3,11: In Galiläa heilte er viele, sodass alle, die irgendein Gebrest hatten, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren. Auch die unreinen Geister stürzten, sich, sobald sie ihn erblickten, auf ihn und schrien: „Du bist der Sohn Gottes.“ Sie bekunden ein höheres Wissen um Jesu Person als ihre ganze Umwelt. Bei den Heilungen der Besessenen ist klar, dass Jesu Wunderkraft von der seelischen Verfassung derer, an denen das Wunder gewirkt wird, gänzlich unabhängig ist. Jesus appelliert bei ihrer Heilung nie an ihren Willen, sondern stets an den in ihnen hausenden Dämon, der ihren Willen knebelt und dadurch jede freie Entscheidung unmöglich macht. Namentlich die Erzählung von der Heilung des Besessenen zu Gerasa (Mk 5,1-20) widersetzt sich einer befriedigenden natürlichen Erklärung. Es wäre verfehlt, diejenigen Züge der Berichte der Evangelien, die sich einer psychiatrischen Erklärung widersetzen, bloß deshalb als „spätere Stilisierung der Überlieferung“ zu verwerfen.

Auch andere Therapeuten außer Jesus nahmen Exorzismen vor. Doch Jesu Umgang mit den Besessenen unterscheidet sich wesentlich von dem in seiner Umwelt üblichen. In seiner Behandlung der Besessenen fehlen die zuerst zu beobachtenden magischen Formeln und Praktiken vollständig. Die Dämonenaustreibung erfolgt einzig und allein durch den „Finger“ oder den „Geist Gottes“ (Lk 11,20; Mt 12,28), durch Jesu bloßes Machtwort, das von bestimmten Formeln unabhängig ist und unbedingte Wirkung hat. Bei der aus der Ferne erfolgenden Heilung der besessenen Tochter der Syrophönizierin (Mk 7,24-30) ist überdies jede unmittelbar psychische Beeinflussung unmöglich. Auch die Erfragung des Namens beim Besessenen von Gerasa (Mk 5,9) soll Jesus nicht, wie der Zusammenhang beweist, erst Macht über den Dämon verschaffen. Die Austreibungen der Dämonen durch Jesus sind darum allein richtig zu verstehen im Zusammenhang mit dem, was die Evangelien über den Kampf zwischen Satan mit dem Gottesreich berichten. Es ist nicht eine Menge einzelner Dämonen, die in der Welt ihr Unwesen treiben, sondern sie bilden nach der Lehre Jesu alle untereinander ein einheitliches Reich, dessen Herrscher Satan ist (Mk 3,23ff.; Lk 10,17-20; 13,11;18). Angefangen von der Versuchungsgeschichte, nach der Satan Jesus zum Abfall von seiner messianischen Aufgabe verleiten wollte (Mt 4,1-11), bis zu der von ihm eingegebenen Tat des Judas (Lk 22,3; Joh 13,27), die Jesu Untergang herbeiführen sollte, ist Satan der Widersacher Gottes, der Gottes Wort aus den Herzen der Menschen wegnimmt (Mk 4,15) und Unkraut unter die Saat des Menschensohnes sät (Mt 13,39). Die Dämonenaustreibungen werden deshalb von den Evangelisten (neben den anderen Wundertaten) als Beweise der göttlichen Macht Jesu angeführt. Ihre Ablehnung und Zurückführung auf ein Bündnis mit dem Satan selbst durch die Pharisäer erklärt Jesu als schwerste, unverzeihliche Sünde wider den Heiligen Geist (Mk 3,28f.). Sie sind nach Jesu eigenem Zeugnis in erster Linie nicht Wohltaten an den Menschen, sondern ein Bestandteil seines Kampfes gegen den „Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31), Satan oder Beelzebul (Mk 3,22f.), den Herrn der Dämonen (Mk 3,27f.; Lk 6,17-19). Satan ist stark. Jesus aber ist der Stärkere; er überwindet den Starken, Satan. Und wenn er durch den Finger Gottes die Dämonen austreibt, so sollte dies von den Juden als der sichtbare Beweis dafür verstanden werden, dass die Gottesherrschaft angebrochen und Satans Herrschaft im Vergehen ist (Mt 12,28=Lk 11,20; Lk 10,18). Johannes berichtet in seinem Evangelium keinen einzigen Fall einer Besessenenheilung. Wohl aber stellt er Satan als den auf das ewige Verderben der Menschen bedachten „Menschenmörder von Anbeginn“ (8,44) und Widersacher Gottes dar. Er hat den Hintergrund aufgedeckt, auf dem die vielen Fälle von Besessenheit bei den drei älteren Evangelien erst verständlich werden: die Wirksamkeit der Macht des Bösen in der Welt, der sich zum „Herrscher dieser Welt“ gemacht hat und den zu überwinden ein Hauptziel in dem Heilswerk Jesu ist. Das Wissen darum kommt in den Worten der Dämonen selbst zum Ausdruck: In der Synagoge von Kapharnaum schrie ein Mensch mit unreinem Geist laut auf: „Was haben wir und du miteinander zu tun, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu verderben. Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.“ Beim letzten und entscheidenden Angriff Satans wird Jesus scheinbar unterliegen. Aber dieser scheinbare Triumph Satans ist paradoxerweise seine endgültige Niederlage (Joh 12,31; 16,11; Hebr 2,14). Er hat durch seinen Tod den zunichte gemacht, der die Macht über den Tod besitzt, nämlich den Teufel. Wir dürfen befreit und freudig sprechen: Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du für uns gestorben bist.

Amen.

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